Kap. 3 Prozessqualität – Patientenvorbereitung
Kap. 3.1 Aufklärung endoskopischer Eingriffe
Anmerkung
Die Empfehlungen wurden durch einen erfahrenen Juristen Dr. Peter Hüttl auf der Basis
der in der Praxis wichtigen Themen erstellt. Die Abstimmungsergebnisse spiegeln zwar
das Meinungsbild der Leitliniengruppe wieder, die finale Entscheidung über Inhalt
und Formulierung der Empfehlungen oblag aber dem Juristen als Experten auf der Basis
der gängigen Rechtsprechung.
Grundsätzliches zu Aufklärung/Einwilligung
Es ist ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH), dass jeder ärztliche
Eingriff, auch wenn er lege artis durchgeführt wurde, im Sinne der §§ 223 ff. StGB
eine Körperverletzung darstellt. Die Strafbarkeit und zivilrechtliche Haftung entfällt
demnach nur, wenn eine rechtswirksame Einwilligung des Patienten vorliegt. Damit der
Patient unter Wahrung seiner Entscheidungsfreiheit wirksam in den Eingriff überhaupt
einwilligen kann, muss er über die mit dem medizinischen Eingriff verbundenen Risiken
umfassend und unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtsprechung aufgeklärt
werden [98]. Zentrale Aufgabe der ärztlichen Aufklärung ist es daher, dem Patienten Art, Bedeutung,
Ablauf und Folgen eines geplanten Eingriffes zu verdeutlichen. Er soll aufgrund dieser
Mitteilung der Grundzüge des Eingriffes verstehen, was mit ihm geschieht und unter
Zugrundelegung dieser Informationen in die Lage versetzt werden, das Für und Wider
des geplanten Eingriffes abzuschätzen.
3.1.1 Aushändigung der Patientenaufklärung an den Patienten
Empfehlung
Dem Patienten soll die Aushändigung einer Kopie des vollständig vom aufklärenden Arzt
und vom aufgeklärten Patienten ausgefüllten und unterzeichneten Aufklärungsdokuments
angeboten werden. Aus juristischer Sicht soll sowohl die Aushändigung der Aufklärung,
als auch ein etwaiger Verzicht hierauf in der Patientenakte dokumentiert sowie ggf.
vom Patienten quittiert werden. Sofern der Patient auf die Aushändigung ausdrücklich
verzichtet, sollte der Patient aus rechtlicher Sicht darauf hingewiesen werden, dass
bei Verlangen die Aushändigung von Abschriften auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen
kann.
Starker Konsens
Kommentar
Seit dem durch das Patientenrechtegesetz neu eingefügten § 630e Abs. 2 Satz 2 BGB
besteht für den Arzt gegenüber dem Patienten eine Pflicht zur Aushändigung von Abschriften
der Unterlagen, welche dieser im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung
unterzeichnet hat. Dem Patienten sind aufgrund der klaren Formulierung des Wortlauts
die Abschriften ohne explizites Verlangen oder Nachfragen unaufgefordert auszuhändigen.
Zudem wird Sinn und Zweck dieser Vorschrift nur erfüllt, wenn dem Patienten die vollständigen
Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung (also z. B. Aufklärungs-/Einwilligungsbogen)
unterzeichnet wurden, in Abschrift mitgegeben werden. Nachdem das Gesetz eine ausdrückliche
Regelung eines Kostenerstattungsanspruchs des Arztes vermissen lässt, lässt dies den
Schluss zu, dass der Arzt die Abschriften auf eigene Kosten fertigen muss. Die Aushändigung
sollte in einem engen zeitlichen Zusammenhang zur Unterschriftsleistung erfolgen.
Selbstverständlich ist jedoch auch ein Verzicht des Patienten auf Aushändigung möglich.
Der Verzicht auf die Aushändigung dürfte wohl ebenso wie der Aufklärungsverzicht selbst
eine ausdrückliche Erklärung des Patienten erfordern. Der Verzicht darf aber nicht
als unabänderlich für die Zukunft gelten, da dem Patienten grundsätzlich ein jederzeitiges
Einsichtsrecht in seine Patientenakte zusteht und der Verzicht deshalb widerruflich
bleiben muss.
3.1.2 Arten der Aufklärung
Die Aufklärungspflicht des Arztes beschränkt sich nicht nur auf den Eingriff als solchen,
sondern es wird vielmehr vom Arzt gefordert, dass er nahezu in allen Bereichen seines
Handelns mit dem Patienten ein Aufklärungsgespräch führt, sofern dessen Selbstbestimmungsrecht
tangiert ist.
Die Diagnoseaufklärung
Statement:
Gegenstand der Aufklärungspflicht des Arztes ist es auch, dem Patienten den medizinischen
Befund mitzuteilen.
Konsens
Kommentar
Dabei gilt es zu betonen, dass bloße Mutmaßungen im Hinblick auf eine Diagnose nicht
mitgeteilt werden müssen. Vielmehr ist es dem Arzt sogar untersagt, bei einem bloßen
Verdacht einer lebensbedrohenden Krankheit, diese auf bloße Mutmaßungen beruhende
Diagnose dem Patienten mitzuteilen [99].
Die Behandlungsaufklärung
Empfehlung
Die Behandlungsaufklärung soll die Art der konkret vorgesehenen endoskopischen Untersuchung
bzw. des Eingriffs und auch den Hinweis auf bereits vorhersehbare Erweiterungen des
Eingriffs und möglicherweise erforderliche Folgeeingriffe oder Nachoperationen umfassen.
Zudem soll über Behandlungsalternativen und über Konsequenzen der Nichtbehandlung
aufgeklärt werden.
Konsens
Kommentar
Es muss eine Information des Patienten darüber erfolgen, welche Behandlung infrage
kommt. Hierzu gehören die Klarstellung der Art der konkreten Behandlung, die Erläuterung
der Tragweite des Eingriffes und auch der Hinweis auf bereits vorhersehbare Operationserweiterungen
und möglicherweise erforderliche Nachoperationen [100]. Insbesondere muss klar betont werden, dass der Patient ein Anrecht darauf hat,
über Behandlungsalternativen aufgeklärt zu werden. Es muss sich dabei jedoch um tatsächliche
Alternativen in der Behandlung handeln, die zudem gleichwertige Chancen bieten, aber
jeweils verschiedenen Risiken unterliegen.
Im Rahmen der Behandlungsaufklärung muss auch klargelegt werden, mit welchen Konsequenzen
im Fall der Nichtbehandlung zu rechnen ist.
Empfehlung
Bei Durchführung eines gleichartigen Eingriffes kann eine zuvor durchgeführte Aufklärung
über 2 – 3 Monate ihre Gültigkeit behalten, sofern sich die Risikoeinschätzung nicht
erheblich geändert hat.
Vor dem erneuten Eingriff soll in jedem Fall ein Patientengespräch mit der Erfassung
des aktuellen Wissensstandes erfolgen und schriftlich dokumentiert werden.
Konsens
Kommentar
Handelt es sich um eine im Wesentlichen identische Operation mit identischen Risiken,
so ist eine erneute Aufklärung entbehrlich, wenn der Patient innerhalb kurzer Zeit
wiederholt operiert werden muss, vor der ersten Operation ordnungsgemäß aufgeklärt
worden ist und sich gegenüber der ersten Operation keine wesentlichen neuen Risiken
ergeben(4). Das Vorwissen muss dem Patienten somit noch gegenwärtig sein. Der Arzt
soll sich deshalb durch detailliertes Nachfragen vor dem Eingriff vom Wissensstand
des Patienten überzeugen, ob dem Patienten die erforderlichen Informationen noch präsent
sind und ob in der Zwischenzeit weitere Fragen entstanden. Im Zweifelsfall ist anzuraten,
nochmals aufzuklären. Zum einen verliert eine Aufklärung nach geraumer Zeit (2 – 3 Monate)
ihre Wirksamkeit, zum anderen muss man sich durch detailliertes Nachfragen vom Wissensstand
des Patienten informieren, sodass eine erneute Aufklärung der sicherere Weg ist.
Empfehlung
Der ausdrückliche Wunsch des Patienten auf Nichtbehandlung soll schriftlich niedergelegt
und vom Patienten oder von Zeugen des Gesprächs gegengezeichnet werden
Konsens
Kommentar
Da auch hier der Arzt die Beweislast dafür trägt, dass der Patient die Einwilligung
verweigert hat, sollte auch der ausdrückliche Wunsch des Patienten nach Nichtbehandlung
schriftlich niedergelegt und vom Patienten gegengezeichnet werden [102].
Die Risikoaufklärung
Die Aufgabe der Risikoaufklärung besteht darin, dem Patienten diejenigen Gefahren
schonungslos zu benennen, die trotz fehlerfreien medizinischen Vorgehens für ihn bestehen,
möglich und nicht sicher beherrschbar sind.
Empfehlung
Die Auswahl der aufklärungsbedürftigen Risiken soll sich nicht nach der prozentualen
Häufigkeit der Komplikationen richten.
Es soll grundsätzlich unabhängig von deren prozentualer Häufigkeit über alle typischen
Risiken eines endoskopischen Eingriffs aufgeklärt werden, deren Realisierung erhebliche
Auswirkungen auf die Gesundheit und das Leben des Patienten haben kann.
Konsens
Kommentar
Denn auch über seltene Risiken (Komplikationsdichte kleiner als 0,1 %) muss der Patient
aufgeklärt werden, wenn der Eintritt des Risikos erhebliche Auswirkungen auf das Leben
des Patienten haben kann und die Risiken dem Eingriff spezifisch anhaften, auch wenn
sie selten sind [103].
Die Sicherungsaufklärung
Die Sicherungsaufklärung spielt gerade bei Sedierungen die größte Rolle.
Empfehlung
Es soll eine Sicherungsaufklärung über das korrekte Verhalten nach Sedierung und Entlassung
aus der ambulanten Therapie erfolgen. Diese soll dem Patienten mündlich erklärt und
schriftlich dokumentiert werden.
Konsens
Kommentar
Der Patient muss dringend über das korrekte Verhalten nach der Sedierung und der Entlassung
aus der ambulanten Therapie aufgeklärt werden. Es ist daher anzuraten, ein entsprechendes
Informationsblatt bereits vor der stattgehabten Sedierung und insbesondere nicht nur
dem Patienten, sondern auch ggf. entsprechenden Begleitpersonen auszuhändigen.
Der ambulant zu untersuchende Patient sollte zudem bereits bei der Terminvereinbarung
darauf hingewiesen werden, dass er mit einer Begleitperson zum Termin erscheinen muss
und insbesondere eine Begleitperson benötigt, die ihn sicher nach Hause bringt. Die
Begleitperson selbst ist darauf hinzuweisen, dass sie den Patienten auch nach der
Operation zu Hause entsprechend beobachtet.
Darüber hinaus ist der Patient darüber aufzuklären, dass er am Untersuchungstag nicht
aktiv am Straßenverkehr teilnehmen darf, insbesondere nicht ein Fahrzeug führen kann.
Er ist zudem darauf hinzuweisen, dass er keine schwierigen Maschinen bedienen und
keinen Alkohol trinken darf. Schließlich sollte er noch darauf hingewiesen werden,
dass er an diesem Tag keine wichtigen oder rechtlich bindenden Entscheidungen treffen
darf.
Grundsätzlich ist allen Patienten mitzuteilen, dass eine telefonische Erreichbarkeit
zum Arzt oder zum Klinikum besteht. Hierzu gehört insbesondere das Benennen einer
entsprechenden Telefonnummer [104].
Die entsprechenden Verhaltensmaßnahmen müssen dem Patienten sowohl mündlich mitgeteilt
werden, als auch in einem schriftlichen Merkblatt zur Kenntnis gebracht werden. Die
Aufklärung darüber muss zudem entsprechend dokumentiert werden.
Empfehlung
Bei einem Patienten, der sich zu einem ambulanten Eingriff mit Sedierung vorstellt,
sollte die Abholung durch eine Begleitperson sichergestellt sein.
Mehrheitliche Zustimmung
Kommentar
Sollte ein Patient zu einem elektiven Eingriff erscheinen, der eine Sedierung vorsieht,
ohne eine Begleitperson mitgebracht zu haben bzw. die Abholung durch eine Begleitperson
sichergestellt zu haben, so ist der Eingriff zu untersagen. Ein Schadensersatzanspruch
entsteht dem Patienten daraus regelmäßig nicht [105].
Die Rechtslage bezüglich der GI-Endoskopie ist derzeit unsicher, da keine entsprechenden
Gerichtsentscheidungen vorliegen. Zudem existiert keine medizinische belastbare Evidenz.
Diese Empfehlung wurde daher von dem juristischen Ko-Autors dieser Leitlinie (Herrn
Dr. Hüttl) bei Fehlen entsprechender Gerichtsentscheidungen in der vorliegenden Form
der Maximalforderung formuliert.
Dem Arzt kommt im Falle der Sedierung aufgrund der ihm bekannten und von ihm geschaffenen
gefahrerhöhenden Umstände eine Fürsorgepflicht zu, die es erfordert, die Gefahr eines
selbstgefährdenden Verhaltens des Patienten auszuschließen. Der Arzt muss demnach
die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz des Patienten treffen. In diesem Fall muss
somit sichergestellt werden, dass der Patient im Sinne der Fachterminologie nicht
nur „home ready“, sondern auch „street ready“ ist [106]. Der Patient muss in diesem Zusammenhang im Zeitpunkt seiner Entfernung aus der
Praxis/dem Krankenhaus in der Lage sein, abgewogene und eigenverantwortliche Entscheidungen
zu treffen. Sofern dies nicht der Fall ist und folglich die Sedierung oder ihre Folgewirkungen
zu einer erhöhten Gefahr für den Patienten führen können, wenn dieser ohne Begleitperson
mit dem Taxi oder öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fährt, darf der Arzt den
Patienten nicht auf diesem Weg nach Hause schicken. Ansonsten verletzt der Arzt seine
Pflicht zur Patientensicherung bzw. Patientenüberwachung. Dies kann zu einer Schadensersatzpflicht
des Arztes führen.
Der BGH hat im Jahre 2003 entschieden, dass ein Patient, der bei einer ambulanten
Behandlung so stark sediert wird, dass seine Tauglichkeit für den Straßenverkehr für
eine längere Zeit erheblich eingeschränkt ist, so überwacht werden muss, dass sich
der Patient nach der durchgeführten Behandlung nicht unbemerkt entfernen kann [107].
3.1.3 Das Aufklärungsgespräch
Empfehlung
Das Aufklärungsgespräch soll durch einen fachkundigen Arzt/Ärztin im Rahmen eines
mündlichen für den Patienten verständlichen Gespräches mit dem Patienten durchgeführt
werden. Die Aufklärung und Einwilligung sollen in der Patientenakte dokumentiert werden.
Auch der Verzicht auf eine Aufklärung soll in der Patientenakte dokumentiert werden.
Im Falle von Sprachbarrieren soll ein Übersetzter hinzugezogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Das Aufklärungsgespräch muss zunächst einmal von einem Arzt/Ärztin durchgeführt werden.
Die Delegation des Aufklärungsgespräches auf einen Nichtarzt bzw. auf ärztliches Hilfspersonal
ist nicht statthaft. Darüber hinaus muss der Arzt die notwendige Ausbildung für den
Eingriff vorweisen können, damit er überhaupt die intendierenden Risiken für den Patienten
in verständlicher Form darstellen kann.
§ 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB stellt hinsichtlich der Zulässigkeit der Aufklärungsdelegation
nunmehr auf die Ausbildung des die Aufklärung durchführenden Arztes ab. Ausweislich
der Gesetzesbegründung hat eine abgeschlossene fachliche Ausbildung vorzuliegen, durch
die die notwendige theoretische Befähigung zur Durchführung der Maßnahme erworben
wurde. Sofern der aufklärende Arzt noch nicht das Maß an praktischer Erfahrung zur
eigenständigen Durchführung der Maßnahme besitzt, soll dies nach dem Willen des Gesetzgebers
unschädlich sein. Somit wird primär die theoretische Befähigung des Aufklärenden in
den Vordergrund gerückt. Folglich muss der aufklärende Arzt aufgrund seiner Ausbildung
über die notwendigen Kenntnisse zur umfassenden Aufklärung über sämtliche wesentliche
Umstände hinsichtlich der Durchführung der Maßnahme verfügen.
Das Aufklärungsgespräch muss zudem in einer für den Patienten verständlichen Form
erfolgen. Die Aufklärung muss auch immer in einem mündlichen, ausführlichen Patientengespräch
erfolgen. Gemäß § 630 f Abs. 2 Satz 1 BGB besteht die Verpflichtung, sowohl die Einwilligung
als auch die Aufklärung in der Patientenakte zu dokumentieren.
Bei ausländischen Patienten ist dafür Sorge zu tragen, dass keine Sprachbarrieren
vorhanden sind. Bei Zweifeln an der Sprachkundigkeit des Patienten ist ggf. eine sprachkundige
Person hinzuzuziehen. Hierbei muss es sich nicht um einen Dolmetscher handeln, sondern
lediglich um eine Person, die die gleiche Sprache wie der Patient spricht. Dieser
ist zudem um sein Einverständnis zu ersuchen, ob diese Person übersetzen darf.
Es empfiehlt sich im Zusammenhang mit der Aufklärung auf standardisierte Aufklärungsbögen
zurückzugreifen. Wie gesagt, entbindet dies aber nicht von einem ausführlichen Patientengespräch.
Entsprechend § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Hs.2 BGB kann auf derartige Unterlagen lediglich
ergänzend Bezug genommen werden. Die Aufklärungsbogen dienen insbesondere auch der
Dokumentation der durchgeführten Aufklärung. Das stattgehabte Gespräch sollte durch
individuelle patientenbezogene Nachfragen manifestiert werden (beispielsweise nach
Aufgeregtheit, Schlaf etc.).
Sollte der Patient auf die Aufklärung verzichten, so ist dies ebenfalls gesondert
zu dokumentieren und mit einer gesonderten Unterschrift des Patienten zu versehen.
3.1.4 Zeitpunkt der Aufklärung
Empfehlung
Bei größeren therapeutischen endoskopischen Eingriffen bzw. schwerwiegenden Eingriffen
mit erhöhtem Risiko soll ein Zeitraum von mindestens 24 Stunden gewahrt werden.
Konsens
Kommentar
Die Aufklärung muss zudem so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient noch selbstbestimmt
entscheiden kann, ob er den Eingriff durchführen lassen möchte. Eine pauschale Festlegung
verbietet sich, da stets die jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls entscheidend
sind. Bei einfachen, ambulanten Eingriffen reicht oftmals die Aufklärung am Tag des
Eingriffes aus, selbstverständlich beim nicht sedierten Patienten. Insgesamt muss
allerdings die Aufklärung so früh wie möglich erfolgen. Es ist daher anzustreben,
bereits bei der Indikationsstellung zum Eingriff bzw. bei der Terminvereinbarung das
Aufklärungsgespräch zu führen.
Bei größeren operativen Eingriffen bzw. schwerwiegenden Eingriffen soll ein Zeitraum
von mindestens 24 Stunden gewahrt werden, da eine Aufklärung erst am Vortag einer
risikoreichen und umfangreichen Operation nach ständiger Rechtsprechung des BGH zweifellos
verspätet ist [108].
Man geht davon aus, dass die Aufklärung eine Wirksamkeit von zwei bis drei Monaten
hat.
3.1.5 Inhalt des Aufklärungsgespräches
Empfehlung
Das Aufklärungsgespräch soll sämtliche typischen Risiken der intendierten endoskopischen
Untersuchung/Intervention umfassen. Somit muss stets über Art und Schwere des Eingriffs
und die möglichen Folgen aufgeklärt werden [109].
Konsens
Kommentar
Je weniger dringlich der Eingriff ist, desto höher sind die Anforderungen an die Aufklärungspflicht.
Je schwerwiegender die mögliche Folge, desto eher ist auch über Risiken geringerer
Wahrscheinlichkeit aufzuklären. Gerade in Zusammenhang mit einer zu erfolgenden Sedierung
ist auf die hier speziell gegebenen Komplikationen hinzuweisen (Aspiration, arterielle
Hypotension, Brachykardie, Apnoe usw.). Gerade diese typischen Komplikationen müssen
mit dem Patienten ausführlich besprochen werden [110].
Die Frage, ob ein Patient auch auf den möglichen letalen Ausgang des Eingriffes hinzuweisen
ist, ist umstritten. Denn einerseits schuldet der Arzt eine schonende Aufklärung,
andererseits darf er nichts verschweigen. Die Rechtsprechung ist hierzu eher uneinheitlich,
so wurde von der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart [111] und des Oberlandesgerichts Zweibrücken [112] gefordert, dass ein Patient vor einer Koloskopie schonend darüber informiert werden
muss, dass er an den Folgen einer Perforation versterben könnte.
