Einleitung
Tuberkulose (TB) ist in vielen Regionen der Welt eines der größten gesundheitlichen
Probleme mit geschätzten etwa 9,6 Millionen Neuerkrankungen und 1,5 Millionen Todesfällen
pro Jahr [1]. Tabakrauchen ist die größte vermeidbare globale Krankheitsursache, die für den
vorzeitigen Tod von jährlich fast 6 Millionen Menschen verantwortlich ist [2]. Eine Vielzahl von Veröffentlichungen hat in den letzten Jahren gezeigt, dass zwischen
diesen beiden Epidemien ein enger Zusammenhang besteht; drei Metaanalysen aus dem
Jahre 2007 (Slama et al. [3], Bates et al. [4] und Lin et al. [5]) kamen zu der Schlussfolgerung, dass Rauchen das Risiko für eine latente TB-Infektion,
für eine aktive TB-Erkrankung und für den Tod an TB etwa verdoppelt. Rauchen als Risikofaktor
ist in den TB-Kontrollprogrammen inzwischen zwar berücksichtigt [6]
[7], wird aber bislang nur unzureichend beachtet [8]
[9].
Wie stark der Einfluss des Rauchens auf die TB-Epidemiologie sein kann, wird in einer
Hochrechnung aus dem Jahr 2011 gezeigt [10]. Danach wird das Rauchen zwischen 2010 und 2050 unter den derzeitigen Rauchertrends
global im Vergleich zu den Vorhersagen der WHO, die den Einflussfaktor Rauchen nicht
berücksichtigen, zu zusätzlichen 18 Millionen TB-Neuerkrankungen (Anstieg der TB um
7 % von 256 Millionen auf 274 Millionen) führen. Bei der hieraus resultierenden erhöhten
Zahl von Todesfällen ist der mögliche Einfluss von HIV und der tabakassoziierten COPD
noch nicht eingerechnet [11].
In dieser Übersicht soll anhand der aktuellen Literatur der Zusammenhang zwischen
TB und Tabakkonsum unter verschiedenen Aspekten – Infektion mit dem TB-Erreger, Erkrankung
an TB, Einfluss auf Therapieerfolg einschließlich Rezidivgefahr und Mortalität sowie
Tabakentwöhnung – dargestellt werden.
Historisches
In Deutschland gab es schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts Hinweise auf den ursächlichen
Zusammenhang zwischen TB und Tabak. So veröffentlichte Ludolph Brauer im ersten Heft
der von ihm seit 1903 herausgegebenen Beiträge zur Klinik der Tuberkulose einen umfangreichen
Artikel, in welchem er das gehäufte Auftreten der TB bei Arbeitern in Zigarrenfabriken
im Vergleich zur übrigen Bevölkerung untersuchte [12]. Er beschrieb, dass mit steigender Produktion auch mehr Menschen an der TB sterben,
was auf eine „Beziehung beider Faktoren zueinander“ hindeute.
In der Zeitschrift „Der Tabakgegner“ findet sich 1913 die Forderung für ein neues
Epidemie-Gesetz in Österreich, wonach darin auch die Gefahren des Rauchens berücksichtigt
werden sollten mit der Begründung: „Es ist keine Übertreibung, wenn man behauptet,
dass seit Duldung der Tabakunsitte die Erkrankungen an Lungentuberkulose sich mehr
als verzehnfacht haben“ [13].
Fritz Lickint wies in seiner 1939 veröffentlichten Monografie „Tabak und Gesundheit“
ausführlich auf die negativen Auswirkungen des Tabakkonsums auf die TB-Infektion und
den Verlauf der TB-Erkrankung hin, u. a. mit dem Zitat einer im Volksmund verbreiteten
Redensart, „daß sich jemand die Schwindsucht angeraucht habe“ [14]. In seinem 1940 erschienenen Buch „Tabakgenuss und Gesundheit“ postuliert Lickint
ein erhöhtes Risiko für Raucher, eine (Kehlkopf-) Tuberkulose zu entwickeln, bedingt
durch die in der Atemwegschleimhaut ablaufende chronische Entzündungsreaktion. Er
berichtet über schlechtere Behandlungserfolge bei Rauchern mit Tuberkulose und einer
sich günstiger entwickelnden Krankheitsprognose unter Tabakkarenz und schlussfolgert,
dass ein Rauchstopp allen TB-Kranken ärztlich anzuraten sei [15].
