Einführung in die Problematik
K. Bemmann
Der Käufer, der von seinem Verkäufer ein Pferd erwirbt und außerdem einen Tierarzt
mit der Durchführung einer Ankaufsuntersuchung[
2
] beauftragt, hat 2 Schuldner, die ihm gegenüber zur mangelfreien Leistung verpflichtet
sind:
Der Käufer schuldet dem Verkäufer die Zahlung des Kaufpreises und dem Tierarzt die
Bezahlung der Tierarztgebühren.
Sofern sich nach Übergabe des Pferdes herausstellt, dass dieses unter einem körperlichen
Mangel leidet, der in einer Region des Pferdes lokalisiert ist, die vom Spektrum der
tierärztlichen Ankaufsuntersuchung umfasst war, stellen sich 2 Fragen:
-
ob der Verkäufer den Mangel zu vertreten hat und der Käufer deshalb Sachmangelrechte besitzt
-
ob der Mangel in Form eines tiermedizinischen Befunds besteht, den der Tierarzt nicht
erhoben hat, aber bei sorgfältiger Untersuchung hätte erheben müssen, oder ob er den
Befund erhoben, aber pflichtwidrig unzutreffend beschrieben hat und dem Käufer deshalb
Schadenersatzansprüche gegen den Tierarzt wegen einer Pflichtverletzung des Untersuchungsvertrages zustehen
Allerdings erfüllt nicht jeder erwähnungspflichtige tiermedizinische Befund auch zugleich
den juristischen Mangeltatbestand. So stellt z. B. bei vereinbarter Anwendung des
Röntgenleitfadens die fehlende Erwähnung von Befunden der Röntgenklassen II–III oder
schlechter eine tierärztliche Pflichtverletzung dar. Demgegenüber erfüllen Röntgenbefunde,
die nicht ursächlich mit einer Funktionsstörung des Pferdes einhergehen, für sich
genommen unabhängig von der Röntgenklasse nicht ohne Weiteres den juristischen Mangeltatbestand[
3
]. Gleiches kann z. B. für Mitralklappeninsuffizienzen gelten, die nicht zur Leistungsminderung
führen, sondern nur Zufallsbefunde darstellen, die häufig anlässlich von Allgemeinuntersuchungen
im Rahmen von Impfbehandlungen auffallen[
4
].
Rangverhältnis der Käuferansprüche
Sollte der vom Käufer gerügte tiermedizinische Befund sowohl den juristischen Mangeltatbestand
als auch den Tatbestand einer Pflichtverletzung des Untersuchungsvertrages erfüllen,
stellt sich die weitere Frage, ob der Käufer die beiden möglichen Ansprüche gemeinsam oder nach seiner Wahl entweder gegen den Käufer oder den Tierarzt geltend machen
kann, oder ob die Ansprüche in einem Rangverhältnis bestehen, sodass zunächst gegen den einen Schuldner vorgegangen werden muss und nur
für den Fall, dass er gegen diesen mit seinen Ansprüchen ganz oder teilweise scheitert,
die Möglichkeit besteht, den 2. Schuldner in Anspruch zu nehmen.
Aus tatsächlichen Gründen lag nahe, dass die möglichen Ansprüche des Käufers in einem
Rangverhältnis stehen, denn selbst wenn das Pferd einen körperlichen Mangel aufweisen
sollte und der Tierarzt diesen übersehen oder pflichtwidrig befundet hätte, steht
fest, dass der Tierarzt den Mangel nicht herbeigeführt hat, sondern dieser dem Pferd bereits anhaftete oder innewohnte, bevor die tierärztliche
Ankaufsuntersuchung durchgeführt wurde. Bedenkt man sodann den Grundsatz, dass „der Schaden dahin zurückgeführt werden muss, wo er hergekommen ist“, drängt sich auf, dass der Pferdekäufer zunächst seinen Verkäufer auf Sachmangelhaftung
in Anspruch nehmen muss und nur im Falle des Scheiterns oder wegen darüberhinausgehender
Ansprüche auf den Tierarzt zurückgreifen darf.
Bei dieser Betrachtung spielen auch weitere Gesichtspunkte eine Rolle:
-
Der Tierarzt ist in das kaufrechtliche Geschehen nicht eingebunden. Er kann deshalb keinen Einfluss darauf nehmen, welchen Kaufpreis und welche Haftungsübernahmen
oder -ausschlüsse die Parteien vereinbaren.
