Pneumologie 2016; 70(01): 17-22
DOI: 10.1055/s-0041-109601
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tuberkulose und Rauchen

Tuberculosis and Tobacco Smoking
R. Loddenkemper
1   Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, Berlin
,
M. Brönnecke
1   Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, Berlin
,
S. Castell
1   Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, Berlin
2   Abteilung für Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig
,
R. Diel
1   Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, Berlin
3   Lungenclinic Grosshansdorf, Großhansdorf, Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL), Universitäres Lungenzentrum Nord (ULZN)
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Robert Loddenkemper
Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
Helios Klinikum Emil von Behring
Lungenklinik Heckeshorn
Walterhöferstr. 11
14165 Berlin

Publikationsverlauf

eingereicht 07. Oktober 2015

akzeptiert nach Revision 16. November 2015

Publikationsdatum:
20. Januar 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Weltweit treten jährlich zirka 9,6 Millionen Neuerkrankungen und 1,5 Millionen Todesfälle durch Tuberkulose (TB) auf. Hierbei führt Rauchen als unabhängiger Risikofaktor etwa zu einer Verdoppelung des relativen Risikos nicht nur für die aktive Erkrankung, sondern auch für die latente TB-Infektion und die Sterblichkeit an TB. Nach einer Hochrechnung werden bis zum Jahr 2050 durch das Rauchen vermutlich 18 Millionen Neuerkrankungen an TB zusätzlich verursacht, womit das TB-Eliminierungsziel der WHO infrage gestellt würde. Maßnahmen zur Raucherentwöhnung während und nach der Therapie, die in Tuberkuloseprogrammen bislang unzureichend beachtet werden, sind daher dringend erforderlich.


Abstract

Worldwide there are annually about 9.6 million new cases and 1.5 million deaths due to tuberculosis (TB). Smoking is an independent risk factor causing approximately a twofold increase not only in active Tb disease but also in latent TB infection and mortality. In a mathematical model it is estimated that smoking would produce until 2050 an excess of 18 million tuberculosis cases from TB which would challenge the TB elimination goal of the WHO. Smoking cessation methods during and after TB treatment, which at present are insufficiently included into TB programmes, are urgently needed.


Einleitung

Tuberkulose (TB) ist in vielen Regionen der Welt eines der größten gesundheitlichen Probleme mit geschätzten etwa 9,6 Millionen Neuerkrankungen und 1,5 Millionen Todesfällen pro Jahr [1]. Tabakrauchen ist die größte vermeidbare globale Krankheitsursache, die für den vorzeitigen Tod von jährlich fast 6 Millionen Menschen verantwortlich ist [2]. Eine Vielzahl von Veröffentlichungen hat in den letzten Jahren gezeigt, dass zwischen diesen beiden Epidemien ein enger Zusammenhang besteht; drei Metaanalysen aus dem Jahre 2007 (Slama et al. [3], Bates et al. [4] und Lin et al. [5]) kamen zu der Schlussfolgerung, dass Rauchen das Risiko für eine latente TB-Infektion, für eine aktive TB-Erkrankung und für den Tod an TB etwa verdoppelt. Rauchen als Risikofaktor ist in den TB-Kontrollprogrammen inzwischen zwar berücksichtigt [6] [7], wird aber bislang nur unzureichend beachtet [8] [9].

Wie stark der Einfluss des Rauchens auf die TB-Epidemiologie sein kann, wird in einer Hochrechnung aus dem Jahr 2011 gezeigt [10]. Danach wird das Rauchen zwischen 2010 und 2050 unter den derzeitigen Rauchertrends global im Vergleich zu den Vorhersagen der WHO, die den Einflussfaktor Rauchen nicht berücksichtigen, zu zusätzlichen 18 Millionen TB-Neuerkrankungen (Anstieg der TB um 7 % von 256 Millionen auf 274 Millionen) führen. Bei der hieraus resultierenden erhöhten Zahl von Todesfällen ist der mögliche Einfluss von HIV und der tabakassoziierten COPD noch nicht eingerechnet [11].

In dieser Übersicht soll anhand der aktuellen Literatur der Zusammenhang zwischen TB und Tabakkonsum unter verschiedenen Aspekten – Infektion mit dem TB-Erreger, Erkrankung an TB, Einfluss auf Therapieerfolg einschließlich Rezidivgefahr und Mortalität sowie Tabakentwöhnung – dargestellt werden.