Vorstand und Beirat der Deutschen Tuberkulose-Gesellschaft, der heutigen Deutschen
Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), forderten bereits 1939, dass
in allen Lungenheilstätten und Tuberkulosekrankenhäusern ein absolutes Rauchverbot
in allen dienstlichen Räumen sowohl für die Patienten als auch für die Angestellten
einzuhalten sei [16].
In den USA machte G. B. Webb im Jahre 1918 auf die negativen Effekte des Zigarettenrauchs
im Zusammenhang mit der TB aufmerksam [17]. Dort wurde schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts das Spucken als Folge des Tabakkauens
wegen der damit verbundenen Gefahr der TB-Ansteckung untersagt. Tabakkauen war davor
beliebt und gerade diese Hygienemaßnahmen zur Prävention der TB könnten ironischerweise
der Ausbreitung des Rauchens Vorschub geleistet haben: Mit der damals aufkommenden
Furcht, dass der ausgespuckte Kautabak wesentlich zur TB-Verbreitung beitragen könnte,
wurde das Tabakkauen zunehmend verpönter und brachte das inhalative Rauchen zunächst
in den USA, später in Europa in Mode [18]
[19]
[20]. Dieses gesetzliche „Spuck“-Verbot in den USA trug demnach wesentlich dazu bei,
dass innerhalb eines Jahrzehnts das Zigarettenrauchen das Tabakkauen als wesentliche
Quelle von Nikotin überholt hatte [21]
[22].
Zunächst wurde aber die allgemeine Einstellung zum Rauchen als Einflussfaktor auf
die Tuberkulose vor allem durch zwei Arbeiten aus den 1960er-Jahren beeinflusst [23]
[24]. Diese hatten den Zusammenhang zwischen Tuberkulose, Tabak- und Alkoholkonsum untersucht
und Alkohol als den Hauptrisikofaktor benannt. In der Folge galt als „Expertenmeinung“,
dass Rauchen nicht mit TB assoziiert sei. Rauchen als Gesundheitsproblem betraf zudem
über lange Zeit hauptsächlich nur die Industrienationen, in denen gleichzeitig die
Tuberkulosezahlen zurückgingen. Die sogenannten Entwicklungsländer mit hohen und/oder
ansteigenden Tuberkuloseinzidenzen blieben zunächst bis in die neuere Zeit vom Rauchen
weitgehend verschont [25]. Der Zusammenhang zwischen Tabakrauchen und Tuberkulose wurde so bis fast in die
1990er-Jahre von Public Health-Institutionen [26] wie vonseiten der Kliniker [27] zumeist übersehen oder nur als zufällig erachtet [28]
[29]. Erst im letzten Jahrzehnt wurde der Assoziation von Rauchen und TB weitreichendere
Aufmerksamkeit zuteil [30].
Ätiologischer Zusammenhang zwischen Rauchen und TB
Ätiologischer Zusammenhang zwischen Rauchen und TB
Als Erklärung dafür, dass das Rauchen ein wichtiger Risikofaktor für die TB ist, werden
verschiedene Faktoren, vor allem eine Beeinträchtigung der lokalen und allgemeinen
Immunabwehr und eine Störung der bazillären Klärfunktion im Bronchialsystem, diskutiert
[31]
[32]
[33]. Bekannt ist, dass beim Raucher die mukoziliäre Clearance eingeschränkt ist [34], wodurch den TB-Bakterien das Vordringen in die Alveolen erleichtert werden kann
[5]. Der Tabakrauch beeinträchtigt zudem die Funktion der Alveolarmakrophagen (AM),
die ein wichtiger Faktor im Abwehrmechanismus gegen Bakterien sind [36]. Aus den Lungen von Rauchern isolierte AM haben im Vergleich zu denen von Nichtrauchern
eine herabgesetzte Fähigkeit zur Phagozytose und liefern eine geringere Menge an sezernierten
proinflammatorischen Zytokinen [37]. AM von Rauchern konnten das intrazelluläre Wachstum von M. tuberculosis (Mtb) nicht kontrollieren. Die AM von Nichtrauchern dagegen produzieren nach Infektion
mit Mtb signifikant mehr Tumornekrosefaktor-Alpha, IFN-gamma und IL-1beta im Vergleich
mit nicht-infizierten Makrophagen. Die Lunge von Rauchern enthält zudem mehr AM, welche
die immunsuppressiv wirkenden FoxP3 T-Zellen induzieren [38]
[39]. Nachgewiesen wurde auch, dass Zigarettenrauch die T-Zell-Antwort auf das TB-Bakterium
verringert [40]. Ein weiterer möglicher Mechanismus könnte in der direkten Wirkung von Nikotin auf
die Nikotinrezeptoren liegen, wodurch die intrazelluläre Produktion von Tumornekrosefaktor-Alpha
im AM herabgesetzt und damit die Eindämmung von Mtb eingeschränkt wird [41].
