Gesundheitswesen 2017; 79(03): 174-178
DOI: 10.1055/s-0042-102340
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mehr Prävention durch das Präventionsgesetz in der kinder- und jugendärztlichen Praxis!?

Does the Prevention Act Improve Prevention in Pediatric Outpatient Settings!?
J. Schoierer
1   Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Universität München, München
3   Deutsche Akademie für Prävention und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter, DAPG, Bochum
,
T. Lob-Corzilius
2   Christliches Kinderhospital Osnabrück, Pädiatrische Pneumologie und Allergologie, Osnabrück
3   Deutsche Akademie für Prävention und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter, DAPG, Bochum
,
I. Wermuth
3   Deutsche Akademie für Prävention und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter, DAPG, Bochum
4   Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Klinikum der Universität München, München
,
D. Nowak
1   Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Universität München, München
,
S. Böse-O’Reilly
1   Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Universität München, München
3   Deutsche Akademie für Prävention und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter, DAPG, Bochum
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Publication History

Publication Date:
18 March 2016 (online)

Zusammenfassung

Ziel der Studie: Das Präventionsgesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention [Präventionsgesetz – PrävG] wurde am 18.06.2015 vom Bundestag verabschiedet. Die Kinder- und Jugendarztpraxis ist ein wichtiger Ort, um Kinder und Jugendliche zu erreichen, sie durch gezielte Präventionsleistungen in gesundheitsrelevantem Verhalten positiv beeinflussen zu können, und somit ein wichtiges Setting für die Umsetzung des PrävG. Könnte die Delegation von Präventionsleistungen an qualifizierte medizinische Assistenzberufe eine erfolgreiche Umsetzung des Präventionsgesetzes begünstigen? Durch das Fortbildungscurriculum „Präventionsassistentin“ qualifizieren sich seit 2003 medizinische Assistenzberufe, um das Präventionsangebot in der Kinder- und Jugendarztpraxis zu unterstützen. Ziel der vorliegenden Studien ist es, Effekte dieses Fortbildungscurriculums in Bezug auf einen Kompetenzzuwachs der Teilnehmerinnen, auf die Erweiterung der Präventionsangebote in der Kinder- und Jugendarztpraxis sowie auf eine Entlastung des Arztes zu messen.

Methodik: Wissenschaftlich begleitet wurde das Curriculum durch fortlaufende Evaluationen, sowie 2 umfangreiche Studien aus den Jahren 2009 und 2011. Mittels standardisierter Fragebögen wurden Kursteilnehmerinnen aus den Jahren 2003–2006 (n=126, nach 75% Rücklauf) bzw. 2011(n=119 nach 24% Rücklauf) befragt, in der Befragung von 2011 auch deren Arbeitgeber (n=76, nach 22% Rücklauf).

Ergebnisse: Die Präventionsassistentinnen schätzen ihren Lernerfolg als gut ein und übernehmen seit der Teilnahme am Fortbildungscurriculum delegierbare Präventionsaufgaben in der Kinder- und Jugendarztpraxis. Die Mitarbeit einer ausgebildeten Präventionsassistentin konnte zur Umgestaltung und Neuetablierung des Präventionsangebotes in der Praxis beitragen und begünstigt eine Entlastung des Arztes. 44% der Ärzte empfinden die zeitliche Entlastung durch eine Präventionsassistentin als sehr gut bis gut, 80% der befragten Ärzte geben zudem an, dass die Präventionsassistentin präventive Beratungsgespräche in der Arztpraxis übernimmt.

Schlussfolgerung: Vor dem Hintergrund der Arbeitsbelastung von Pädiatern sowie ihrer eigenen Wünsche und Forderungen, ist eine Delegation von Präventionsleistungen an geschultes Personal für eine zielführende Umsetzung des PrävG notwendig und durch eine Präventionsassistentin auch möglich. Dafür müssen allerdings auch notwendige Abrechnungsziffern im GOÄ geschaffen werden analog zur Zahngesundheitsprophylaxe.

Abstract

Aim of the study: The Prevention Act was adopted by the German Federal Parliament on 18.06.2015. The paediatric practice is an important place from which to reach out to children and teenagers and to positively influence them through targeted prevention services in their health-related behaviour. It is therefore an important setting for the implementation of the Prevention Act. Could the delegation of prevention services to qualified medical assistants promote the successful implementation of the Prevention Act? Since 2003, medical assistants have qualified as “Prevention Assistants” after completing training courses and offered support in preventive services to children and teenagers in the paediatrician’s office. The aim of this study was to improve the effectiveness of the training to increase the competence of the participants, expansion of preventive services for children and teenagers in the paediatrician’s office and reduction of physician workload.

Methodology: Training was accompanied by ongoing evaluation; there were two extensive studies in 2009 and 2011, respectively. Between 2003 and 2006 (n=126, after 75% response rate) and in 2011 (n=119 after 24% response rate), participants were assessed with standardized questionnaires, and in the survey of 2011, their employers also were interviewed, (n=76, after 22% response rate).

Results: The prevention assistants assess their learning successes as good and are able to take over delegated tasks in the paediatrician’s office. The involvement of a trained prevention assistant contributed to the transformation and re-establishment of prevention offers in paediatrician’s offices and reduced physician workload. 44% of physicians felt that the time saved by prevention assistant was very good or good, 80% of physicians surveyed also indicated that prevention assistants carried out preventive consultations in the doctor's office.

Conclusion: In light of the paediatricians’ workload and their own wishes and demands, and for a targeted implementation of the Prevention Act, it is necessary to delegate preventive services to trained personnel. It is also possible to accomplish this task. It is necessary to introduce billing numbers in the fee schedule for doctors similar to the billing numbers for dental health prophylaxis.

 
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