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DOI: 10.1055/s-0041-110922
Positive Effekte auf den Insulinbedarf – Überzeugende Daten zu Sitagliptin
Publication History
Publication Date:
23 March 2016 (online)
Mit ihrer Forderung nach kardiovaskulären Endpunktstudien haben die US-amerikanische und die europäische Zulassungsbehörde die kardiovaskuläre Sicherheit antidiabetischer Therapiestrategien in den Fokus des Interesses gerückt [ 1 ], [ 2 ]. Dem hat der Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitor (DPP-4-Hemmer) Sitagliptin mit der Präsentation der TECOS[ 1 ]-Studiendaten [ 3 ] Anfang Juni dieses Jahres auf dem Kongress der „American Diabetes Association“ Rechnung getragen – und seine kardiovaskuläre Sicherheit belegt.
Kardiales Risiko ist nicht erhöht
In einem Kollektiv mit 14 674 Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer kardiovaskulären Vorerkrankung war die kardiale Ereignisrate unter der Gabe von Sitagliptin zusätzlich zu einer bestehenden antidiabetischen Standardtherapie nicht höher als unter der Standardtherapie plus Placebo (primärer kombinierter kardiovaskulärer Endpunkt: kardiovaskuläre Todesfälle, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Hospitalisierung aufgrund einer instabilen Angina pectoris). Das Risiko für eine akute Pankreatitis war gering, trat aber numerisch häufiger in der Sitagliptin- als in der Placebogruppe auf. Das Ereignis eines Pankreaskarzinom trat hingegen seltener in der Sitagliptingruppe als in der Placebogruppe auf. Beide Ergebnisse waren statistisch nicht signifikant. Anders als in den zuvor publizierten Studien zu 2 anderen DPP-4-Hemmern [ 4 ], [ 5 ] gab es unter dem DPP-4-Hemmer Sitagliptin nicht mehr herzinsuffizienzbedingte Krankenhauseinweisungen als unter Placebo (3,1 versus 3,1 %; p = 0,98).
Dies gilt laut einer auf dem diesjährigen europäischen Kardiologenkongress in London präsentierten Subanalyse von TECOS auch für Patienten mit einer vorbestehenden Herzschwäche (n = 2600). In dieser Subgruppe lag die Hospitalisierungsrate im Verlauf der 3-jährigen Studie bei 7,4 %, wenn die Patienten Sitagliptin eingenommen hatten, und bei 7,0 % in der Kontrollgruppe (p = 0,86).
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TECOS: Hinweise auf bessere Blutzuckerkontrolle
Die Behandlung beider Studiengruppen war an den jeweils individuellen Zielwerten der Patienten ausgerichtet und sollte in beiden Gruppen, um Effekte aus Unterschieden der Blutzuckerwerte zu minimieren, gleich sein („glycemic equipoise“). Nach 4 Monaten war der HbA1c-Wert der Sitagliptinpatienten um 0,4 Prozentpunkte niedriger als in der Vergleichsgruppe, nach 3 Jahren bestand noch ein Unterschied von 0,29 Prozentpunkten [ 3 ]. Die Patienten im Sitagliptinarm mussten darüber hinaus seltener zusätzliche Antidiabetika einnehmen (1591 versus 2046 Patienten, p < 0,001) und auch weniger häufig eine Insulintherapie beginnen (542 versus 744 Patienten, p < 0,001) [ 3 ].
Vor dem Hintergrund der progressiven Natur des Diabetes mellitus Typ 2 sind diese Hinweise aus TECOS besonders wichtig. Benötigen doch die meisten Typ-2-Diabetiker früher oder später eine Intensivierung ihrer initialen antidiabetischen Behandlung – in der Regel ist dies eine Metformintherapie [ 6 ] – um die glykämische Kontrolle weiterhin zu gewährleisten und damit das Risiko insbesondere von mikrovaskulären Folgeerkrankungen zu minimieren.
Studienergebnisse zu der Effektivität einer Kombination von Sitagliptin und Metformin (Janumet®) gab es bisher nur aus Untersuchungen, die bis zu 104 Wochen dauerten.
Jetzt weisen aktuelle Studiendaten darauf hin, dass sich die positiven Effekte dieser Kombination auf den HbA1c-Wert langfristig – nämlich über einen Beobachtungszeitraum von 5 Jahren – erhalten lassen [ 7 ].
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Auch im Langzeitverlauf effektiv
Derosa et al. veröffentlichten kürzlich eine Studie, in der Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, deren Blutzuckerspiegel unter ihrer aktuellen Monotherapie, bestehend aus Metformin (n = 216) oder einem Sulfonylharnstoff (n = 206) oder Pioglitazon (n = 202) nicht mehr ausreichend kontrolliert war, zusätzlich 100 mg Sitagliptin erhielten. Verglichen wurden diese mit der alters- und geschlechtsadaptierten Kontrollgruppe von 620 Patienten, die auf 3 unterschiedliche Kombinationstherapien eingestellt waren: Sulfonylharnstoff plus Metformin, Pioglitazon plus Metformin oder Pioglitazon plus Sulfonylharnstoff [ 7 ].