Risiko für eine TB-Infektion
Risiko für eine TB-Infektion
Bei Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Rauchen/Passivrauchen und Tuberkulose
ist immer die Möglichkeit weiterer gleichzeitig bestehender Risikofaktoren wie Alkohol-
und Drogenkonsum, Mangelernährung, Immunschwäche, oder Sozialstatus als „Confounder“
zu beachten. Bei Studien zum Zusammenhang zwischen Rauchen/Passivrauchen und TB-Infektion
kommt noch hinzu, dass es keinen eindeutig sicheren Nachweis einer latenten TB-Infektion
gibt, auch wenn Tuberkulinhauttest (THT) und Interferon Gamma-Release-Assays (IGRAs)
eine relativ hohe Sensitivität und Spezifität besitzen [8].
Einzelne Studien aus den Jahren 1997 – 2005 hatten bereits gezeigt, dass das Ansteckungsrisiko
mit der Menge und Dauer des Rauchens steigt [42]
[43]
[44]
[45]. Die drei unabhängig voneinander durchgeführten Metaanalysen aus dem Jahr 2007 hatten
ergeben, dass die Exposition gegenüber Tabakrauch das Risiko einer TB-Infektion etwa
verdoppelt. Die Metaanalyse von Slama et al. [3], bei der 5 von 53 eingeschlossenen Arbeiten die Beziehung zwischen Rauchen und Infektion
untersuchten, belegt einen signifikanten Einfluss von aktivem Tabakrauchen auf die
Entstehung einer TB-Infektion (Odds Ratio [OR]) 1,8, 95 % CI [Konfidenzintervall]
1,5 – 2,1). Bates et al. [4] fanden, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion nach Kontakt mit einem Patienten
mit offener Lungentuberkulose bei Tabakrauchern auf das 1,7-Fache erhöht ist. Ähnliche
Wahrscheinlichkeiten fanden sich in der dritten Metaanalyse (Lin et al. [5]). In der Metaanalyse der WHO und der IUATLD konnten alle acht Studien, die das Infektionsrisiko
unter Tabakeinfluss untersuchten, den schädlichen Effekt des Tabakrauchens belegen;
einige fanden eine Dosis-Wirkungs-Beziehung: höhere Odds Ratio für steigenden Zigarettenkonsum
und mehr Raucherjahre [6].