-
Es besteht ein erhebliches wirtschaftliches Gefälle zwischen Verkäufer und Tierarzt in der Vergütung
der Leistungen. Der an den Verkäufer zu leistende Kaufpreis übersteigt regelmäßig die an den Tierarzt
zu leistenden Gebühren um ein Vielfaches.
-
Im Schadenrecht besteht die Pflicht des geschädigten Käufers, seinen Schaden gegenüber
dem Tierarzt gering zu halten, indem er zunächst den Verkäufer auf Sachmangelhaftung
in Anspruch nimmt und dadurch den Schaden kompensiert, weil er sich anderenfalls eines
Mitverschuldens gem. § 254 BGB in Form einer Schadenminderungspflichtverletzung schuldig
macht.
-
Es ist weder aus zeitlichen, prozessualen noch finanziellen Gründen ökonomisch, den
Pferdekaufvertrag zunächst über den Tierarzt rückabzuwickeln, indem der Käufer vom
Tierarzt verlangt, so gestellt zu werden, als wenn die Ankaufsuntersuchung pflichtgemäß
durchgeführt worden wäre und er das Pferd nicht gekauft hätte[
5
].
Es mag zwar der Denkweise einiger Vertreter der modernen Pferdekäuferschicht entsprechen,
dass all diese Gesichtspunkte aus isolierter Sicht des Käufers unbeachtlich sind,
weil es ihnen wichtig erscheint, das Pferd zunächst einmal irgendwie loszuwerden und
den Kaufpreis sowie die Verwendungen und ggf. Aufwendungen erstattet zu bekommen.
Aber gesamtgesellschaftlich gesehen ist dies ein Rückschritt und für das vertragsgegenständliche Pferd ein Nachteil. Denn ein Tierarzt, der dem Auftraggeber der Ankaufsuntersuchung Schadenersatz zu
leisten hat, muss den Käufer von den Folgen des ungewollten Pferdekaufs befreien,
indem er ihm das Pferd abnimmt und den Kaufpreis sowie die Nebenkosten erstattet.
Danach muss er nun zunächst einmal für das Pferd aufkommen, indem er es nicht nur
unterhält, sondern ihm auch artgerechte Bewegung verschafft. Dies muss er über einen
langen Zeitraum leisten, bis er sich im Wege des Rückgriffs auf den Verkäufer des
Pferdes wieder entledigen kann. Sollte dies im Wege des Zivilprozesses erfolgen müssen,
ist der Verbleib des Pferdes über die gesamte Prozessdauer, mithin regelmäßig über
mehrere Jahre unklar bzw. muss vom Tierarzt und seinem Berufshaftpflichtversicherer
organisiert werden, bis das Pferd dann wieder dorthin zurückgelangt, wo es herkam.
All die vorstehend genannten Erwägungen haben – wenn auch mit jeweils unterschiedlicher
argumentativer Gewichtung – viele Gerichte bewogen, dem Käufer, der zugleich auch
selbst Auftraggeber einer tierärztlichen Ankaufsuntersuchung war, den Weg zu versperren,
sogleich den ankaufsuntersuchenden Tierarzt in Anspruch zu nehmen[
6
].
Da in der Rechtsprechung vereinzelt auch die Auffassung vertreten wurde, dass der
Tierarzt und der Viehverkäufer gesamtschuldnerisch haften, sobald der Käufer eine direkte Vertragsbeziehung zum Verkäufer eines mangelhaften
Pferdes als auch zum pflichtwidrig untersuchenden Tierarzt unterhält, musste zwangsläufig
das Problem eines etwaigen Rangverhältnisses der Haftungen bzw. der gesamtschuldnerischen
Haftung durch den Bundesgerichtshof geklärt werden, um die Rechtsprechung zu vereinheitlichen
und die sich aus der divergierenden Rechtsprechung ergebende Rechtsunsicherheit zu
beseitigen.