Insgesamt waren alle 3 Kombinationstherapien mit Sitagliptin den Vergleichstherapien überlegen. Beispielsweise sanken unter der Behandlung mit Metformin und Sitagliptin die HbA1c-Werte bis zum Studienende signifikant stärker (p < 0,05) als unter der Behandlung mit Metformin und Sulfonylharnstoffen (Abb. [ 1 ]) – bei einer vergleichbaren Reduktion der Nüchtern- und postprandialen Blutzuckerwerte. Ein weiterer positiver Effekt der Metformin-Sitagliptin-Kombinationstherapie war eine geringere Gewichtszunahme der Probanden [ 7 ]. Dies führen die Studienautoren auf einen protektiven Effekt auf die Betazellfunktion von Sitagliptin zurück [ 7 ].


nach [ 7 ]
Gerade vor der progressiven Natur des Diabetes mellitus Typ 2 sei die Erhaltung der blutzuckersenkenden Wirkung über den relativ langen Zeitraum von 5 Jahren ein wichtiges Ergebnis, so das Fazit der Studienautoren [ 7 ].
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Wenn doch eine Therapieeskalation notwendig wird …
Leider reichen orale antidiabetische (Kombinations-)Therapieschemata bei den meisten Patienten mit Typ-2-Diabetes aufgrund der Erkrankungsprogression früher oder später aber nicht mehr aus. Betroffene Patienten werden dann typischerweise auf ein Basalinsulin eingestellt [8]. Doch obwohl Insulin den Blutzuckerspiegel im Vergleich zu allen anderen Therapieoptionen am stärksten senkt, erreichen 40–70 % der Typ-2-Diabetiker unter einer Insulintherapie nicht die angestrebten Zielwerte [ 9 ].
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… ist Sitagliptin ein geeigneter Partner
Eine basalinsulinunterstützte orale Therapie (BOT) kann hier Abhilfe schaffen. In einer aktuellen Studie hat Sitagliptin in dieser Situation jetzt einen insulinsparenden Effekt gezeigt [ 9 ]. Die insgesamt 658 bereits insulinpflichtigen Teilnehmer der Studie wurden nach einer 1-wöchigen Screening- und einer 2 Wochen dauernden Wash-out-Phase nach einem festen Titrationsalgorithmus auf Insulin glargin eingestellt. Zusätzlich nahmen sie randomisiert entweder 100 mg Sitagliptin (n = 295) oder Placebo (n = 303) ein.
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Insulinsparender Effekt beobachtet
Erhielten die Patienten zusätzlich Sitagliptin, benötigten sie nach 24 Wochen rund 20 % weniger Insulin glargin pro Tag (19,0 versus 23,8 IU; p = 0,009) als unter Placebo, um den vorab definierten Zielwert – einen Nüchterblutzuckerwert von 72–100 mg/dl – zu erreichen (Abb. [ 2 ]) [ 9 ]. Dabei war in der Gruppe der Sitagliptinpatienten generell eine bessere Stoffwechseleinstellung zu beobachten. Signifikant mehr Patienten erreichten einen HbA1c-Zielwert unter 7 %, zudem waren die HbA1c-Werte nach 24 Wochen im Schnitt um 0,4 Prozentpunkte niedriger (p < 0,001) [ 9 ]. Bedingt sei diese bessere Kontrolle des Langzeitblutzuckerwertes möglicherweise durch eine Verbesserung der postprandialen Blutzuckerwerte durch den DPP-4-Inhibitor.


nach [ 9 ]
Positiv entwickelten sich unter der Verumtherapie auch die Nüchternblutglukosewerte: Nach der 24-wöchigen Behandlung hatten 77,4 % der Sitagliptinpatienten den definierten Zielwert erreicht, in der Vergleichsgruppe waren dies nur 74,1 % der Patienten. Zudem war der Nüchternblutzuckerwert in der Gruppe der mit Sitagliptin behandelten Patienten nach 24 Wochen um 0,6 mmol/l niedriger als in der Placebogruppe (p ≤ 0,001) – obwohl die Studie auf eine äquipotente Absenkung der Werte ausgerichtet war [ 9 ]. Möglicherweise war es den Patienten der Vergleichsgruppe aufgrund einer höheren Inzidenz an Hypoglykämien nicht gelungen, die Insulindosis hinreichend aufzutitrieren oder die Dosis auf dem titrierten Level zu halten, vermuten die Studienautoren [13].