3.1.6 Aufklärungsadressat
Empfehlung
Bei der Person des Aufklärungspflichtigen soll grundsätzlich der Patient aufgeklärt
werden. Besonderheiten bestehen hier bei Minderjährigen und ggf. psychisch kranken
bzw. willensunfähigen Personen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Minderjährigen ist es zwingend, auch die Eltern aufzuklären und von dort die Einwilligung
einzuholen, wobei auf entsprechende Äußerungen der Minderjährigen Rücksicht zu nehmen
ist [113].
Da grundsätzlich die Eltern nur gemeinschaftlich das Sorgerecht für das Kind ausüben,
können sie auch nur gemeinschaftlich die Einwilligung zu einem Eingriff geben und
es müssen daher grundsätzlich beide Eltern aufgeklärt werden. Es ist aber anerkannt,
dass die Eltern sich gegenseitig ermächtigen können, für den anderen Elternteil mitzuentscheiden.
Der Arzt darf daher auf eine derartige wechselseitige Ermächtigung vertrauen, wenn
es sich um einfache, ambulante Eingriffe handelt.
Darüber hinaus haben die Eltern allerdings nicht das Recht in Eingriffe einzuwilligen,
die dem Kindeswohl entgegenstehen [114].
Bei psychisch kranken Patienten muss die Aufklärung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter
erfolgen. Sofern ein solcher nicht greifbar ist, ist ein gesetzlicher Betreuer zur
Entgegennahme der Aufklärung und zur Entscheidung über die Einwilligung zu bestellen.
Dies geschieht regelmäßig über das Gericht [115]. Gesetzlich ist in § 630e Abs. 5 BGB nunmehr zudem eine Erläuterungspflicht über
die wesentlichen Umstände der bevorstehenden Behandlung gegenüber dem einwilligungsunfähigen
Patienten vorgesehen. Somit sind auch Patienten, die aufgrund ihres Alters oder ihrer
geistigen Verfassung nicht in der Lage sind, allein über die Behandlungsmaßnahme zu
entscheiden, grundsätzlich in den Behandlungsprozess einzubinden. Hierdurch wird der
jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen, wonach ein
Einwilligungsunfähiger grundsätzlich über das Ob und Wie der Behandlung nicht im Unklaren
gelassen werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011 – 2 BvR 882/09). Die jeweiligen
Umstände im konkreten Einzelfall sind maßgeblich hinsichtlich Art, Umfang und Bestehens
der Erläuterungspflicht. Sofern im Einzelfall die Aufnahmefähigkeit der Erläuterungen
wenigstens in den wichtigsten Zügen auszuschließen ist, wie wohl bei Komapatienten
oder Säuglingen, wird beispielsweise eine Erläuterung entbehrlich sein. Die Erläuterungspflicht
hat jedoch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Aufklärung für die Einwilligung
des gesetzlichen Vertreters nach Absatz 4. Denn nach wie vor ist der gesetzliche Vertreter
ordnungsgemäß aufzuklären und auch nur dieser kann wirksam einwilligen.
3.2 Endoskopische Prozeduren bei erhöhtem Blutungsrisiko
3.2.1. Laborchemie vor Endoskopie
Empfehlung
Ein Routinescreening hinsichtlich einer Koagulopathie vor einem endoskopischen Eingriff
mit niedrigem Blutungsrisiko (Bestimmung von Prothrombinzeit [Quick/INR], partieller
Thromboplastinzeit, Thrombozyten oder Blutungszeit) sollte in Abwesenheit einer klinischen
Anamnese für ein Blutungsereignis, einer Risikoerkrankung oder eines klinischen Verdachtes
nicht vorgenommen werden. Ebenso sollte keine Routinetestung bzgl. einer Anämie, Nieren-,
Leberfunktionsstörung oder anderer Serumparameter ohne eine klinische Anamnese erfolgen.
Starker Konsens
Statement:
Zur Labordiagnostik vor Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko kann aufgrund mangelnder
Evidenz keine eindeutige Empfehlung abgegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Studien zur Routinetestung von Gerinnungsparametern bei Patienten ohne Anamnese für
eine prädisponierende Erkrankung oder ein Blutungsereignis vor chirurgischen oder
endoskopischen Eingriffen zeigten keine Korrelation zu dem tatsächlichen Auftreten
von Blutungsereignissen [116].
Auch für die Bestimmung von Hämoglobin, Hämatokrit, Nieren- und Leberwerten, Glukose
oder Urinanalysen vor einem Eingriff konnte kein Benefit bei Gesunden nachgewiesen
werden. Abnorme Werte in der Routinetestung fanden sich nur bei 0,2 – 1,0 % der Patienten
ohne Einfluss auf den geplanten Eingriff oder dessen Outcome. Dies spiegelt sich auch
in den Empfehlungen der ASGE wider, hier wird kein Routinescreening von Laborchemie
oder Blutungszeit empfohlen [117].
Empfehlung
Eine gerinnungsphysiologische Diagnostik vor dem endoskopischen Eingriff soll bei
Vorliegen von anamnestischen Faktoren und Vorerkrankungen erfolgen, die auf ein erhöhtes
Blutungsrisiko hinweisen.
Starker Konsens
Kommentar
Dies beinhaltet folgende Faktoren:
-
positive Blutungsanamnese nach stattgehabten Eingriffen
-
internistische Vorerkrankungen, die mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergehen
können:
-
vaskulär hämorrhagische Diathese (Morbus Osler, Ehlers Danlos Syndrom, Marfan Syndrom)
-
angeborene Thrombozytopathien
-
angeborene plasmatische Gerinnungsstörung (Von-Willebrand-Syndrom, angeborener Faktor VIII-(FVIII)-
oder Faktor IX-(FIX)-Mangel)
-
erworbene Thrombozytenfunktionsstörung und/oder erworbene plasmatische Gerinnungsstörung
i. R. von Leber-, Nierenerkrankungen, prolongierter biliärer Obstruktion, prolongierter
Antibiotikaeinnahme, Malnutritution oder myeloproliferativen Erkrankungen
-
Medikamentenanamnese: Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern oder oralen Antikoagulantien.
Diagnostische Parameter und weiterführende Korrekturmaßnahmen werden gesondert unter
den einzelnen Punkten aufgeführt.
3.2.2 Blutungsrisiko endoskopischer Eingriffe
Empfehlung
Um eine (Nutzen-)Risiko-Abwägung für den Patienten treffen zu können, soll eine Einschätzung
des Blutungsrisikos des jeweiligen endoskopischen Eingriffes in Eingriffe mit niedrigem
Blutungsrisiko und Eingriffe mit hohem Blutungsrisiko erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Kategorisierung in Eingriffe mit hohem und niedrigem Blutungsrisiko stellt die
Basis für eine Risikoabschätzung bei Vorliegen von weiteren Gefährdungsparametern
wie z. B. der Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten oder dem Vorliegen von
erworbenen oder angeborenen Gerinnungsstörungen dar. Diese orientiert sich an aktuellen
Daten und Leitlinien der BSG, ASGE und ESGE. Das jeweilige Risiko des einzelnen endoskopischen
Eingriffes wird im Folgenden detailliert aufgeführt ([Tab. 13]).
Tab. 13
Blutungsrisiko endoskopischer Eingriffe.
niedriges Blutungsrisiko
|
hohes Blutungsrisiko
|
-
diagnostische Endoskopie mit/ohne Biopsie
-
Gastroskopie
-
Kolonoskopie
-
Ballonenteroskopie
-
Kapsel
-
Polypektomie im Kolon < 10 mm
-
ERCP ohne EST mit/ohne Stent
-
EUS mit Feinnadelpunktion solider Läsionen
-
enterale Stentimplantation ohne Dilatation
-
APC von GI Blutungen
-
Thermokoagulation (BARRX)
|
-
Polypektomie > 10 mm
-
EMR/ESD
-
ERCP mit EST oder Ballondilatation > 10 mm
-
EUS + Feinnadelpunktion zystischer Läsionen
-
endoskopische Zystendrainage
-
endosonografisch gestützte Therapie
-
Ballondilatation/Bougierung
-
Varizentherapie (Ligatur, Sklerosierung)
-
PEG
-
diagnostische Laparoskopie mit Organbiopsie
-
PTC/PTCD
|
Diagnostische Endoskopie mit Biopsie
Empfehlung
Die diagnostische Endoskopie mit Zangenbiopsie soll zu den Untersuchungen mit niedrigem
Blutungsrisiko gruppiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die diagnostische Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) (Blutungsrisiko 0,03 %) [118], die diagnostische Kolonoskopie (Blutungsrisiko 0,02 – 0,1 %) [118]
[119], die diagnostische endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP) (Blutungsrisiko
0,05 – 1,3 %) [118]
[120] sowie die Push-, Single- oder Double-Ballonenteroskopie (0,2 %) [121] konnte in größeren Fallserien nur ein geringes Blutungsrisiko nachgewiesen werden.
Die Entnahme von Zangenbiopsien erhöht das Blutungsrisiko nur minimal [122], unter Verwendung von Kaltschlingen wurden Blutungskomplikationen in nur 0,07 %
beschrieben [123].
Endosonografie mit Punktion
Empfehlung
Die rein diagnostische EUS ohne und mit Feinnadelbiopsie solider Läsionen sollte zu
den Untersuchungen mit geringem Blutungsrisiko kategorisiert werden. Die EUS-Feinnadelpunktion
zystischer Läsionen und die EUS-gesteuerten therapeutischen Verfahren sollen davon
abweichend als Eingriff mit hohem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die diagnostische EUS mit Feinnadelbiopsie ist mit einer sehr geringen Mortalität
(0,008 %) und einem geringen Risiko für schwere Komplikationen (0,06 %) wie schwere
Blutungen, Pankreatitis und Perforation behaftet. In einer Zusammenfassung der Komplikationen
einer diagnostischen EUS an 18 Deutschen Zentren traten unter 13 223 untersuchten
Patienten nur bei 5 Patienten schwere, transfusionspflichtige Blutungen auf, bei 15
Patienten geringe subklinische Blutungen [124]. Dies entspricht den internationalen Daten, die für die EUS-gesteuerte Feinnadelpunktion
unselektierter Läsionen ein Blutungsrisiko unter 1 % ausweisen [125]
[126]
[127]
[128]
[129]
[130]. Daher klassifiziert die akutelle LL der ESGE die EUS-FNA solider Läsionen in die
Niedrigrisikogruppe für Blutungskomplikationen [131].
Anders verhält es sich mit der Feinnadelpunktion zystischer Pankreasläsionen, hier
wurde in zwei prospektiven Studien ein mit 5,5 % erhöhtes Blutungsrisiko festgestellt
[130]
[132]. Differenziert betrachtet werden sollte die Verwendung einer EUS-gesteuerten Biopsiebürste,
hier traten bei 1,5 % von 130 Patienten schwere Blutungskomplikationen auf [133]
[134]
[135]
[136].
Eine wesentliche Komplikationen der endoskopischen transmuralen Pseudozystendrainage
sind Blutungen in bis zu 9 % mit zum Teil auch letalem Ausgang. Hier wurden Blutungen
aus der Punktionstelle der Zyste bei Initialpunktion oder Stentwechsel beschrieben
(siehe auch Kap. 4.10)
[131].
Endoskopische Abtragung von Kolonpolypen
Empfehlung
Die endoskopische Abtragung von Kolonpolypen unter 10 mm sollte als Eingriff mit niedrigem
Blutungsrisiko bewerten. Die endoskopische Abtragung von Kolonpolypen ≥ 10 mm sollte
als Eingriff mit hohem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Das Blutungsrisiko für Blutungen nach Abtragung von Kolonpolypen (PPB) lag in zwei
größeren representativen Fallserien bei 2,9 % [137]
[138]. 1,1 % davon waren schwere Blutungen [137]. Eine Fallkontrollstudie [138] analysierte 4592 Patienten mit Koloskopie und Polypektomie, davon kam es bei 41
Patienten (0,9 %) zu einer späten Nachblutung im Mittel 6 Tage nach der Intervention.
Als Risikofaktoren wurde eine Polypengröße über 10 mm ermittelt mit einem Anstieg
des Blutungsrisikos um 9 % je mm Größenzunahme (OR 1,09; 95 % CI 1,0 ± 1,2; p = 0,008).
Zudem bestand ein erhöhtes Blutungsrisiko unter Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonisten
(nicht ASS). Eine multivariate zusammenfassende Analyse im Rahmen der publizierten
ESGE-Leitlinie [131] analysierte folgende wesentliche Risikofaktoren für das Auftreten einer Postpolypektomieblutung
bei Kolonpolypen: Patientenfaktoren: Alter > 65 Jahre, koronare Herzkrankheit, Antikoagulation
(Nicht ASS!), Polypengröße > 10 mm; technische Faktoren: Benutzung von reinem Schneidestrom
zur Abtragung.
Eine Analyse von 9336 Polypektomien im Kolon ergab eine Postpolypektomieblutung bei
2,8 %. Die Multivariate Analyse auf Polypenbasis ermittelte als Risikofaktoren für
eine Post Polypektomieblutung folgende Faktoren: Ein Alter ≥ 65 Jahren, kardiovaskuläre
oder renale Komorbidität, Polypengröße > 1 cm, gestielte Polypen oder laterally spreading
Adenome, die Verwendung reinen Schneidestroms in der Abtragung sowie eine insuffiziente
Darmlavage [139].
Eine weitere Fallkontrollstudie identifizierte 2011 als unabhängige Risikofaktoren
für eine Postpolypektomieblutung die Polypengröße mit einem Risikoanstieg von 13 %
pro 1 mm Größenzunahme (Odds Ratio [OR] 1,13, 95 % confidence interval [CI] 1,05 – 1,20,
p < 0,001) und die Lokalisation im rechen Kolon (OR of 4,67, 1,88 – 11,61, p = 0,001)
[140]. Eine aktuelle Arbeit [141] untersuchte 7447 Polypektomien bei 3253 Patienten, eine Postpolypektomieblutung
trat bei bei 1,3 % auf. Unabhängige Risikofaktoren waren hier die Polypengröße > 10 mm
(OR 2,355 (CI 1,225 – 4,528) p = 0,01), der gestielte Polyp (OR 3,473 (CI 1,576 – 7,657)
p = 0,002) und die Lokalisation im rechten Kolon (OR 2,690 (CI 1,465 – 4,940) p = 0,001).
Zuletzt analysierte eine große multizentrische Fallkontrollstudie 167 208 Polypektomien
bei 130 831 Koloskopien [142] mit einer Nachblutungsrate von 0,65 %. Auch hier waren die Polypengröße (OR 3,59
(3,05 – 3,14) p < 0,001), die Lokalisation im Coecum (OR 2,40 (2,52 – 3,78) p < 0,001)
und die Verwendung von reinem Schneidestrom (OR 2,02 (1,30 – 3,14) p < 0,01) die entscheidenden
Risikofaktoren für eine Blutungskomplikation. [Tab. 14] veranschaulicht Studien und Risikofaktoren zur Polypektomie im Kolon.
Tab. 14
Studien zu Risikofaktoren für Blutungskomplikationen bei Polypektomie im Kolon.
Autor
|
Design
|
n
|
Risikofaktor Blutung
|
Kim HS
AJG 2006 [139]
|
Fallkontrollstudie
|
9336 PP/5152 KK
|
Polypengröße > 1 cm vs. ≤ 1 cm OR 2,38 (1,78 – 3,18) p < 0,001 reiner Schneidestrom OR 6,95 (4,42 – 10,94) p < 0.001 kalte Polypektomie OR 7,15 (3,13 – 16,36) p < 0,001
|
Shawney Endoscopy 2009 [138]
|
Fallkontrollstudie
|
4592 KK mit PP
|
Polypengröße > 10 mm OR 1,1 (1,0 – 1,2) p = 0,008 Vitamin K-Antagonisten OR 5,2 (2,2 – 12,5) p = 0,0002
|
Buddingh
AJG 2011 [140]
|
retrospektive Fallkontrollstudie
|
156 KK mit PP
|
Polypengröße Risikoanstieg um 13 % je 1 mm OR 1,13 (1,05 – 1,20) p < 0,001 Lokalsation rechtes Hemikolon OR 4,67 (1,88 – 11,61) p = 0,001
|
Kím JH
JGH 2013 [141]
|
retrospektive Fallkontrollstudie
|
7447 PP/3253 KK
|
Polypengröße > 10 mm OR 2,355 (1,225 – 4,528) p = 0,010 gestielter Polyp OR 3,473 (1,576 – 7,657) p = 0,002 Lokalisation rechtes Kolon OR 2,690 (1,465 – 4,940) p = 0,001
|
Rutter
Endoscopy 2014
[142]
|
multizentrische Fallkontrollstudie
|
167 208 PP/130 831 KK
|
Coecum OR 2,40 (2,52 – 3,78) p < 0,001 Polypengröße OR 3,59 (3,05 – 3,14) p < 0,001 Schneidestrom OR 2,02 (1,30 – 3,14) p < 0,01
|
Entsprechend dieser Daten können als wesentliche Risikofaktoren die Polypengröße > 10 mm,
die Lokalisation im rechten Kolon und die Verwendung von reinem Schneidestrom übereinstimmend
herausgearbeitet werden. Die Einschätzung der Polypengröße anhand des Vergleiches
mit der Zange oder Schlinge ist zwar eher eine etwas ungenaue Abschätzung, die Abtragung
von Polypen unter 10 mm kann anhand der Daten aber in die Niedrigrisikogruppe kategorisiert
werden.
Endoskopische Mukosaresektion/endoskopische Submukosadissektion
Empfehlung
Die EMR und ESD sollen als Eingriff mit hohem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die endoskopische Mukosaresektion (EMR) rangiert das Blutungsrisiko zwischen 4,4 %
im Kolorektum [143] und 12 % im Ösophagus [144] davon 0,6 % mit schwerer Blutung. Die Abtragung von Duodenaladenomen oder duodenalen
Polypen ist ebenfalls mit einem erhöhtem Blutungsrisiko für Blutungen von 11,6 % innerhalb
von 24 h [145] behaftet.
Für die Großflächen EMR von Kolonadenomen analysierte eine prospektive Studie von
133 Läsionen die Lokalisation im proximalen Kolon (OR 3,72; p < 0,001), die Abtragung
mit reinem Schneidestrom (OR 2,03; p = 0,038) und die intraprozedurale Blutung (OR
2,16; p = 0,016) als unabhängige Risikofaktoren für ein postprozedurales Blutungsereignis
[146]. Bei einer aktuellen prospektiven multizentrischen Studie [147] von 1029 großflächigen Resektionen im Kolon (Polypektomien und EMR) mit einer mittleren
Polypengröße von 26,4 ± 8,6 mm (20 – 120 mm) trat eine postprozedurale Blutung in
16 (1,6 %) und eine Perforation in 8 Fällen (0,78 %) auf. Unabhängiger Risikofaktor
für eine Blutung war hier nur ein Alter unter 60 Jahren, Risikofaktoren für eine Perforation
waren eine En-bloc-Resektion und die Wien Klassifikation 4 – 5.
Im Vergleich zur EMR verdoppelt die endoskopische Submukosadissketion (ESD) das Risiko.
Hier wurden in einer Metaanalyse [148] neun Studien zum Blutungsrisiko von 868 Läsionen in der ESD-Gruppe und 1596 Läsionen
in der ESD-Gruppe (Ösophagus, Magen, Kolorektum) ausgewertet. Die Nachblutungsrate
lag in der ESD Gruppe (80/868) deutlich höher verglichen mit der EMR (93/1596) (OR
2,20, 95 %CI 1,58 – 3,07, p = 0,000).
Endoskopisch biliäre oder pankreatische Sphinkterotomie/Ballondilatation
Empfehlung
Die endoskopische biliäre oder pankreatische Sphinkterotomie sowie die großvolumige
Ballondilatation (> 10 mm) der Sphinkteren sollen zu den Eingriffen mit höhem Blutungsrisiko
kategorisiert werden. Die Ballondilatation < 10 mm kann als Eingriff mit niedrigem
Blutungsrisiko gelten.
Starker Konsens
Kommentar
Das Risiko für eine Blutung nach endoskopischer Sphinkterotomie wird mit 2 % beziffert,
5 % davon waren schwere Blutungsereignisse [149]. Für die endoskopische Sphinkterotomie in Kombination mit einer großvolumigen Ballondilatation
(12 – 20 mm) des Sphinkters wurde in einer retrospektiven Serie ein erhöhtes Blutungsrisiko
beschrieben [150], dies bestätigte sich in einer randomisiert-kontrollierten Vergleichstudie nicht
[151]. Die alleinige kleinvolumigere Ballondilatation des Sphinkters scheint eine Alternative
zur Sphinkterotomie mit geringerem Blutungsrisiko zu sein. Die Ballondilatation von
6 – 10 mm zeigte in einem randomisiert-prospektiven Vergleich zur EPT [152] (n = 132, Indikation Choledocholithiasis, keine Risikofaktoren) eine geringere Komplikationsrate
in der Ballongruppe (8,1 % [5/62] Pankreatitis n = 5 vs. 11,4 % [8/70] Pankreatitis
n = 5, Blutung n = 2, Perforation n = 1).