Historisches

In Deutschland gab es schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts Hinweise auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen TB und Tabak. So veröffentlichte Ludolph Brauer im ersten Heft der von ihm seit 1903 herausgegebenen Beiträge zur Klinik der Tuberkulose einen umfangreichen Artikel, in welchem er das gehäufte Auftreten der TB bei Arbeitern in Zigarrenfabriken im Vergleich zur übrigen Bevölkerung untersuchte [12]. Er beschrieb, dass mit steigender Produktion auch mehr Menschen an der TB sterben, was auf eine „Beziehung beider Faktoren zueinander“ hindeute.

In der Zeitschrift „Der Tabakgegner“ findet sich 1913 die Forderung für ein neues Epidemie-Gesetz in Österreich, wonach darin auch die Gefahren des Rauchens berücksichtigt werden sollten mit der Begründung: „Es ist keine Übertreibung, wenn man behauptet, dass seit Duldung der Tabakunsitte die Erkrankungen an Lungentuberkulose sich mehr als verzehnfacht haben“ [13].

Fritz Lickint wies in seiner 1939 veröffentlichten Monografie „Tabak und Gesundheit“ ausführlich auf die negativen Auswirkungen des Tabakkonsums auf die TB-Infektion und den Verlauf der TB-Erkrankung hin, u. a. mit dem Zitat einer im Volksmund verbreiteten Redensart, „daß sich jemand die Schwindsucht angeraucht habe“ [14]. In seinem 1940 erschienenen Buch „Tabakgenuss und Gesundheit“ postuliert Lickint ein erhöhtes Risiko für Raucher, eine (Kehlkopf-) Tuberkulose zu entwickeln, bedingt durch die in der Atemwegschleimhaut ablaufende chronische Entzündungsreaktion. Er berichtet über schlechtere Behandlungserfolge bei Rauchern mit Tuberkulose und einer sich günstiger entwickelnden Krankheitsprognose unter Tabakkarenz und schlussfolgert, dass ein Rauchstopp allen TB-Kranken ärztlich anzuraten sei [15].

Vorstand und Beirat der Deutschen Tuberkulose-Gesellschaft, der heutigen Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), forderten bereits 1939, dass in allen Lungenheilstätten und Tuberkulosekrankenhäusern ein absolutes Rauchverbot in allen dienstlichen Räumen sowohl für die Patienten als auch für die Angestellten einzuhalten sei [16].

In den USA machte G. B. Webb im Jahre 1918 auf die negativen Effekte des Zigarettenrauchs im Zusammenhang mit der TB aufmerksam [17]. Dort wurde schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts das Spucken als Folge des Tabakkauens wegen der damit verbundenen Gefahr der TB-Ansteckung untersagt. Tabakkauen war davor beliebt und gerade diese Hygienemaßnahmen zur Prävention der TB könnten ironischerweise der Ausbreitung des Rauchens Vorschub geleistet haben: Mit der damals aufkommenden Furcht, dass der ausgespuckte Kautabak wesentlich zur TB-Verbreitung beitragen könnte, wurde das Tabakkauen zunehmend verpönter und brachte das inhalative Rauchen zunächst in den USA, später in Europa in Mode [18] [19] [20]. Dieses gesetzliche „Spuck“-Verbot in den USA trug demnach wesentlich dazu bei, dass innerhalb eines Jahrzehnts das Zigarettenrauchen das Tabakkauen als wesentliche Quelle von Nikotin überholt hatte [21] [22].

Zunächst wurde aber die allgemeine Einstellung zum Rauchen als Einflussfaktor auf die Tuberkulose vor allem durch zwei Arbeiten aus den 1960er-Jahren beeinflusst [23] [24]. Diese hatten den Zusammenhang zwischen Tuberkulose, Tabak- und Alkoholkonsum untersucht und Alkohol als den Hauptrisikofaktor benannt. In der Folge galt als „Expertenmeinung“, dass Rauchen nicht mit TB assoziiert sei. Rauchen als Gesundheitsproblem betraf zudem über lange Zeit hauptsächlich nur die Industrienationen, in denen gleichzeitig die Tuberkulosezahlen zurückgingen. Die sogenannten Entwicklungsländer mit hohen und/oder ansteigenden Tuberkuloseinzidenzen blieben zunächst bis in die neuere Zeit vom Rauchen weitgehend verschont [25]. Der Zusammenhang zwischen Tabakrauchen und Tuberkulose wurde so bis fast in die 1990er-Jahre von Public Health-Institutionen [26] wie vonseiten der Kliniker [27] zumeist übersehen oder nur als zufällig erachtet [28] [29]. Erst im letzten Jahrzehnt wurde der Assoziation von Rauchen und TB weitreichendere Aufmerksamkeit zuteil [30].


