Einleitung
Patienten mit pulmonalen Erkrankungen leiden regelhaft unter Luftnot, sind rasch müde
und körperlich erschöpft. Daher meiden die meisten Patienten körperliche Anstrengungen
[1 ]
[2 ]. Die zunehmende körperliche Inaktivität führt zu einem Verlust an Muskelmasse [3 ]
[4 ]. Außerdem kommt es durch die sinkende Ausdauerbelastung zu einer immer stärkeren
Umstellung des muskulären Energiestoffwechsels vom aeroben auf den anaerben Stoffwechsel
[5 ]
[6 ]. Die Folge ist eine erhöhte Atemarbeit bei körperlicher Belastung, da für die anearobe
Energiegewinnung (Glykolyse mit erhöhter Laktatproduktion) pro Leistungseinheit wesentlich
mehr ventiliertes Atemminutenvolumen benötigt wird als für den aeroben Stoffwechsel
der oxidativen Phosphorylierung. Diese muskuläre Dekonditionierung mündet oft in einem
erheblichen Verlust an Lebensqualität. In Anbetracht der aktuell vorliegenden Datenlage
besteht längst kein Zweifel mehr daran, dass die Steigerung der körperlichen Aktivität
neben der medikamentösen Standardtherapie ein wesentliches Therapieziel bei chronischen
Erkrankungen der Atmungsorgane darstellen muss [7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]. Es wird daher explizit empfohlen, dass körperliches Training integrativer Bestandteil
des Langzeitmanagements sein soll und der behandelnde Arzt darauf hinwirken muss,
dass der Patient regelmäßig geeignete Maßnahmen des körperlichen Trainings ergreift.
Leider endet ein z. B. im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme begonnenes
körperliches Training oft aufgrund eines fehlenden adäquaten Sportangebotes im ambulanten
Bereich [13 ]. Des Weiteren ist aus trainingswissenschaftlicher und sportmedizinischer Sicht ein
über das in der Regel nur 1 bis maximal 2 × pro Woche stattfindende Lungensportangebot
hinausgehendes regelmäßiges Training mit mindestens 3 Trainingseinheiten pro Woche
wünschenswert [14 ]
[15 ]
[16 ]. Auch in den ATS-ERS-Empfehlungen [17 ] zur pneumologischen Rehabilitation wird eine Trainingsfrequenz von mindestens 3
Trainingseinheiten pro Woche empfohlen.
So wurde ein Ausdauersportprogramm mit pneumologischer und sportmedizinischer Begleitung
als ambulante trainingstherapeutische Maßnahme entwickelt. Körperliche Funktionen
und Belastbarkeit pneumologischer Patienten variieren intra- und interindividuell
erheblich. Gleiches gilt für die Effekte von Bewegungsinterventionen. Vor diesem Hintergrund
wurde der Nutzen einer sportmedizinischen Leistungsdiagnostik nach Standards der DGSP
in Kombination mit den aktuellen Empfehlungen für Belastungsuntersuchungen in der
Pneumologie der DGP [18 ] für eine optimale individuelle Trainingssteuerung und Beurteilung der Leistungsfähigkeit
überprüft.
Methode
In einem deskriptiven Ansatz wurden die Auswirkungen eines 12-wöchigen ausdauerbetonten
Trainings bei pneumologischen Patienten auf Symptome, funktionelle Kapazität, Körperzusammensetzung
und Lebensqualität untersucht. Die Studie fokussierte die Struktur-, Prozess- und
Ergebnisqualität des Ausdauersportprojekts als ambulante nicht-medikamentöse Therapiemaßnahme
bei Patienten mit pneumologischer Grundkrankheit.
Das Ausdauersportprogramm erfolgte unter der Leitung eines Facharztes für Pneumologie
mit der Zusatzbezeichnung Sportmedizin und ausreichend Erfahrung im Bereich der Leistungsdiagnostik
(DGSP-qualifizierter Arzt mit entsprechendem Zertifikat).