Eine kürzlich veröffentlichte Studie aus den USA [46], welche die Tabakrauchexposition durch Cotinin-Bestimmung im Speichel kontrollierte,
fand, dass erwachsene Raucher gegenüber Nichtrauchern ein erhöhtes Risiko für eine
LTBI haben (AOR [adjustierte OR] 2,31; 95 % CI 1,17 – 4,55). Erwachsene Passivraucher
hatten zwar erhöhte Odds, jedoch war dies statistisch nicht signifikant. Dagegen zeigte
sich bei im Ausland geborenen Erwachsenen sowohl für aktives (AOR 2,56; 95 % CI 1,20 – 5,45)
als auch passives Rauchen (AOR 2,27; 95 % CI 1,09 – 4,72) ein signifikant erhöhtes
Risiko. Bei Kindern war in dieser Studie kein Zusammenhang zu Aktiv- oder Passivrauchen
zu eruieren. Während eine aktuelle Metaanalyse nur eine weiche Assoziation zwischen
Passivrauchen und TB-Infektion aufzeigte [47], konnte in einer spanischen Studie gezeigt werden, dass das Risiko einer Übertragung
des TB-Erregers bei Kontakten mit rauchenden TB-Patienten höher als bei nicht rauchenden
TB-Patienten ist; aufgrund der Ergebnisse wurde geschätzt, dass Passivrauchen für
12,8 % der TB-Infektionen verantwortlich war [48]. Bei Kindern fand sich in einer peruanischen Studie, dass der Kontakt mit rauchenden
TB-Patienten im selben Haushalt das Risiko einer Übertragung des TB-Erregers gegenüber
Haushalten mit nicht rauchenden TB-Patienten verdoppelt [49]. Auch werden Maßnahmen gefordert, die dem Schutz von nichtrauchenden TB-Patienten
vor Passivrauch dienen sollen [50].
Risiko für eine aktive TB-Erkrankung
Risiko für eine aktive TB-Erkrankung
Die drei bereits erwähnten Metaanalysen aus dem Jahr 2007 kamen auch zu dem Ergebnis,
dass aktive Raucher ein mehr als doppelt so hohes Risiko haben, an einer TB zu erkranken
[3]
[4]
[5]: Slama et al. [3] fanden in 21 von 24 Studien einen Zusammenhang zwischen Rauchen und einem erhöhten
Erkrankungsrisiko für eine Lungentuberkulose. Aktive Raucher haben danach eine mehr
als doppelt so hohe Chance zu erkranken (OR 2,6; 95 % CI 2,1 – 3,4). Sogar ehemalige
Raucher sind verglichen mit Nichtrauchern noch um das 1,6-Fache (OR; 95 % CI: 1,2 – 2,1)
gefährdet [3]. Die Forschergruppe um Bates wies ein 2,3 bis 2,7-fach erhöhtes relatives Risiko
bei 13 eingeschlossenen Studien nach [4]. Lin et al. [5] bestätigten diese Ergebnisse, wobei die Evidenzlage für die pulmonale TB größer
als für die extrapulmonale TB war. Eine spanische Querschnittsstudie an mehr als 13 000
TB-Patienten erbrachte, dass bei Rauchern im Vergleich mit Nichtrauchern eine um 50 %
höhere Wahrscheinlichkeit besteht, eine pulmonale TB und zudem fast zweimal so häufig
eine ausgedehntere Form mit Kavernen zu entwickeln [51].
Abgesehen vom Rauchen hat auch der sozioökonomische Status mit Faktoren wie Ernährung,
Unterkunft und anderen Gefährdungen Einfluss auf das Risiko einer TB-Erkrankung. Bei
der Interpretation der obigen Ergebnisse muss deshalb die unvollständige Berücksichtigung
potenzieller Einflussgrößen beachtet werden. Allerdings wurden die prospektiven Kohortenstudien
von Jee et al. [52] und Lin et al. [53] im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Alkoholkonsum kontrolliert durchgeführt. Dass
auch Passivrauchen eine erhöhte Gefahr für die Entwicklung einer TB bedeutet, zeigte
sich in einer prospektiven Studie aus Hongkong [54], die an einer großen Kohorte von mehr als 15 000 weiblichen Nierauchern im Alter
zwischen 65 und 74 Jahren durchgeführt worden war: Hier war die Exposition im Haushalt
mit der Entwicklung einer aktiven TB (Hazard Ratio [HR] 1,49; 95 % CI 1,01 – 2,19)
und einer kulturell bestätigten TB (HR 1,70; 95 % CI 1,04 – 2,80) verbunden. Obwohl
somit die Forschung eine starke Assoziation zwischen Rauchen (inklusive Passivrauchen)
und Tuberkulose aufzeigt, ist noch ungeklärt, ob dies Ausdruck eines erhöhten Risikos
für eine TB-Infektion oder für eine Reaktivierung zu einer aktiven TB-Erkrankung ist
[13]. Vermutlich kommen beide Möglichkeiten in Frage.
