Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84(01): 13
DOI: 10.1055/s-0042-101176
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erste Hilfe bei Schlaganfall

First Aid with Stroke
C. W. Wallesch
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Publication Date:
15 February 2016 (online)

Die Herausgeber der Fortschritte haben sich entschlossen, in diesem Heft einen Artikel von Nolte und Audebert abzudrucken, der in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift erschienen ist [1]. Die DMW ist Organ der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und nach eigenen Angaben „Deutschlands meistgelesene Fachzeitschrift für Internisten“ [2]. Der Artikel stellt das Wissen dar, über das z. B. der in der Notaufnahme oder im Rettungsdienst tätige Nichtneurologe, aber auch der nicht neurologisch spezialisierte Leser der Fortschritte verfügen sollte, ja muss.

Vom Neurologen wird in der Akutversorgung des Schlaganfalls mehr erwartet, z. B.:

  • Wann ist bei anfallsartigem Schwindel ein Hirnstamm- oder Kleinhirninsult in Betracht zu ziehen und welche Symptome weisen darauf hin?

  • Welche Symptome weisen auf einen Insult im hinteren Stromgebiet hin?

  • Bei welchen Patienten ist potenziell eine mechanische Thrombektomie indiziert?

Das neurologische Basiswissen in der Akutbehandlung des Schlaganfalls wurde kürzlich in den Fortschritten in einem Fort- und Weiterbildungsartikel dargestellt [3]. Die Arbeit gibt wichtige Hinweise, z. B. zur frühen Sekundärprophylaxe. Der Stellenwert der klinischen Untersuchung kommt in dem Artikel von Weber und Nordmeyer, der sich ja explizit der Behandlung widmet, naturgemäß zu kurz. Symptome und klinische Befunde, die auf die hintere Schädelgrube hinweisen, sind Alltagswissen jedes Neurologen. Zu Unsicherheiten in der Notaufnahme kommt es jedoch immer wieder bei Patienten mit akut aufgetretenem Drehschwindel, bei dem nicht weitere Symptome wie eine Skew-Deviation (vertikale Augenfehlstellung) auf die hintere Schädelgrube weisen. Die Problematik des Patienten mit akutem Schwindel in der Notaufnahme ist seit Langem bekannt [4] und in den letzten Jahren auch ausführlich international gewürdigt worden [5] [6] [7] [8] [9].

So haben sich international rasch am Krankenbett durchzuführende Tests durchgesetzt [6] [7], die wenige Untersuchungsschritte zur Okulomotorik umfassen und mit dem Stichwort HINTS abgekürzt werden (HI für head impuls/Kopfimpuls Test, NT für Nystagmus in alle Blickrichtungen, S für Skew Deviation). Mithilfe des Kopfimpulstests (rasche Kopfdrehung nach rechts oder links von 10 – 20 Grad, während der Patient gleichzeitig die Nase des Untersuchers fixieren soll) kann meist eine peripher vestibuläre Schädigung von einer zentralen abgegrenzt werden: Bei einem peripheren Defizit können die Augen wegen des gestörten vestibulo-okulären Reflexes nicht auf dem Blickziel gehalten werden und es kommt zu Korrektursakkaden. Bei einer zentralen Störung ist der Test in über 90 % normal. Der Nystagmus wird zunächst spontan unter der Frenzelbrille betrachtet und dann als Blickrichtungsnystagmus (BRN) in allen Blickrichtungen untersucht. Bei einer peripheren Schädigung sieht man lediglich einen BRN in dieselbe Richtung des Spontannystagmus, also nicht in die Gegenrichtung und nicht vertikal nach oben oder unten. Tritt dies auf, liegen zentral vestibuläre Zeichen vor. Die Skew Deviation wird durch wechselndes Abdecken des einen und anderen Auges untersucht. Kommt es beim Freigeben eines Auges zu vertikal-diagonalen Einstellbewegungen des Auges zur Korrektur, liegt eine zentrale Störung vor. Weiterhin ist die Analyse der Blickfolge hilfreich, die bei zentralen Störungen nicht mehr glatt, sondern sakkadiert ist [9]. Die so durchgeführte Differenzierung zwischen peripher-labyrinthärem und zentral-vestibulärem Schaden ist genauer als eine MRT-Untersuchung [6] [8].

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Prof. Dr. med. C.-W. Wallesch