Auf das Sportprojekt wurde mittels Aushang und Flyer in der pneumologischen Ambulanz
des Helios Klinikums Emil von Behring, Trägerklinik der Lungenklinik Heckeshorn, aufmerksam
gemacht und auf diese Weise potenzielle Teilnehmer rekrutiert. In das Sportprogramm
eingeschlossen wurden interessierte und motivierte Patienten mit einer klinisch stabilen
Lungenerkrankung. Die konsekutiv rekrutierten Patienten wurden über die diagnostischen
Methoden und die sporttherapeutische Maßnahme im Rahmen des Sportprojekts aufgeklärt.
Die schriftliche Zustimmung der Patienten war Voraussetzung für die Aufnahme in dieser
Machbarkeitsstudie. Die Studie wurde der Ethikkommission der Charité-Universitätsmedizin
Berlin vorgelegt und genehmigt (EA 2/56/11).
Zunächst wurde in einer Eingangsuntersuchung der aktuelle Gesundheitszustand überprüft
und gleichzeitig eine Sporttauglichkeitsprüfung gemäß der S1-Leitlinie der Deutschen
Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) vorgenommen [19 ]. Das Untersuchungsprogramm dieser Basisuntersuchung setzte sich wie folgt zusammen:
Anamnese (standardisierter Fragebogen für den Sportler der DGSP, standardisierter
Erhebungsbogen „Sportärztlicher Anamnese- und Untersuchungsbogen“ der DGSP)
ausführliche körperliche Untersuchung
apparative Untersuchungen:
Spirometrie/Ganzkörperplethysmografie/CO-Diffusionskapazität (Master Screen® Body/Diffusion, Care Fusion, Hoechberg, Deutschland); alle gesammelten Lungenfunktionsparameter
wurden als Prozent des individuellen Sollwertes (% des Soll) angegeben, welche sich
aus den Regressionsgleichungen zur Referenzwertberechnung von Quanjer u. Mitarb. [20 ] sowie Cotes u. Mitarb. [21 ] ergaben.
Ruhe-Elektrokardiogramm (EKG)
Ruhe-Blutgasanalyse (ABL 800 FLEX, Radiometer GmbH, Willich, Deutschland)
1. Belastungsuntersuchung : Spiroergometrie (MasterScreen® CPX, CareFusion, Hoechberg, Deutschland) mit progressivem Rampenprotokoll auf einem
Fahrradergometer (Excalibur Sport, Lode B.V. Groningen, Niederlande) inkl. EKG und
Blutgasanalysen unter Belastung; mit dem Ziel einer möglichst optimalen und artefaktfreien
EKG-Ableitung erfolgte diese 1. Belastungsuntersuchung bei allen Patienten auf dem
Fahrradergometer.
Bei erteilter Sporttauglichkeit wurden nach Ablauf von 14 Tagen in einer 2. Belastungsuntersuchung (1. Leistungstest) mittels Laktatstufentest und Spiroergometrie die individuellen
ventilatorischen (VT1 + VT2) und metabolischen (Laktat-) Schwellen (LT1 + LT2) gemäß
den Empfehlungen des Positionspapiers der Arbeitsgemeinschaft Spiroergometrie ermittelt
[22 ]. Diese 2. Belastungsuntersuchung erfolgte „sportartspezifisch“: Entschied sich der
Patient für ein Trainingsprogramm auf dem Fahrradergometer, absolvierte er den Laktatstufentest
auf dem Fahrradergometer (Excalibur Sport, Lode B.V. Groningen, Niederlande), fiel
die Wahl auf ein Lauf- bzw. Walkingtrainingsprogramm, wurde der Stufentest auf dem
Laufband (pulsar® 3 p, h/p/cosmos, Nussdorf-Traunstein, Deutschland) durchgeführt. Am Ende einer jeden
Belastungsstufe erfolgte eine Selbsteinschätzung der Belastungsluftnot mittels modifizierter
Borg-Skala (RPE) [23 ]
[24 ]
[25 ]. Aus den Ergebnissen des 1. Leistungstests (Laktatschwellen LT1 + 2, ventilatorische
Schwellen VT1 + 2, Einschätzung des Luftnotempfindens nach Borg) wurden die persönlichen
Trainingsbereiche abgeleitet ([Tab. 2 ]) und ein 12-Wochen-Trainingsplan mit ≥ 3 Trainingseinheiten à 20 – 60 min pro Woche
erstellt (wahlweise Fahrradergometertraining oder Laufen/Walking) ([Tab. 3 ] und [Tab. 4 ]). Das Training auf dem Fahrradergometer wurde entweder daheim oder im Sportstudio
durchgeführt. Das Lauf- und Walkingtraining fand in der Regel im Freien statt, wahlweise
auf einem Laufband im Sportstudio. Sämtliche Trainingseinheiten erfolgten in Eigenregie
und wurden vom Patienten in einem persönlichen Trainingstagebuch protokolliert. Aus
den Trainingsplänen konnten die Patienten die Trainingsintensität und die Trainingsdauer
entnehmen. Für sämtliche Fragen rund um das Training stand der Studienleiter telefonisch
zur Verfügung.