Ätiologischer Zusammenhang zwischen Rauchen und TB

Als Erklärung dafür, dass das Rauchen ein wichtiger Risikofaktor für die TB ist, werden verschiedene Faktoren, vor allem eine Beeinträchtigung der lokalen und allgemeinen Immunabwehr und eine Störung der bazillären Klärfunktion im Bronchialsystem, diskutiert [31] [32] [33]. Bekannt ist, dass beim Raucher die mukoziliäre Clearance eingeschränkt ist [34], wodurch den TB-Bakterien das Vordringen in die Alveolen erleichtert werden kann [5]. Der Tabakrauch beeinträchtigt zudem die Funktion der Alveolarmakrophagen (AM), die ein wichtiger Faktor im Abwehrmechanismus gegen Bakterien sind [36]. Aus den Lungen von Rauchern isolierte AM haben im Vergleich zu denen von Nichtrauchern eine herabgesetzte Fähigkeit zur Phagozytose und liefern eine geringere Menge an sezernierten proinflammatorischen Zytokinen [37]. AM von Rauchern konnten das intrazelluläre Wachstum von M. tuberculosis (Mtb) nicht kontrollieren. Die AM von Nichtrauchern dagegen produzieren nach Infektion mit Mtb signifikant mehr Tumornekrosefaktor-Alpha, IFN-gamma und IL-1beta im Vergleich mit nicht-infizierten Makrophagen. Die Lunge von Rauchern enthält zudem mehr AM, welche die immunsuppressiv wirkenden FoxP3 T-Zellen induzieren [38] [39]. Nachgewiesen wurde auch, dass Zigarettenrauch die T-Zell-Antwort auf das TB-Bakterium verringert [40]. Ein weiterer möglicher Mechanismus könnte in der direkten Wirkung von Nikotin auf die Nikotinrezeptoren liegen, wodurch die intrazelluläre Produktion von Tumornekrosefaktor-Alpha im AM herabgesetzt und damit die Eindämmung von Mtb eingeschränkt wird [41].


Risiko für eine TB-Infektion

Bei Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Rauchen/Passivrauchen und Tuberkulose ist immer die Möglichkeit weiterer gleichzeitig bestehender Risikofaktoren wie Alkohol- und Drogenkonsum, Mangelernährung, Immunschwäche, oder Sozialstatus als „Confounder“ zu beachten. Bei Studien zum Zusammenhang zwischen Rauchen/Passivrauchen und TB-Infektion kommt noch hinzu, dass es keinen eindeutig sicheren Nachweis einer latenten TB-Infektion gibt, auch wenn Tuberkulinhauttest (THT) und Interferon Gamma-Release-Assays (IGRAs) eine relativ hohe Sensitivität und Spezifität besitzen [8].

Einzelne Studien aus den Jahren 1997 – 2005 hatten bereits gezeigt, dass das Ansteckungsrisiko mit der Menge und Dauer des Rauchens steigt [42] [43] [44] [45]. Die drei unabhängig voneinander durchgeführten Metaanalysen aus dem Jahr 2007 hatten ergeben, dass die Exposition gegenüber Tabakrauch das Risiko einer TB-Infektion etwa verdoppelt. Die Metaanalyse von Slama et al. [3], bei der 5 von 53 eingeschlossenen Arbeiten die Beziehung zwischen Rauchen und Infektion untersuchten, belegt einen signifikanten Einfluss von aktivem Tabakrauchen auf die Entstehung einer TB-Infektion (Odds Ratio [OR]) 1,8, 95 % CI [Konfidenzintervall] 1,5 – 2,1). Bates et al. [4] fanden, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion nach Kontakt mit einem Patienten mit offener Lungentuberkulose bei Tabakrauchern auf das 1,7-Fache erhöht ist. Ähnliche Wahrscheinlichkeiten fanden sich in der dritten Metaanalyse (Lin et al. [5]). In der Metaanalyse der WHO und der IUATLD konnten alle acht Studien, die das Infektionsrisiko unter Tabakeinfluss untersuchten, den schädlichen Effekt des Tabakrauchens belegen; einige fanden eine Dosis-Wirkungs-Beziehung: höhere Odds Ratio für steigenden Zigarettenkonsum und mehr Raucherjahre [6].

