Aktuelle Dermatologie 2016; 42(05): 171-172
DOI: 10.1055/s-0041-110403
Das Histologische Quiz
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Testen Sie Ihr Fachwissen

Test Your Knowledge

Authors

  • D. A. Mawlood

    Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
  • T. Vogt

    Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
  • C. S. L. Müller

    Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. Cornelia S. L. Müller
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie
Universitätsklinikum des Saarlandes
Kirrberger Straße 1
66421 Homburg/Saar

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. Mai 2016 (online)

 

Anamnese und klinischer Befund

Der 44-jährige Patient stellte sich aufgrund eines seit mindestens 10 Jahren bestehenden Knotens am rechten Ohr mit langsamer, aber steter Größenprogredienz vor. Dem Patienten war ein Trauma mit einem Tennisschläger erinnerlich, so dass die klinische Verdachtsdiagnose v. a. ein organisiertes Hämatom umfasste.


Klinischer Befund

An der oberen Anthelixwurzel des rechten Ohres zeigte sich ein ca. 1,6 × 1,5 cm messender, livid-roter, kugeliger, schmerzhafter Knoten mit glatter Oberfläche und gummiartigem Tastbefund ([Abb. 1]). Die übrige körperliche Untersuchung war unauffällig, es fanden sich insbesondere keine weiteren ähnlichen Läsionen.

Zoom
Abb. 1 Klinischer Befund bei Erstvorstellung des Patienten. Die Läsion wurde als schmerzhaft beschrieben.

Histologie

In der Dermis findet sich ein gut begrenzter, umkapselter Tumorknoten ([Abb. 2 a]). Dieser setzt sich zusammen aus verflochtenen Bündeln uniformer glatt-muskulärer Zellen und umgebenden Blutgefäßen variabler Dicke. Einzelne Gefäße sind thrombosiert. Hämosiderin ist nicht zu sehen. Die Spindelzellen sind durchweg smooth-muscle-Actin (SMA)-positiv ([Abb. 2 b]). Keine metaplastischen Veränderungen im Sinne von hyaliner oder myxoider Degeneration oder Kalzifizierungsarealen.

Zoom
Abb. 2 a Links: Dermal lokalisierter solider, umkapselter Tumorknoten mit bereits in der Übersichtsvergrößerung gut sichtbaren vaskulären Hohlräumen. Rechts: Die Vergrößerung zeigt Bündel glattmuskulärer Zellen ohne Atypie und schmale Gefäßhohlräume. b Kräftige Expression von smooth-muscle actin (SMA) im gesamten Tumor, charakteristisch für die originäre muskuläre Differenzierung des Tumors.

Wie lautet Ihre Diagnose?

(Auflösung nächste Seite)


Auflösung

Diagnose: Angioleiomyom des äußeren Ohres.


Therapie: Die Läsion wurde vollständig exzidiert und ist bislang nicht rezidiviert.


Kommentar: Angioleiomyome gehören neben Neuromen, Glomustumoren, Leiomyomen und (ekkrinen) Spiradenomen zu den schmerzhaften benignen Hauttumoren und treten im Gegensatz zu den Piloleiomyomen solitär auf. Ebenso häufig treten Angioleiomyome im Gastrointestinaltrakt und Uterus auf [1].

Diagnostischer Goldstandard ist die histologische Untersuchung des Gewebes. Klinische Charakteristika der Angioleiomyome umfassen eine Gynäkotropie (Ratio 1 : 1,7). Im Mittel befinden sich die Patienten in der 4. – 6. Lebensdekade. Die Tumoren sind überwiegend im subkutanen Gewebe an den unteren Extremitäten lokalisiert. Am Kopf sind diese Tumoren selten zu finden, dann aber am häufigsten an den Ohren sowie in absteigender Häufigkeit weiter an Lippe, Nase einschließlich der Nasenhöhle sowie weiteren seltenen Lokalisationen am Kopf [2]. Zunehmend werden Fallberichte publiziert, die Angioleiomyome an den Ohren beschreiben [3]. Eine exzellente Darstellung an einer großen Kohorte (n = 562) wurde bereits im Jahre 1984 publiziert und gibt einen umfänglichen Überblick über diese Tumorentität [2]. Oberflächlich gelegene Läsionen sind insgesamt seltener, am Ohr jedoch sui generis nicht anders möglich. Therapeutisch ist die Komplettexzision ausreichend, Rezidive werden überwiegend nicht beobachtet [4]. Histologisch ist die Läsion durch eine variable Proliferation dreier Gewebskomponenten charakterisiert: Blutgefäße, Bündel glatt-muskulärer Zellen sowie Fettgewebe in veränderlichem Ausmaß. Gelegentlich tritt die Komponente aus reifen Adipozyten in den Vordergrund, eine Tatsache, die sich dann in der Namensgebung der Läsion widerspiegelt (Angiolipoleiomyom/Angiomyolipom) und im Sinne von Hamartomen interpretiert wird [4]. Diese treten mit größerer Wahrscheinlichkeit an akralen Lokalisationen sowie den Ohren auf als Angioleiomyome [4].