Tab. 1
Deskriptive Daten des pneumologischen Patientenkollektivs im Ausdauersportprogramm
(n = 31).
Parameter
Weibliche Patienten (n = 12)
Männliche Patienten (n = 19)
Gesamt (n = 31)
Biometrie
Alter (Jahre)
50,0 ± 3,2
50,1 ± 17,4
50,4 ± 15,1
Größe (cm)
167,3 ± 4,0
180,0 ± 6,1
175,0 ± 8,2
Gewicht (kg)
67,7 ± 10,6
86,1 ± 10,8
78,9 ± 13,9
BMI (kg/m2 )
24,2 ± 3,4
26,6 ± 3,0
25,6 ± 3,3
FFMI
17,8 ± 1,5
20,6 ± 2,1
19,6 ± 2,3
Körperfett (%)
28,9 ± 6,9
22,3 ± 3,1
24,8 ± 5,8
Lungenfunktion
FEV1 (% Soll)
80,5 ± 15,6
87,8 ± 27,4
85,0 ± 23,5
IVC (% Soll)
95,1 ± 19,6
98,8 ± 16,2
97,3 ± 17,4
TLC (% Soll)
106,7 ±20,4
106,4 ± 15,7
106,5 ± 17,3
DLCO (% Soll)
61,4 ± 23,4
79,6 ± 20,0
72,5 ± 22,8
Diagnosen
Chronische Sarkoidose (Röntgen-Typ I/II/III/IV)
6 (50 %) [3/2/0/1]
9 (47,4 %) [5/2/1/1]
15 (48,4 %) [8/4/1/2]
COPD (GOLD-Stadium I/II/III/IV)
1 (8,3 %) [1/0/0/0]
4 (21,1 %) [2/1/0/1]
5 (16,1 %) [3/1/0/1]
Asthma bronchiale
1 (8,3 %)
1 (5,3 %)
2 (6,5 %)
Lungenkarzinom
1 (8,3 %)
2 (10,5 %)
3 (9,7 %)
Lungenarterienembolie (CTEPH)
0 (0 %)
1 (5,3 %)
1 (3,2 %)
Interstitielle Lungenerkrankung (ILE)
3 (25 %)
2 (10,5 %)
5 (16,1 %)
FFMI = Fettfreie-Masse-Index.
Tab. 2
Ableitung der Trainingszonen mit relativer Orientierung an der 2. Laktatschwelle (LT2),
der 1. ventilatorischen Schwelle (VT1) und dem subjektiven Luftnot-/Anstrengungsempfinden
(Borg-Skala) am Beispiel eines Patienten (gewählte Ausdauersportart: Laufen).
Bezeichnung
Erholung (REKOM)
Grundlage (GA1)
Aufbau (GA2)
Entwicklung (EB)
Prozentbereich (LT2)
55 – 70 %
70 – 85 %
85 – 100 %
100 – 110 %
Prozentbereich (VT1)
85 – 100 %
100 – 115 %
115 – 130 %
130 – 140 %
Intensität
leicht
mäßig
mittel
hoch
Borg-Skala [6 ]
[7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[14 ]
[15 ]
[16 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ]
[20 ]
9 – 10
11 – 12
13 – 14
15 – 16
Herzfrequenz (1/min)
106 – 121
121 – 137
137 – 153
153 – 163
Geschwindigkeit (km/h)
4,4 – 6,1
6,1 – 7,9
7,9 – 9,6
9,6 – 10,8
REKOM = Regenerations- und Kompensationstraining, GA1 = Grundlagenausdauer 1, GA2 = Grundlagenausdauer
2, EB = Entwicklungsbereich.