Endoskopische Stenosebehandlung: Dilatation/Bougierung
Empfehlung
Die endoskopische Behandlung von Stenosen im GI-Trakt durch Bougierung und Ballondilatation
kann als Eingriff mit hohem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Behandlung benigner Ösophagusstenosen durch Bougierung oder Dilatation ergab in
größeren Fallserien keine erhöhten Blutungsrisiken [153]
[154]. Auch die Dilatationsbehandlung von benignen Strikturen im Kolon und Dünndarm (M.
Crohn, postoperative Anastomose) zeigte keine Blutungskomplikationen [155]
[156]. Perforationen traten bei 3 % der Behandlungen auf. Keine der Studien war jedoch
auf die Untersuchung des Blutungsrisikos bei Dilatationsbehandlungen ausgelegt. Dilatationsbehandlungen
können daher weiterhin zu Untersuchungen mit erhöhtem Blutungsrisiko gerechnet werden
[131].
(Zu detaillierten Angaben zu Komplikationen bei Metallstenteinlage in Bezug zur jeweiligen
Indikation s. a. Kapitel 4.7.)
Endoskopische Stenosebehandlung: Selbst expandierende Metallstents
Empfehlung
Die Einlage von selbst expandierenden Metallstents im GI-Trakt sollte als Eingriff
mit niedrigem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die palliative Versorgung maligner Ösophagusstenosen durch selbst expandierende
Metallstents (SEMS) wurde nur in einer chinesischen Arbeit Blutungskomplikationen
bei 7,8 % beschrieben [157]. Dagegen zeigt die Literatur zur Stentinsertion bei Ösophagus-, Kolon-, Duodenal-
oder biliären Stenosen deutlich geringere Blutungsraten zwischen 0,5 und 1 % [158]
[159]
[160]
[161]. Die alleinige Stenteinlage ohne Dilatationsbehandlung gilt daher auch basierend
auf anderen internationaler Leitlinien als ein Niedrigrisikoeingriff [131]
[162].
(Zu detaillierten Angaben zu Komplikationen bei Metallstenteinlage in Bezug zur jeweiligen
Indikation siehe Kapitel 4.7).
PEG
Empfehlung
Die Anlage einer perkutanen Gastroenterostomie (PEG) sollte als Eingriff mit hohem
Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
In einer kleineren Serie traten Blutungskomplikationen nach PEG in 0,6 % der Fälle
auf [163]. Eine große retrospektive Serie an 1625 Patienten [164] mit Anlage einer Durchzugs-PEG wies eine Komplikationsrate von 13,2 % auf, dabei
handelte es sich im wesentlichen Fieber, PEG-Infektionen, Aspirationspneumonie und
eine Leckage an der PEG-Einstichstelle. Blutungskomplikationen traten in nur 1,2 %
der Fälle auf (n = 19) und konnten endoskopisch und angiografisch gestillt werden
oder sistierten unter konservativer Therapie. Auch wenn hier die Frequenz der Blutungskomplikationen
durch Einnahme von TAH im Gegensatz zu Antikoagulantien nicht gesteigert wurde, sollte
die Anlage einer PEG zu den Interventionen mit erhöhtem Blutungsrisiko zählen.
Endoskopische Varizenbehandlung
Empfehlung
Die endoskopische Varizenligatur und Varizensklerosierung soll als Eingriff mit hohem
Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Rezidivblutungen aus Ligaturulzera traten in der Analyse einer Fallserie bei bis zu
3,5 % der Patienten im Mittel 13,5 ± 7,3 Tage [117]
[118]
[119]
[120]
[121]
[122]
[123]
[124]
[125]
[126]
[127]
[128]
[129]
[130]
[131]
[132]
[133]
[134]
[135]
[136]
[137]
[138]
[139]
[140]
[141]
[142]
[143]
[144] nach der Ligaturbehandlung von Ösophagusvarizen auf [165]. Das Vorliegen einer früheren Varizenblutung (OR 12,07, 95 % CI [117]
[118]
[119]
[120]
[121]
[122]
[123]
[124]
[125]
[126]
[127]
[128]
[129]
[130]
[131]
[132]
[133]
[134]
[135]
[136]
[137]
[138]
[139]
[140]
[141]
[142]
[143]
[144]
[145]
[146]
[147]
[148]
[149]
[150]
[151]
[152]
[153]
[154]
[155]
[156]
[157]
[158]
[159]
[160]
[161]
[162]
[163]
[164]
[165]
[166]
[167]
[168]
[169]
[170]
[171]
[172]
[173]
[174]
[175]
[176]
[177]
[178] eine peptische Ösophagitis [OR 8,9, 95 % CI (1,65 – 47,8)]), ein hoher APRI-Score
(OR 1,54, 95 % CI [116]
[131]) und ein niedriger Prothrombin-Index (OR 0,54, 95 % CI [0.31 – 0.94]), aber nicht
die Einnahme von ASS, wurden als unabhängige Risikofaktoren für eine Rezidivvarizenblutung
analysiert. Das bei portaler Hypertension generell erhöhte Risiko für Blutungen weist
die Ligatur oder Sklerosierung als Hochrisikoeingriff aus [131]
[166].
Thermoablative Verfahren
Empfehlung
Thermoablative Verfahren sollten als Interventionen mit niedrigem Blutungsrisiko bewertet
werden.
Konsens
Kommentar
Zu Blutungskomplikationen unter Argon-Plasma-Koagulation (APC) oder Radiofrequenzablation
des Ösophagus (Ballonsystem zur RFA) liegen nur wenige Daten vor. Da Thermoablation
auch therapeutisch bei Blutungen aus vaskulären Läsionen eingesetzt wird [167]
[168]
[169] ist eher mit einem geringeren Risiko an Blutungskomplikationen zu rechnen. Möglicherweise
besteht bei der Verwendung des Ballonsystems zur RFA ein etwas höheres Blutungsrisiko.
Eine kleine retrospektive Serie beschreibt eine Blutungskomplikation bei der Verwendung
des Halo 360 zur Ablation von Long Segment Barrett-Mukosa [170]. In einer aktuellen Studie zum retrospektiven Vergleich von EMR + RFA versus RFA
bei insgesamt 169 Patienten traten pro Gruppe je 2 Blutungskomplikationen auf [171]. Eine Serie von 667 RFA-Therapien bei 244 Patienten ermittelte Blutungskomplikationen
nach RFA (zirkulär oder fokal) in 0,8 % der Fälle (n = 2) [172].
PTC/PTCD
Empfehlung
Die PTC und insbesondere die PTCD-Anlage soll als Eingriff mit hohem Blutungsrisiko
bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Blutungskomplikation nach PTCD treten überwiegend periinterventionell (innerhalb von
24 Stunden nach Anlage) und seltener postinterventionell auf. Eine Fallserie analysierte
die Komplikationen im Zeitraum 2000 – 2006 im Vergleich zu 2007 – 2011 [173]. Frühe Butungskomplikationen waren eine Hämobilie aus der Drainage (19,6/20 %),
eine Blutung aus Interkostalgefäßen (6,3/0,4 %) und seltener eine Leberkapselverletzung(2,3/0 %)
[173]. Späte Blutungskomplikationen treten seltener in Form einer Hämobilie auf (3,1/0 %)
[173]. Eine therapeutisch relevante Hämobilie nach akzidenteller Punktion eines größeren
intrahepatischen Gefäßes trat nach retrospektiven Daten in etwa 1,5 % der Fälle auf
[174]. Eine schwere Hämobilie infolge der Ausbildung einer arteriobiliären oder portobiliären
Fistel sowie arterielle Pseudoaneurysmata wurden in einer älteren Fallserie bei 13
von 333 Untersuchungen beschrieben [175]. In einer kürzlich publizierten radiologischen Analyse von 3110 PTCD-Anlagen wurde
eine arterielle Punktion mit Hämobilie mit einer insgesamt niedrigeren Inzidenzrate
von 2 % [176] beschrieben. In dieser Serie allerdings lag der maximale Drainagedurchmesser bei
8,5 French ohne weitere Dilatation auf ein größeres Volumen. Das Risiko für schwere
Blutungskomplikationen steigt mit der Durchführung therapeutischer Maßnahmen signifikant
(Traktdilatation) [177].
Daher sollte die Anlage einer perkutanen Drainage mit ggf. nachfolgender Therapie
als Eingriff mit erhöhtem Risiko gelten [178]
[179].
Diagnostische Laparoskopie
Empfehlung
Die diagnostische Laparoskopie mit Organbiopsie soll als Eingriff mit erhöhtem Blutungsrisiko
gelten.
Starker Konsens
Kommentar
Die generelle Komplikationsrate der diagnostische Laparoskopie wird in einer retrospektiven
Sammelstatistik von 23 Einzelstatistiken mit insgesamt 204 591 Patienten mit 1,86 %
angegeben [180]
[181]. Schwerwiegende Komplikationen, die eine Hospitalisation oder chirurgische Intervention
erforderten, traten in 0,15 % auf. Eine aktuellere Analyse von 747 konsekutiven diagnostischen
Laparoskopien in konventioneller Technik [182] gibt die Rate schwerwiegender Komplikationen (Blutungen, Darmperforation) mit immerhin
1,5 % (11/747) an. Die Rate der Blutungskomplikationen wird in der Literatur mit 0,09 – 0,1
beschrieben [180]
[182]
[183]
[184].
Ob die Minilaparoskopie durch den geringeren Gerätedurchmesser eine niedrigere Komplikationsrate
hat, ist derzeit nicht belegt. Eine prospektiv, randomisierter Vergleich von minilaparoskopisch
gesteuerter Leberbiopsie und perkutaner Leberbiopsie bei chronischen Lebererkrankungen
resultierte in 0,2 % (n = 1) schweren Komplikationen bei der Minilaparoskopie (perkutane
Leberbiopsie in 0,9 % (n = 4, p = 0,88). In dieser Studie waren Patienten mit Gerinnungseinschränkungen
allerdings ausgeschlossen.
Die globalen Gerinnungstests sind bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose
kein verlässlicher Parameter zur Voraussage des Blutungsrisikos [185]
[186]. So konnte eine ältere Studie bei 200 konsekutiven Patienten, die im Rahmen einer
Laparoskopie eine Leberbiopsie mit einer 1,8 mm-Menghini-Nadel erhielten, keine Korrelation
der laparoskopisch im Bereich der Einstichstelle beobachteten Blutungszeit mit der
Prothrombinzeit, der Blutungszeit und der Thrombozytenzahl dokumentieren [187].
In einer aktuellen retrospektiven Analyse von 2731 diagnostischen Minilaparoskopien
(1,9 mm Optik) mit Leberbiopsie lag die Rate ernster Komplikationen bei 1,0 % (n = 27,
0,7 % protrahierte Blutungskomplikationen, beide bei Patienten mit eingeschränkter
Lebersyntheseleistung, sowie Dünndarmperforation in 0,3 %). Die Mortalität lag bei
0,07 % (n = 2). Ermittelte Risikofaktoren für schwerwiegende Blutungsereignisse waren
eine Thrombopenie < 50 /Nl (OR = 6,1), eine INR > 1,5 (OR = 8,9), eine Leberzirrhose
(OR = 1,9) und eine portale Hypertension (OR = 2,1). Die logistische Regression zeigte
eine signifikante Korrelation für Thrombopenie und verlängerte INR (p = 0,001; OR = 14,1);
die bootstrap Analyse identifizierte eine INR > 1,5 als signifikanten Prädiktor (p = 0,0002)
für eine Blutungskomplikation. Auch wenn eine weitere retrospektive Analyse [188] kein erhöhtes Blutungsrisiko bei Vorliegen einer Leberzirrhose und/oder portalen
Hypertension im Vergleich zur nicht zirrhotischen Leber zeigte, sollte bei zusätzlich
deutlich erhöhter INR und oder Thrombopenie als Ausdruck einer eingeschränkten Lebersynthese
eine Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.
3.2.3 Medikation mit Thrombozytenaggregationshemmern, Heparinen, oralen Antikoagulantien
(Vitamin K-Antagonisten) und direkten oralen Antikoagulantien (DOAK)
Empfehlung
Bei geplanten endoskopischen Eingriffen unter Medikation mit Thrombozytenaggregationshemmern
und/oder oralen Antikoagulantien soll das individuelle Blutungsrisiko des Patienten
unter Berücksichtigung des endoskopischen Eingriffes und der bestehenden Medikation
gegen das individuelle Risiko für eine thrombembolische Komplikation durch ein Pausieren
der Medikation abgewogen werden. Dies gilt auch für die Wiederaufnahme der Medikation
([Tab. 15], [16], [17], [18]). Im Einzelfall sollte das Vorgehen mit dem behandelnden Kardiologen/Gerinnungsspezialisten
abgestimmt werden.
Tab. 15
Klassifizierung des Thrombembolierisikos [131]
[196]
[198]
[199].
niedriges Thrombembolierisiko
|
hohes Thrombembolierisiko
|
koronarer Stent (Drug Eluting Stent) > 12 Monate
|
koronarer Stent (Drug Eluting Stent) < 12 Monate
|
koronarer Stent (Bare Metal Stent) > 6 Wochen ohne Risikofaktoren[1]
|
koronarer Stent (Bare Metal Stent) < 6 Wochen oder > 6 Wochen mit Risikofaktoren1
|
Bioklappe
|
künstliche Mitralklappe
|
künstliche Aortenklappe
|
andere Kunstklappe mit vorangegangener Embolie
|
VHF ohne Risikofaktoren[2]
|
VHF bei Klappenerkrankungen
|
|
VHF mit Risikofaktoren2
|
venöse Thromboembolie > 3 Monate
|
venöse Thromboembolie < 3 Monate venöse Thrombomebolie mit Lungenembolie < 6 – 12 Monate
|
zerebrale Ischämie > 6 Wochen ohne strukturelle Herzerkrankung
|
zerebrale Ischämie < 6 Wochen
|
1 Risikofaktoren: Diabetes, chronische Niereninsuffizienz, Malignom, chronische Herzinsuffizienz,
komplexe KHK, Z. n. Koronarstentthrombose.
2 Risikofaktoren: CHADS2 Score > 2: Congestive heart failure [1], Hypertension [1],
age > 75y [1], diabetes [1], stroke/Tia [2].
Tab. 16
Antikoagulantien: Vorgehen bei Pausieren und Wiedereinnahme.
|
Pausieren vor dem Eingriff
|
früheste Wiedereinnahme nach der endoskopischen Intervention[1]
|
ASS, Clopidogrel, Ticlopidin, Ticagrelor
|
5 Tage
|
24 Stunden
|
Prasugrel
|
7 Tage
|
24 Stunden
|
niedermolekulares Heparin (Prophylaktische Dosierung)
|
12 Stunden
|
6 – 12 Stunden
|
niedermolekulares Heparin (Therapeutische Dosierung)
|
24 Stunden
|
6 – 12 Stunden
|
unfraktioniertes Heparin iv.
|
4 Stunden
|
2 – 6 Stunden
|
Phenprocoumon (INR≤ 1,5)
|
7 Tage
|
12 – 24 Stunden
|
direkte Orale AK (DOAK)
|
mind. 24 h[2]
|
12 – 24 Stunden
|
1 Abhängig von Blutungsrisiko und jeweiligen Komplikationen des Eingriffs.
2 Berücksichtigung von Halbwertszeit und Elimination der DOAK █([Tab. 17]).
Tab. 17
Direkte orale Antikoagulantien: Halbwertszeit und Elimination.
D-OAK Substanz
|
HWZ/Elimination
|
Rivaroxaban
|
7 – 11 h (Elimination 30 % renal, 70 % hepatisch)
|
Apixanban
|
9 – 14 h (Elimination 25 % renal, 75 % hepatisch)
|
Dabigatran
|
12 -14- 17 h (Elimination vorwiegend renal)
|
Tab. 18
Empfehlung zum Vorgehen bei Einnahme von TAH, Vitamin K-Antagonisten oder DOAK in
Abhängigkeit von der jeweiligen Risikokonstellation. Die Datenlage zum jeweiligen
Risiko des einzelnen endoskopischen Eingriffes unter Gerinnungshemmender Medikation
wird im Folgenden (Kapitel 3.2.4) detailliert aufgeführt.
|
-
Thrombozytenaggregationshemmung weiterführen (ASS, Clopidogrel/Ticlopidin oder Prasugrel)
-
Heparin, niedermolekulares Heparin weiterführen
-
Vitamin K-Antagonisten weiterführen (INR Kontrolle)
-
DOAK weiterführen
|
|
-
ASS weiterführen
-
ERCP mit EST, Polypektomie im Kolon, PEG, Varizenligatur, EUS-FNA solider Läsionen,
Ballondilatation, Bougierung, Stenteinlage, Thermoablation
-
ASS 5 Tage Pause
-
ADP Rezeptorantagonist: Pause
-
Duale TAH (ADP Rezeptorantagonist + ASS): ASS weiter
-
Vit K-Antagonist: Pause, kein Bridging
-
D-OAK: Pause, kein Bridging
-
LMWH Pause
|
|
-
Eingriff verschieben?
-
ASS weiterführen
-
Duale TAH Diskussion Kardiologie, Gerinnungsphysiologie
-
Vit K-Antagonisten absetzen – Bridging
-
D-OAK absetzten ggf. Bridging vor Wiedereinsetzen bei Eingriffen mit höherem Nachblutungsrisiko
|
Starker Konsens
Kommentar
Das Risiko thrombembolischer oder kardiovaskulärer Ereignisse ist abhängig von der
zugrunde liegenden Erkrankung und kann in Erkrankungen mit einem niedrigen und in
Erkrankungen mit einem hohen thrombembolischen Risiko stratifiziert werden ([Tab. 15]). Der mechanische Aortenklappenersatz bedarf hierbei jedoch gesonderter Betrachtung.
Patienten mit einem bicuspiden Aortenklappenersatz ohne Risikofaktoren zeigen ein
geringes thrombembolisches Risiko [189]. Bei Vorliegen von zusätzlichen Risikofaktoren wie Vorhofflimmern, anamnestische
thrombembolische Ereignisse, angeborene oder erworbene thombophilen Gerinnungsstörungen,
ältere Herzklappenmodelle oder Herzinsuffizienz (Ejektionsfraktion < 30 %) oder bei
Patienten, die einen Ersatz multipler Herzklappen aufweisen, ist das thrombembolische
Risiko erhöht. Hier erscheint eine periinterventionelle Umstellung der Antikoagulation
auf unfraktioniertes oder niedermolekulares Heparin sinnvoll, sofern der endoskopische
Eingriff unter der Einnahme von Vitamin K-Antagonisten aufgrund des Blutungsrisikos
nicht möglich ist [189]. Zur Durchführung einer überbrückenden Antikoagulation (Bridging) wird auf die Literaturempfehlungen
der Fachgesellschaften verwiesen [189].
Auch das Vorhofflimmern wird abhängig vom Vorliegen weiterer Risikofaktoren klassifiziert:
Im Rahmen einer retrospektiven Studie lag das Risiko für eine zerebrale Ischämie innerhalb
von 30 Tagen nach dem endoskopischen Eingriff bei Pausierung der Antikoagulation bei
0,31 % für Patienten mit unkompliziertem chronischen Vorhofflimmern im Vergleich zu
2,93 % bei chronischem Vorhofflimmern und weiteren kardialen Erkrankungen [190]. Daher muss das Prozedere bezüglich der OAK an die individuelle Risikosituation
und den geplanten endoskopischen Eingriff angepasst werden ([Tab. 15], [18]).
[Tab. 16] gibt einen Überblick über Pausierung und Wiedereinnahme von Antikoagulantien.
ASS hemmt irreversibel und unselektiv die Cyclooxygenase von Thrombozyten durch Acetylierung
des Enzyms und inaktiviert damit die Aggregationsfähigkeit eines Thrombozyten für
dessen Lebenszeit von 8 – 11 Tagen.
Clopidogrel, Prasugrel und Ticlopidin zählen zu den ADP-Rezeptorinhibitoren aus der Gruppe der ADP-Rezeptorantagonisten.
Ticlopidin wird aufgrund seiner Nebenwirkungen nur noch selten eingesetzt. Clopidogrel
und Prasugrel werden als Prodrug über den Cytochrom P450 Enzymweg in ihre aktive Form
überführt. Der pharmakologisch aktive Metabolit blockiert irreversibel die Bindung
von Adenosindiphosphat (ADP) an einen der beiden thrombozytären ADP-Rezeptoren (P2Y12-Rezeptor),
sodass die ADP-abhängige Thrombozytenaktivierung unterbleibt [191]. Nach Einnahme der üblichen Erhaltungsdosis benötigen diese Stoffe 3 – 5 Tage, um
ihre komplette thrombozyteninhibierende Wirkung zu entfalten. Bei einer Thromobozytenlebensdauer
von durchschnittlich 10 Tagen und einer täglichen Regeneration von 10 % ist nach Absetzen
dieser Wirkstoffe eine Normalisierung der Thrombozytenfunktion nach ca. 5 – 7 Tagen
zu erwarten.
