Aktuelle Dermatologie 2016; 42(06): 221-223
DOI: 10.1055/s-0042-100586
Das Histologische Quiz
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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B. Burgard
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
,
T. Vogt
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
,
C. S. L. Müller
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
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Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. Cornelia S. L. Müller
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie
Universitätsklinikum des Saarlandes
Kirrberger Straße 1
66421 Homburg/Saar

Publication History

Publication Date:
10 June 2016 (online)

 

Anamnese und klinischer Befund

Im August 2011 stellte sich eine damals 43-jährige Patientin in unserer dermatologischen Hochschulambulanz vor. Die Patientin war türkischer Abstammung und konnte sich in der deutschen Sprache nicht verständigen. Daher war die Anamneseerhebung nur sehr eingeschränkt möglich. Erst nach intensivierter Anamnese mit einem Dolmetscher gab die Patientin zu, sich vor ca. 2 Wochen bei einer häuslichen Schlachtung eines Schafes im Badezimmer der Familie Schnittverletzungen an der rechten Palma sowie am Zeigefinger der rechten Hand zugezogen zu haben. Eine Woche später seien an diesen Stellen blasige Veränderungen aufgetreten, die eine zunehmende Größenprogredienz zeigten. Eine Fieberepisode trat ebenfalls auf sowie zunehmend ziehende Schmerzen im Bereich des rechten Arms.


Klinischer Befund

Klinisch zeigte sich bei dermatologischer Erstvorstellung palmar rechts ein 1 × 1 cm großer und am Digitus II der rechten Hand ein ca. 5 × 5 mm großer livider Knoten mit entzündetem gerötetem Hof und putrider Exsudation ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Klinisch zeigte sich palmar rechts ein 1 × 1 cm großer und am Digitus II der rechten Hand ein ca. 5 × 5 mm großer livider Knoten mir zentraler Aufhellung, gerötetem umgebenden Ring und putrider Sekretion.

Histologie

Histologisch zeigte sich in akraler Haut ein ausgedehntes Papillarkörperödem. Im Blasenlumen ausgedehnt Granulozyten und Fibrin. Die Keratinozyten am Blasenboden in Richtung Blasenlumen akantholytisch abschwimmend. Immer wieder Zeichen der Virusinfektion nachweisbar mit Hypergranulose und Koilozytose sowie Nachweis von eosinophilen Einschlusskörperchen. Begleitend ein recht dichtes granulozytenreiches Entzündungsinfiltrat. Kein Pilznachweis in der PAS-Färbung ([Abb. 2 a] und b).

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Abb. 2 a Deutliche epidermale Hyperplasie der akralen Haut mit ausgeprägtem Papillarkörperödem und Fibrinablagerungen. b Neben einem dichten, floride suppurativem Entzündungsinfiltrat finden sich akantholytische Keratinozyten sowie ballonierte Keratinozyten mit eosinophilen Einschlüssen (Pfeile).

Wie lautet Ihre Diagnose?

(Auflösung nächste Seite)


Auflösung

Diagnose: Ecthyma contagiosum.


Erweiterte Diagnostik: Laborchemisch fanden sich eine akute Entzündungsreaktion mit erhöhtem C-reaktivem Protein (CRP) mit 22,4 mg/l (Norm < 5 mg/l) sowie eine diskrete Leukozytose von 11,3 × 10^9/l (Norm 4 – 10 × 10^9/l). In einer serologischen Untersuchung aus Blut der Patientin konnten Antikörper gegen Parapockenvirus nachgewiesen werden. In der Sequenzierung des Parapockenvirus zeigte sich DNA des Orf-Virus. Es erfolgte zudem ausschlusshalber eine serologische PCR-Untersuchung auf Bacillus anthracis, diese war negativ. Im Wundabstrich der Haut konnten zudem Staphylococcus aureus und Enterococcus faecalis i. S. e. bakteriellen Superinfektion nachgewiesen werden.


Therapie: Wir therapierten aufgrund der nachgewiesenen bakteriellen Superinfektion mit Penicillin und Ciprofloxacin über 7 Tage. Die Läsionen heilten unter einer lokalen antiseptischen Therapie mit Polyhexanid-haltiger Lösung narbenlos ab. Eine spezifische antivirale Therapie war nicht notwendig.


Kommentar: Beim Ecthyma contagiosum handelt es sich um eine gutartig verlaufende, selbstlimitierende Zooanthroponose, die durch eine Kontaktinfektion mit an epitheliotropen Parapoxviren erkrankten Tieren hervorgerufen wird. Es handelt sich beim Orf-Virus um ein ds-DNS-Virus, welches zum Parapoxvirus-Genus der Chordopoxvirinae-Subfamilie und Poxviridae-Familie gehört [1]. Orf-Virus befällt a priori kleine Wiederkäuer (Schafe, Ziegen). Zunehmend wird jedoch eine Ausweitung der infizierten Wirtstiere beobachtet: Katzen, Rentiere, Kamele u. a. [1]. Das Virus ist weltweit endemisch auftretend.