Rechtsprechung des BGH
Der BGH hat Ende 2011/Anfang 2012 4 Rechtsstreitigkeiten entschieden, denen die vorstehend
genannte Vertragskonstellation zugrunde lag. Da der BGH bereits zu früherer Zeit die
heilkundlich nicht indizierten Tierarztleistungen, die mit der Feststellung eines
Befundstatus endeten ohne eine Therapie anzuschließen, als werkvertragliche Leistungen qualifiziert hatte[
7
] und die Instanzgerichtsrechtsprechung zwangsläufig dieser Auffassung folgen musste,
gelangten die Rechtsstreitigkeiten nicht an den ansonsten für das Tiermedizinrecht
zuständigen Medizinrechtssenat (V. Senat), sondern an den Baurechtssenat (VII. Senat)[
8
]. Dieser entschied in Anlehnung an seine Rechtsprechung zur Haftung der Architekten
und Bauunternehmer im Verhältnis zum Bauherrn, dass der Viehverkäufer und der ankaufsuntersuchende
Tierarzt jedenfalls bei der vorstehend beschriebenen Fallkonstellation dem Käufer
eines Pferdes gegenüber als Gesamtschuldner mit der Folge haften, dass der Käufer wahlweise einen der beiden oder beide gemeinsam
in Anspruch nehmen kann und es letztlich dem Verfahren über den sog. „Gesamtschuldnerausgleich“ vorbehalten bleibt, eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob das Pferd in der
Sphäre des Verkäufers oder des Tierarztes zu verbleiben hat und wie im Innenverhältnis
zwischen Verkäufer und Tierarzt die an den Käufer geleisteten Zahlungen zu verteilen
sind[
9
].
Mit diesen Entscheidungen hat der BGH den ankaufsuntersuchenden Tierarzt unmittelbar
an den Risiken der Sachmangelhaftung des Verkäufers beteiligt. Dies hat erhebliche
Auswirkungen auf den Bereich der tierärztlichen Berufshaftpflichtversicherungen und
wirft neue juristische Probleme für den Gesamtschuldnerausgleich auf. Außerdem sind
Überlegungen für die tierärztliche Praxis bei der Auftragsannahme und -durchführung
anzustellen. Insbesondere die tatsächlichen Probleme der tierärztlichen Berufshaftpflichtversicherungen
sollen nachfolgend angesprochen werden.
Überlegungen der tierärztlichen Berufshaftpflichtversicherung
H. Raum
Die Deckung des Haftpflichtrisikos aus Kaufuntersuchungen war bei Versicherern noch
nie besonders beliebt, da sie schadenträchtig ist. Nach der Novellierung des Schuldrechts unter Aufgabe des Viehmangelrechts bestand die begründete Hoffnung, dass auf Grund
der rechtlichen Besserstellung der Käufer der kaufuntersuchende Tierarzt im Falle
einer Kaufreue als potentieller Schuldner des Käufers etwas aus der Schusslinie gelangt.
Tatsächlich zeichnete sich in den ersten Jahren zunächst eine erfreuliche Tendenz
ab. Zunehmend rückte dank verbesserter Gewährleistungsrechte mit entsprechender Beweiserleichterung
bei „Mängeln“ des angekauften Pferdes richtigerweise der Verkäufer in den Fokus. Denn
nach „gesundem Rechtsempfinden“ kann es nicht sein, dass ein Pferdezüchter oder Händler
sein unternehmerisches Risiko durch das Instrument der Kaufuntersuchung auf seinen
Tierarzt abwälzt.
Einen Mangel und damit korrelierend eine fehlerhafte Beurteilung im Rahmen der Ankaufsuntersuchung
unterstellt, ergab sich die heftig umstrittene Frage, in welchem Verhältnis Verkäufer und Tierarzt für den Schaden des Käufers haften müssen. Im Wesentlichen wurden hier juristisch – gestützt durch divergierende OLG-Urteile
– 2 Rechtsauffassungen vertreten:
-
Beide – Verkäufer und Tierarzt – haften als Gesamtschuldner.
-
Die Haftung des Tierarztes für seine mangelhafte Kaufuntersuchung ist unter dem Gesichtspunkt
der Schadensminderungspflicht und des geringeren Vorteils nachrangig gegenüber der Gewährleistung.
Die 2. Meinung war das Hauptargument des Haftpflichtversicherers als Interessenvertreter
und vertraglicher Sachwalter des Tierarztes, um die Ansprüche – zunächst – abzuwehren.
Auf Grund einer divergierenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte befasste die
Streitfrage „Gesamtschuld ja oder nein“ schlussendlich den BGH. Ein Stück Rechtssicherheit
wurde geschaffen – leider nicht im Sinne von Tierarzt und Haftpflichtversicherer.