Ticagrelor, ein Wirkstoff der neuen Substanzgruppe der Cyclopentyltriazolopyrimidine, ist zur
Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt
(ST-Hebungsinfarkt, non-ST-Hebungsinfarkt, instabile Angina pectoris) seit 2010 zugelassen
[192]. Ticagrelor bindet reversibel als allosterischer Antagonist am ADP-Rezeptor P2Y12
der Thrombozyten und wird Cytochrom P450-unabhängig in den aktiven Metaboliten überführt.
Die Wirkung von Ticagrelor ist reversibel [193]. Daten zum Blutungsrisiko durch endoskopische Eingriffe existieren nicht.
Nach Absetzen von ASS, Clopidogrel, Prasugrel, Ticlopidin und Ticagrelor kann eine
Wiedereinnahme bei komplikationslosem Verlauf des endoskopischen Eingriffs am nächsten
Morgen bzw. 24 Stunden nach dem Eingriff erfolgen. Diese Empfehlungen beziehen sich
auf die Empfehlungen der Amerikanischen Gesellschaft für Kardiologie zum perioperativen
Management antithrombotischer Therapie. Daten zu endoskopischen Eingriffen liegen
nicht vor [194].
Dipyridamol wird in Kombination mit ASS nach Schlaganfall eingesetzt und führt über eine Hemmung
der thrombozytären Phosphodiesterase zu einer verminderten Aggregationsfähigkeit der
Thrombozyten. Das Risiko spontaner gastrointestinaler Blutungen unter Dipyridamol
ist geringer als unter einer Therapie mit ASS [195]. In der Leitlinie der BSG wird daher das Fortführen einer Therapie mit ASS und Dipyridamol
empfohlen [196], auch wenn keine Daten zum Blutungsrisiko unter Dipyridamol während endoskopischer
Eingriffe vorliegen.
Tirofiban, Abciximab und Eptifibatid zählen zur Gruppe der GPIIb/IIIa-Rezeptorinhibitoren und werden intravenös zur Risikoreduktion
eines akuten Herzinfarktes bei einer geplanten perkutanen Koronarintervention eingesetzt.
Die Rezeptorblockade durch Tirofiban ist nach Absetzen des Medikamentes kurzfristig
reversibel. Unter Abciximab normalisiert sich die Thrombozytenfunktion nach ca. 48
Stunden. Elektive endoskopische Eingriffe während einer Therapie mit GPIIb/IIIa-Rezeptorenantagonisten
bergen ein Risiko für lebensbedrohliche Blutungen und sollten vermieden werden. Prospektive
Daten hierzu existieren jedoch nicht.
Unfraktioniertes Heparin und niedermolekulare Heparine (NMH) werden zur Prophylaxe und Therapie thrombembolischer Ereignisse eingesetzt. Unfraktioniertes
Heparin (6 – 30kD Molekulargewicht) wirkt indirekt durch Aktivierung von Antithrombin
III, dessen molekulare Aktivität durch die Bindung mit Heparin um den Faktor 1000
verstärkt wird. Der Heparin-ATIII-Komplex hemmt vor allem Thrombin (Faktor IIa) und
Faktor Xa. Niedermolekulares, fraktioniertes Heparin (4 – 9kD Molekulargewicht) ist
ebenfalls ein indirektes Antikoagulans, das über Antithrombin III vor allem den Faktor
Xa und zu einem geringeren Anteil Thrombin inhibiert.
Für endoskopische Eingriffe mit höherem Blutungsrisiko wurde unter niedermolekularem
Heparin in einigen wenigen Fallserien eine höhere Rate an Blutungskomplikationen beschrieben
[197]. Evidenzbasierte Daten zum Zeitpunkt der letzten und erneuten Gabe von UFH und NMH
bei endoskopischen Eingriffen mit erhöhtem Blutungsrisiko liegen nicht vor. Die Leitlinie
der BSG von 2008 [196] empfiehlt das Weglassen der NMH am Eingriffstag, die Leitlinie der ASGE [166] gibt lediglich Empfehlungen zur Wiederaufnahme der Heparinmedikation.
Die Empfehlung zum Absetzten 12 bzw. 24 Stunden vor dem Eingriff basiert auf den Fachinformationen
und den von den Firmen erstellten Bridging-Schemata. Dieses Vorgehen wird in einem
aktuellen Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zum Bridging
bei kardialen Erkrankungen in gleicher Art empfohlen, wobei zwischen endoskopischen
therapeutischen Eingriffen mit erhöhtem Blutungsrisiko und chirurgischen operativen
Eingriffen nicht unterschieden wird.
Daher besteht die Empfehlung zur letzten Gabe der NMH in prophylaktischer Dosierung
12 Stunden und in therapeutischer Dosierung 24 Stunden vor einem therapeutischenEingriff.
Eine Restart der NMH kann 6 – 12 Stunden nach dem Eingriff erfolgen [196]
[198]. Intravenöses unfraktioniertes Heparin sollte 4 h vor einem therapeutischen Eingriff
pausiert werden, eine Restart ist 2 – 6 Stunden nach dem Eingriff möglich [196]
[198].
Etabliert zur dauerhaften OAK sind die oral verfügbaren Cumarinderivate Phenprocoumon oder Warfarin. Beide Substanzen führen über eine Hemmung der Vitamin K-Epoxidreduktase zu einer
Verminderung der reduzierten Form von Vitamin K im Hepatozyten und somit zu einer
reduzierten Bildung der funktionellen Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren. Bzgl.
der oralen Antikoagulation beziehen sich die Empfehlungen der Fachgesellschaften auf
das im angloamerikanischen Raum zur OAK bevorzugte Warfarin mit einer im Vergleich
zu Phenprocoumon kürzeren Plasmahalbwertszeit (Warfarin 30 – 40 Stunden, Phenprocoumon
72 – 96 Stunden) [166]
[196]. Die Empfehlung zum Vorgehen wurde im Positionspapier der DGVS [199] im Wesentlichen übernommen.
Da eine orale Antikoagulation regelhaft vor größeren geplanten endoskopischen Eingriffen
ab- oder umgesetzt wird, liegen zum Blutungsrisiko unter Vitamin K-Antagonisten wenig
Daten vor. In Anlehnung an die Empfehlungen der Fachgesellschaften [166]
[196] erscheint eine Niedrigrisikoendoskopie unter Vitamin K-Antagonisten vertretbar,
wenn die INR nicht über dem therapeutischen Bereich liegt. Für endoskopische Eingriffe
mit einem hohen Blutungsrisiko sollten Vitamin K-Antagonisten Warfarin 5 Tage und
Phenprocoumon 7 Tage zuvor abgesetzt werden, die INR sollte bei maximal 1,5 liegen.
Ein Bridging mit unfraktioniertem Heparin bzw. NMH sollte in Abhängigkeit vom jeweiligen
thrombembolischen Risiko erfolgen. Eine Wiederaufnahme kann abhängig vom thrombembolischen
Risiko und vom Blutungsrisiko am Abend des Eingriffs oder bei erhöhtem Nachblutungsrisiko
auch später erfolgen ggf. mit einem Bridging bis zur Wiedereinahme der Vitamin K-Antagonisten
zu einem späteren Zeitpunkt.
Die direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) als neue Substanzgruppen konzentrieren sich auf eine selektive Inhibierung von Faktor
Xa (Rivaroxaban, Apixaban) oder eine selektive Thrombininhibierung (Dabigatran). Zu
beachten ist die unterschiedliche Halbwertszeit in Abhängigkeit vom Eliminationsweg
(renal/hepatisch) der jeweiligen Substanz unter Berücksichtigung der Nierenfunktion
([Tab. 17]). Zum Blutungsrisiko unter den neuen direkten oralen Antikoagulantien bei endoskopischen
Eingriffen liegen bisher keine Daten vor. Die Empfehlungen zum perioperativen Management
stützten sich daher im Wesentlichen auf die Erfahrungen und Empfehlungen mit oralen
Antikoagulantien. Die österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie [200] empfiehlt für Dabigatran und Rivaroxaban ein Weiterführen der Medikation für Niedrigrisikoeingriffe
(Gastroskopie und Koloskopie mit Mukosabiopsie) und ein Pausieren am Tag vor dem Eingriff
(bei eingeschränkter Nierenfunktion auch länger) bei endoskopischen Eingriffen mit
höherem Risiko (Gastroskopie oder Koloskopie mit Polypektomie, ERCP mit Papillotomie
oder EUS-Punktion). Bei unproblematischem Verlauf wurde die Einnahme am Abend des
Eingriffes mit einem Mindestintervall von 4 Stunden angegeben, hier empfehlen wir
in Anbetracht der schnellen Kinetik der Substanzen mit Erreichen des vollen Wirkungseintritts
innerhalb von 30 Minuten die früheste Wiedereinnahme erst 12 – 24 Stunden nach dem
Eingriff vorzunehmen. Für Eingriffe mit sehr hohem Blutungsrisiko, die aber als größere
chirurgische Operationen definiert waren, wurde ein längeres Pausieren von 2 Tagen
ggf. mit einem Bridging bei erhöhtem thombembolischen Risiko empfohlen. Dieses Vorgehen
erscheint zum aktuellen Zeitpunkt bei der gegebenen Datenlage sinnvoll. Im Einzelfall
sollte eine Abstimmung des Vorgehens mit dem behandelnden Kardiologen und Nephrologen
erfolgen.
Starker Konsens
3.2.4 Empfehlungen zur Einnahme von gerinnungshemmender Medikation in Abhängigkeit
vom Risikoprofil bestimmter endoskopischer Eingriffe
Diagnostische Endoskopie mit Biopsie
Empfehlung
Bei Durchführung einer diagnostischen Endoskopie mit Zangenbiopsie soll unabhängig
vom thrombembolischen Risiko des Patienten keine Pausierung von TAH oder Antikoagulantien
erfolgen. Bei Einnahme von Vitamin K-Antagonisten soll die INR nicht oberhalb der
Grenze des therapeutischen Bereiches liegen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine prospektive vergleichende Studie untersuchte die gastrale Blutungszeit nach Zangenbiopsie
unter ASS Einnahme für 24 Stunden, für 2 Wochen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe
ohne ASS Einnahme [201] ohne Unterschied zwischen den Gruppen. Unter ASS konnte im Vergleich zur Kontrollgruppe
in einer prospektiven Studie zwar eine signifikante Verlängerung der Blutungszeit
im Kolon nachgewiesen werden, allerdings ohne klinisch relevante Komplikationen [202]. Eine prospektive Studie zur Zangenbiopsie im Duodenum und Magen unter entweder
ASS 80 mg oder Clopidogrel 75 mg ohne PPI Einnahme an 90 Patienten ergab keine erhöhte
Rate an klinisch relevanten Nachblutungen [203], wobei 50 % der Zangenbiopsien bis in die Submukosa reichten. Eine prospektive Studie
zur Ösophagogastroskopie und Kolonoskopie mit Biopsie unter TAH und oraler Antikoagulation
(50 % Einfach-, 50 % Mehrfachantikoagulation; 38 % Warfarin) zeigte keine relevanten
Blutungsereignisse akut und im Beobachtungszeitraum von 14 Tagen nach dem Eingriff
[204]. Die endoskopische Blutungszeit unterschied sich nicht zwischen Patienten mit Einfach-
und Mehrfachantikoagulation oder zwischen Warfarin oder TAH. Entsprechend den aktuellen
Leitlinien der BSG, ASGE und ESGE kann daher keine Pausierung von ASS, ADP-Antagonisten
oder oralen Antikoagulantien bei endoskopischen Untersuchung mit niedrigem Blutungsrisiko,
wie einer ÖGD oder Koloskopie mit Biopsien sowie einer diagnostischen Endosonografie
ohne FNA empfohlen werden.
EUS-FNA solider/zystischer Läsionen
Empfehlung
Für eine diagnostische EUS-FNA solider Läsionen soll ASS nicht pausiert werden. Aufgrund
fehlender Daten zu ADP-Rezeptorantagonisten sollten diese pausiert bzw. bei erhöhtem
thrombembolischen Risiko auf ASS umgestellt werden.
Für die Punktion zystischer Läsionen sollen ADP-Antagonisten pausiert werden. ASS
sollte pausiert werden, wenn es das thrombembolische Risiko des Patienten erlaubt.
Niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien
sollen entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine prospektive Studie zur EUS-FNA an 241 Patienten mit soliden oder zystischen Läsionen
oder Aszites konnte kein erhöhtes Blutungsrisiko unter ASS oder NSAR im Vergleich
zur Kontrollgruppe nachweisen [197]. Dagegen zeigte sich ein leicht erhöhtes Blutungsrisiko unter Beibehaltung von niedermolekularem
Heparin. Zum Blutungsrisiko unter ADP-Antagonisten existieren bisher keine Daten.
Vor EUS-FNA wird daher empfohlen ADP-Antagonisten zu pausieren. ASS sollte bei der
Punktion einer zystischen Läsion wegen des auch ohne Antikoagulation hier beschriebenen
erhöhten Blutungsriko [130]
[132] pausiert werden [131], wenn es das thrombembolische Risiko zulässt. Zum Blutungsrisiko unter oralen Antikoagulantien
existieren bisher keine Daten. Es wird daher empfohlen, diese entsprechend der Vorgaben
zu pausieren.
Therapeutische EUS-gesteuerte Zystendrainagen sind Eingriffe mit hohem Blutungsrisiko.
Daten zum Blutungsrisiko unter TAH und oralen Antikoagulantien liegen nicht vor. Die
Empfehlungen entsprechen denen der EUS-FNA zystischer Läsionen. Hier ist auch die
Dringlichkeit der Drainage bei z. B. septischem Abszess zu berücksichtigen.
Polypektomie von Kolonpolypen
Empfehlung
Für eine Polypektomie von Kolonpolypen jeder Größe soll ASS nicht pausiert werden.
Bei Abtragung von Kolonpolypen > 10 mm sollten ADP-Rezeptorantagonisten pausiert werden.
Ist dies bei hohem thrombembolischem Risiko nicht möglich sollte eine prophylaktische
endoskopische Blutstillung erfolgen.
Zur Abtragung von Kolonpolypen sollten niedermolekulares Heparin und Vitamin K-Antagonisten
entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Polypen bis 5 mm können unter Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonisten mit einer
nachfolgend endoskopischen Blutungsprophylaxe abgetragen werden, die INR sollte in
diesen Fällen nicht über dem therapeutischen Bereich liegen.
Starker Konsens
Kommentar
Der Einfluss von ASS auf die Blutungsraten nach Polypektomie im Kolon wurde in multiplen Fallkontrollstudien
an insgesamt 30 000 Patienten untersucht. Mit der Einschränkung unterschiedlicher
Studiendesigns konnte in keiner Studie eine erhöhte Blutungsneigung unter ASS nachgewiesen
werden [131].
Eine ältere retrospektive Analyse zu Polypektomien unter Clopidogrel zeigte in 5 % sofortige und in bis zu 2 % der Fälle verspätete Blutungen. Sofortblutungen
wurden erfolgreich mit endoskopischen Hämoclips behandelt [205]. Neuere allerdings ebenfalls retrospektive Arbeiten konnten den Trend zu einer erhöhten
Rate an frühen bzw. intraprozeduralen Blutungen nicht mehr bestätigen ([Tab. 19]).
Tab. 19
Polypektomie von Kolonpolypen unter Antikoagulation.
Autor
|
Design
|
Blutungskomplikation
|
Friedland et al.
Gastroenterol Res 2009
[210]
|
Clopidogrel 60 Pat (125 PP)
retrospektiv
|
intraproc. Blutung: 5 %, CI 1,7 – 14 % (Clip)
postproc. Blutung: 1,7 %, CI 0,3 – 8,9 % (selbstlim.)
|
Singh et al.
GI End 2010 [206]
|
Clopidogrel 142 Pat (375 PP) vs. Kontrollen 1243 Pat (3226 PP)
retrospektiv
|
intraproc. Blutung: 2,1 % vs. 2,1 %
postproc. Blutung: 2,1 % vs. 0,4 % (p = 0,02)
Risikofaktoren:
Kombi mit ASS: OR 3,7 (95 % CI 1,6 – 8,5)
Polypenanzahl: OR 1,3 (95 % CI 1,2 – 1,4)
|
Feagins et al.
Dig Dis Sci 2011 [207]
|
Clopidogrel 118 Pat (360 PP) vs. Kontrolle 1849 Pat. (5671 PP)
retrospektiv
|
0,8 % vs. 0,3 %, p = 0,37
(OR = 2,63, 95 % CI 0,31 – 22)
Matched Analyse: 0,9 % vs. 0 %, p = 0,99
|
Gandhi et al.
Aliment Pharm Ther 2013
[208]
|
Clopidogrel 574 Pat. vs. Kontrolle 6169 Pat.
Metaanalyse
|
intraproc. Blutung: RR 1,76
(95 % CI 1,6 – 8,5; p = 0,10)
postproc. Blutung: RR 4,66
(95 % CI 2,37 – 9,17, p < 0,00 001)
|
Friedland et al.
Wolrd J Gastro 2009 [205]
|
Warfarin bis 36 h vor Koloskopie + Hämoclip Proph.
123 Pat (205 PP)
retrospektiv
|
schwere Blutung (n = 1): 0,8 %
(95 % CI 0,1 – 4,5 %)
selbstlimitierend (n = 2): 1,6 %
(95 % CI 0,5 – 5,7 %)
mittl. Polypengröße 5,1 mm ± 2,1
|
Horiuchi et al.
GI End 2014 [209]
|
Warfarin bei 70 Patienten (159 PP)
Konvent. Schlinge (n 35) vs. Kaltschlinge (n 35)
RCT
|
intraproc. Blutung: 23 % vs. 5,7 % (p = ns)
postproc. Blutung: 14 % vs. 0 % (p = 0,027)
mittl. Polypengröße 6,5 – 6,7 mm
|
Es gibt zwei größere retrospektive Vergleichsstudien zur Frage der Polypektomie unter
Clopidogrel im Vergleich zu einem Kontrollkollektiv und eine Metaanalyse [206]
[207]
[208]. Eine Arbeit zum Vergleich von Clopidogrel an 118 Patienten (360 PP) wies gar keine
erhöhte Blutungsneigung unter Clopidogrel-Monotherapie im Vergleich zur Kontrollgruppe
von 1849 Patienten (5671 PP) nach [207]. Die beiden anderen zeigten kein sgnifikant erhöhtes Risiko für intraprozedurale
Blutungen bei erhöhtem Risiko für späte Nachblutungen. Der Vergleich von 142 Patienten
[206] zeigte in 2,1 % postprozedurale Blutungen (2,1 vs. 0,4 %, p = 0,02). Hier wurden
eine duale TAH mit ASS und Clopidogrel und die Anzahl der entfernten Polypen als Risikofaktoren
analysiert [206]. Die aktuelle Metaanalayse [208] an 574 Patienten mit Polypektomie unter Clopidogrel analysiserte ein 4,6fach erhöhte
Risiko für postprozedurale Blutungen (RR 4,66, 95 % CI 2,37 – 9,17, p < 0,00 001).
Die ESGE-Leitlinie [131] empfiehlt ein Pausieren von Clopidogrel vor endoskopischer Polypektomie bei Polypen
> 1 cm. (Kapitel 3.2.2 [Tab. 13]). Ist dies bei hohem thrombembolischen Risiko nicht möglich, sollte eine Blutungsprophylaxe
mittels Unterspritzung mit verdünnter Suprareninlösung, Endoloop oder Hämoclipping
erfolgen. Einschränkend erscheint die prophylaktische Anwendung von Blutstillungsverfahren
nach Polypektomie nach den aktuellen Daten eine späte Postpolypektomieblutung nicht
sicher vermeiden zu können Strukturierte Daten zu Risikopatienten z. B. unter Medikation
mit Gerinnungshemmern oder bei Vorliegen von Gerinnungsstörungen liegen nicht vor.
(Siehe auch Kapitel 4.4 Therapie/Prophylaxe nicht variköse Blutung).
Eine retrospektive Analyse [205] zeigte ein nur geringes Blutungsrisiko für die Polypektomie von Kolonpolypen bis
zu einer mittleren Größe von 5,1 ± 2,2 mm unter Antikoagulation mit Warfarin mit der letzten Einnahme 36 Stunden vor der Intervention. Bei allen Patienten erfolgte
ein prophylaktisches Hämoclipping der Abtragungstelle. Ein aktueller RCT [209] untersuchte die Kaltschlingenabtragung im Vergleich zur konventionellen Schlingenabtragung
bis zu einer Polypengröße von 10 mm bei 70 Patienten unter Antikoagulation mit Warfarin.
Die Rate an intraprozeduralen Blutungen unterschied sich nicht, die Rate an postprozeduralen
Blutung bis zu 5 Tage nach dem Eingriff (HB-2 g/dl) lag in der Gruppe mit konventioneller
Schlingenabtragung signifikant höher (0 vs. 14 %). Alle Blutungen konnten endoskopisch
therapiert werden. In Anlehnung an die Empfehlungen der Fachgesellschaften [166]
[196] erscheint eine Niedrigrisikoendoskopie mit Zangen-PE und die Schlingenabtragung
kleinerer Polypen unter Vitamin K-Antagonisten vertretbar, wenn die INR nicht über
dem therapeutischen Bereich liegt. Zur Abtragung größerer Polypen oder Polypen in
Risikolokalisationen unter Vitamin K-Antagonisten liegen keine Daten vor, daher wird
hier ein Absetzten vor der Intervention empfohlen.
