Die Arbeitsgemeinschaft Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparats wurde im Mai 2015
gegründet und steht in der Nachfolge der aufgelösten Arbeitsgemeinschaft Muskuloskelettale
Radiologie. Prof. Dr. Karl-Friedrich Kreitner, Vorsitzender der AG, zu den aktuellen
Projekten und weiteren Planungen für die Zukunft.
Prof. Dr. Karl-Friedrich Kreitner
Welches sind die zentralen Handlungsfelder der AG?
In Zentrum steht – der Name ist hier Programm – die Diagnostik und minimalinvasive
Therapie von Erkrankungen des Bewegungsapparats in ihrer ganzen Bandbreite. Solche
Erkrankungen nehmen in der täglichen Routine des Radiologen einen großen Raum ein.
Entsprechend wichtig ist es, auf dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnis
zu bleiben, um nicht zuletzt den Anforderungen von Zuweiserseite auch weiterhin vollumfänglich
gerecht werden zu können.
Was ist neu hinzugekommen?
Für die Arbeitsgemeinschaft neu hinzugekommen ist das Polytrauma. Polytrauma ist die
sechsthäufigste Todesursache bei unter 50-jährigen Menschen. Ein polytraumatisierter
Patient verursacht von Beginn seines Unfalls bis zur Reintegration in den Arbeitsprozess
Kosten von durchschnittlich 250 000 €. Mehrfachverletzte stellen damit einen erheblichen
volkswirtschaftlichen Faktor dar. Die Radiologie kann hier einen wichtigen Beitrag
leisten, weil nur durch konsequente Anwendung ihrer Methoden schnell und umfassend
valide Aussagen über das Ausmaß der Verletzungen getroffen werden können – eine entscheidende
Voraussetzung für die Wahl der richtigen Therapie. Wir wollen für die Untersuchung
dieser Patienten Standards definieren und Empfehlungen formulieren, die zum einen
das Schockraummanagement betreffen. Hierzu wird es übrigens auf dem nächsten Röntgenkongress
auch einen Spezialkurs geben. Zum anderen geht es aber natürlich auch darum, allgemein
einsetzbare Untersuchungsprotokolle zu formulieren. Hierzu gibt es eindeutige, evidenzbasierte
Zahlen, die beispielsweise belegen, dass sich das Konzept des Ganzkörper-CT eindeutig
positiv auf die Überlebenschancen der Patienten auswirkt. Wir sind da in Deutschland
sicher ganz gut aufgestellt, aber wir müssen in einem nächsten Schritt auch darüber
nachdenken, ob die Zertifizierung von Polytraumazentren Sinn machen könnte.
Wie sieht denn das neue Zertifizierungsprogramm aus?
Unser Zertifizierungsprogramm orientiert sich in seinem Aufbau an den Leitlinien des
DRG-Vorstands bzw. an der Umsetzungspraxis der DeGIR. Die Zertifizierung von Personen
erfolgt in 2 Stufen. Die Basis-Qualifizierung geht bereits über die Inhalte der Weiterbildung
zum Facharzt hinaus und kann auch begleitend dazu erworben werden. Die 2. Stufe, die
sich daran anschließt, ist eine Art Spezialisierung, die nach dem Facharzt greift.
Wie bei anderen DRG-Zertifizierungen auch müssen die hierfür notwendigen Fortbildungen
und durchgeführten Untersuchungen dokumentiert bzw. bescheinigt werden. Die Vorgaben
hierfür sind dabei so gefasst, dass sie auch in der Breite erfüllt werden können.
Für die nächsten 2 Jahre gibt es eine Übergangsregelung, d. h. denjenigen, die die
Voraussetzungen für diese Zertifizierung bereits erfüllen, wird eine entsprechende
Bescheinigung ausgestellt. Das gilt auch für diejenigen, die einen Qualifizierungsbeleg
der alten AG MSK vorweisen können. Für 2017 planen wir, die Spezialisierungsstufe
mit einer mündlichen Prüfung abzuschließen. Auch bei der Zertifizierung von Einrichtungen
haben wir uns an der DeGIR orientiert. Wir werden entsprechend Basis- und Schwerpunktzentren
zertifizieren und auch hier gilt, dass die Anforderungen so gefasst sind, dass eine
Abdeckung in der Fläche möglich ist.
Mit welchen Themen wird die AG auf dem nächsten RöKo vertreten sein?
Zum Schwerpunktthema Erkrankungen der Wirbelsäule haben wir eine ganze Reihe spannender
Veranstaltungen vorbereitet. So wird es eine Highlight-Sitzung zum Thema „Volkskrankheit
Rückenschmerz“ geben, in der volkswirtschaftliche Aspekte oder auch die Rolle der
Chirurgie behandelt werden. Die im Gesundheitssystem anfallenden Kosten für den Rückenschmerz
belaufen sich jährlich auf etwa 7-8 Milliarden €! Im Mittelpunkt steht natürlich die
Frage, wann Bildgebung überhaupt Sinn macht. Ich selber sitze momentan in der Kommission,
die die nationale Versorgungsleitlinie des unspezifischen Kreuzschmerzes überarbeitet.
Das ist sehr aufschlussreich, weil eine Vielzahl von Kreuzbeschwerden erst einmal
nicht einer Bildgebung zugeführt werden sollte. Patienten müssen in diesen Fällen
eher dazu angehalten werden, aktiv zu bleiben.
Zwei weitere Highlight-Sitzungen beschäftigen sich mit Wirbelsäulenverletzungen –
da schließt sich der Kreis zum Polytrauma – und entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen.
Interessant ist auch die Frage, an welcher Stelle der Radiologe minimalinvasiv tätig
sein kann. Hierzu wird es zusammen mit DeGIR und DGNR einen Refresherkurs „Intervention
an der Wirbelsäule“ geben. Die Tumoren spielen ebenfalls eine wichtige Rolle und werden
in einem fallbasierten Kurs behandelt. Rund um das Kreuz gibt es also ein äußerst
vielseitiges und interessantes Programmangebot.
Stichwort fallbasiert. Ist eine digitale Fallsammlung, wie sie die AG Herz auf den
Weg gebracht hat, auch für ihre AG interessant?
Unbedingt. Eine Fallsammlung ist absolut wünschenswert gerade für diejenigen, die
sich intensiver mit unserem Bereich beschäftigen wollen. Wir haben hierfür im Vorstand
bereits mit Prof. Dr. Rolf Janka aus Erlangen jemanden als Projektverantwortlichen
gewinnen können, der dieses Ansinnen in einer bestmöglichen Art und Weise voranbringen
wird. Ich denke, wenn allein aus dem Vorstand pro Woche je 1 Fall beigetragen wird,
müsste man innerhalb eines Jahres eine stattliche Zahl an Fällen erreichen können,
die die Breite der täglichen Routine gut abdeckt.