BGH-Urteil vom 22.12.2011 – VII ZR 136/11
Mit dem Leitsatz des BGH Urteils vom 22.12.2011 – VII ZR 136/11
„Haftet der wegen eines Fehlers bei der Ankaufsuntersuchung eines Pferdes zum Schadenersatz
verpflichtete Tierarzt neben dem Verkäufer als Gesamtschuldner, trifft den Käufer
grundsätzlich nicht die Obliegenheit, zur Schadensminderung zunächst seine Ansprüche
gegen den Verkäufer (gerichtlich) geltend zu machen“[
10
].
sind die Zeiten vorbei, als man als Haftpflichtversicherer noch nonchalant auf die
nachrangige Haftung des Tierarztes im eigentlichen Sinne Ausfallschuldners verweisen
konnte.
Erwartungsgemäß werden seither in Konsequenz dieser Entscheidung im Falle der Kaufreue
– egal welcher Ursache – von Seiten der Käufer Schadenersatzansprüche geschätzt (für
eine evaluierte Auswertung der gemeldeten Schadenfälle ist der Zeitraum noch zu kurz)
zu mindestens 90 % unmittelbar gegen den kaufuntersuchenden Tierarzt erhoben. Da der Gläubiger im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses seine Ansprüche
zwar nur einmal fordern, sich seinen „Lieblingsschuldnern“ aber aussuchen kann, wählt
der Findige selbstredend den Tierarzt, da dieser i. d. R. einen solventen Haftpflichtversicherer
hinter sich hat.
Diese ist eine in rechtlicher, aber auch tatsächlicher Hinsicht große Herausforderung
für den Tierarzt und seinen Haftpflichtversicherer. Wird Schadenersatz wegen fehlerhafter
Kaufuntersuchung vom Tierarzt gefordert, kann sich der Haftpflichtversicherer nicht
mehr unter Verweis auf die Schadenminderungspflicht auf den „Erst“schuldner Verkäufer
zurückziehen, da sich der Käufer nicht mehr auf den Verkäufer verweisen lassen muss.
Schlussendlich schultert so seit BGH VII ZR 136/11 der Haftpflichtversicherer als
Interessenvertreter und Vertragspartner des Tierarztes ein kostengünstiges Schadenmanagement
und das Regressrisiko eines möglichen Innenausgleiches innerhalb des Gesamtschuldverhältnisses.
Der tierärztliche Vertrag
Der tierärztliche Behandlungsvertrag ist grundsätzlich ein Dienstvertrag im Sinne
des § 611 BGB. Dies soll jedoch nach dem bisherigen Willen des BGH nicht für die Kaufuntersuchung
gelten, die von der Rechtsprechung nach wie vor dem Werkvertragsrecht zugeordnet wird. Der Tierarzt schuldet also nicht kunstgerechtes Bemühen, sondern
einen konkreten Erfolg, d. h. eine objektive, gewissenhafte und sachlich richtig begründete Beschreibung
des Ist-Zustandes des untersuchten Pferdes im Rahmen des vereinbarten Untersuchungsumfanges.
Die Hürden des Anspruchstellers, den kaufuntersuchenden Tierarzt wegen einer behauptet
fehlerhaften Kaufuntersuchung auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen, sind daher
im Vergleich zum Nachweis eines tierärztlichen Behandlungsfehlers deutlich niedriger.
Die Auswirkungen auf die aktuelle Regulierungspraxis sind vielfältig und erfordern
eine dem Einzelfall angemessene, individuelle Regulierungsstrategie.
Typische Haftungsfälle in der Sphäre des Tierarztes sind:
-
fehlerhafte Feststellung des Befundstatus im Rahmen der Kaufuntersuchung (klinisch
oder radiologisch)
-
mangelhafte Aufklärung und Dokumentation
-
unzureichende Untersuchungsbedingungen
-
„leichtsinnige“ Anwendung des Röntgenleitfadens
-
Gefälligkeiten gegenüber dem „Stammkunden“
Stellt der Haftpflichtversicherer nach interner sachverständiger Prüfung fest, dass
das Ergebnis der Kaufuntersuchung fehlerhaft ist, muss er regulieren oder eine Vergleichsvereinbarung
mit dem Käufer treffen. Im schlechtesten Fall ist hier auch der Kaufpreis Zug um Zug
gegen Rückgabe des Pferdes zu erstatten. Aus diesem Problem ergeben sich verschiedene
Fragen.
