Mit ihrer Forderung nach kardiovaskulären Endpunktstudien haben die US-amerikanische
und die europäische Zulassungsbehörde die kardiovaskuläre Sicherheit antidiabetischer
Therapiestrategien in den Fokus des Interesses gerückt [
1
], [
2
]. Dem hat der Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitor (DPP-4-Hemmer) Sitagliptin mit der
Präsentation der TECOS[
1
]-Studiendaten [
3
] Anfang Juni dieses Jahres auf dem Kongress der „American Diabetes Association“ Rechnung
getragen – und seine kardiovaskuläre Sicherheit belegt.
Kardiales Risiko ist nicht erhöht
In einem Kollektiv mit 14 674 Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer kardiovaskulären
Vorerkrankung war die kardiale Ereignisrate unter der Gabe von Sitagliptin zusätzlich
zu einer bestehenden antidiabetischen Standardtherapie nicht höher als unter der Standardtherapie
plus Placebo (primärer kombinierter kardiovaskulärer Endpunkt: kardiovaskuläre Todesfälle,
Herzinfarkt, Schlaganfall oder Hospitalisierung aufgrund einer instabilen Angina pectoris).
Das Risiko für eine akute Pankreatitis war gering, trat aber numerisch häufiger in
der Sitagliptin- als in der Placebogruppe auf. Das Ereignis eines Pankreaskarzinom
trat hingegen seltener in der Sitagliptingruppe als in der Placebogruppe auf. Beide
Ergebnisse waren statistisch nicht signifikant. Anders als in den zuvor publizierten
Studien zu 2 anderen DPP-4-Hemmern [
4
], [
5
] gab es unter dem DPP-4-Hemmer Sitagliptin nicht mehr herzinsuffizienzbedingte Krankenhauseinweisungen
als unter Placebo (3,1 versus 3,1 %; p = 0,98).
Dies gilt laut einer auf dem diesjährigen europäischen Kardiologenkongress in London
präsentierten Subanalyse von TECOS auch für Patienten mit einer vorbestehenden Herzschwäche
(n = 2600). In dieser Subgruppe lag die Hospitalisierungsrate im Verlauf der 3-jährigen
Studie bei 7,4 %, wenn die Patienten Sitagliptin eingenommen hatten, und bei 7,0 %
in der Kontrollgruppe (p = 0,86).
TECOS: Hinweise auf bessere Blutzuckerkontrolle
Die Behandlung beider Studiengruppen war an den jeweils individuellen Zielwerten der
Patienten ausgerichtet und sollte in beiden Gruppen, um Effekte aus Unterschieden
der Blutzuckerwerte zu minimieren, gleich sein („glycemic equipoise“). Nach 4 Monaten
war der HbA1c-Wert der Sitagliptinpatienten um 0,4 Prozentpunkte niedriger als in der Vergleichsgruppe,
nach 3 Jahren bestand noch ein Unterschied von 0,29 Prozentpunkten [
3
]. Die Patienten im Sitagliptinarm mussten darüber hinaus seltener zusätzliche Antidiabetika
einnehmen (1591 versus 2046 Patienten, p < 0,001) und auch weniger häufig eine Insulintherapie
beginnen (542 versus 744 Patienten, p < 0,001) [
3
].
Vor dem Hintergrund der progressiven Natur des Diabetes mellitus Typ 2 sind diese
Hinweise aus TECOS besonders wichtig. Benötigen doch die meisten Typ-2-Diabetiker
früher oder später eine Intensivierung ihrer initialen antidiabetischen Behandlung
– in der Regel ist dies eine Metformintherapie [
6
] – um die glykämische Kontrolle weiterhin zu gewährleisten und damit das Risiko insbesondere
von mikrovaskulären Folgeerkrankungen zu minimieren.
Studienergebnisse zu der Effektivität einer Kombination von Sitagliptin und Metformin
(Janumet®) gab es bisher nur aus Untersuchungen, die bis zu 104 Wochen dauerten.
Jetzt weisen aktuelle Studiendaten darauf hin, dass sich die positiven Effekte dieser
Kombination auf den HbA1c-Wert langfristig – nämlich über einen Beobachtungszeitraum von 5 Jahren – erhalten
lassen [
7
].
Auch im Langzeitverlauf effektiv
Derosa et al. veröffentlichten kürzlich eine Studie, in der Patienten mit Diabetes
mellitus Typ 2, deren Blutzuckerspiegel unter ihrer aktuellen Monotherapie, bestehend
aus Metformin (n = 216) oder einem Sulfonylharnstoff (n = 206) oder Pioglitazon (n
= 202) nicht mehr ausreichend kontrolliert war, zusätzlich 100 mg Sitagliptin erhielten.
Verglichen wurden diese mit der alters- und geschlechtsadaptierten Kontrollgruppe
von 620 Patienten, die auf 3 unterschiedliche Kombinationstherapien eingestellt waren:
Sulfonylharnstoff plus Metformin, Pioglitazon plus Metformin oder Pioglitazon plus
Sulfonylharnstoff [
7
].
Insgesamt waren alle 3 Kombinationstherapien mit Sitagliptin den Vergleichstherapien
überlegen. Beispielsweise sanken unter der Behandlung mit Metformin und Sitagliptin
die HbA1c-Werte bis zum Studienende signifikant stärker (p < 0,05) als unter der Behandlung
mit Metformin und Sulfonylharnstoffen (Abb. [
1
]) – bei einer vergleichbaren Reduktion der Nüchtern- und postprandialen Blutzuckerwerte.