Risiko für Rezidiv einer TB
Risiko für Rezidiv einer TB
Dass Rauchen den Therapieerfolg negativ beeinflusst, konnte ebenfalls in einigen Studien
gezeigt werden. So war die mikroskopische Sputumkonversion nach 2 Monaten Therapie
in einer Studie in Kuwait [55] bei Rauchern mit weit fortgeschrittenen radiologischen Veränderungen oder deutlichem
mikroskopischen Nachweis gegenüber Nichtrauchern statistisch signifikant verzögert.
In einer brasilianischen Studie [56] wurde bei Rauchern mit einer nicht-kavernösen Tuberkulose eine Verzögerung der kulturellen
Sputumkonversion nach 2-monatiger Therapie beobachtet. Ähnliche Ergebnisse erbrachte
eine weitere Studie in Brasilien [57], worauf die Empfehlungen beruhen, die Patienten noch während der Therapie vom Rauchen
zu entwöhnen. Auch erfolgreich behandelten Patienten ist eine Fortführung des Rauchverzichts
nach Beendigung der Tuberkulosetherapie anzuraten. Dafür sprechen die Daten einer
weiteren brasilianischen Studie [58], die mehr als 1000 Tuberkulosepatienten einschloss. Von den 754 als erfolgreich
behandelt geltenden TB-Erkrankten wurden 711 über einen Zeitraum von drei Jahren nachbeobachtet;
bei 37 (5,2 %) kam es zu einem Rezidiv. Die Studie konnte belegen, dass bei aktivem
Rauchen die Gefahr eines TB-Rezidivs um das 2,5-Fache ansteigt (OR 2,53; 95 % CI 1,23 – 5,21).
Auch andere Studien haben das höhere Wiedererkrankungsrisiko für Raucher bestätigt
[59]
[60]. In der koreanischen Studie von Jee et al. erhöhte Rauchen das Risiko eines Rezidivs
bei Männern um 30 %, jedoch nicht bei Frauen [52]. In einer Studie aus Taiwan von Yen et al. [61] an über 5500 (zunächst) erfolgreich behandelten TB-Patienten war das Rauchen von
täglich mehr als 10 Zigaretten mit einer doppelt so hohen Rezidivrate als der bei
Nichtrauchern verbunden. Die bislang größte prospektive Studie an über 16 000 TB-Patienten
in Hongkong von Leung et al. [62] erbrachte bei Rauchern nicht nur einen schlechteren Therapieerfolg, sondern auch
ein erhöhtes Rezidivrisiko mit einem deutlichen Gradienten vom Nierauchern zu Ex-Rauchern
(7,2 %) und aktiven Rauchern (12,2 %). Die Autoren weisen darauf hin, dass bei Wiederauftreten
einer TB-Erkrankung hier nicht sicher zwischen einem Rezidiv und einer Reinfektion,
die bei Rauchern ebenfalls eine größere Gefahr darstellt, unterschieden werden konnte.
Risiko für Tod an TB
Bei aktiven Raucher besteht im Vergleich zu Nichtrauchern eine bis zu doppelt so hohe
Gefahr, an TB zu versterben [59]
[63]. Von den drei o. g. Metaanalysen aus dem Jahr 2007 fand nur die Studie von Bates
et al. kein höheres TB‑Sterblichkeitsrisiko für Raucher [4].
Wie dargestellt gibt es Hinweise darauf, dass Rauchen die Schwere des Krankheitsverlaufs,
die Geschwindigkeit der bakteriologischen Konversion, die Therapieversager- und Rückfallraten
ungünstig beeinflussen kann. Damit lässt sich vermutlich auch das erhöhte Risiko,
an Tuberkulose zu versterben, erklären. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um
belastbare Ergebnisse zu dieser Fragestellung zu erhalten. Weltweit könnte jeder fünfte
Tod an Tuberkulose vermieden werden, wenn die Patienten keine Raucher wären [64].