Tab. 3
Exemplarischer 12-Wochen-Trainingsplan (gewählte Ausdauersportart: Laufen/Walken).
(Laufen/ Walken) Start am 04.03.13
1./2./3. Woche
4. Woche „Ruhe“
5./6./7. Woche
8. Woche „Ruhe“
9./10./11. Woche
12. Woche „Ruhe“
Mo.
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Di.
GA1 20/25/30 min
REKOM 20 min
GA1 30/35/40 min
REKOM 20 – 30 min
GA1 40/45/50 min
REKOM 30 min
Mi.
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Do.
Ein/Aus GA1 je 10 min, „Kurz-Intervalle“ 4 x/5 x/6 x 30 sec EB, dazw. 3 min REKOM
REKOM 20 min
Ein/Aus GA1 je 10 min, „Crecendo-Lauf“ GA1 bis GA2 10/15/20 min
REKOM 20 – 30 min
Ein/Aus GA1 je 10 min, „Lang-Intervalle“ 2 x/3 x/4 x 5 min GA2, dazw. 3 min REKOM
REKOM 30 min
Fr.
Gymnastik
Gymnastik
Gymnastik
Gymnastik
Gymnastik
Gymnastik
Sa.
GA1 30/35/40 min
GA1 30 min
GA1 40/45/50 min
GA1 30 – 40 min
GA1 50/55/60 min
GA1 40 min
So.
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ein = Einlaufen, Aus = Auslaufen. REKOM = Regenerations- und Kompensationstraining,
GA1 = Grundlagenausdauer 1, GA2 = Grundlagenausdauer 2, EB = Entwicklungsbereich.
Tab. 4
Exemplarischer 12-Wochen-Trainingsplan (gewählte Ausdauersportart: Radfahren auf dem
Fahrradergometer).
(Fahrrad-Ergometer) Start am 11.03.13
1./2./3. Woche
4. Woche „Ruhe“
5./6./7. Woche
8. Woche „Ruhe“
9./10./11. Woche
12. Woche „Ruhe“
Mo.
GA1 20/25/30 min
REKOM 20 min
GA1 30/35/40 min
REKOM 20 – 30 min
GA1 40/45/50 min
REKOM 30 min
Di.
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Mi.
Ein/Aus GA1 je 10 min, „Kurz-Intervalle“ 4 x/5 x/6 x 30 sec EB, dazw. 3 min REKOM
REKOM 20 min
Ein/Aus GA1 je 10 min, „Crecendo-Fahrt “ GA1 bis GA2 10 /15 /20 min
REKOM 20 – 30 min
Ein/Aus GA1 je 10 min, „Lang-Intervalle“ 2 x/3 x/4 x 5 min GA2, dazw. 3 min REKOM
REKOM 30 min
Do.
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Fr.
Gymnastik
Gymnastik
Gymnastik
Gymnastik
Gymnastik
Gymnastik
Sa.
GA1 30/35/40 min
REKOM 30 min
GA1 40/45/50 min
REKOM 30 – 40 min
GA1 50/55/60 min
GA1 40 min
So.
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ruhetag
Ein = Einfahren, Aus = Ausfahren. REKOM = Regenerations- und Kompensationstraining,
GA1 = Grundlagenausdauer 1, GA2 = Grundlagenausdauer 2, EB = Entwicklungsbereich.
Bei allen Patienten wurde vor Beginn und am Ende des 12-wöchigen Ausdauersportprogramms
eine Bestimmung der Körperzusammensetzung (Differenzierung des Körpergewichts in Muskel-
und Fettmasse sowie Wasseranteil) mittels Bioimpedanzmessung (Nutribox, Data Input
GmbH, Darmstadt, Deutschland) und eine Befragung mit dem SF-36-Fragebogen vorgenommen.