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Weniger Hypoglykämien trotz strengerer Blutzuckerkontrolle
Denn trotz der etwas strengeren Blutzuckerkontrolle traten – anders als in früheren Studien mit anderen BOT-Kombinationen [ 10 ]–[ 12 ] – in der Sitagliptingruppe weniger Hypoglykämien auf. Nur 28,3 % der Sitagliptinpatienten berichteten von mindestens einer Hypoglykämieepisode, in der Placebogruppe waren dies immerhin 43,8 % (p < 0,001) [9]. Die Gabe einer stabilen Dosis von Sitagliptin mit einer parallelen intensiven Titration eines Basalinsulins dagegen – ein gängiges Konzept in der täglichen Praxis – scheint eine bessere Effektivität bei einem gleichzeitig besseren Sicherheitsprofil der antidiabetischen Behandlung sicherzustellen, so das Fazit der Studienautoren [ 9 ].
Stephanie Schikora, Heidelberg
Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der MSD Sharp & Dohme GmbH, Haar.
Die Autorin ist Redaktionsleiterin und Programmplanerin beim Karl Demeter Verlag im
Georg Thieme Verlag KG.
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1 Trial to Evaluate Cardiovascular Outcomes after Treatment with Sitagliptin
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Literatur
- 1 Department of Health and Human Services, Food and Drug Administartion, Center for Drug Evaluationand Research. Guidance for industry: diabetes mellitus – evaluating cardiovascular risk in new antidiabetic therapies to treat type 2 diabetes. 12/2008 www.fda.fov/downloads/Drugs/GuidanceComplianceRegulatoryInformation/Guidances/ucm071627
- 2 European Medicine Agency, Committee for Medicinal Products for Human Use, Guideline on clinical investigation of medicinal products in the treatment of diabetes mellitus. 01/2010 www.ema.europa.eu/docs/en_GB/dicument_library/Scientific_guideline/2010/02/WC500073570.pdf
- 3 Green J, Bethel MA, Armstrong PW et al. Effect of sitagliptin on cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 586
- 4 Scirica BM, Ghatt DL, Braunwald E et al. Saxagliptin and cardiovascular outcomes in patients with type 2 diabetes mellitus. N Engl J Med 2013; 369: 1317-1326
- 5 White WB, Cannon CP, Heller SR et al. Alogliptin after acute coronary syndrome in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med 2013; 369: 1327-1335
- 6 Nationale Versorgungsleitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes, August 2013
- 7 Derosa G, D’Angelo A, Maffioli P. Sitagliptin in type 2 diabetes mellitus: efficacy after five years of therapy. Pharmacol Res 2015; 100: 127-134
- 8 Inzucchi SE, Bergenstal RM, Buse JB et al. Management of hyperglycemia in type 2 diabetes: a patient-centered approach: position statement of the American diabetes Association (ADA) and the European association for the Study of Diabetes (EASD). Diabetes Care 2012; 35: 1364-1379
- 9 Mathieu C, Sankar R, Lorber D et al. A randomized clinical trial to evaluate the efficacy and safety of co-administration of sitagliptin with intensively titrated insulin glarigne. Diabetes Ther 2015; 6: 127-142
- 10 Riddle MC, Schneider J. Beginning insulin treatment of obese patients with evening 70/30 insulin plus glimepiride versus insulin alone. Diabetes Care 1998; 21: 1052-1057
- 11 Schwartz S, Raskin P, Fonseca V, Graveline JF. Effect of troglitazone in insulin-treated patients with type III diabetes mellitus. N Engl J Med 1998; 338: 861-866
- 12 Yki-Jarvinen H, Rosenstock J, Duran-Garcia S et al. Effects of adding linagliptin to basal insulin regimen for inadequately controlled type 2 diabetes: a ≥ 52-week randomized, double-blind study. Diabetes Care 2013; 36: 3875-3881
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Literatur
- 1 Department of Health and Human Services, Food and Drug Administartion, Center for Drug Evaluationand Research. Guidance for industry: diabetes mellitus – evaluating cardiovascular risk in new antidiabetic therapies to treat type 2 diabetes. 12/2008 www.fda.fov/downloads/Drugs/GuidanceComplianceRegulatoryInformation/Guidances/ucm071627
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- 5 White WB, Cannon CP, Heller SR et al. Alogliptin after acute coronary syndrome in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med 2013; 369: 1327-1335
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- 7 Derosa G, D’Angelo A, Maffioli P. Sitagliptin in type 2 diabetes mellitus: efficacy after five years of therapy. Pharmacol Res 2015; 100: 127-134
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- 12 Yki-Jarvinen H, Rosenstock J, Duran-Garcia S et al. Effects of adding linagliptin to basal insulin regimen for inadequately controlled type 2 diabetes: a ≥ 52-week randomized, double-blind study. Diabetes Care 2013; 36: 3875-3881


nach [ 7 ]


nach [ 9 ]