Eine kürzlich veröffentlichte Studie aus den USA [46], welche die Tabakrauchexposition durch Cotinin-Bestimmung im Speichel kontrollierte, fand, dass erwachsene Raucher gegenüber Nichtrauchern ein erhöhtes Risiko für eine LTBI haben (AOR [adjustierte OR] 2,31; 95 % CI 1,17 – 4,55). Erwachsene Passivraucher hatten zwar erhöhte Odds, jedoch war dies statistisch nicht signifikant. Dagegen zeigte sich bei im Ausland geborenen Erwachsenen sowohl für aktives (AOR 2,56; 95 % CI 1,20 – 5,45) als auch passives Rauchen (AOR 2,27; 95 % CI 1,09 – 4,72) ein signifikant erhöhtes Risiko. Bei Kindern war in dieser Studie kein Zusammenhang zu Aktiv- oder Passivrauchen zu eruieren. Während eine aktuelle Metaanalyse nur eine weiche Assoziation zwischen Passivrauchen und TB-Infektion aufzeigte [47], konnte in einer spanischen Studie gezeigt werden, dass das Risiko einer Übertragung des TB-Erregers bei Kontakten mit rauchenden TB-Patienten höher als bei nicht rauchenden TB-Patienten ist; aufgrund der Ergebnisse wurde geschätzt, dass Passivrauchen für 12,8 % der TB-Infektionen verantwortlich war [48]. Bei Kindern fand sich in einer peruanischen Studie, dass der Kontakt mit rauchenden TB-Patienten im selben Haushalt das Risiko einer Übertragung des TB-Erregers gegenüber Haushalten mit nicht rauchenden TB-Patienten verdoppelt [49]. Auch werden Maßnahmen gefordert, die dem Schutz von nichtrauchenden TB-Patienten vor Passivrauch dienen sollen [50].


Risiko für eine aktive TB-Erkrankung

Die drei bereits erwähnten Metaanalysen aus dem Jahr 2007 kamen auch zu dem Ergebnis, dass aktive Raucher ein mehr als doppelt so hohes Risiko haben, an einer TB zu erkranken [3] [4] [5]: Slama et al. [3] fanden in 21 von 24 Studien einen Zusammenhang zwischen Rauchen und einem erhöhten Erkrankungsrisiko für eine Lungentuberkulose. Aktive Raucher haben danach eine mehr als doppelt so hohe Chance zu erkranken (OR 2,6; 95 % CI 2,1 – 3,4). Sogar ehemalige Raucher sind verglichen mit Nichtrauchern noch um das 1,6-Fache (OR; 95 % CI: 1,2 – 2,1) gefährdet [3]. Die Forschergruppe um Bates wies ein 2,3 bis 2,7-fach erhöhtes relatives Risiko bei 13 eingeschlossenen Studien nach [4]. Lin et al. [5] bestätigten diese Ergebnisse, wobei die Evidenzlage für die pulmonale TB größer als für die extrapulmonale TB war. Eine spanische Querschnittsstudie an mehr als 13 000 TB-Patienten erbrachte, dass bei Rauchern im Vergleich mit Nichtrauchern eine um 50 % höhere Wahrscheinlichkeit besteht, eine pulmonale TB und zudem fast zweimal so häufig eine ausgedehntere Form mit Kavernen zu entwickeln [51].

Abgesehen vom Rauchen hat auch der sozioökonomische Status mit Faktoren wie Ernährung, Unterkunft und anderen Gefährdungen Einfluss auf das Risiko einer TB-Erkrankung. Bei der Interpretation der obigen Ergebnisse muss deshalb die unvollständige Berücksichtigung potenzieller Einflussgrößen beachtet werden. Allerdings wurden die prospektiven Kohortenstudien von Jee et al. [52] und Lin et al. [53] im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Alkoholkonsum kontrolliert durchgeführt. Dass auch Passivrauchen eine erhöhte Gefahr für die Entwicklung einer TB bedeutet, zeigte sich in einer prospektiven Studie aus Hongkong [54], die an einer großen Kohorte von mehr als 15 000 weiblichen Nierauchern im Alter zwischen 65 und 74 Jahren durchgeführt worden war: Hier war die Exposition im Haushalt mit der Entwicklung einer aktiven TB (Hazard Ratio [HR] 1,49; 95 % CI 1,01 – 2,19) und einer kulturell bestätigten TB (HR 1,70; 95 % CI 1,04 – 2,80) verbunden. Obwohl somit die Forschung eine starke Assoziation zwischen Rauchen (inklusive Passivrauchen) und Tuberkulose aufzeigt, ist noch ungeklärt, ob dies Ausdruck eines erhöhten Risikos für eine TB-Infektion oder für eine Reaktivierung zu einer aktiven TB-Erkrankung ist [13]. Vermutlich kommen beide Möglichkeiten in Frage.