Tabakentwöhnung während und nach TB-Therapie
Tabakentwöhnung während und nach TB-Therapie
Die oben erwähnte Literatur, welche den erheblichen negativen Einfluss des Rauchens
auf TB-Infektion, TB-Erkrankung und die Prognose aufzeigt hat, hat auch zu den Empfehlungen
der WHO geführt, TB-Patienten zumindest während und nach der Behandlung vom Rauchen
zu entwöhnen [6]. Tatsächlich gibt es einige Studien aus Entwicklungsländern mit hoher TB-Prävalenz,
die die Auswirkungen der Tabakentwöhnung auf den Verlauf der TB untersucht haben [65]: Ein initiales Motivationsgespräch von 5 – 10 Minuten und kurze Erinnerungen bei
jeder Visite führten in Indonesien zu einem Anstieg der Nichtraucher nach 6-monatiger
Therapie von 86,1 % im Vergleich zu initial 18,5 % Nichtrauchern in 2011 [66]. In Nepal beendeten 39 % einer Kohorte von 77 Rauchern das Rauchen binnen 6 Monaten
nach einer kurzen Beratung jeweils zu Behandlungsbeginn, nach 2 und 5 Monaten [67]. In Südafrika führte ein kurzes Motivationsgespräch durch eine Krankenschwester
nach 6 Monaten immerhin noch zu einer mindestens doppelt so hohen Rauchabstinenz (21,5 %
der 205 neu erkrankten Erwachsenen versus 9,3 % der 204 Kontrollpatienten) [68].
Erstaunlich ist aber, dass es kaum Studien gibt, die die Auswirkungen der Tabakentwöhnung
auf den Verlauf der TB untersucht haben. Zellweger et al. [69] zitieren lediglich eine Studie aus dem Sudan, die fand, dass TB-Patienten, die von
in der Raucherberatung geübtem medizinischen Personal betreut wurden, davon deutlich
profitierten: Bei Patienten, die bei der Entwöhnung mitmachten, wurde die Therapie
in 83 % regulär beendet im Vergleich zu 59 % bei den Patienten, die nicht in das Entwöhnungsprogramm
eingeschlossen waren [70].
Tab. 1
Zusammenhänge zwischen Rauchen und dem relativen Risiko einer latenten TB-Infektion,
der Entwicklung einer Erkrankung und der Sterblichkeit an aktiver TB (adaptiert von
Zyl Smith et al., Eur Respir J 2010 [32]).
Gepooltes Relatives Risiko (95 % CI)
|
Ergebnis
|
Salma et al. 2007
|
Lin et al. 2007
|
Bates et al. 2007
|
TB-Infektion
|
~1,8 (1,5 – 2,1)
|
~ 1,7 (1,5 – 2,8)
|
~ 1,7 (1,5 – 2,0)
|
TB-Erkrankung
|
~2,3(1,8 – 3,0)
|
~ 2,0 (1,6 – 2,6)
|
~ 2,3 (2,0 – 2,8)
|
TB-Sterblichkeit
|
~ 2,2 8 (1,3 – 3,7)
|
~ 2,0 (1,1 – 3,5)
|
~ 2,1 (1,4 – 3,4)
|
Abkürzung: CI = Konfidenzintervall
Wie die in [Tab. 1] dargestellten Ergebnisse der 3 Metaanalysen aus dem Jahr 2007 zeigen, kann es als
gesichert gelten, dass sich durch Rauchen das Risiko für eine TB-Infektion, für eine
aktive TB-Erkrankung und die Sterblichkeit an Tuberkulose etwa verdoppelt.
Daraus leiten sich zwingend die Empfehlungen zur Tabakentwöhnung sowohl während als
auch nach der Behandlung einer TB ab [65]
[69]. Aber auch davon unabhängig muss das Rauchen generell eingedämmt werden, da es unter
Berücksichtigung der aktuellen Trends nach einer Hochrechnung zwischen 2010 und 2050
global im Vergleich zu den Vorhersagen der WHO, die den Einflussfaktor Rauchen nicht
berücksichtigen, zusätzlich zu 18 Millionen TB-Neuerkrankungen kommen könnte [10]. Eine stärkere politische Fokussierung dieser Problematik ist angesichts der End-TB-Strategie
der WHO dringend erforderlich [71]
[72].