EMR/ESD
Empfehlung
Bei hohem thrombembolischen Risiko kann der Eingriff unter ASS-Monotherapie erfolgen
unter Aufklärung über ein erhöhtes Blutungsrisiko.
ADP-Rezeptorantagonisten, niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte
orale Antikoagulantien sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zu EMR oder ESD unter TAH oder anderer Antikoagulation liegt bisher keine ausreichende
Evidenz vor. Das Blutungsrisiko nach EMR und ESD ist auch ohne Antikoagulation erhöht.
Eine große retrospektive Fallkontrollstudie zur EMR [211] zeigte frühe Blutungen in 5,3 % und späte Blutungen in 3,1 %. In der multivariate
Analyse waren die EMR von Ösophagusläsionen und die zunehmende Läsionsgröße mit einem
erhöhten Blutungsrisiko behaftet.
Eine multivariate Analyse [212] wies ein erhöhtes Blutungsrisiko nach ESD für TAH und NSAR nach (OR 2,80; 95 % CI:
1,14 – 6,90, p = 0,039), wobei ASS 3 Tage und Ticlopidin 5 Tage vor dem Eingriff abgesetzt wurde.
Eine aktuelle Fallkontrollstudie zur ESD [213]
ohne ASS (439) vs. ASS Pause für 7 Tage (56) im Vergleich zur fortgesetzten ASS Einnahme (19)
ergab eine signifikant erhöhte Blutungsrate in der Gruppe mit fortgesetzter ASS Einnahme
21 % (4/19) vs. Ø ASS 3,4 % (15/439)(p = 0,006) vs. ASS Pause 3,6 % (2/56) (p = 0,033).
Das relative Risiko war bei Einnahme von ASS (RR 4,49; 95 % CI 1,09 – 18,38) bzw.
Clopidogrel + ASS (RR 26,71, 95 % CI 7,09 – 100,53) deutlich erhöht. Keine der Blutungskomplikationen
war letal.
Da das Blutungsrisiko nach EMR und ESD auch ohne Antikoagulation erhöht ist, wird
eine generelle Fortführung der dualen TAH bzw. der oralen Antikoagulation nicht empfohlen
[131].
Bei erhöhtem Thromembolierisiko und nicht verschiebbarem Eingriff sollte dennoch eine
differenzierte Betrachtung erfolgen
: Eine retrospektive Fallserie untersuchte 1716 Ösophagus EMR bei 798 Patienten. Bei
Einnahme von Clopidogrel erfolgte eine Pause 7 Tage vor bis 2 Tage nach EMR [214]. Bezüglich der Blutungssereignisse trat kein Unterschied zwischen den Patienten
mit Clopidogrel-Pause und den Patienten ohne Antikoagulation auf (0 vs. 1,1 % (ns),
allerdings war die Rate für ein erneutes Thromboembolieereignis in der Clopidogrelgruppe
signifikant erhöht ↑: 6,3 vs. 0,1 % (p = 0,03). Bei erhöhtem Thromboembilierisiko
empfiehlt sich die Rücksprache mit einem Kardiologen bzw. Gerinnungsspezialisten.
Ggf kann der Eingriff unter doppelter TAH und intensivierter Aufklärung und Nachüberwachung
durchgeführt werden oder aber unter einem Bridging mit Niedermolekularem Heparin.
Endoskopische biliäre oder pankreatische Sphinkterotomie
Empfehlung
Für eine ERCP mit Sphinkterotomie soll ASS nicht pausiert werden. ADP-Rezeptorantagonisten
sollten pausiert bzw. bei erhöhtem thromboembolischem Risiko auf ASS umgestellt werden.
Niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien
sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die vorliegenden retrospektiven und prospektiven Daten zu endoskopischer Sphinkterotomie
unter ASS zeigen kein erhöhtes Blutungsrisiko [149]
[215]
[216]. Die Therapie mit ASS kann daher bei der reinen Sphinkterotomie und der Verwendung
von Mischstrom fortgesetzt werden. Eine kleine Fallserie zu EST unter doppelter TAH
zeigte keine erhöhte Blutungsrate [217]. Bei geringer Datenlage wird ein Pausieren der ADP-Rezeptoranatagonisten dennoch
empfohlen.
Die Kombination von Sphinkterotomie und großlumiger transpapillärer Ballondilatation
zur Konkremententfernung gilt aufgrund einer erhöhten Blutungsrate als Eingriff mit
höherem Blutungsrisiko (Kap 3.2.2) Die Ballondilatation mit einem kleineren Volumen
(6 – 10 mm) stellt eine mögliche Alternative dar. Diese zeigte im einem randomisiert-prospektiven
Vergleich zur EPT [152] (n = 132, Indikation Choledocholithiasis, keine Risikofaktoren) eine geringere Komplikationsrate
in der Ballongruppe ohne Blutung bei gleicher Pankreatitisrate (siehe Kap. 3.2.2).
Daher lautet die Empfehlung ADP-Rezeptorantagonisten zu pausieren bzw. alternative
Vorgehensweisen wie die mechanische Lithothrypsie oder die passagere Einlage einer
Gallengangsendoprothese ohne Sphinkterotomie in Erwägung zu ziehen. Im Falle einer
dringlichen Indikation bei erhöhtem Thrombembolierisiko kann unter Aufklärung über
ein erhöhtes Blutungsrisiko auch eine ERCP mit kleiner EPT oder kleinvolumiger Ballondilatation
unter ADP-Rezeptorantagonisten erfolgen. Dies praktisch orientierte Vorgehen wird
nach einer aktuellen Umfrage unter endoskopisch tätigen Gastroenterolgen angewandt
[218].
Endoskopische Stenosebehandlung: Dilatation/Bougierung/Stenting
Empfehlung
Ballondilatation, Bougierung sowie Stenting im GI-Trakt können unter ASS erfolgen.
Für eine Ballondilatation oder Bougierung sollten ADP-Rezeptorantagonisten pausiert
bzw. bei erhöhtem thrombembolischen Risiko auf ASS umgestellt werden. Niedermolekulares
Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien sollten entsprechend
der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Es existieren keine Daten zum Blutungsrisiko einer Dilatationsbehandlung oder Stentimplantation
unter TAH oder oralen Antikoagulantien. Die Therapie mit ASS kann zur Dilatation von
Stenosen im Gastrointestinaltrakt oder zur Einlage eines Enteralstents aufgrund des
generell geringen Blutungsrisikos beibehalten werden. Angelehnt an die Einschätzung
der Bougierung und Ballondilatation als Eingriff mit höherem Risiko sollten ADP-Rezeptor
Antagonisten unter Abwägung des thrombembolischen Risikos des Patienten pausiert werden.
Niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien
sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden
PEG
Empfehlung
Für eine PEG-Anlage soll ASS nicht pausiert werden.
ADP-Rezeptorantagonisten sollten pausiert werden. Ist dies bei hohem thromembolischem
Risiko nicht möglich kann die PEG-Anlage anhand der vorliegenden Daten unter Aufklärung
über ein erhöhtes Blutungsrisiko durchgeführt werden.
Niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien
sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Einnahme von ASS bei PEG-Anlage zeigte in mehreren Fallkontrollstudien kein erhöhtes
Blutungsrisiko. Eine retrospektive Serie konnte für eine prophylaktische Medikation
mit Niedermolekularem Heparin (n = 152) vs. Therapeutische Antikoagulation (UFH, LMWH,
Phenprocoumon, ASS, Clopidogrel + Kombinationen) (n = 248) und keiner Antikoagulation
(50) keine Unterschiede in der Blutungshäufigkeit nachweisen [219]. Eine andere retrospektive monozentrische Studie an 990 Patienten mit 1,6 % an Post-PEG-Blutungskomplikationen
ergab ebenfalls keine Korrelation zur Einnahme von Antikoagulation [220]. Eine aktuelle retrospektive Serie an 1625 Patienten [165] wies eine erhöhte Blutungsneigung unter Antikoagulantien (OR 7,26; 95 % CI, 2,23 – 23,68;
p = 0,001) aber nicht unter oralen TAH (OR 4,02; 95 % CI, 1,49 – 10,87; p = 0,006)
nach. Aufgrund dieser zwar retrospektiven aber großen Fallserien an Patienten mit
erhöhtem thrombembolischen Risiko ist eine PEG-Anlage unter ASS vertretbar, ADP-Rezeptorantagonisten
sollten unter Abwägung des thrombembolischen Risikos pausiert werden [131]
[166].
Endoskopische Varizenbehandlung
Empfehlung
Eine Ligaturtherapie von Ösophagusvarizen kann unter ASS erfolgen. ADP-Rezeptorantagonisten
sollten pausiert bzw. bei erhöhtem thrombembolischen Risiko auf ASS umgestellt werden.
Niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien
sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Ligaturtherapie von Ösophagusvarizen zeigt ein 3,5 %iges Risiko für verspätete
Blutungen [221], assoziiert mit einer 52 %igen Mortalität. ASS als Risikofaktor wurde in einer multivariaten
Analyse ausgeschlossen bei einschränkend kleiner Fallzahl der ASS-Gruppe. Die Beibehaltung
von ASS wird daher empfohlen, ADP-Rezeptorantagonisten sollten aufgrund fehlender
Daten zum Blutungsrisiko vor endoskopischer Varizentherapie pausiert werden. Als unabhängige
Risikofaktoren für Rezidivblutungen wurden in dieser Fallserie [221] eine Varizenblutung in der Anamnese, eine eingeschränkte Lebersyntheseleistung ausgedrückt
durch einen erhöhten APRI-Score sowie eine verlängerte Prothrombinzeit ermittelt.
Andere Arbeiten korrelierten das Rezidivblutungsrisiko mit dem Vorliegen eines Child-Pugh-C-Stadiums
[222].
Die Antikoagulation mit LMWH nach erfolgter Hämostase bei Varizenblutung und Pfortaderthrombose
ging in einer kleinen Serie [223] nicht mit einer erhöhten Rate an Blutungskomplikationen einher, daher erscheint
eine Pausierung von niedermolekularen Heparinen in prophylaktischer Dosierung 12 Stunden
vor dem Eingriff ausreichend.
Thermoablative Verfahren: Argonplasmakoagulation; Radiofrequenzablation Empfehlung
Thermoablative Verfahren können unter ASS erfolgen, ADP-Rezeptorantagonisten sollten
bei geringem thrombembolischem Risiko pausiert bzw. auf ASS umgestellt werden.
Vitamin K-Antagonisten, niedermolekulares Heparin und direkte orale Antikoagulantien
sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Anwendung von Thermoablativen Verfahren unter Antikoagulation existieren keine
größeren pro- oder retrospektiven Daten. Thermoablative Verfahren werden zum Teil
zur Blutungstherapie eingesetzt, hier stützt sich die Empfehlung auf die Einschätzung
der Verfahren als Niedrigrisikoeingriff mit Beibehaltung der Antikoagulation.
Unter RFA der Barrett-Neoplasie traten in einer aktuellen Studie [224] zum prospektiven Vergleich von EMR + RFA versus RFA bei insgesamt 169 Patienten
pro Gruppe je 2 Blutungskomplikationen auf und eine Serie von 667 RFA-Therapien bei
244 Patienten ermittelte Blutungskomplikationen nach RFA (zirkulär oder fokal) von
0,8 % (n = 2) [172]. Da Daten zum Blutungsrisiko unter ADP-Antagonisten fehlen sollten diese ebenso
wie Vitamin K-Antagonisten oder direkt orale Antikoagulatien vor dem Eingriff pausiert
werden.
PTC/PTCD
Empfehlung
Bei hohem thrombembolischen Risiko kann der Eingriff unter ASS-Monotherapie erfolgen
unter Aufklärung über ein erhöhtes Blutungsrisiko.
ADP-Rezeptorantagonisten, niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte
orale Antikoagulantien sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Konsens
Kommentar
Die PTC und insbesondere die PTCD zählen zu den Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko.
Die Empfehlungen beziehen sich hier auf die Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft
für Interventionelle Radiologie [179]. Hier wird eine präinterventionelle Pausierung von ASS und/ oder Clopidogrel für
5 Tage für Prozeduren mit signifikant erhöhtem Blutungsrisiko insbesondere für biliäre
Interventionen empfohlen. Darüber hinaus eine Korrektur der INR < 1,5, eine Heparinunterbrechung
bei aPTT-Werten > 1,5fach der Norm, eine Unterbrechung von fraktioniertem Heparin
für 24 Stunden bzw. 2 Dosierungen und eine Thrombozytentransfusion bei Werten < 50 000.
Das Vorgehen bei hohem thrombembolischem Risiko wird hier allerdings nicht subspezifiziert,
daher wurde die Möglichkeit zur Fortführung von ASS in dieser Situation in Anlehnung
an die Empfehlungen der Amerikanischen Gesellschaft für Kardiologie zum perioperativen
Management antithrombotischer Therapie getroffen. Daten zur PTCD unter Antikoagulation
liegen nicht vor [194].
Diagnostische Laparoskopie
Empfehlung
Bei hohem thrombembolischen Risiko kann der Eingriff unter ASS-Monotherapie erfolgen
unter Aufklärung über ein erhöhtes Blutungsrisiko. ADP-Rezeptorantagonisten, niedermolekulares
Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien sollten entsprechend
der Vorgaben pausiert werden.
Konsens
Kommentar
In einer retrospektiven multizentrischen Analyse [225], die 15 181 bildgebend gestützte perkutane Nadelbiopsien diverser Organe einschloss
(darunter Leberbiopsien), war das Blutungsrisiko unabhängig vom Zielorgan in der Gruppe
mit ASS-Einnahme innerhalb der letzten 10 Tage vor Biopsie (n = 3195) ohne statistisch
signifikanten Unterschied zur Gruppe ohne ASS ([n = 11 986] 0,6 vs. 0,4 %; p = 0,34).
Zur diagnostischen Laparoskopie mit Organbiopsie unter Thrombozytenaggregationshemmung
liegt nur ein Fallbericht ohne Blutungskomplikationen vor [226]. Dahingegen beschreiben Fallserien zu laparoskopischen Resektionen wie Cholecystektomie,
Darmresektion und Prostatektomie unter Thromobozytenaggregationshemmung (meist ASS)
keine erhöhte Komplikationsrate [227]
[228]
[229]. In Anlehnung an die chirurgischen Daten ist die Durchführung unter ASS vertretbar,
eine Einschätzung des Thrombemolierisikos sollte vor Absetzten der TAH erfolgen [194].
3.2.5. Empfehlung zum Vorgehen bei Patienten mit angeborener oder erworbener nicht
medikamentös bedingter Hämostasestörung
Einleitung: In der Literatur finden sich nur wenige systematische Beobachtungs- und
keine kontrollierten Interventionsstudien, die sich im Rahmen endoskopischer Eingriffe
spezifisch mit dem hämostaseologischen Vorgehen bei Patienten mit angeborener Blutungsneigung
beschäftigen [230]
[231]
[232]. Aus diesem Grund orientieren sich die nachfolgenden Empfehlungen vorrangig an den
Querschnittsleitlinien der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und
Plasmaderivaten aus dem Jahr 2008 [233], in denen für Patienten mit Hämophilie oder Von-Willebrand-Syndrom das allgemeine
Vorgehen zur Blutungsprophylaxe und -therapie bei invasiven oder operativen Eingriffen
geregelt ist, der Leitlinie der World Federation of Hemophilia [234] sowie an der an den meisten hämostaseologischen Zentren gängigen klinischen Praxis
(good clinical practice). Hieraus folgt, dass die im Anschluss formulierten Empfehlungen, die sich ausschließlich
auf erwachsene Patienten beziehen, nur bedingt dem Anspruch einer evidenzbasierten
Leitlinie gerecht werden können und vorrangig Expertenmeinungen entsprechen.
Empfehlung
Vor planbaren endoskopischen Eingriffen bei Patienten mit angeborener oder erworbener
nicht medikamentös bedingter Hämostasestörung sollten die konkreten Maßnahmen zur
Blutungsprophylaxe und -therapie in Rücksprache mit einem in der Behandlung von Hämostasestörungen
erfahrenen Zentrum unter Berücksichtigung des spezifischen Risikos individuell festgelegt
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Im Folgenden werden Empfehlungen zu den wesentlichen angeborenen und erworbenen Gerinnungsstörungen
gegeben, im Einzelfall ist eine Rücksprache zur konkreten Maßnahmen mit einem entsprechend
erfahrenen Zentrum dennoch unerlässlich.
Von-Willebrand-Syndrom (VWS)
Einleitung: Das Von-Willebrand-Syndrom (VWS) ist die häufigste angeborene Hämostasestörung.
Laboranalytisch kann das VWS bei 1 – 2 % der Bevölkerung nachgewiesen werden. Gemessen
an der klinischen Symptomatik ist die Prävalenz jedoch deutlich geringer (1:3000 bis
1:10 000). Die Erkrankung wird autosomal dominant oder rezessiv vererbt und betrifft
daher sowohl Männer als auch Frauen (sog. Pseudohämophilie). Das VWS beruht auf einem
quantitativen und/oder qualitativen Defekt des Von-Willebrand-Faktors (VWF), der die
Adhäsion der Thrombozyten an die verletzte Gefäßwand vermittelt. Somit resultiert
das VWS vorrangig in einer Störung der primären Hämostase. In selteneren Fällen ist
auch die plasmatische Gerinnung betroffen, da der VWF als Transportprotein für den
Faktor VIII fungiert und somit dessen Verweildauer in der Blutzirkulation verlängert.
Die Blutungsneigung hängt vom Typ und Schweregrad des VWS ab und ist interindividuell
sehr variabel. Auch intraindividuell ist über die Zeit eine Zu- oder Abnahme der Blutungsneigung
möglich. Aus diesem Grund können vor planbaren endoskopischen Eingriffen eine kurzfristige
Kontrolle der relevanten Laborparameter (Thrombozytenzahl, aktivierte partielle Thromboplastinzeit,
Faktor VIII-Aktivität, VWF-Antigen und VWF-Aktivität sowie Blutungszeit oder PFA-100®) und eine standardisierte Erhebung der aktuellen Blutungsanamnese, z. B. mit dem
MCMDM1-VWD-Blutungsscore [235], sinnvolle Informationen liefern.
Die moderne Klassifikation unterteilt das VWS in 3 Typen [236].
VWS Typ 1
Der Typ 1 umfasst 60 – 80 % aller Patienten mit VWS. Es liegt ein partieller quantitativer
Mangel an VWF und Faktor VIII vor (5 – 40 % Restaktivität). Die Blutungssymptomatik
ist in den meisten Fällen gering ausgeprägt.
Empfehlung
Standardmedikament in der Blutungsprophylaxe und -therapie beim VWS Typ 1 soll 1-Desamino-8-D-Arginin-Vasopressin
(DDAVP) sein.
Starker Konsens
Kommentar
DDAVP (Desmopressin) ist ein synthetisches Vasopressinanalogon, das über spezifische
V2-Rezeptoren die Freisetzung des VWF aus dem Gefäßendothel induziert. Gleichzeitig
kommt es zum Anstieg der Faktor VIII-Konzentration. DDAVP sollte 60 – 90 Minuten vor
dem Eingriff entweder als Kurzinfusion (z. B. Minirin® parenteral) in einer Dosierung von 0,3 µg/kg Körpergewicht über 30 Minuten (etwa
¾ Ampulle von jeweils 4 µg pro 10 kg Körpergewicht in 50 – 100 ml NaCl 0,9 %) oder
als Nasenspray (Octostim®) in einer Dosierung von 1 Sprühstoß pro Nasenloch (Gesamtdosis 300 µg) verabreicht
werden. Etwa 30 – 60 Minuten nach DDAVP-Gabe ist mit einem 2 – 4fachen Anstieg des
VWF zu rechnen; die Wirkdauer beträgt 6 – 8 Stunden [237]
[238]
[239]. Bei Bedarf kann die Anwendung von DDAVP nach 12 – 24 Stunden wiederholt werden.
Nach 3 – 4 Dosierungen ist die Wirkung erschöpft (Tachyphylaxie). Wichtigste Nebenwirkungen
sind Kreislaufdysregulation, Wasserretention und Hyponatriämie. Aus diesem Grund sind
bei wiederholter Anwendung von DDAVP sowohl Elektrolytkontrollen als auch eine Flüssigkeitsrestriktion
zu empfehlen. Ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Komplikationen ist nicht eindeutig
gesichert. Trotzdem sollte DDAVP bei älteren Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren
und bei Patienten mit fortgeschrittener Herzerkrankung oder Niereninsuffizient mit
Vorsicht angewandt werden. Nach Möglichkeit sind Wirkung und Nebenwirkung von DDAVP
vor Erstanwendung durch einen entsprechenden Belastungstest zu überprüfen [239].