Risiko für Rezidiv einer TB

Dass Rauchen den Therapieerfolg negativ beeinflusst, konnte ebenfalls in einigen Studien gezeigt werden. So war die mikroskopische Sputumkonversion nach 2 Monaten Therapie in einer Studie in Kuwait [55] bei Rauchern mit weit fortgeschrittenen radiologischen Veränderungen oder deutlichem mikroskopischen Nachweis gegenüber Nichtrauchern statistisch signifikant verzögert. In einer brasilianischen Studie [56] wurde bei Rauchern mit einer nicht-kavernösen Tuberkulose eine Verzögerung der kulturellen Sputumkonversion nach 2-monatiger Therapie beobachtet. Ähnliche Ergebnisse erbrachte eine weitere Studie in Brasilien [57], worauf die Empfehlungen beruhen, die Patienten noch während der Therapie vom Rauchen zu entwöhnen. Auch erfolgreich behandelten Patienten ist eine Fortführung des Rauchverzichts nach Beendigung der Tuberkulosetherapie anzuraten. Dafür sprechen die Daten einer weiteren brasilianischen Studie [58], die mehr als 1000 Tuberkulosepatienten einschloss. Von den 754 als erfolgreich behandelt geltenden TB-Erkrankten wurden 711 über einen Zeitraum von drei Jahren nachbeobachtet; bei 37 (5,2 %) kam es zu einem Rezidiv. Die Studie konnte belegen, dass bei aktivem Rauchen die Gefahr eines TB-Rezidivs um das 2,5-Fache ansteigt (OR 2,53; 95 % CI 1,23 – 5,21).

Auch andere Studien haben das höhere Wiedererkrankungsrisiko für Raucher bestätigt [59] [60]. In der koreanischen Studie von Jee et al. erhöhte Rauchen das Risiko eines Rezidivs bei Männern um 30 %, jedoch nicht bei Frauen [52]. In einer Studie aus Taiwan von Yen et al. [61] an über 5500 (zunächst) erfolgreich behandelten TB-Patienten war das Rauchen von täglich mehr als 10 Zigaretten mit einer doppelt so hohen Rezidivrate als der bei Nichtrauchern verbunden. Die bislang größte prospektive Studie an über 16 000 TB-Patienten in Hongkong von Leung et al. [62] erbrachte bei Rauchern nicht nur einen schlechteren Therapieerfolg, sondern auch ein erhöhtes Rezidivrisiko mit einem deutlichen Gradienten vom Nierauchern zu Ex-Rauchern (7,2 %) und aktiven Rauchern (12,2 %). Die Autoren weisen darauf hin, dass bei Wiederauftreten einer TB-Erkrankung hier nicht sicher zwischen einem Rezidiv und einer Reinfektion, die bei Rauchern ebenfalls eine größere Gefahr darstellt, unterschieden werden konnte.


Risiko für Tod an TB

Bei aktiven Raucher besteht im Vergleich zu Nichtrauchern eine bis zu doppelt so hohe Gefahr, an TB zu versterben [59] [63]. Von den drei o. g. Metaanalysen aus dem Jahr 2007 fand nur die Studie von Bates et al. kein höheres TB‑Sterblichkeitsrisiko für Raucher [4].

Wie dargestellt gibt es Hinweise darauf, dass Rauchen die Schwere des Krankheitsverlaufs, die Geschwindigkeit der bakteriologischen Konversion, die Therapieversager- und Rückfallraten ungünstig beeinflussen kann. Damit lässt sich vermutlich auch das erhöhte Risiko, an Tuberkulose zu versterben, erklären. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um belastbare Ergebnisse zu dieser Fragestellung zu erhalten. Weltweit könnte jeder fünfte Tod an Tuberkulose vermieden werden, wenn die Patienten keine Raucher wären [64].