Aufgrund der Neigung des Ecthyma contagiosum zur Selbstheilung wird über die Erkrankung meist nicht berichtet und epidemiologische Zahlen zur Infektion werden als falsch niedrig interpretiert [2] [3]. Beim Menschen können alle Parapoxviren nach einer Inkubationszeit von 3 – 10 Tagen ein identisches Krankheitsbild mit stadienhaftem Verlauf auslösen. Eine Unterscheidung in „Melkerknoten“ (Rinderpocken) und „Orf“ (Schafpocken) wird vor dem Hintergrund des gemeinsam auslösenden viralen Agens (Parapoxviren) nicht mehr vorgenommen [4] [5] [6] [7]. Zunächst tritt ein makulopapulöses Stadium auf, in dem einzelne oder mehrere derbe, elevierte, ca. erbsgroße, blau-rötliche Knoten das klinische Bild bestimmen. Im weiteren Verlauf tritt das Kokardenstadium mit zentraler Rötung, umgebendem weißen Ring und peripherem, entzündlich gerötetem Hof sowie einer serösen Exsudation auf. Die Hautveränderung geht anschließend in eine trockene, mit gelblich-schwarzer Kruste bedeckte Papel über, die sich oberflächlich papillomatös umwandelt. Ab der 6. Woche bildet sich die Papel zurück und die Läsion heilt narbenlos ab [8] [9]. Neben dem typischen klinischen Verlauf können auch systemische Symptome wie Lymphadenopathien, Erythema multiforme und Fieber, aber auch Erysipelas-artige Läsionen beobachtet werden [9] [10].

Eine Übertragung der Infektion von Mensch zu Mensch ist bislang nicht beschrieben [7]. In den meisten Fällen treten die Hauteffloreszenzen an den Unterarmen und Händen, selten an der Gesichtshaut auf [4] [5] [8] [9]. Eine Infektionsimmunität wird typischerweise nicht aufgebaut, eine Vakzine existiert bis dato nicht [1] [9]. Re-Infektionen sind daher möglich. Das Orf-Virus verbleibt typischerweise am Ort der Infektion, zu einer systemischen Dissemination kommt es nicht [1].

Hautinfektionen durch Parapoxviren weisen unabhängig vom auslösenden Virusgenus (Melkerknoten, Orf, andere Tierpocken) eine charakteristische Histopathologie auf. Auf Basis der Histomorphologie lässt sich das auslösende Virus jedoch nicht bestimmen [6, 11]: Typische Befunde umfassen Hyperkeratose und Ballonierung von Keratinozyten in den oberen Epidermislagen. Eosinophile Einschlüsse sind sichtbar innerhalb dieser ballonierten Keratinozyten. Begleitend besteht ein gemischt-zelliges Entzündungsinfiltrat mit variablen Granulozyten. Im Gegensatz zum Melkerknoten wird beim Orf wohl häufiger eine komplette Epidermisnekrose beobachtet [6] [12]. Bislang existiert kein kommerziell erhältlicher Antikörper für die Immunhistochemie am formalinfixierten, paraffinierten Gewebe, wenngleich ein monoklonaler Antikörper gegen ein Protein des Orf-Virus (ORFV059) bereits existiert, der für eine Vielzahl immunologischer Assays eingesetzt werden kann [6] [13].

Die Diagnose stützt sich auf die Anamnese, in erster Linie Kontakt zu infizierten Tieren, und den stadienhaften Verlauf des Krankheitsbildes [6] [8]. Die Diagnose kann durch eine Hautbiopsie sowie den direkten Virusnachweis durch Elektronenmikroskopie, Zellkultur, PCR oder serologische Diagnostik gesichert werden [4] [5] [6]. Als Differenzialdiagnosen müssen das Granuloma pyogenicum, eine Tularämie, Milzbrand sowie Malignome der Haut und Hautanhangsgebilde abgrenzt werden. Die Therapie erfolgt aufgrund des selbstlimitierenden Verlaufs überwiegend symptomatisch und/oder antiseptisch. Erst bei Auftreten von bakteriellen Superinfektionen, insbesondere bei immunsupprimierten Patienten, sollte eine antibiotische Therapie eingeleitet werden. Erfolgreiche topische Therapieversuche mit Imiquimod, auch bei klinisch großen Läsionen immunsupprimierter Patienten, wurden in der Literatur bereits beschrieben [14] [15].




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Abb. 1 Klinisch zeigte sich palmar rechts ein 1 × 1 cm großer und am Digitus II der rechten Hand ein ca. 5 × 5 mm großer livider Knoten mir zentraler Aufhellung, gerötetem umgebenden Ring und putrider Sekretion.
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Abb. 2 a Deutliche epidermale Hyperplasie der akralen Haut mit ausgeprägtem Papillarkörperödem und Fibrinablagerungen. b Neben einem dichten, floride suppurativem Entzündungsinfiltrat finden sich akantholytische Keratinozyten sowie ballonierte Keratinozyten mit eosinophilen Einschlüssen (Pfeile).