Verbleib des Pferdes
Wo sollte das Pferd hin? Kein Haftpflichtversicherer unterhält Stallanlagen und beschäftigt
geeignetes Personal für Pflege, Beritt, etc. Wie kann der Tierarzt hier unterstützen?
Wie kann frühzeitig der Verkäufer eingebunden, besser noch mit in die Pflicht genommen
werden?
Art und Güte des Pferdes
Bei der Einschätzung des Unterhaltsrisikos sind auch Art und Güte des Pferdes zu berücksichtigen.
Kann man ein Sportpferd mal eben so 2–3 Jahre auf die kostengünstige grüne Wiese stellen?
Ist es wirtschaftlich vertretbar, ein niedrigpreisiges Pferd über eine geschätzte
Regressdauer von 2–3 Jahren durchzufüttern? Soll ein als Schlachtpferd (egal welcher
Qualität) deklariertes Pferd zur Schadenminderung geschlachtet, oder darf ein „nicht
Schlachtpferd“ rein aus Kostengründen trotz entgegenstehender tierschutzgesetzlicher
Regelung euthanasiert werden?
Weitere Fragen
Gibt sich der Käufer mit einer (regressfähigen) Minderung zufrieden und behält das
Pferd? Kommt durch eine Chip-OP eine radiologische Kosmetik in Betracht und kann es
im Anschluss kostendeckend weiterverkauft werden? Wer trägt das Risiko einer solchen
OP oder des Untergangs (man denke nur an eine schwere Kolik mit OP-Indikation)? Sind
auch diese Kosten vom Haftpflichtversicherer zu übernehmen? Dann wären da noch Hufschmied,
Impfungen, Wurmkuren, Beritt etc.
Dies kostet Zeit und unter Umständen sehr viel Geld: aus 3000 € können unversehens
30 000 € werden. Umgekehrt verlieren hochpreisige Pferde auf der grünen Wiese ohne
Beritt etc. in 2–3 Jahren in gleicher Proportionalität schnell an Wert.
Diese Situation schafft somit zwangsläufig eine unfreiwillige Schicksalsgemeinschaft
zwischen Tierarzt, Haftpflichtversicherer und Verkäufer. Hier sind guter Wille und
faire Kommunikation gefragt: Ohne die tatkräftige Kooperation aller Beteiligten, ist
dieses Krisenmanagement weder zu leisten, noch zu finanzieren.
Absicherung des tierärztlichen Kaufuntersuchungsrisikos
Aus versicherungsmathematischer Sicht wird die Absicherung des tierärztlichen Kaufuntersuchungsrisikos
– auch bei wenigen, die Versicherungsgemeinschaft belastenden Fällen – jetzt erst
recht zum unerwünschten Verlustgeschäft. Reaktionen bis hin zum Ausschluss der Deckung von Kaufuntersuchungen werden nicht
ausbleiben.
Die für die Berufshaftpflichtversicherung wichtige Frage lautet deshalb, ob und ggf.
unter welchen Konditionen man dieses Risiko noch versicherbar halten kann.
Die Instrumentarien des Versicherers sind nach eingehender Risikoanalyse:
Bei der Auswahl der Versicherten ist es für den Haftpflichtversicherer vor Vertragsabschluss schwer, die jeweilige
Qualifikation und Sorgfalt des einzelnen Tierarztes zuverlässig einzuschätzen. Bei
schon länger in freier Praxis tätigen Tierärzten kann eine Anfrage beim Vorversicherer
die Einschätzung erleichtern, bietet jedoch keine Garantie.
Minimierung des Haftungsrisikos
Es liegt im gemeinsamen Interesse von den Tierärzten und ihren Haftpflichtversicherern,
das Haftungsrisiko aus der Durchführung von Kaufuntersuchungen weitgehend zu minimieren,
damit es versicherbar bleibt. Dazu muss jeder seinen ehrlichen Beitrag leisten.