Ein weiterer positiver Effekt der Metformin-Sitagliptin-Kombinationstherapie war eine
geringere Gewichtszunahme der Probanden [
7
]. Dies führen die Studienautoren auf einen protektiven Effekt auf die Betazellfunktion
von Sitagliptin zurück [
7
].
Abb. 1 Sitagliptin plus Metformin senkte den HbA1c-Wert im Langzeitverlauf besser als Metformin plus Sulfonylharnstoff.
nach [
7
]
Gerade vor der progressiven Natur des Diabetes mellitus Typ 2 sei die Erhaltung der
blutzuckersenkenden Wirkung über den relativ langen Zeitraum von 5 Jahren ein wichtiges
Ergebnis, so das Fazit der Studienautoren [
7
].
Wenn doch eine Therapieeskalation notwendig wird …
Leider reichen orale antidiabetische (Kombinations-)Therapieschemata bei den meisten
Patienten mit Typ-2-Diabetes aufgrund der Erkrankungsprogression früher oder später
aber nicht mehr aus. Betroffene Patienten werden dann typischerweise auf ein Basalinsulin
eingestellt [8]. Doch obwohl Insulin den Blutzuckerspiegel im Vergleich zu allen anderen
Therapieoptionen am stärksten senkt, erreichen 40–70 % der Typ-2-Diabetiker unter
einer Insulintherapie nicht die angestrebten Zielwerte [
9
].
… ist Sitagliptin ein geeigneter Partner
Eine basalinsulinunterstützte orale Therapie (BOT) kann hier Abhilfe schaffen. In
einer aktuellen Studie hat Sitagliptin in dieser Situation jetzt einen insulinsparenden
Effekt gezeigt [
9
]. Die insgesamt 658 bereits insulinpflichtigen Teilnehmer der Studie wurden nach
einer 1-wöchigen Screening- und einer 2 Wochen dauernden Wash-out-Phase nach einem
festen Titrationsalgorithmus auf Insulin glargin eingestellt. Zusätzlich nahmen sie
randomisiert entweder 100 mg Sitagliptin (n = 295) oder Placebo (n = 303) ein.
Insulinsparender Effekt beobachtet
Erhielten die Patienten zusätzlich Sitagliptin, benötigten sie nach 24 Wochen rund
20 % weniger Insulin glargin pro Tag (19,0 versus 23,8 IU; p = 0,009) als unter Placebo,
um den vorab definierten Zielwert – einen Nüchterblutzuckerwert von 72–100 mg/dl –
zu erreichen (Abb. [
2
]) [
9
]. Dabei war in der Gruppe der Sitagliptinpatienten generell eine bessere Stoffwechseleinstellung
zu beobachten. Signifikant mehr Patienten erreichten einen HbA1c-Zielwert unter 7 %, zudem waren die HbA1c-Werte nach 24 Wochen im Schnitt um 0,4 Prozentpunkte niedriger (p < 0,001) [
9
]. Bedingt sei diese bessere Kontrolle des Langzeitblutzuckerwertes möglicherweise
durch eine Verbesserung der postprandialen Blutzuckerwerte durch den DPP-4-Inhibitor.
Abb. 2 Der Insulinbedarf stieg im Studienverlauf in beiden Therapiegruppen an – im Sitagliptinarm
jedoch um im Median 4,7 IU weniger als unter Placebo.
nach [
9
]
Positiv entwickelten sich unter der Verumtherapie auch die Nüchternblutglukosewerte:
Nach der 24-wöchigen Behandlung hatten 77,4 % der Sitagliptinpatienten den definierten
Zielwert erreicht, in der Vergleichsgruppe waren dies nur 74,1 % der Patienten. Zudem
war der Nüchternblutzuckerwert in der Gruppe der mit Sitagliptin behandelten Patienten
nach 24 Wochen um 0,6 mmol/l niedriger als in der Placebogruppe (p ≤ 0,001) – obwohl
die Studie auf eine äquipotente Absenkung der Werte ausgerichtet war [
9
]. Möglicherweise war es den Patienten der Vergleichsgruppe aufgrund einer höheren
Inzidenz an Hypoglykämien nicht gelungen, die Insulindosis hinreichend aufzutitrieren
oder die Dosis auf dem titrierten Level zu halten, vermuten die Studienautoren [13].
Weniger Hypoglykämien trotz strengerer Blutzuckerkontrolle
Denn trotz der etwas strengeren Blutzuckerkontrolle traten – anders als in früheren
Studien mit anderen BOT-Kombinationen [
10
]–[
12
] – in der Sitagliptingruppe weniger Hypoglykämien auf. Nur 28,3 % der Sitagliptinpatienten
berichteten von mindestens einer Hypoglykämieepisode, in der Placebogruppe waren dies
immerhin 43,8 % (p < 0,001) [9]. Die Gabe einer stabilen Dosis von Sitagliptin mit
einer parallelen intensiven Titration eines Basalinsulins dagegen – ein gängiges Konzept
in der täglichen Praxis – scheint eine bessere Effektivität bei einem gleichzeitig
besseren Sicherheitsprofil der antidiabetischen Behandlung sicherzustellen, so das
Fazit der Studienautoren [
9
].
Stephanie Schikora, Heidelberg
Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der MSD Sharp & Dohme GmbH, Haar.
Die Autorin ist Redaktionsleiterin und Programmplanerin beim Karl Demeter Verlag im
Georg Thieme Verlag KG.