Empfehlung
Zusätzlich zu DDAVP kann bei Eingriffen im Schleimhautbereich das Antifibrinolytikum
Tranexamsäure zur Anwendung kommen
Starker Konsens
Kommentar
Etablierte Dosierungen für Tranexamsäure (z. B. Cyklokapron®) beim VWS sind drei- bis viermal täglich 10 – 15 mg/kg Körpergewicht per os [239]. Die zusätzliche Einnahme von Tranexamsäure ist sinnvoll, da Schleimhäute generell
eine hohe fibrinolytische Aktivität aufweisen und DDAVP eine zusätzliche Freisetzung
von tPA (Gewebeplasminogenaktivator) aus dem Gefäßendothel induziert. Bei oraler Anwendung
hat sich die Einnahme ab dem Vorabend des Eingriffs bewährt. Alternativ kann die Erstgabe
intravenös unmittelbar vor dem Eingriff erfolgen (10 mg/kg Körpergewicht). Die Dauer
der Anwendung richtet sich nach dem spezifischen Blutungsrisiko und sollte bis zum
weitgehenden Abschluss der Wundheilung erfolgen (in der Regel über 3 – 7 Tage). Bei
einigen Patienten mit mildem VWS Typ 1 kann bei endoskopischen Eingriffen mit geringem
Blutungsrisiko der alleinige Einsatz von Tranexamsäure gerechtfertigt sein [232]. Spezifische Empfehlungen zu den unterschiedlichen Dosierungsschemata sind der Packungsbeilage
zu entnehmen.
Nur in begründeten Ausnahmefällen, z. B. bei Unwirksamkeit oder Unverträglichkeit
von DDAVP, ist bei Patienten mit VWS Typ 1 die Substitution eines VWF-haltigen (Faktor VIII-)Konzentrates
in einer initialen Dosierung von 30 – 60 IE/kg Körpergewicht indiziert [239]
[240]. Bei Eingriffen mit einem entsprechend hohen Blutungsrisiko sollte für den Bedarfsfall
ein geeignetes Faktorkonzentrat bereitgehalten werden. Als zugelassene Präparate stehen
die plasmatischen Faktorkonzentrate Haemate® P, Voncento®, Wilate® und Willfact® zur Verfügung, wobei Letzteres als fast reines VWF-Konzentrat keinen nennenswerten
Faktor VIII-Anteil enthält. In Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik ist die
Substitution nach 12 – 24 Stunden zu wiederholen. Bezüglich der patienten- und produktbezogenen
Chargendokumentationspflicht gelten die Bestimmungen gemäß § 14 des Transfusionsgesetzes.
VWS Typ 2
Der Typ 2 umfasst 10 – 30 % aller Patienten mit VWS. Es liegt ein qualitativer, struktureller
Defekt des VWF vor. Der Typ 2 hat die größte Variabilität in der klinischen Ausprägung.
Abhängig davon, welche Funktion des VWF gestört ist, wird der Typ 2 in die folgenden
Subtypen unterteilt:
Empfehlung
Die meisten Patienten mit VWS Typ 2 sollten zur Blutungsprophylaxe und -therapie ein
VWF-haltiges (Faktor VIII-)Konzentrat erhalten.
Starker Konsens
Kommentar
Das Faktorkonzentrat soll 30 – 60 Minuten vor dem Eingriff verabreicht werden. Bei
bekanntem Ansprechen und ausreichender Dosierung kann nach der Substitution auf eine
Spiegelkontrolle des VWF verzichtet werden. Beim Typ 2N sollte im akuten Blutungsfall
kein reines VWF-Konzentrat eingesetzt werden, da es hierunter nur mit Verzögerung
zum Anstieg der Faktor VIII-Aktivität kommt. In einigen Fällen, insbesondere bei Patienten
mit VWS Typ 2A und Eingriffen mit geringem Blutungsrisiko, kann die alleinige Anwendung
von DDAVP ausreichend sein. DDAVP sollte bei Patienten mit VWS Typ 2B, die häufig
eine Thrombozytopenie aufweisen, nicht zur Anwendung kommen, da die DDAVP-induzierte
Freisetzung des hyperaktiven VWF zu einem weiteren Abfall der peripheren Thrombozytenzahlen
führen kann. Aus diesem Grund ist DDAVP beim VWS Typ 2B relativ kontraindiziert. Diese
Patienten sollten primär mit einem VWF-haltigen (Faktor VIII-)Konzentrat behandelt
werden [239]
[240]. Die Indikation zur Thrombozytentransfusion ist individuell zu überprüfen. Supportiv
sollte bei Patienten mit VWS Typ 2 Tranexamsäure zur Anwendung kommen.
VWS Typ 3
Der Typ 3 umfasst 1 – 5 % aller Patienten mit VWS. Es liegt ein (vollständiger) quantitativer
Mangel an VWF (< 1 % Restaktivität) und Faktor VIII (1 – 10 % Restaktivität) vor.
Die Patienten haben eine schwere Blutungssymptomatik und bedürfen häufig einer dauerhaften
medikamentösen Blutungsprophylaxe.
Empfehlung
Die Blutungsprophylaxe vor endoskopischen Eingriffen soll beim VWS Typ 3 mit einem
VWF-haltigen (Faktor VIII-)Konzentrat erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Wenn ein reines VWF-Konzentrat zur Anwendung kommt, soll die Substitution 12 – 24 Stunden
vor dem Eingriff begonnen werden, um eine ausreichende endogene Faktor VIII-Konzentration
zu gewährleisten. DDAVP ist beim VWS Typ 3 nicht wirksam und soll daher nicht zur
Anwendung kommen [239]
[240]. Der supportive Einsatz von Tranexamsäure kann empfohlen werden.
Erworbenes Von-Willebrand-Syndrom (AVWS)
Empfehlung
Bei Patienten mit AVWS sollen vor endoskopischen Eingriffen die Maßnahmen zur Blutungsprophylaxe
und -therapie unter sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung individuell festgelegt werden.
Starker Konsens
Kommentar. Das AVWS ist eine zwar seltene, aber potenziell unterdiagnostizierte erworbene
Blutungsneigung [241]
[242]. Es kann aus verschiedenen kardiovaskulären, myelo- und lymphoproliferativen, Autoimmun-
und soliden Tumorerkrankungen resultieren. Pathophysiologisch spielen ein gesteigerter
proteolytischer Abbau, eine vermehrte zelluläre Adsorption und/oder eine antikörpervermittelte
Funktionsstörung oder verkürzte Halbwertszeit des VWF eine Rolle [241]
[242]. Auch eine verminderte Synthese (z. B. bei Hypothyreose) wird diskutiert. Die Blutungsneigung
ist hochgradig variabel. Es ist kein Labortest verfügbar, der allein zur Diagnose
oder zum Ausschluss eines AVWS geeignet ist. Der Einsatz der pharmakologischen Maßnahmen
richtet sich daher nach dem Mechanismus, der dem AVWS zugrunde liegt. So profitieren
Patienten mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) in der Regel von
der hochdosierten Gabe intravenöser Immunoglobuline (z. B. 1 g/kg Körpergewicht an
zwei aufeinander folgenden Tagen). Insbesondere Patienten, bei denen das AVWS Folge
einer kardiovaskulären Grunderkrankung ist (z. B. hochgradige Aortenklappenstenose),
haben nicht nur ein erhöhtes Blutungs-, sondern auch ein gesteigertes Thromboembolierisiko.
Aus diesem Grund ist eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung besonders wichtig. Wenn
eine Behandlung der Grunderkrankung nicht möglich ist und der endoskopische Eingriff
nicht aufgeschoben werden kann, sollten bei entsprechend hohem Blutungsrisiko und
in Abhängigkeit vom jeweiligen Pathomechanismus des AVWS sämtliche zuvor genannten
pharmakologischen Maßnahmen zur Anwendung kommen.
Hämophilie A und B
Empfehlung
Vor planbaren endoskopischen Eingriffen sollten die konkreten Maßnahmen zur Blutungsprophylaxe
und -therapie mit dem behandelnden Hämophiliezentrum abgesprochen und schriftlich
festgehalten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die angeborene Hämophilie ist eine X-chromosomal vererbte Blutungsneigung, die durch
einen Mangel an Faktor VIII (Hämophilie A) oder Faktor IX (Hämophilie B) gekennzeichnet
ist. Es erkranken überwiegend Männer. Die Inzidenz beträgt 1:5000 neugeborene Jungen
für die Hämophilie A und 1:25 000 bis 1:30 000 neugeborene Jungen für die Hämophilie
B. Nach der Faktorrestaktivität wird die Hämophilie in eine schwere (< 1 %), mittelschwere
(1 – 5 %) und milde Verlaufsform (> 5 %) eingeteilt. Spontane Blutungen sind bei Patienten
mit milder Hämophilie selten. Dagegen benötigen Patienten mit schwerer Hämophilie
meist einer dauerhaften medikamentösen Blutungsprophylaxe. Vor elektiven Eingriffen
können eine kurzfristige Kontrolle der Faktorrestaktivität und der Ausschluss eines
Inhibitors erforderlich sein.
Hämophilie A
Empfehlung
Bei Patienten mit milder Hämophilie A sollte die Blutungsprophylaxe bei Eingriffen
mit geringem Blutungsrisiko mit DDAVP (Desmopressin) und Tranexamsäure erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Hämophilie A-Patienten mit einer Faktor VIII-Restaktivität von > 15 – 20 % erscheinen
diagnostische Endoskopien mit der Entnahme kleinerer Schleimhautbiopsien auch unter
der alleinigen Anwendung von Tranexamsäure vertretbar [232]. Wirksamkeit und Verträglichkeit von DDAVP sollten zuvor durch einen entsprechenden
Belastungstest dokumentiert worden sein (zur Anwendung von DDAVP und Tranexamsäure
wird auf das Kapitel Von-Willebrand-Syndrom verwiesen). Bei Eingriffen mit einem entsprechend hohen Blutungsrisiko sollte ein
Faktor VIII-Konzentrat für den Bedarfsfall bereitgehalten werden.
Empfehlung
Bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Hämophilie A oder bei Patienten mit
milder Hämophilie A, die aufgrund des Blutungsrisikos des Eingriffs oder einer schlechten
Wirksamkeit oder Verträglichkeit nicht mit DDAVP behandelt werden können, soll die
Blutungsprophylaxe mit einem Faktor VIII-Konzentrat erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die gewählte Dosis richtet sich nach dem Schweregrad der Hämophilie, dem Körpergewicht
des Patienten und dem zu erwartenden Blutungsrisiko. Zudem sind, sofern bekannt, die
individuelle Recovery und Halbwertszeit des substituierten Faktors zu berücksichtigen. Eine initiale Standarddosis
ist 25 – 40 IE/kg Körpergewicht [233]
[234]
[243]. Das Konzentrat sollte 30 – 60 Minuten vor dem Eingriff als Bolusinjektion verabreicht
werden. Bei bekannter Recovery und erst kürzlich erfolgtem Ausschluss eines Inhibitors erscheint nach der Substitution
eine Faktor VIII-Spiegelkontrolle nicht zwingend erforderlich. Andernfalls muss durch
Bestimmung der Faktor VIII-Aktivität im Plasma (FVIII:C) der Substitutionserfolg überprüft
werden. Zur Verfügung stehen rekombinante und aus Plasma hergestellte Faktor VIII-Konzentrate.
Bei elektiven Eingriffen sollte jeder Patient das Präparat, das bei ihm bisher zur
Blutungsprophylaxe und -therapie eingesetzt worden ist, erhalten. In Abhängigkeit
vom Eingriff können weitere Faktor VIII-Substitutionen in 6 – 12-stündigen Intervallen
erforderlich sein. Zusätzlich sollte Tranexamsäure risikoadaptiert über 3 – 7 Tage
zur Anwendung kommen. Bei Patienten mit Hämophilie A sollten endoskopische Eingriffe
bevorzugt unter stationären Bedingungen erfolgen. Vor einer primär diagnostischen
Untersuchung sollten die blutungsprophylaktischen Maßnahmen so gewählt werden, dass
im Bedarfsfall auch größere Schleimhautbiopsien oder Polypenabtragungen möglich sind.
Hämophilie B
Empfehlung
Patienten mit Hämophilie B sollen zur Blutungsprophylaxe standardmäßig ein Faktor IX-Konzentrat
erhalten, da DDAVP (Desmopressin) bei Patienten mit Hämophilie B nicht wirksam ist.
Darüber hinaus sollen die gleichen Grundsätze und Empfehlungen wie bei Patienten mit
Hämophilie A gelten.
Konsens
Kommentar
Im Bedarfsfall können bei Patienten mit Hämophilie B aufgrund der insgesamt längeren
Halbwertszeit von Faktor IX weitere Substitutionen in 12 – 24-stündigen Intervallen
erfolgen.
Hemmkörperhämophilie
Empfehlung
Patienten mit Hemmkörperhämophilie sollen zur Blutungsprophylaxe und -therapie sog.
Bypass-Präparate erhalten.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Hemmkörperhämophilie liegt bei Patienten mit angeborener Hämophilie A oder B
vor, wenn diese neutralisierende Alloantikörper gegen den substituierten (exogenen)
Faktor VIII oder IX entwickelt haben [244]. Das Auftreten eines Hemmkörpers wird bei 20 – 30 % der Patienten mit schwerer Hämophilie
beobachtet und stellt die folgenreichste Komplikation der modernen Substitutionstherapie
dar. Betroffen sind überwiegend Kinder und Jugendliche. Bei der erworbenen Hämophilie handelt
es sich um eine im höheren Erwachsenenalter auftretende Autoimmunerkrankung, die in
den allermeisten Fällen gegen den eigenen (endogenen) Faktor VIII gerichtet ist [245]. Patienten mit Hemmkörperhämophilie benötigen zur Blutungsprophylaxe und -therapie
sog. Bypass-Präparate, da selbst hochdosierte Faktor VIII- oder Faktor IX-Konzentrate
aufgrund der neutralisierenden Inhibitoren nicht ausreichend wirksam sind. Zur Verfügung
stehen rekombinanter aktivierter Faktor VII (NovoSeven®) in einer Dosierung von 90 µg/kg Körpergewicht alle 2 – 3 Stunden und aktiviertes
Prothrombinkomplex-Konzentrat (FEIBA NF) in einer Dosierung von 50 – 100 IE/kg Körpergewicht
alle 8 – 12 Stunden (maximale Tagesdosis 200 IE/kg). DDAVP ist bei Patienten mit Hemmkörperhämophilie
nicht ausreichend wirksam. Der supportive Einsatz von Tranexamsäure ist sinnvoll.
Aufgrund der schweren Blutungsneigung, des unkalkulierbaren Erfolgs der Substitutionstherapie
und der nicht vorhandenen Möglichkeit eines Labormonitoring ist die Indikation zu
endoskopischen Eingriffen besonders kritisch zu stellen.
Andere angeborene Faktormangelzustände
Faktor VII-Mangel
Empfehlung
Bei einer Faktor VII-Restaktivität von > 30 % und unauffälliger Blutungsanamnese können
endoskopische Eingriffe mit geringem Blutungsrisiko ohne blutungsprophylaktische Maßnahmen
oder mit der alleinigen Gabe von Tranexamsäure durchgeführt werden.
Bei einer Faktor VII-Restaktivität von < 30 % oder bei auffälliger Blutungsanamnese
und/oder bei Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko sollten zur Blutungsprophylaxe zusätzlich
Gerinnungsfaktorkonzentrate verabreicht oder zumindest für den Bedarfsfall bereitgehalten
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Der symptomatische angeborene Faktor VII-Mangel ist selten und hat eine geschätzte
Prävalenz von 1:500 000. Die Blutungsneigung ist sehr variabel und nur ungenügend
mit der gemessenen Faktorrestaktivität korreliert [246]
[247]. Viele Patienten werden durch perioperative Blutungskomplikationen oder durch einen
isoliert verminderten Quick-Wert im Rahmen einer routinemäßigen Gerinnungsdiagnostik
auffällig. Frauen scheinen häufiger von einer Blutungsneigung betroffen zu sein als
Männer [246]. Für den angeborenen Faktor VII-Mangel stehen zwei Gerinnungsfaktorkonzentrate zur
Verfügung. Eine Dosis von 1 IE/kg Körpergewicht des plasmatisch hergestellten Faktor VII-Konzentrates
Immuseven® hebt den Faktor VII-Spiegel im Plasma um 1 – 2 % an. Angestrebt werden, abhängig
vom Blutungsrisiko, Faktor VII-Aktivitäten von > 30 – 50 %. Wiederholte Substitutionen
können nach 6 – 8 Stunden erforderlich sein. Alternativ kann das rekombinante Konzentrat
NovoSeven® in einer Dosis von 15 – 30 µg/kg Körpergewicht alle 2 – 4 Stunden zur Anwendung kommen.
Hepatische Koagulopathie
Empfehlung
Die Beurteilung des Blutungsrisikos bei Patienten mit chronischer Lebererkrankung
und hepatischer Koagulopathie sollte primär auf der Grundlage anamnestischer und klinischer
Daten erfolgen. Ergänzend können hämostaseologische Parameter wie Blutungszeit, Thrombozytenzahl
und plasmatische Gerinnungstests (Quick/INR und APTT) herangezogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Patienten mit Leberzirrhose haben ein erhöhtes spontanes und periinterventionelles
Blutungsrisiko. Zudem sind bei den meisten Zirrhosepatienten die routinemäßig angeforderten
Labortests zur Beurteilung der primären (Thrombozytenzahl und Blutungszeit) und sekundären
Hämostase (Quick/INR und APTT) pathologisch verändert. Bisher konnten jedoch weder
der kausale Zusammenhang zwischen normabweichenden Hämostasetests einerseits und hämorrhagischen
Komplikationen andererseits noch der blutungsprophylaktische Nutzen einer Korrektur
derselben belegt werden [248]
[249]
[250]. Auch eine differenziertere Gerinnungsanalyse mit Bestimmung verschiedener Einzelfaktoren
(z. B. Fibrinogen, Faktor V, D-Dimere und Von-Willebrand-Faktor) scheint in der Risikostratifizierung
von Zirrhosepatienten keine Vorteile zu bieten [251]. Wichtigster Grund hierfür sind die Limitationen der gegenwärtig verfügbaren Labordiagnostik.
Die plasmatischen Gerinnungstests Quick/INR und APTT werden in plättchenarmem oder
-freiem Plasma durchgeführt und spiegeln ausschließlich die Konzentration der prokoagulatorischen
Gerinnungsfaktoren wider. Da bis auf Faktor VIII sämtliche prokoagulatorische Faktoren
in der Leber produziert werden, sind die Werte für Quick/INR und APTT bei Patienten
mit eingeschränkter Lebersyntheseleistung typischerweise pathologisch verändert. Bei
diesen Tests werden jedoch nicht Integrität und Funktion der inhibitorischen Systeme
berücksichtigt, für deren Aktivität entweder endotheliales Thrombomodulin (Protein C)
oder zellmembrangebundene Glykosaminoglykane wie z. B. Heparansulfat (Antithrombin)
benötigt werden. Da die Inhibitoren Protein C, Protein S und Antithrombin ebenfalls
hepatisch synthetisiert werden und bei chronischer Lebererkrankung in verminderter
Plasmakonzentration vorliegen, ist bei Patienten mit hepatischer Koagulopathie weiterhin
von einer ausbalancierten plasmatischen Gerinnung auszugehen [249]
[250]. Tatsächlich zeigen experimentelle Untersuchungen, dass bei Patienten mit fortgeschrittener
Leberzirrhose die gesamte Thrombingenerierung im plättchenreichen Plasma in der Gegenwart
von Thrombomodulin gegenüber derjenigen von gesunden Kontrollprobanden nicht vermindert
ist [252]. Des Weiteren ist zu beachten, dass bei kritischer Hypo- oder Dysfibrinogenämie
die Werte für Quick/INR und APTT allein messbedingt pathologisch verändert sind, und
dass die im klinischen Alltag gebräuchliche Befundausgabe der Prothrombinzeit als
INR-Wert zwar für die stabil eingestellte orale Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonisten,
in den meisten Fällen aber nicht für die hepatische Koagulopathie validiert worden
ist [248].
Auch die bei Zirrhosepatienten häufig zu beobachtende Thrombozytopenie und -pathie
werden zumindest partiell durch die massive Hochregulierung des Von-Willebrand-Faktors,
der unter hohen Scherkräften die Plättchenadhäsion an die verletzte Gefäßwand vermittelt,
kompensiert. Aus diesem Grund kann die bei bis zu 40 % der Zirrhosepatienten verlängert
gemessene Blutungszeit nicht ausreichend durch eine häufig nur moderate Thrombozytopenie
und -pathie erklärt werden [249]. Entsprechend hat sich auch der klinische Nutzen einer Blutungsprophylaxe oder -therapie
mit DDAVP (Desmopressin) in selektionierten Patientenkollektiven nicht bestätigt [253]
[254].