Jeder Tierarzt, der Kaufuntersuchungen durchführt oder diese Leistung anbieten will,
sollte selbstkritisch hinterfragen, ob er in Anbetracht des hohen Haftungsrisikos
über die notwendige Qualifikation und eine den Anforderungen entsprechende technische Ausrüstung verfügt. Im Falle der ambulanten Durchführung von Kaufuntersuchungen sind auch die
individuellen Gegebenheiten vor Ort zu berücksichtigen. Die sorgfältige Durchführung einer Kaufuntersuchung erfordert
geeignete Rahmenbedingungen. Dies gilt gleichermaßen für die rein klinische wie auch
die Röntgenuntersuchung. Allzu große Kompromisse als Zugeständnis an den Kunden bedeuten
für den Tierarzt ein hohes Haftungsrisiko.
Auch der Haftpflichtversicherer ist gefordert, wenn er sich dafür entscheidet, das
Risiko Kaufuntersuchung zukünftig weiterhin abzudecken. Für den Haftpflichtversicherer
bedeutet Risikomanagement neben der Selektion auch Prävention. Vermeidbare Haftungsquellen
müssen frühzeitig aufgedeckt und durch entsprechende Information und Beratung der
Tierärzte, notfalls in Form der Ausgestaltung von Auflagen im Versicherungsvertrag,
miniert werden.
Dokumentation
Spätestens mit der Anzeige des ersten Kaufuntersuchungsfalls richtet sich das Augenmerk
des Versicherers auf die Dokumentation des Untersuchungsganges.
Eine sorgfältige Dokumentation des Untersuchungsganges ist unverzichtbar.
Die Qualität der Dokumentation zeigt Extreme in beide Richtungen. Protokolle der Marke
Eigenbau reichen von der einseitigen Minimalisten-Version bis hin zu Werken mit weit
über 20 Seiten. Empfehlenswert ist das gesunde Mittelmaß: „so wenig wie möglich –
so viel wie nötig“. Die zur rechtlichen Absicherung für die Kaufuntersuchung erarbeiteten
Hilfsmittel können sich sonst im Streitfall für die Verwender als Fallstrick erweisen.
Es empfiehlt sich daher die Verwendung eines juristisch geprüften, praxistauglichen Kaufuntersuchungs-Protokolls, in dem auch die Haftungsausschlüsse von kundigen Juristen überarbeitet und der geltenden
Rechtslage angepasst wurden. Wegen der strengen Inhaltskontrollen für Formularverträge
(§§ 305 ff BGB) ist deren Wirksamkeit häufig streitig. Will der Tierarzt seine Haftung
rechtssicher beschränken, bietet nur eine Individualvereinbarung mit dem Auftraggeber
zuverlässigen Schutz. Die Anforderungen an Art und Dokumentation dieser Individualabreden
sind in Abgrenzung zur Verwendung von AGB jedoch hoch.
Kaufempfehlungen oder Prognosen zur gesundheitlichen Entwicklung der Pferde, die sich bisweilen in den Untersuchungsprotokollen
finden, müssen unbedingt vermieden werden. Dies entspricht auch den Empfehlungen des
Röntgenleitfadens, der in seiner Präambel ausdrücklich klarstellt, dass Prognosen
nicht abgegeben werden können und die Beurteilung die Momentaufnahme eines Lebewesens
darstellt, dessen Beschaffenheit ständigen Veränderungen unterliegt. Ebenso entspricht
dies den Empfehlungen des „Vertrages über die Untersuchung eines Pferdes“[
11
].
Weitere Risiken bei der Kaufuntersuchung
Weitere, absolut zu vermeidende Risiken bei der Kaufuntersuchung sind:
-
Die Akzeptanz unzureichender Untersuchungsbedingungen: im Zweifel muss die Untersuchung
protokolliert abgebrochen werden.
-
Die sofortige Befundung von Röntgenbildern vor Ort unter unzureichenden Lichtbedingungen,
Zeitdruck etc.
-
Kritische mündliche Aussagen, die kein Pendant im Protokoll haben.
-
Die Akzeptanz unzureichender Vorberichte des Verkäufers oder schlimmer noch, seiner
nicht nachweislich bevollmächtigten Erfüllungsgehilfen.
-
Das Verschweigen von Vorerkrankungen bzw. Behandlungen des Pferdes. Stimmt der Verkäufer
der Auskunftserteilung nicht zu, muss der Auftrag abgelehnt werden.
Idealerweise sollte der Tierarzt eine Kaufuntersuchung niemals allein, sondern unter Anwesenheit eines Zeugen, der nicht im Lager des Verkäufers oder Käufers
steht, durchführen.