Die abschließende 3. Belastungsuntersuchung (2. Leistungstest) zur Überprüfung der veränderten Leistungsfähigkeit erfolgte unmittelbar
nach Absolvierung des 12-Wochen-Trainingsplans und wurde nach dem gleichen Untersuchungsprotokoll
wie beim 2. Untersuchungstermin durchgeführt.
Die Auswertung aller Daten wurde mit dem Statistikprogramm IBM® SPSS® Statistics 19 für Windows vorgenommen. Bei der deskriptiven Statistik wurden die
kontinuierlichen Variabeln als Mittelwerte ± Standardabweichung angegeben. Eventuelle
Mittelwertunterschiede zweier abhängiger Gruppen (Assessment-Ergebnis in den Dimensionen
Luftnotempfinden, Körperzusammensetzung, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität vor
dem Ausdauersportprogramm vs. Assessment-Ergebnis nach dem Ausdauersportprogramm)
wurden mittels Wilcoxon-Test für Paardifferenzen ermittelt. Grundsätzlich wurde das
Signifikanzniveau eines Ergebnisses bei einem p < 0,05 als signifikant bewertet.
Ergebnisse
Von den ursprünglich 38 Patienten zu Studienbeginn erschienen 3 nicht zur Abschlussuntersuchung,
2 Patienten brachen das Training vorzeitig ab, und 2 Patienten ließen mehrere Trainingseinheiten
ausfallen. Zur Auswertung gelangten somit insgesamt 31 Patienten (12 weiblich, 19
männlich), die das 12-wöchige Ausdauersportprogramm mit mindestens 3 Trainingseinheiten
pro Woche und eigenständiger Protokollierung erfolgreich absolviert hatten. Das mittlere
Alter betrug 50,4 ± 15,1 Jahre. Die deskriptiven Daten, die Lungenfunktionsparameter
und die verschiedenen Krankheitsbilder des konsekutiv eingeschlossenen Patientenkollektivs
sind [Tab. 1 ] zu entnehmen. In der Eingangsuntersuchung zeigte sich lungenfunktionsanalytisch
eine weite Spanne bei den dynamischen und statischen Lungenvolumina (FEV1 27,5 – 134,7 %
des individuellen Sollwertes, IVC 62,3 – 135,6 % des individuellen Sollwertes, TLC
71,4 – 147,7 % des individuellen Sollwertes) sowie bei der Gasaustauschsituation (DLCO
34,0 – 112,9 % des individuellen Sollwertes, DLCO/VA 36,4 – 122,3 % des individuellen
Sollwertes). In der Studie waren Patienten mit obstruktiver Ventilationsstörung, restriktiver
Ventilationsstörung und Perfusions-/Diffusionsstörung vertreten.
Die Effekte des ambulanten Sportprogramms wurden auf die 4 Dimensionen
Luftnot
körperliche Leistungsfähigkeit
Körperzusammensetzung und
Lebensqualität
untersucht.
Beim Luftnotempfinden konnte anhand der Borg-Skala eine signifikante Reduktion der
subjektiv empfundenen Luftnot aufgezeigt werden. Dafür wurde der Borg-Summen-Score
(Summe der Borg-Werte, die während der stufenförmigen Belastung am Ende der 3-minütigen
Belastungsstufe erfragt wurden) aus der 2. Belastungsuntersuchung (1. Leistungstest
mit Laktatstufentest vor Aufnahme des Trainings) mit der 3. Belastungsuntersuchung
(2. Leistungstest mit Laktatstufentest nach Absolvierung des 12-Wochen-Trainingsprogramms)
verglichen (65,7 vs. 62,2, p = 0,013 ) ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Effekte des 12-wöchigen aeroben Ausdauertrainings auf das Luftnotempfinden bei körperlicher
Belastung (Borg-Skala).