Zuletzt ist weiterhin unklar, ob bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose
wirklich ein Status der Hyperfibrinolyse vorliegt, da sowohl profibrinolytische (z. B.
verminderte Konzentrationen der Inhibitoren TAFI und Alpha2-Antiplasmin und erhöhte
Konzentration des Aktivators tPA) als auch antifibrinolytische Veränderungen (z. B.
verminderte Konzentration von Plasminogen und erhöhte Konzentration des Inhibitors
PAI-1) gefunden werden [249]
[250].
Da die hepatische Koagulopathie eine komplexe und dynamische Gerinnungsstörung darstellt,
und da bisher nur unzureichende Ergebnisse von systematischen Untersuchungen mit klinisch
relevanten Endpunkten vorliegen, können zum gegenwärtigen Zeitpunkt für die o. g.
Hämostaseparameter keine validierten Grenzwerte angegeben werden, die ein erhöhtes
periinterventionelles Blutungsrisiko anzeigen oder die Implementierung blutungsprophylaktischer
Maßnahmen rechtfertigen.
Sehr wahrscheinlich wird das Blutungsrisiko von Zirrhosepatienten wesentlich durch
andere Faktoren beeinflusst wie z. B. portale Hypertension, endotheliale Dysfunktion,
Einschwemmung heparinähnlicher Substanzen im Rahmen bakterieller Infektionen oder
Niereninsuffizienz, sodass neben einer gründlichen Anamnese der bestmöglichen Modifikation
dieser Faktoren besondere Bedeutung zukommt [249]
[250].
Die unverändert weit verbreitete Praxis, bei Zirrhosepatienten vor elektiven Interventionen
routinemäßig die o. g. Hämostaseparameter zu bestimmen und bei normabweichenden Befunden
blutungsprophylaktische Maßnahmen zu ergreifen (z. B. Transfusion von Thrombozyten
oder Frischplasma), ist am ehesten durch einen Mangel an robuster klinischer Evidenz
zu erklären und forensischen Überlegungen geschuldet.
Anhang: Andere Faktormangelzustände
Bei Patienten mit angeborenem Faktor V-Mangel und relevanter Blutungsneigung kann die Faktor V-Aktivität im Plasma durch gefrorenes
Frischplasma (GFP) angehoben werden. Der schwere angeborene Faktor V-Mangel ist mit
einer geschätzten Prävalenz von 1:1000 000 sehr selten und durch einen hochgradig
variablen Blutungsphänotyp gekennzeichnet. Einige Patienten mit nicht messbaren Faktor V-Konzentrationen
im Plasma haben nur geringe Blutungssymptome [255]. Typisch sind Schleimhautblutungen im Magen-Darm-Trakt. Für den angeborenen Faktor V-Mangel
stehen gegenwärtig keine Gerinnungsfaktorkonzentrate zur Verfügung [256]. Bei der Gabe von 1 ml/kg Körpergewicht GFP ist ein Anstieg der Faktor V-Aktivität
im Plasma um 1 – 2 % zu erwarten. Die Halbwertszeit von Faktor V beträgt 12 – 15 Stunden,
sodass ggf. zweimal tägliche GFP-Gaben erforderlich sind.
Bei Patienten mit angeborenem Faktor XI-Mangel und relevanter Blutungsneigung sollte die bedarfsgerechte Substitution mit GFP oder
einem Faktor XI-Konzentrat erfolgen. Der schwere angeborene Faktor XI-Mangel mit einer
Restaktivität von < 20 % (sog. Hämophilie C) ist in der kaukasischen Bevölkerung sehr
selten (geschätzte Prävalenz 1:1000 000). Dagegen beträgt die Häufigkeit des partiellen
Mangelzustands bei Ashkenazi-Juden etwa 8 %. Die Blutungsneigung ist nur ungenügend
mit der Faktor XI-Restaktivität im Plasma korreliert [257]. Selbst bei heterozygoten Anlageträgern mit Faktor XI-Aktivitäten von 30 – 50 %
können insbesondere bei Verletzungen oder Operationen Blutungen auftreten. Aufgrund
der langen Halbwertszeit von 60 – 80 Stunden sind Substitutionen in der Regel nur
alle 1 – 2 Tage erforderlich.
Bei Patienten mit angeborenem Faktor XIII-Mangel und relevanter Blutungsneigung sollte die bedarfsgerechte Substitution mit einem
Faktor XIII-Konzentrat erfolgen. Der schwere angeborene Faktor XIII-Mangel (Restaktivität
< 1 – 5 %) hat eine Prävalenz von 1:3000 000. Die Patienten leiden von Geburt an unter
Spontanblutungen und Wundheilungsstörungen [255]. Bei Frauen wurde zudem eine erhöhte Abortrate berichtet. Zur Verfügung steht ein
plasmatisches Faktor XIII-Konzentrat (Fibrogammin® P), das aufgrund der langen Halbwertszeit nur in ein- bis zweiwöchigen Abständen
verabreicht werden muss.
Thrombozytenfunktionsstörungen
Angeborene Thrombozytenfunktionsstörungen
Angeborene Thrombozytopathien sind selten. Ihnen können Störungen der Aktivierung,
der Adhäsions- oder Aggregationsfähigkeit, der Sekretionsreaktion oder der prokoagulatorischen
Aktivität zugrunde liegen.
Bernard-Soulier-Syndrom (BSS)
Bei Patienten mit BSS sollen Blutungsprophylaxe und -therapie risikoadaptiert mit
der Transfusion von Thrombozytenkonzentraten erfolgen. Das BSS wird autosomal rezessiv
vererbt und tritt bei 1:1000 000 Geburten auf. Es beruht auf einem Defekt des thrombozytären
Glykoprotein Ib-Komplexes (GPIb-V-IX), der die Bindung des VWF vermittelt. Im Blutbild
ist eine Makrothrombozytopenie auffällig. Die Blutungsneigung ist variabel [258]. Bei der Transfusion von Thrombozytenkonzentraten besteht das Risiko einer Alloimmunisierung
mit Ausbildung von GPIb-Antikörpern, weswegen HLA-kompatible Konzentrate verwendet
werden sollten [259]. Einige Patienten sprechen auch auf DDAVP (Desmopressin) an [260]
[261]. Die Anwendung von DDAVP sollte nach Möglichkeit zuvor im blutungsfreien Intervall
auf Wirksamkeit (z. B. Blutungszeit oder PFA-100®) und Verträglichkeit überprüft werden. Supportiv kann der Einsatz von Tranexamsäure
sinnvoll sein. Bei refraktärer Blutung kann die Gabe von rekombinantem Faktor VIIa
(NovoSeven®) in einer Dosierung von 90 µg/kg Körpergewicht erwogen werden.
Glanzmann Thrombasthenie (GT)
Bei Patienten mit GT sollen Blutungsprophylaxe und -therapie nach Ausschöpfung aller
lokalen hämostyptischen Maßnahmen mit der Transfusion von HLA-kompatiblen Thrombozytenkonzentraten
erfolgen. Die GT wird autosomal rezessiv vererbt und hat eine geschätzte Häufigkeit
von 1:1000 000 Geburten. Die Erkrankung beruht auf einem Defekt des thrombozytären
GPIIb/IIIa-Komplexes, der die fibrinogenabhängige Plättchenaggregation vermittelt.
Die Blutungsneigung ist variabel [262]. Maßnahme der Wahl zur Prophylaxe und Therapie von Blutungen ist die Transfusion
von HLA-kompatiblen Thrombozytenkonzentraten [259]. Aufgrund des hohen Risikos der Alloimmunisierung sollten zuvor alle lokalen hämostyptischen
Maßnahmen ausgeschöpft werden. Der supportive Einsatz von Tranexamsäure ist sinnvoll.
Die Wirksamkeit von DDAVP (Desmopressin) ist umstritten [261]. Bei Patienten mit Alloantikörpern ist die Gabe von NovoSeven® (90 µg/kg Körpergewicht) eine zugelassene Alternative [263].
Delta-Storage-Pool-Defekt (DSPD)
Bei den meisten DSPDS kann DDAVP (Desmopressin) und Tranexamsäure erreicht werden.
Der DSPD kann isoliert oder in Kombination mit komplexen Krankheitsbildern vorliegen.
Der Störung liegt ein Fehlen oder ein Mangel der dichten Granula (dense bodies) zugrunde. Im Alltag resultiert der isolierte DSPD zwar in einer eher milden Blutungsneigung;
bei invasiven oder operativen Eingriffen kann es aber zu relevanten Blutungskomplikationen
kommen. Bei Versagen oder Unverträglichkeit von DDAVP sollte als Zweitlinientherapie
die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten erfolgen [259].
Erworbene Thrombozytenfunktionsstörungen
Neben der Behandlung der Grunderkrankung und dem Absetzen auslösender Pharmaka sollen
im Rahmen der Blutungsprophylaxe und -therapie primär DDAVP (Desmopressin) und Tranexamsäure
zum Einsatz kommen. Erworbene Thrombozytopathien können aus einer Vielzahl von Erkrankungen
resultieren (z. B. Leber- und Niereninsuffizienz, kardiovaskuläre, hämatologische
und Autoimmunerkrankungen, DIC, Amyloidose) und sämtliche Aspekte der Plättchenfunktion
betreffen. Sehr häufig sind erworbene Thrombozytopathien jedoch medikamentös bedingt
(z. B. ASS-haltige Pharmaka, nicht steroidale Antirheumatika, selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer,
Antibiotika, Dextrane). Es überwiegt eine eher milde Blutungsneigung. Bei persistierender
Blutung trotz der o. g. Maßnahmen soll die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten
erfolgen.
3.3 Antibiotikaprophylaxe
Einleitung
Weltweit nimmt die Rate an Infektionen mit multiresistenten Erregern zu. Besonders
hervorzuheben ist die Zunahme resistenter Darmkeime (multiresistente, gramnegative
Keime: MRGN). Bei Clostridium difficile-assoziierte Erkrankungen infolge einer Antibiotikagabe
hat nicht nur die Zahl der Erkrankungen, sondern insbesondere auch die Erkrankungsschwere
zugenommen. Daher ist ein zurückhaltender, evidenzbasierter Antibiotikaeinsatz auch
in der Prophylaxe geboten, zumal die Entwicklung neuer Antibiotika stagniert und auch
potenzielle allergische Reaktionen zu bedenken sind.
3.3.1 Antibiotikaprophylaxe in Abhängigkeit vom Patientenrisiko
Empfehlung
Eine prophylaktische Antibiotikagabe aufgrund eines erhöhten Risikos für eine Herzklappenendokarditis,
bei Vorhandensein von Shunts oder endovaskulären Prothesen etc. sollte nicht empfohlen
werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Patienten, die in der Vergangenheit eine Antibiotikaprophylaxe gut vertragen haben,
sollte die aktuelle Evidenzlage in einem aufklärenden Gespräch dargelegt werden. Eine
Prophylaxe mit einem Enterokokken-wirksamen Antibiotikum sollte nur erfolgen, wenn
der Patient nach Aufklärung dies weiterhin wünscht.
Starker Konsens
Kommentar
Bakteriämien durch gastrointestinale Endoskopien/Interventionen sind mit unterschiedlicher
Häufigkeit dokumentiert. Für Bougierungen/Dilatationen im Ösophagus sind Bakteriämieraten
bis über 20 %, bei der Koloskopie bis 25 % und bei der ERCP bei Cholestase bis 18 %
beschrieben. Dagegen müssen aber die Bakteriämieraten banaler Verrichtungen wie Kauen
oder Zähneputzen betrachtet werden, die mit bis zu 70 bzw. 50 % deutlich höher liegen.
Wie bei diesen einfachen Verrichtungen gibt es keine Evidenz, dass die endoskopieassoziierten
Bakteriämien mit einer erhöhten Rate an Endokarditiden oder Protheseninfektionen assoziiert
sind [264]
[265]
[266]
[267].
Empfehlung
Bei Patienten mit Leberzirrhose soll im Falle einer gastrointestinalen Blutung unabhängig
von einer Endoskopie bereits ab dem Zeitpunkt der Aufnahme eine Antibiotikatherapie
erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Antibiotikaprophylaxe senkt bei Patienten mit Leberzirrhose und oberer gastrointestinaler
Blutung signifikant bakterielle Infektionen (spontane bakterielle Peritonitis), Ausmaß
der Blutung, Risiko einer erneuten Varizenblutung und Frühmortalität [268]
[269]
[270]. Aktuell wird eine Prophylaxe mit einem Cefalosporin der 3. Generation (z. B. Ceftriaxon
2 g i. v.) bevorzugt, da nach einer randomisierten Studie geringere Raten an Bakteriämien
oder spontan bakterieller Peritonitis unter Ceftriaxon i. v. im Vergleich zu Norfloxacin
beschrieben wurden. Die Antibiotikaprophylaxe hat keinen Einfluss auf die Spätmortalität
(6 Wochen) nach dem Blutungsereignis [271]
[272].
Empfehlung
Patienten mit einer Neutropenie unter 500/µl und/oder fortgeschrittenem Tumorleiden
sollten in Absprache mit dem betreuenden Onkologen nur bei therapeutischen Interventionen
eine Antibiotikaprophylaxe erhalten. Bei Immunsuppression ohne Neutropenie ist keine
Prophylaxe notwendig.
Starker Konsens
Kommentar
Aufgrund von Infektionen (Fieber und positive Blutkultur) nach Endoskopie bei Patienten
mit Neutropenie nach Knochenmarktransplantation, wird in internationalen Leitlinien
eine Prophylaxe bei Prozeduren mit hohem Bakteriämierisko in Absprache mit dem behandelnden
Onkologen empfohlen [267]
[273]. Das Risiko erscheint insbesondere in Kombination mit einer Kortisontherapie erhöht.
3.3.2 Antibiotikaprophylaxe in Abhängigkeit vom endoskopischen Eingriff
Empfehlung
Im Rahmen einer ERCP/PTD soll eine Antibiotikaprophylaxe erfolgen, wenn
-
bei Gallenwegsobstruktion oder Stentwechsel ohne Cholangitis eine unvollständige Drainage
der Gallenwege zu erwarten ist,
-
eine duktale Endoskopie (+ Therapie) durchgeführt wird,
-
eine PTD neu angelegt wird,
-
bei Darstellung des Pankreasgangsystems mit diesem kommunizierende (Pseudo-) Zysten
vorliegen,
-
biliäre Komplikationen nach Lebertransplantation bestehen,
-
eine Drainage von primär sterilen (Pseudo-)Zysten des Pankreas intendiert ist.
Die Wahl des Antibiotikums soll die zu erwartende Resistenzlage berücksichtigen. Bei
vorbestehender Cholangitis oder Zysteninfektion soll die präinterventionell eingeleitete
Antibiotikatherapie fortgesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Das Risiko einer Cholangitis oder Sepsis nach ERCP beträgt 0,13 – 3 % [274]
[275]. Intraduktale Druckerhöhung durch Kontrastmittelapplikation und unzureichender biliärer
Ablauf nach ERCP sind Hauptursachen einer infektiösen Komplikation [274]
[276]. Aspiration von Gallensekret vor Injektion des Kontrastmittels, möglichst geringe
Mengen appliziertes Kontrastmittel und eine hohe Erfolgsrate der adäquaten biliären
Drainage senken das Risiko einer postinterventionellen Infektion [274].
Eine prophylaktische Antibiose als Routinemaßnahme bei unselektierten Patienten beeinflusst
das Risiko einer ERCP-induzierten Infektion nicht [274]
[277].
Bei bereits bestehender Cholangitis sollte bereits vor ERCP eine antibiotische Therapie
erfolgen, eine zusätzliche Einzeldosisprohylaxe vor der Intervention ist nicht nötig
[267].
Bei Patienten mit hochsitzender biliärer Stenose oder multiplen Strikturen (PSC, Caroli
Syndrom, Cholangiokarzinom Bismuth Typ III oder IV etc.) kann primär von einer erschwerten
biliären Drainage ausgegangen werden, sodass eine antibiotische Prophylaxe durchgeführt
werden soll [267]
[278].
Eine antibiotische Prophylaxe vor Intervention wird bei lebertransplantierten Patienten
empfohlen [267]
[278], da für dieses Kollektiv ein erhöhtes Risiko einer infektiösen Komplikation nach
ERCP besteht [274]
[279].
Das Risiko einer Infektion besteht auch nach Kontrastmittelfüllung von Pankreaszysten
und Pseudozysten, die mit dem Hauptgang in Verbindung stehen. Dies gilt vor allem
vor geplanter transpapillärer oder transmuraler Zystendrainage. Die postinterventionelle
Fortsetzung der Antibiose erscheint bei inkompletter Drainage der Flüssigkeitsansammlung
oder Vorliegen einer Nekrose konsequent [280].
Infektiöse Komplikationen in Folge einer Cholangioskopie sind abhängig vom Zugangsweg
(peroral 0 – 14 % [281]
[282] vs. perkutan transhepatisch 8 – 35 % [283]), eine Antibotikaprophylaxe ist bei beiden Zugangswegen indiziert. Dies gilt ebenso
bei direkter intraduktaler Lithotrypsie und Ballondilatation sowie bei jeder Neuanlage
einer perkutanen transhepatischen Drainage, obwohl der Einfluss der Prophylaxe auf
die postinterventionelle Infektionsrate nicht belegt ist [283]
[284]. In Analogie erscheint eine Antibiotikaprophylaxe bei direkter Endoskopie des Pankreasganges
sinnvoll, auch wenn es hierzu keine Daten gibt.
Haupterreger einer aufsteigenden Cholangitis sind E. coli, Pseudomonas aeruginosa,
Klebsiella supp, Enterokokken, Koagulase negative Staphylokokken und Bacteroides spp. Häufig
ist die Galle auch polymikrobiell besiedelt. Bei guter Wirkung im Bereich gramnegativer
Erreger werden aktuell entweder Ciprofloxacin p. o. 90 Minuten vor ERCP oder Gentamycin
i. v., optional ergänzt durch Amoxicillin i. v. zu Beginn der Intervention empfohlen
[267].
Empfehlung
Bei einer Endosonografie soll eine Antibiotikaprophylaxe erfolgen, wenn aus einer
primär sterilen zystischen Läsion durch Feinnadelaspiration (EUS-FNA)-Material gewonnen
oder eine transmurale Drainage durchgeführt wird.
Die prophylaktische Antibiotikagabe bei EUS-FNA sollte über 3 – 5 Tage fortgesetzt
werden.
Die Wahl des Antibiotikums soll die zu erwartende Resistenzlage berücksichtigen.
Bei vorbestehender Zysteninfektion soll die präinterventionell eingeleitete Antibiotikatherapie
fortgesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Antibiotikaprophylaxe vor Durchführung einer Endosonografie (EUS) oder Endosonografie
mit Feinnadelaspiration (EUS-FNA) solider Läsionen des oberen Gastrointestinaltrakts
wird aufgrund geringer Bakteriämien ohne klinische Zeichen einer Infektion nicht empfohlen
[267]
[278]
[285]
[286]
[287].
Eine prospektive Studie zeigte nach EUS-FNA des perirektalen Raumes weder erhöhte
Bakteriämieraten noch klinische Zeichen einer Infektion [286].
Die Rationale einer antibiotischen Prophylaxe vor und nach EUS-FNA zystischer Läsionen
entlang des Gastrointestinaltraktes/Mediastinums ist die Risikoreduktion einer Zysteninfektion.
In-vitro-Analysen sprechen für ein hohes Infektionspotential durch die Punktion [288]. In einer retrospektiven Studie aus 2 Zentren ist eine niedrige Infektionsrate gezeigt
bei Patienten, die eine Antibiotikaprophylaxe erhalten haben [289]. Eine weitere retrospektive Studie konnte keine positiven Effekte belegen. Trotzdem
haben internationale Leitlinienempfehlungen für eine Antibiotikaprophylaxe bei Punktion
zystischer Läsionen aufgenommen, einschließlich der in dieser Studie durchgeführten
Applikationsdauer über 3 – 5 Tage [267]
[278]
[280]
[290]
[291]..
Die Durchführung einer periinterventionellen Antibiotikaprophylaxe wird für die EUS-FNA
zystischer Pankreasläsionen sowie zystischer Läsionen anderer Lokalisation sowohl
in der Leitlinie der ASGE [292] als auch der ESGE [291] empfohlen. Die EUS-FNP einfacher zystischer Mediastinalläsionen gilt dagegen wegen
des hohen Infektionsrisikos als kontraindiziert [291]. Möglicherweise kann diese Empfehlung auf die transintestinale Punktion auch von
Ergüssen übertragen werden, da auch die EUS-FNA von Aszites mit einem signifikanten
Infektionsrisiko einhergeht [293].
Prospektive randomisiert-kontrollierte Studien zur Frage der Effektivität einer Antibiotikaprophylaxe
bei EUS-FNA zystischer Läsionen liegen nicht vor. Die Empfehlungen beruhen ausschließlich
auf historischen Vergleichen und retrospektiven Studien [291]
[293].