Tabakentwöhnung während und nach TB-Therapie

Die oben erwähnte Literatur, welche den erheblichen negativen Einfluss des Rauchens auf TB-Infektion, TB-Erkrankung und die Prognose aufzeigt hat, hat auch zu den Empfehlungen der WHO geführt, TB-Patienten zumindest während und nach der Behandlung vom Rauchen zu entwöhnen [6]. Tatsächlich gibt es einige Studien aus Entwicklungsländern mit hoher TB-Prävalenz, die die Auswirkungen der Tabakentwöhnung auf den Verlauf der TB untersucht haben [65]: Ein initiales Motivationsgespräch von 5 – 10 Minuten und kurze Erinnerungen bei jeder Visite führten in Indonesien zu einem Anstieg der Nichtraucher nach 6-monatiger Therapie von 86,1 % im Vergleich zu initial 18,5 % Nichtrauchern in 2011 [66]. In Nepal beendeten 39 % einer Kohorte von 77 Rauchern das Rauchen binnen 6 Monaten nach einer kurzen Beratung jeweils zu Behandlungsbeginn, nach 2 und 5 Monaten [67]. In Südafrika führte ein kurzes Motivationsgespräch durch eine Krankenschwester nach 6 Monaten immerhin noch zu einer mindestens doppelt so hohen Rauchabstinenz (21,5 % der 205 neu erkrankten Erwachsenen versus 9,3 % der 204 Kontrollpatienten) [68].

Erstaunlich ist aber, dass es kaum Studien gibt, die die Auswirkungen der Tabakentwöhnung auf den Verlauf der TB untersucht haben. Zellweger et al. [69] zitieren lediglich eine Studie aus dem Sudan, die fand, dass TB-Patienten, die von in der Raucherberatung geübtem medizinischen Personal betreut wurden, davon deutlich profitierten: Bei Patienten, die bei der Entwöhnung mitmachten, wurde die Therapie in 83 % regulär beendet im Vergleich zu 59 % bei den Patienten, die nicht in das Entwöhnungsprogramm eingeschlossen waren [70].

Tab. 1

Zusammenhänge zwischen Rauchen und dem relativen Risiko einer latenten TB-Infektion, der Entwicklung einer Erkrankung und der Sterblichkeit an aktiver TB (adaptiert von Zyl Smith et al., Eur Respir J 2010 [32]).

Gepooltes Relatives Risiko (95 % CI)

Ergebnis

Salma et al. 2007

Lin et al. 2007

Bates et al. 2007

TB-Infektion

~1,8 (1,5 – 2,1)

~ 1,7 (1,5 – 2,8)

~ 1,7 (1,5 – 2,0)

TB-Erkrankung

~2,3(1,8 – 3,0)

~ 2,0 (1,6 – 2,6)

~ 2,3 (2,0 – 2,8)

TB-Sterblichkeit

~ 2,2 8 (1,3 – 3,7)

~ 2,0 (1,1 – 3,5)

~ 2,1 (1,4 – 3,4)

Abkürzung: CI = Konfidenzintervall

Schlussfolgerungen

Wie die in [Tab. 1] dargestellten Ergebnisse der 3 Metaanalysen aus dem Jahr 2007 zeigen, kann es als gesichert gelten, dass sich durch Rauchen das Risiko für eine TB-Infektion, für eine aktive TB-Erkrankung und die Sterblichkeit an Tuberkulose etwa verdoppelt.

Daraus leiten sich zwingend die Empfehlungen zur Tabakentwöhnung sowohl während als auch nach der Behandlung einer TB ab [65] [69]. Aber auch davon unabhängig muss das Rauchen generell eingedämmt werden, da es unter Berücksichtigung der aktuellen Trends nach einer Hochrechnung zwischen 2010 und 2050 global im Vergleich zu den Vorhersagen der WHO, die den Einflussfaktor Rauchen nicht berücksichtigen, zusätzlich zu 18 Millionen TB-Neuerkrankungen kommen könnte [10]. Eine stärkere politische Fokussierung dieser Problematik ist angesichts der End-TB-Strategie der WHO dringend erforderlich [71] [72].



Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Robert Loddenkemper
Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
Helios Klinikum Emil von Behring
Lungenklinik Heckeshorn
Walterhöferstr. 11
14165 Berlin