Das Ausmaß der körperlichen Leistungsfähigkeit wurde durch das 12-wöchige Sportprogramm
deutlich verbessert. Dies zeigte sich einerseits in einer signifikanten Verbesserung
der Sauerstoffaufnahme bei 4 mmol/l Laktat (24,2 vs. 26,5, p < 0,01 ) ([Abb. 2 ]), anderseits in einer signifikanten Verbesserung der erbrachten Leistung bei 4 mmol/l
Laktat (+ 1,1 km/h, p < 0,018 bzw. + 8,7 Watt, p = 0,019 ) ([Abb. 3 ]).
Abb. 2 Effekte des 12-wöchigen aeroben Ausdauertrainings auf die Sauerstoffaufnahme (VO2 ) bei 4 mmol/l Laktat.
Abb. 3 Effekte des 12-wöchigen aeroben Ausdauertrainings auf die Leistung bei 4 mmol/l Laktat:
Laufen (n = 14): + 1,1 km/h; Rad (n = 17): + 8,7 Watt absolut bzw. + 0,11 Watt/kg.
Durch das körperliche Training erreichte das initial tendenziell übergewichtige Patientenkollektiv
eine Normgewichtigkeit (25,7 vs. 24,3 kg/m2 , p = 0,018 ) ([Abb. 4 ]) und verlor signifikant an Körperfett (24,8 vs. 23,8 %, p = 0,043 ) ([Abb. 5 ]) mit positivem Einfluss auf den Muskelaufbau („fettfreier Massen-Index“ = FFMI:
19,55 vs. 19,67, p = 0,42 ).
Abb. 4 Effekte des 12-wöchigen aeroben Ausdauertrainings auf den Body-Mass-Index (kg/m2 ).
Abb. 5 Effekte des 12-wöchigen aeroben Ausdauertrainings auf den Körperfettanteil (%). BIA = Bioelektrische
Impedanz Analyse.
Bei der standardisierten Erfassung der beiden Grunddimensionen körperliche und psychische
Gesundheit mittels eines krankheitsübergreifenden Messinstrumentes (SF-36-Fragebogen)
offenbarte sich eine signifikant positive Entwicklung auf die subjektiv empfundene
Gesundheit im Sinne einer verbesserten Lebensqualität (körperliche Summenskala: + 9,7
Punkte, p < 0,0001 , SES = 0,81, SRM 1,10; psychische Summenskala: + 4,5 Punkte, p < 0,001 , SES = 0,52, SRM = 0,82).
Diskussion
Ein regelmäßiges Bewegungstraining sollte neben einer optimalen medikamentösen Therapie
integraler Bestandteil der Behandlung von pneumologischen Erkrankungen sein. Es kann
dazu beitragen, Einschränkungen der körperlichen Aktivität, denen ein ungünstiger
Einfluss auf die Prognose zukommt [26 ]
[27 ]
[28 ]
[29 ]
[30 ], langfristig entgegenzuwirken.
Das präsentierte Sportprogramm richtet sich an pneumologische Patienten, die zu einer
Krankheitseinsicht gekommen sind und die Bereitschaft mitbringen, eine Lebensstiländerung
inklusive Aufnahme regelmäßiger sportlicher Aktivitäten vorzunehmen. Da nicht alle
Patienten mit einer Lungensportgruppe (räumlich und inhaltlich) erreicht werden können,
wurde dieses Sportprogramm mit einem individualisierten Trainingskonzept in Eigenregie
entwickelt. Die eher atypische Zusammensetzung des Patientenkollektivs in dieser Studie
ergab sich aus den besonderen lokalen Gegebenheiten, da die Rekrutierung der Patienten
in der pneumologischen Spezialambulanz der Lungenklinik Heckeshorn stattfand. Dies
stellt sicherlich eine gewisse Limitation der Studie hinsichtlich der Übertragbarkeit
auf das übliche Diagnosespektrum z. B. einer Lungenfacharztpraxis dar. Es ist aber
davon auszugehen, dass sich auch in anderen ambulanten pneumologischen Einrichtungen
eine Vielzahl von Patienten für ein solches Sportprogramm findet und unabhängig von
der Grunderkrankung und dem Schweregrad der Erkrankung von einem auf ihre individuellen
körperlichen Fähigkeiten zugeschnittenen Trainingsplan profitieren wird. Weitere multizentrische
Studien mit Einschluss von Patienten aus mehreren pneumologischen Praxen und Ambulanzen
sollten diese Hypothese belegen können.
