Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76(02): 83-84
DOI: 10.1055/s-0041-110661
Aktuell referiert
Urogynäkologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prophylaxe der postpartalen Harn-Inkontinenz mit überwachtem Beckenbodentraining?

Fritel X et al.
Preventing Urinary Incontinence With Supervised Prenatal Pelvic Floor Exercises […].

Obstet Gynecol 2015;
126: 370-377
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Publication History

Publication Date:
29 February 2016 (online)

 

    Hintergrund: Eine Schwangerschaft stellt einen begünstigenden Faktor für die Entwicklung einer Harninkontinenz dar; bis zu 50% aller Frauen können davon betroffen sein. Da die Inkontinenz eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität darstellt, sind Präventionsmaßnahmen gefragt. Ein intensives Beckenbodentraining unter Anleitung schon in der Schwangerschaft hat sich dabei in einigen Studien als wirksam erwiesen. Ob dieses Training bei supervidierter Durchführung bessere Ergebnisse erbringt, als ein alleine durchgeführtes Training, haben Fritel et al. untersucht.

    Fritel X et al. Preventing Urinary Incontinence With Supervised Prenatal Pelvic Floor Exercises […]. Obstet Gynecol 2015; 126: 370–377

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    Ein intensives Beckenbodentraining während und nach der Schwangerschaft kann helfen, eine Harninkontinenz zu vermeiden. Fritel et al. untersuchten, ob ein Training unter professioneller Anleitung effektiver ist, als ein Training, das ohne professionelle Überwachung nach ausschließlich schriftlicher Anleitung durchgeführt wird (Symbolbild).
    © TVG Fotograf: Kirsten Oborny

    Methode: In die randomisierte Studie wurden zwischen Februar 2008 und Juni 2010 in 5 französischen Zentren insgesamt 282 Frauen aufgenommen. Einschlusskriterien umfassten eine 1. Schwangerschaft in der 20.–28. Woche, eine vorbestehende Harninkontinenz war kein Ausschlusskriterium. Die Teilnehmerinnen wurden nach dem Zufallsprinzip einer von 2 Gruppen zugewiesen:

    • Beckenbodentraining unter Supervision einer individuell gewählten Hebamme oder Physiotherapeutin der jeweiligen Klinik (8 Trainingseinheiten für jeweils 20–30 min zwischen dem 6. und 8. Monat der Schwangerschaft) plus schriftliche Informationen (Interventionsgruppe; n = 140)

    oder

    • ausschließlich schriftliche Informationen zum Beckenbodentraining, die Übungen wurden zu Hause ohne Überwachung durchgeführt (Kontrollgruppe; n = 142).

    Als primärer Endpunkt wurde die Harninkontinenz anhand des „International Consultation on Incontinence Questionnaire – Urinary Incontinence Short Form“ (ICIQ-UI-SF) 12 Monate postpartal beurteilt, sekundäre Endpunkte umfassten u. a. die Ergebnisse des ICIQ-UI-SF 2 Monate nach der Geburt und die Lebensqualität.

    Ergebnisse: Eine Auswertung im Hinblick auf den primären Endpunkt war bei 190 Frauen möglich (93 der Interventionsgruppe, 97 der Kontrollgruppe). Dabei ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen; Ausmaß und Häufigkeit eines unwillkürlichen Harnabgangs waren in der Interventionsgruppe und der Kontrollgruppe vergleichbar. Auch bei den sekundären Endpunkten ergab sich keine relevante Differenz. Wurde separat nach Vorhandensein oder Fehlen einer Harninkontinenz zu Studienbeginn ausgewertet, lag die Remissionsrate im Vergleich zur Anfangssymptomatik tendenziell höher bei den Frauen, die unter Supervision trainiert hatten (46,9 vs. 30,6%), aber auch dieser Unterschied verfehlte die statistische Signifikanz.

    Folgerung: Anscheinend führt ein Beckenbodentraining, das von speziell geschulten Hebammen oder Physiotherapeutinnen überwacht wird, im Hinblick auf eine postpartale Harninkontinenz nicht zu besseren Ergebnissen als ein Training zu Hause mit ausschließlich schriftlichen Anleitungen, fassen die Autoren zusammen. Das scheint ihnen auch pathophysiologisch plausibel, da ein zugrunde liegender Mechanismus bereits präpartal ein mögliches Trauma unter der Geburt – als Ursache der späteren Inkontinenz – verhindern müsste. Vermutlich trägt das Beckenbodentraining zwar zur Verbesserung der Muskelkraft des Beckenbodens bei, aber nicht in dem Ausmaß, dass eine Supervision der Übungen zusätzlichen Nutzen brächte.

    Dr. Elke Ruchalla, Trossingen

    Kommentar

    Der Beitrag ist überschrieben „Prophylaxe der postpartalen Harninkontinenz …“. Es verwundert, dass unter diesem Aspekt auch Frauen in die Untersuchung eingeschlossen wurden, bei denen schon eine Harninkontinenz vorbestand.

    JB


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    Ein intensives Beckenbodentraining während und nach der Schwangerschaft kann helfen, eine Harninkontinenz zu vermeiden. Fritel et al. untersuchten, ob ein Training unter professioneller Anleitung effektiver ist, als ein Training, das ohne professionelle Überwachung nach ausschließlich schriftlicher Anleitung durchgeführt wird (Symbolbild).
    © TVG Fotograf: Kirsten Oborny