Das Bettenmanagement gestaltet sich in Deutschland vielfältig. Prozesse, wie die Beschaffung,
Aufbereitung, Instandhaltung, Lagerung oder Entsorgung kommen in der deutschen Kliniklandschaft
in den verschiedensten Umsetzungsvarianten vor. Betrachtet man die Bettenaufbereitung,
so ergeben sich verschiedenste Ausprägungen der Organisation, Koordination und Durchführung
(Abbildung 1).
Die Relevanz des Bettenmanagements wird im OECD-Ländervergleich deutlich. So weist
Deutschland die höchste Krankenhausentlassungsrate auf, welche mit hohen Anforderungen
an Aufbereitung und Instandhaltung von Krankenhausbetten verbunden ist.1 Organisation und Workflow richten sich nach den lokalen Voraussetzungen und unterliegen
der Entscheidung des Trägers, des Managements sowie der Ausführenden. Faktoren wie
Bettenbestand, Baukörper und Transporttechnik nehmen zusätzlich entscheidenden Einfluss.
Das Bettenmanagement gewinnt im Zuge steigender Fallzahlen und sinkender Verweildauern
(Abbildung 2) weiter an Bedeutung, da sich hieraus eine entsprechend erhöhte Umschlaghäufigkeit
der Krankenhausbetten ergibt.
Dieser Trend wird sich laut Experten in den nächsten Jahren weiter fortsetzen; so
wird gemäß RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung mit einer durchschnittlichen
Verweildauer (VWD) von 6,2 Tagen bzw. einer Steigerung der Fallzahlen um 6 Prozent
im Jahre 2030 gerechnet. Die damit verbundene Bereitstellung und Instandhaltung von
Krankenhausbetten verlangen daher eine nachhaltige Effizienzsteigerung des Bettenmanagements.
Thomas Weyers (Pflegedirektor der St. Josef Krankenhaus GmbH Moers) kann das nur bestätigen
und weist darauf hin, dass auch „heute schon die zeitgerechte Aufbereitung eines hygienisch
einwandfreien Bettes im Rahmen des Belegungsmanagements elementarer Bestandteil der
Versorgungsstruktur ist“.
Abb. 1, (Krankenhäuser in Prozent) Wie erfolgt die Bettenaufbereitung? Ergebnisse einer Kurzbefragung zur Bettenaufbereitung
(Quelle: Dr. Matthias Offermanns (DKI))
Das Projekt Bettenmanagement 4.0
Das Projekt Bettenmanagement 4.0
Im Rahmen des, aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE),
geförderten Projektes „Bettenmanagement 4.0: Mehr Sicherheit und Ressourcen durch
Bettenmanagement 4.0 im Krankenhaus“ wird eine ganzheitliche, lebenszyklus- und bedarfsorientierte
Prozessoptimierung im Krankenhaus angestrebt. Damit sollen bestehende Ressourcen geschont,
die Sicherheit für Krankenhausmitarbeiter und Patienten erhöht sowie die Logistik
im stationären Gesundheitssektor gestärkt werden. Konkret erfolgt die Umsetzung durch
eine bedarfsgerechte und herstellerunabhängige IT-Systemlösung.
Als Anwender stehen die beiden Krankenhäuser St. Marien-Hospital Mülheim an der Ruhr
und St. Josef Krankenhaus Moers als assoziierte Partner zur Verfügung. Dort sollen
die Lösungen implementiert und getestet werden. Die Konsortialführung übernimmt die
medmehr GmbH, die Services für das Gesundheitswesen anbietet. Dr.-Ing. Mandana Banedj-Schafii
erklärt ihre Motivation, das Projekt ins Leben gerufen zu haben damit, dass „medmehr
als technischer Dienstleister in langjähriger Erfahrung angesichts der aktuellen Situation
in vielen Krankenhäusern einen hohen Bedarf für ein leicht umsetzbares, funktionierendes
Schnittstellenmanagement rund um das Krankenhausbett sieht“.
Abb. 2 Entwicklung der Fallzahl und der durchschnittlichen Verweildauer von 1998 – 2018
(Quelle: Fallzahl:https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157058/umfrage/fallzahlen-in-deutschen-krankenhaeusern-seit-1998/;
VWD:https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2604/umfrage/durchschnittliche-verweildauer-im-krankenhaus-seit-1992/
(Statista))
Zu den Verbundpartnern zählen die Hochschule Niederrhein, die Fachhochschule Dortmund,
das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) und die Ruhr-Universität Bochum. Assoziierte
Partner sind neben den genannten Krankenhäusern die beiden Fachverbände „Wissenschaftliche
Gesellschaft für Krankenhaustechnik“ (WGKT) und die „Fachvereinigung Krankenhaustechnik“
(FKT).
Bedarfsanalyse
Im Zuge strukturierter Ist-Erhebungen mehrerer stationärer Gesundheitseinrichtungen
wurden erhebliche Verzögerungen klinischer Prozessabläufe erkannt, die u.a. auf eine
uneinheitliche (d.h. auch hausintern unterschiedliche) Prozessgestaltung der Bettenaufbereitung
zurückgeführt werden konnten. Eine quantitative Bewertung dieser Situation bzw. der
damit verbundenen Missstände ist nicht vollständig abbildbar, weil die hierzu erforderlichen
Zeitstempel häufig fehlen. Derartige Probleme konnten bereits in der Vergangenheit
durch Untersuchungen der Hochschule Niederrhein aufgezeigt werden, bei denen selbst
Krankenhäuser mit einem Logistikleitstand eine zum Teil hohe Zahl von fehlerhaften
Zeitstempeln im Bettentransport aufwiesen.