Für Studienzwecke erfolgte bei allen in die Studie eingeschlossenen Patienten eine
sehr umfangreiche (sportmedizinische) Diagnostik. In der täglichen Praxis kann sich
die Diagnostik für die Überprüfung der Sporttauglichkeit und Ermittlung der optimalen
Trainingszonen an den Empfehlungen der Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention
e. V. und der fachärztlichen Einschätzung des behandelnden Pneumologen orientieren.
So wird sich bei den meisten Patienten ein risikoarmes und dennoch effektives Trainingsprogramm
auch mit deutlich geringerem diagnostischen Aufwand erstellen lassen. Einige Krankenkassen
erstatten ihren Mitgliedern bereits zumindest einen Teil der Kosten für eine sportmedizinische
Diagnostik. Basis dafür sind Verträge mit der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin
und Prävention (DGSP).
Die vorgestellte Machbarkeitsstudie konnte zeigen, dass bewährte diagnostische Methoden
aus der Sportmedizin auch gut bei pneumologischen Patienten anzuwenden sind und sich
dadurch die optimalen Trainingszonen für ein gesundheitsorientiertes Sportangebot
ableiten lassen. Dafür war keine körperliche Ausbelastung notwendig. Die Orientierung
an den Schwellenwerten aus der Leistungsdiagnostik (LT1 + 2, VT1 + 2) und am subjektiven
Luftnot- bzw. Anstrengungsgrad (Borg-Skala) ermöglicht eine praktikable Steuerung
der gewünschten Trainingsintensitäten. Als Steuergrößen dienen Herzfrequenz (Pulsmesser),
Borg-Skala und messbare Belastungsintensitäten (Wattzahl, Geschwindigkeit). Auf dieser
Grundlage ist ein strukturiertes und individualisiertes Ausdauertraining mit selbständiger
Kontrolle durch den Patienten möglich, das sich in dieser Form schließlich als effektive
nicht-medikamentöse Therapiemaßnahme erwies. Bereits ein 12-wöchiges aerobes Ausdauertraining
mit ≥ 3 Einheiten à 20 – 60 min pro Woche (vornehmlich im Grundlagenausdauerbereich
1) konnte signifikante Verbesserungen in allen 4 untersuchten Bereichen (Luftnotempfinden,
körperliche Leistungsfähigkeit, Körperzusammensetzung, Lebensqualität) bewirken. Wenn
Lungenerkrankte ihre große, in der täglichen Alltagsbelastung am häufigsten benötigte
Muskulatur (hauptsächlich große Beinmuskulatur) regelmäßig einem wohldosierten Ausdauertraining
unterziehen, erfolgt durch Adaptationsprozesse auf zellulärer Ebene die gewünschte
Umstellung des muskulären Energiestoffwechsels auf eine zunehmende oxidative Phosphorylierung
(aerober Stoffwechsel). In der Folge kann eine körperliche Leistung mit einer wesentlich
niedrigeren ventilatorischen Antwort erbracht werden. In enger Abstimmung mit dem
behandelnden Pneumologen ermittelt die sportärztliche Diagnostik unter Berücksichtigung
der besonderen Voraussetzungen bei pneumologischen Patienten die individuelle Leistungsfähigkeit,
leitet Empfehlungen zur Trainingssteuerung ab und hilft im Bedarfsfall, Bedenken hinsichtlich
einer Überforderung auszuräumen. Langfristige ambulante Sportprogramme mit individueller
Eigenaktivität und fachlich qualifizierter Anleitung gemäß dem hier vorgestellten
Modell können helfen, die Lücken im Angebot von sporttherapeutischen Maßnahmen zu
schließen und die oftmals nur medikamentös geprägte Therapie chronisch lungenkranker
Patienten um eine wichtige Therapiesäule flächendeckend zu ergänzen.
Unterstützung
Diese Studie wurde durch die Stiftung Oskar Helene-Heim, Berlin, und die Helios Kliniken
GmbH unterstützt.