Zu unterscheiden sind die renalen Angiomyolipome, welche gehäuft im Rahmen der tuberösen Sklerose beobachtet werden [5]. Im Gegensatz zu den renalen Angiomyolipomen sind die kutanen Verwandten nicht durch eine Expression von Melanosomen-assoziierten Antigenen (HMB45, Melan A) charakterisiert; ein Fakt, der differenzialdiagnostisch genutzt werden kann, um renale Angiomyolipome von anderen primär und sekundär mesenchymalen Tumoren abzugrenzen [6].

Variationen in Form myxoider oder hyaliner Veränderungen und dystropher Kalzifizierungen in Angioleiomyomen werden häufig beobachtet und sind im Sinne degenerativer Vorgänge zu interpretieren [5]. Derzeit ist noch sehr wenig zu den zytogenetischen Grundlagen der Angioleiomyome bekannt. Eine größere Fallzahl an Angioleiomyomen wurde in der Studie von Nishio J et al. mittels comparative genomic hybridization (CGH) untersucht und 2004 publiziert [7]. Die Autoren konnten zeigen, dass in der Mehrzahl der Fälle Chromosom 22 von einer DNA-Kopienanzahlvariation betroffen war [7]. Andere Karyotyp-Abnormalitäten sowie Rearrangements und Translokationen wurden jedoch zwischenzeitlich beschrieben [8].

Ursächlich für die Entstehung von Angioleiomyomen der Haut werden Minimaltraumata (wie in unserem Fall), venöse Stase und bei Gynäkotropie auch hormonelle Einflüsse diskutiert [1] [8] [9]. Die Schmerzhaftigkeit der Läsion wird einer stromalen Kompression von infiltrierenden Nerven und lokaler Ischämie im Tumor durch aktive Kontraktion der glatten Muskelbündel zugeschrieben und hängt häufig von äußeren Faktoren wie Kälte und Wind ab [8].

Zusammenfassend handelt es sich bei Angioleiomyomen um gutartige Tumoren, welche in die klinische Differenzialdiagnose schmerzhafter Läsionen einbezogen werden müssen, wobei die Diagnose nur histologisch gestellt werden kann. Die Komplettexzision ist kurativ. Rezidive werden kaum beobachtet. Neben der häufigen subkutanen Lokalisation an den Beinen werden Angioleiomyome auch an akralen Lokalisationen wie den Ohren beobachtet, wobei chronische Kälteexposition und Minimaltraumata kausal eine Rolle spielen könnten.




Priv.-Doz. Dr. Cornelia S. L. Müller

Zoom

Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. Cornelia S. L. Müller
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie
Universitätsklinikum des Saarlandes
Kirrberger Straße 1
66421 Homburg/Saar


Zoom
Zoom
Abb. 1 Klinischer Befund bei Erstvorstellung des Patienten. Die Läsion wurde als schmerzhaft beschrieben.
Zoom
Abb. 2 a Links: Dermal lokalisierter solider, umkapselter Tumorknoten mit bereits in der Übersichtsvergrößerung gut sichtbaren vaskulären Hohlräumen. Rechts: Die Vergrößerung zeigt Bündel glattmuskulärer Zellen ohne Atypie und schmale Gefäßhohlräume. b Kräftige Expression von smooth-muscle actin (SMA) im gesamten Tumor, charakteristisch für die originäre muskuläre Differenzierung des Tumors.