Für ein funktionierendes, an den Bedarf angepasstes Bettenmanagement fehlt im Weiteren
meist,
-
die aktuelle Lokalisation aller (verfügbaren) Betten,
-
der aktuelle Zustand/Status, wie z.B. belegbar, verschmutzt, in Instandhaltung,
-
Echtzeit-Kommunikation über die Entlassung und Koordination der Bettenaufbereitung.
Die Hauptfunktionen des Systems:
-
raumgenaue Lokalisierung,
-
Informationen über den aktuellen Bettenzustand,
-
Anforderung der Bettenaufbereitung in Echtzeit nach Patientenentlassung,
-
Übersicht des Instandhaltungsbedarfs sowie die Möglichkeit der dynamischen Instandhaltungssteuerung
auf Grundlage der Belegungssituation,
-
Schnittstellen zu vorhandenen CAFM-Systemen (Computer-Aided Facility Management) sowie
Dokumentenmanagementsystemen zur Nachverfolgung von medizintechnischen Dokumenten
und Einweisungsmaterial für Schulungen,
-
strukturierte Bereitstellung von Daten zur Unterstützung operativer und strategischer
Entscheidungen im Lifecycle (d.h. von der Beschaffung bis hin zur Verwertung/Entsorgung).
Weiterhin ist festzustellen, dass sowohl Entscheidungsträger als auch operatives Personal
in vielen Fällen keine Übersicht über den aktuellen Bettenbestand haben. Dies gilt
sowohl in quantitativer (Anzahl verschiedener Typen und Modelle, Bettenüberhang, Reparaturhäufigkeit,
Lifetime-Kosten usw.) als auch qualitativer (z.B. Instandhaltungszustand) Hinsicht.
Konzeptgrafik der IT-System-Lokalisierung(© CCeHealth, Hochschule Niederrhein)
Lösungsvorschlag
Aufbauend auf den Ist-Erhebungen, der damit einhergehenden Schwachstellenanalyse sowie
dem Fachwissen des Projektkonsortiums und weiterer Experten aus den Bereichen der
Medizintechnik, Krankenhauslogistik, Prozessmanagement und Pflege, erfolgte die Ableitung
einrichtungsübergreifender Soll-Prozesse, einschließlich notwendiger Datenquellen
und Datenpunkte (u.a. Zeitstempel, Lagerort, Bettenzustand etc.), technischer Unterstützungssysteme
und Prozessschnittstellen, die neben dem Workflow auch angebundene IT-Systeme berücksichtigen.
Darüber hinaus stellen die Grundanforderungen der Nutzer einen Schwerpunkt dar, um
sowohl eine effiziente Prozessintegration sicherzustellen als auch die Entwicklung
des IT-Systems, bestehend aus Hard- und Softwarekomponenten, zu komplementieren.
IT-System
Das zur Anwendung kommende IT-System soll die Prozesse so unterstützen, dass die relevanten
Nutzergruppen durch die geplanten Funktionen bedarfsgerecht unterstützt werden. Einen
hohen Stellenwert nimmt dabei die Akzeptanz der zukünftigen Nutzer ein. Betrachtet
man die aktuelle Arbeitsbelastung derselben, so ist zwingend jede Form einer Zusatzbelastung,
speziell im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege zu vermeiden. Hierzu werden
durch das Projektkonsortium verschiedenste Möglichkeiten der Mensch-Computer-Interaktion
getestet und evaluiert. Die entwickelte Hardware wird dazu in geeigneter Form mit
dem Bett verbunden. Die Integration bzw. Anmeldung eines Bettes ins System erfolgt
per Plug-and-play und ist damit auch für Mitarbeiter aus dem Service-Bereich ohne
fundierte IT-Kenntnisse unproblematisch durchführbar.
Ausblick
In der Hoffnung auf eine Entspannung der Corona-Pandemie sind erste Testläufe im klinischen
Umfeld zum Ende des Jahres 2021 geplant. Die anhand der Tests gewonnenen Erkenntnisse
sollen im weiteren Verlauf in die Verbesserung nicht nur des IT-Systems, sondern insbesondere
der Soll-Prozesse, einfließen. Hierbei wird der Fokus auf die Validität der verfügbaren
Daten sowie auf die Integration weiterer Datenquellen gelegt. Ein wichtiger Aspekt
stellt ferner die bedarfsgerechte Anpassung und Optimierung der verschiedenen Benutzerschnittstellen
dar. Eine zum Ende der Pilotphase vorgesehene Nutzenbewertung neu gestalteter Prozesse
sowie des IT-Systems selbst soll neben qualitativen und quantitativen Verbesserungen
insbesondere auch die Entlastung in Medizin und Pflege aufzeigen.
1 OECD (2021), Hospital discharge rates (indicator). doi: 10.1787/5880c955-en (Accessed
on 26 April 2021)
Prof. Dr.-Ing. Hubert Otten ist Leiter des Instituts für Health Care Management und
des Competence Center eHealth (CCeHealth) an der Hochschule Niederrhein.
Benjamin Jagusch, B.Sc. leitet das Projekt Bettenmanagement 4.0 im CCeHealth.
Nico Schnee, B.Sc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im CCeHealth.