In einer großen multizentrischen Studie entwickelten 2 von 18 Patienten nach EUS-FNA
zystischer Pankreasläsionen ohne periprozedurale Antibiotikagabe eine Zysteninfektion
[294]. Trotz der sehr großen Anzahl von EUS-FNA, die auch aufgrund aktueller Leitlinienempfehlungen
[295] zur diagnostischen Beurteilung und Risikoeinschätzung zystischer Pankreasläsionen
weltweit durchgeführt werden, wurden nach EUS-FNA zystischer Pankreasläsionen insgesamt
nur 4 Fälle von Zysteninfektion bei Patienten berichtet, bei denen eine Antibiotikaprophylaxe
erfolgte [293]. Von den 909 Patienten mit EUS-FNA zystischer Läsionen, die in der systematischen
Review von Wang et al. [296] eingeschlossen wurden, erhielten 93,7 % eine Antibiotikaprophylaxe, und die Inzidenz
von Zysteninfektionen wurde mit 0,55 % ermittelt. Eine die Inzidenz infektiöser Komplikationen
bei 88 EUS-FNA zystischer Pankreasläsionen mit und 178 Fällen ohne Antibiotikaprophylaxe
vergleichende retrospektive Studie konnte keine signifikante Differenz des Auftretens
von Zysteninfektionen zwischen beiden Gruppen aufzeigen [297].
Nach EUS-FNP solider Läsionen (insbesondere von subepithelialen Tumoren und Lymphknoten
bei Sarkoidose) sind zwar mehrere Fälle septischer Komplikationen berichtet worden
[293], dennoch ist bei einer in prospektiven Studien sehr geringen Inzidenz von 0 – 0,6 %
eine Antibiotikaprophylaxe nicht erforderlich [291]. Dies gilt auch für die transrektale EUS-FNP solider Raumforderungen und Lymphknoten.
In einer prospektiven Studie mit 100 Patienten, bei denen 471 EUS-FNA rektaler und
perirektaler Läsionen erfolgte, konnte nur in 2 Fällen eine asymptomatische Bakteriämie,
in keinem Fall eine Infektion beobachtet werden [286]. Keine infektiösen Komplikationen traten auch in einer Studie auf, in der über die
transrektale oder transkolische EUS-FNA von 316 extramesenterialen oder mesenterialen
Lymphknoten berichtet wurde [298].
Empfehlung
Bei perkutaner Anlage einer Ernährungssonde in Magen oder Jejunum mit peroralem Durchzug
der Sonde soll eine Antibiotikaprophylaxe erfolgen.
Die Wahl des Antibiotikums soll die zu erwartende Resistenzlage berücksichtigen.
Bei MRSA-positiven Patienten soll eine lokale Dekontamination versucht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Inzidenz peristomaler Infektionen bei PEG-Anlage wird mit 4 – 30 % angegeben.
Offenbar ist die Keimverschleppung bei oropharyngealer Passage der PEG-Sonde der Hauptfaktor
für eine peristomale Infektion. Ein Cochrane-Review aus elf vergleichbaren Studien
sowie zwei Metaanalysen zeigen eine Reduktion peristomaler Infektionen durch ein standardisiertes
intravenöses Antibiotikaregime [299]
[300]
[301]. Eine Antibiotikaprophylaxe soll daher durchgeführt werden (z. B. Cephalosporin/Penicillin
30 min vor PEG Anlage) [267]
[278]. Patienten, die aus anderen Indikationen vor PEG-Anlage bereits eine Breitspektrumantibiose
erhalten, benötigen keine zusätzliche antibiotische Prophylaxe [267].
Analog kann die Empfehlung, trotz unzureichender Studienlage, auf die Anlage einer
perkutanen endoskopischen Jejunostomie (PEJ) übertragen werden [302].
Das Verfahren der Gastropexie-PEG verlangt keine oropharyngeale Passage mit Kontamination der PEG-Sonde und kann daher
ohne eine Antibiotikaprophylaxe durchgeführt werden [303].
Ein MRSA-Trägerstatus führt zu einem erhöhten Risiko peristomaler Infektionen nach
PEG-Anlage [304]. In Studien an Patienten mit endemischem MRSA-Risiko hat sich ein MRSA-Screening
von Nase, Rachen, Perineum, Wunden und – bei Personen mit Blasenkatheter – Urin mit
Dekontamination bei positivem MRSA-Nachweis bewährt. Es sollte daher bei allen Patienten,
die nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts ein erhöhtes Risiko einer MRSA-Kolonisation
haben, vor PEG-Anlage ein MRSA-Screening (mit nachfolgender Dekontamination bei positivem
Nachweis) durchgeführt werden [305]. Bei nicht erfolgreicher Dekontamination sollte, bei erfolgreicher kann für die
Antibiotikaprophylaxe vor PEG/PEJ ein Glykopeptid-Antibiotikum (z. B. Teicoplanin
400 mg i. v.) ergänzt werden [278]
[306]
[307]
[308].
Bei Personen mit Risiken für das Vorliegen einer Infektion/Kolonisation mit MRSA nach
den Empfehlungen des Robert Koch-Institutes sollen Screeningabstriche Bestandteil
der präendoskopischen Routine sein. Bei elektiven Eingriffen soll vor der Endoskopie
eine Dekolonisation angestrebt werden.
Patienten mit Infektion/Kolonisation durch multiresistente Erreger sollen am Ende
des Endoskopieprogramms unter adäquaten Hygienemaßnahmen (Schutzkleidung, hygienische
Händedesinfektion) untersucht werden ([Tab. 20]).
Tab. 20
Prophylaxe bei spezifischen endoskopischen Verfahren.
Patient
|
Prozedur
|
Ziel der Prophylaxe
|
periinterventionelle Prophylaxe
|
Gallenwegsobstruktion/Stent-Wechsel Gallenwege ohne Cholangitis
|
ERCP mit vollständiger Drainage
|
Prävention Cholangitis
|
nicht empfohlen
|
Gallenwegsobstruktion/Stent-Wechsel Gallenwege ohne Cholangitis
|
ERCP/ PTD mit unvollständiger Drainage
|
Prävention Cholangitis
|
Einzeldosisprophylaxe, Antibiotikatherapie sollte bis zur vollständigen Drainage fortgesetzt
werden
|
mehrfach ERCP mit Z. n. EPT/Stent
|
ERCP/PTD Stentwechsel
|
Prävention Cholangitis
|
Einzelfallentscheidung zur Einzeldosisprophylaxe
|
vorbestehende Cholangitis
|
ERCP/PTD
|
Prävention Bakteriämie
|
Fortsetzung der präinterventionell eingeleiteten Antibiotikatherapie
|
biliäre Komplikationen nach Lebertransplantation
|
ERCP
|
Prävention Cholangitis
|
Einzeldosisprophylaxe
|
duktale Endoskopie (Gallenwege)
|
ERCP/PTD
|
Prävention Cholangitis
|
Einzeldosisprophylaxe
|
intraduktale Lithotrypsie
|
ERCP/PTD
|
Prävention Cholangitis
|
Einzeldosisprophylaxe
|
alle Patienten
|
PTD-Neuanlage
|
Prävention Cholangitis
|
Einzeldosisprophylaxe
|
mit Pankreasgang kommunizierende Pankreaszysten oder -pseudozysten
|
ERCP
|
Prävention Pseudo-/Zysteninfektion
|
Einzeldosisprophylaxe
|
Aspiration von pankreatischer Flüssigkeit (Pseudozyste, Nekrose) mit Pankreasgangkommunikation
|
ERCP/EUS-FNA
|
Prävention Pseudo-/Zysteninfektion
|
Einzeldosisprophylaxe
|
Aspiration von sterilem Pankreassekret
|
transmurale Drainage
|
Prävention Pseudo-/Zysteninfektion
|
Einzeldosisprophylaxe
|
solide Läsionen im oberen GI Trakt
|
EUS-FNA
|
Prävention lokaler Infektion
|
nicht empfohlen
|
solide Läsionen im unteren GI Trakt
|
EUS-FNA
|
Prävention lokaler Infektion
|
unzureichende Datenlage für eine Empfehlung
|
zystische Läsionen GI-Trakt/Mediastinum
|
EUS-FNA
|
Prävention Zysteninfektion
|
Einzeldosisprophylaxe, (verlängerte Applikation über 3 – 5 Tage kann erfolgen)
|
alle Patienten
|
PEG/PEJ mit peroralem Durchzug
|
Prävention peristomaler Infektionen
|
Einzeldosisprophylaxe, MRSA pos.: lokale Dekontamination (Nase/Rachen) soll versucht
werden
|
alle Patienten
|
Gastropexie-PEG
|
Prävention peristomaler Infektionen
|
nicht empfohlen
|
3.4 Patientensicherheit durch Checklisten und Team-Time-Out
Einleitung: Im Rahmen von Krankenhausaufenthalten und medizinischen Behandlungen wird
immer wieder von unerwünschten Ereignissen und Komplikationen berichtet, die größtenteils
vermeidbar gewesen wären. Ein internationales, systematisches Reviews ermittelte,
dass unerwünschte Ereignisse bei 1 von 10 stationären Patienten auftreten können [309].
Mögliche Ursachen für Fehler, Versäumnisse und Verwechslungen sind [310]
-
strukturelle Mängel (inadäquate Ausstattung, Personalmangel, ungenügend qualifiziertes
Personal)
-
Kommunikations- und Koordinationsdefizite
-
Arbeitsverdichtung und Stress
-
Fehler in der Umsetzung von Wissen
Die Endoskopie bildet dabei keine Ausnahme. Der britische „Report of National Confidential
Enquiry into Patient Outcome and Death (NCEPOD) – „Scoping our Practice“ untersuchte
1818 Todesfälle innerhalb 30 Tage nach therapeutischer Endoskopie. Bei 14 % dieser
Patienten wurden die Indikationen als unpassend und bei 9 % als nicht indiziert bewertet
[311].
Studien aus der Chirurgie zeigen, dass eine systematische Überprüfung vor dem Eingriff
hilft, Fehlern zu vorzubeugen und die Zahl der fehlerhaft behandelten Patienten zu
reduzieren [312]
[313]
[314]. Im Rahmen der WHO Initiative „Save surgery saves lives“ wurde 2008 eine 19 Punkte
umfassende Checkliste veröffentlicht, die einen dreistufigen Sicherheitscheck (vor
der Anästhesieeinleitung, vor dem Hautschnitt und nach Abschluss der OP) vorsieht
[315]. 2009 untersuchte eine weltweit durchgeführte Multicenterstudie die Effizienz dieser
WHO-Checkliste [316]. Dabei wurden bei 3755 Patienten vor OP und 3955 Patienten nach OP die WHO-Checklisten
eingesetzt. Als Indikator dienten die Komplikationen im Zeitfenster 30 Tage nach OP.
Durch die Nutzung der WHO-Checkliste konnten bei diesen Patienten signifikante Reduzierungen
von schweren Komplikationen, Infektionen, Letalität und Mortalität erreicht werden.
Die Ergebnisse dieser wegweisenden Studie führten dazu, dass weltweit chirurgische
Fachgesellschaften die WHO-Kampagne unterstützten und diese Checklisten sich schnell
als Standard für operative Eingriffe etablierten.
Diese Erfahrungen lassen sich auch auf die Endoskopie übertragen. Verschiedene Faktoren
erhöhen auch bei endoskopischen Eingriffen das Risiko für unerwünschte Ereignisse
und Komplikationen: Es werden mehr ältere und mehr multimorbide Patienten mit komplexen
Erkrankungen in der Endoskopie mit aufwendigen Eingriffen behandelt. Sedierung und
Patientenbetreuung haben sich in den letzten Jahren verändert und erfordern mehr qualifiziertes
Personal.
3.4.1 Standardisiertes Risikoassessment vor dem endoskopischen Eingriff
Empfehlung
Die Patientenvorbereitung sollte mit einem standardisierten Risikoassessment erfolgen,
das eingriffs- und sedierungsbedingte Risiken des Patienten ermittelt.
Starker Konsens
Kommentar
Auf Einverständniserklärungen werden im Rahmen der Aufklärung anhand von standardisierten
Fragen mögliche Risiken des Patienten ermittelt. (siehe Kapitel 3.1 Aufklärung endoskopischer
Eingriffe). Die S3-Leitlinie zur Sedierung empfiehlt die Nutzung von Scores und ein
individuelles Risikoassessment [317]. In der Endoskopie wird routinemäßig die Vollständigkeit der Patientenakte, das
Vorliegen von Laborparametern und Befunden sowie die korrekte Vorbereitung des Patienten
kontrolliert, bevor der Patient zum Eingriff aufgelegt wird. Entsprechende Checklisten
gewährleisten objektiv reproduzierbare Abläufe und tragen somit zur Patientensicherheit
bei.
3.4.2 Team-Time-Out vor dem endoskopischen Eingriff
Empfehlung
Das „Time out“ sollte direkt vor endoskopischen Eingriffen durchgeführt werden, um
zu überprüfen, dass der richtige Patient, korrekt vorbereitet, zum richtigen Eingriff
aufliegt, das korrekte Equipment funktionsbereit mit dem entsprechenden Personal bereitsteht.
Individuelle Risiken des Patienten werden kurz genannt.
Starker Konsens
Kommentar
Das Team-Time-Out ist ein hilfreiches Instrument, um unerwünschte Ereignisse und Komplikationen
vorzubeugen und einen reibungslosen, zielorientierten Eingriff zu ermöglichen [310]
[315]
[316]. Direkt vor dem endoskopischen Eingriff folgende Details stichpunktartig abgefragt
und dokumentiert:
-
Identifikation des Patienten (Name, Geburtsdatum)
-
ASA-Klassifikation, individuelle Risiken, besondere Medikamente
-
Vollständigkeit der Dokumente (z. B. Einverständniserklärung)
-
Identifikation des Personals (falls Teamfremde anwesend sind)
-
Identifikation des Eingriffs, Besonderheiten
-
Vollständigkeit der Instrumente
In den amerikanischen Guidelines zur Sedierung und zur Pflegedokumentation wird neben
dem präendoskopischem Risikoassessment auch das Team-Time-Out als zusätzliches Prüfinstruments
genannt [318]
[319].
Erfahrungen mit dem Team-Time-Out in der Endoskopie wurden bislang aus den Niederlanden,
Großbritannien und Deutschland berichtet [320]
[321]
[322]. Alle drei Abteilungen berichteten von der Wichtigkeit einer Implementierungsphase
mit Schulung des gesamten multidsziplinären Endoskopieteams. Nach der Implementierungsphase
braucht das Team-Time-Out je nach Eingriff und Risiken des Patienten zwischen 30 Sekunden
und 2 Minuten [321]
[322]. Matharoo zeigte, dass das positive Vorbild des Leitungsteams entscheidend für den
Erfolg der Einführung und die fortwährende Konsequenz in der Durchführung ist.
3.4.3 Standardisiertes Entlassmanagement
Empfehlung
Die postendoskopische Phase mit Entlassung auf die Station oder nach Hause sollte
durch ein standardisiertes Entlassmanagement erfolgen, das eingriffs- und sedierungsrelevante
Parameter berücksichtigt
Starker Konsens
Kommentar
Die S3-Leitlinie zur Sedierung empfiehl bestimmte Parameter vor Verlegung oder Entlassung
der Patienten zu dokumentieren, um die Verlegung auf die Station oder die Entlassung
der Patienten strukturiert zu dokumentieren und Informationen für nachbereuende Kollegen
weiterzugeben [317]. Entsprechende Checklisten gewährleisten objektiv reproduzierbare Abläufe und tragen
somit zur Patientensicherheit bei.
Anhang: Checkliste Team-Time-Out für endoskopische Prozeduren ([Tab. 21])
Tab. 21
Checkliste Team-Time-Out für endoskopische Prozeduren.
Patient:
Name/Geburtstag, Patienten ID etc.
|
Sign in Übergabe an Endoskopie
|
✓
|
Team-Time-out direkt vor Beginn des Eingriffs
|
✓
|
Sign out vor Verlegung/Entlassung
|
✓
|
Die folgenden Kriterien werden geprüft/bestätigt
|
Die folgenden Kriterien werden geprüft/bestätigt
|
Die folgenden Kriterien werden geprüft/bestätigt
|
Identifikation des Patienten (Name, Geburtsdatum, Pat-ID)
|
❑
|
Team-Vorstellung mit Name und Aufgabe
|
❑
|
vollständige Dokumentation inklusive Hinweise für Nachsorge
|
❑
|
Einverständniserklärung
|
❑
|
Identifikation des Patienten (Name, Geburtsdatum, Pat-ID)
|
❑
|
Präparate versorgt
|
❑
|
alle Dokumente liegen vor (Labor, Befunde, etc.)
|
❑
|
geplanter Eingriff (Indikation, Fragestellung, etc.)
|
❑
|
Patientenzustand dokumentiert (je nach Ausgangszustand)
|
❑
|
Risiskobewertung
|
|
|
|
|
|
ASA-Klassifikation/Komorbidität geprüft
|
❑
|
Notwendige Instrumente vorhanden?
|
❑
|
|
|
Beatmungsprobleme, kardiorespiratorische Probleme
|
❑ ja ❑ nein
|
Monitoring, Medikamente, Equipment zum Atemwegsmanagement zur Verfügung und überprüft
|
❑
|
Gab es Probleme beim Eingriff?
|
❑ ja ❑ nein
|
Allergien
|
❑ ja ❑ nein
|
Infektionen
|
❑ ja ❑ nein
|
Endoskopiker nennt Besonderheiten zum Eingriff?
-
geplante Schritte
-
schwierige Schritte
|
❑ ja ❑ nein
|
Spez. Hinweise zur Nachsorge gegeben?
|
❑ ja ❑ nein
|
Antikoagulantien
|
❑ ja ❑ nein
|
Glaukom
|
❑ ja ❑ nein
|
Besonderheiten zur Sedierung und Lagerung?
|
❑ ja ❑ nein
|
Spez. Hinweise zur Verlegung / Entlassung?
|
❑ ja ❑ nein
|
nüchtern/Vorbereitung
|
❑ ja ❑ nein
|
Unterschrift
|
Unterschrift
|
Unterschrift
|
Kap. 4 Prozessqualität – Standards für endoskopische Prozeduren
4.1. Diagnostische Ösophagogastroduodenoskopie
Einleitung
Eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) sollte erfolgen, wenn eine empirische Therapie
bei Verdacht einer benignen Ursache der Beschwerdesymptomatik fehlgeschlagen ist,
als Alternative oder Ergänzung zur radiologischen Diagnostik bei Vorliegen pathologischer
Befunde oder wenn aus der Untersuchung eine therapeutische Konsequenz resultiert oder
primär eine therapeutische Prozedur in Erwägung gezogen wird. Die spezifischen Indikationen
resultieren aus den bestehenden Symptomen und Krankheitsbildern unter Verweis auf
die bestehenden DGVS-Leitlinien [324]
[325]
[326]
[327]
[328] und internationalen Empfehlungen [329]
[330]
[331].
4.1.1 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Eine diagnostische ÖGD kann mit Rachenanästhesie oder unter Sedierung erfolgen. Die
Durchführung in Sedierung soll immer angeboten werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei endoskopisch suspekten Befunden oder Kontrolluntersuchungen von prämalignen Befunden
soll eine ÖGD unter Sedierung empfohlen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Frage der Effektivität der diagnostischen ÖGD hinsichtlich der Detektion von pathologischen
Befunden unter Rachenanästhesie im Vergleich zu Sedierung liegen keine retrospektiv
oder prospektiv vergleichenden Daten vor. Ältere Arbeiten haben die Patientenakzeptanz
der Gastroskopie mit oder ohne Rachenanästhesie an 150 Patienten verglichen [332] ohne Nachweis eines signifikanten Unterschiedes. Der Vergleich zwischen einer hohen
oder niedrigen Dosierung für das lokale Anästhetikum [333] erbrachte einen leichten Vorteil für die höher dosierte Rachenanästhesie.
Da die diagnostische Gastroskopie unter Sedierung mit z. B. Propofol eine längere
Inspektion mit weniger Würgereiz und Propulsion ermöglicht, sollte bei suspekten Befunden
und Kontrolluntersuchung von prämalignen Befunden die Endoskopie unter Sedierung angeboten
werden. Dies gewährleistet auch eine ausreichend lange Untersuchungszeit. Eine Studie
zur Untersuchungszeit und Detektion von HG-IN oder EAC bei Barrett-Metaplasie zeigte
eine signifikante höhere Detektionsrate bei längerer Inspektionszeit [334].
4.1.2 Durchführung
4.1.2.1 Allgemeine Qualitätskriterien
Empfehlung
Jede diagnostische ÖGD soll komplett erfolgen, sofern keine Kontraindikationen vorliegen
(verbliebene Speisereste im Magen, nicht passierbare Stenose).
Starker Konsens
Kommentar
Eine komplette Ösophagogastroskopie beinhaltet die Beurteilung des Ösophagus ausgehend
vom oberen Ösophagussphinkter bis ins Duodenum Pars II und stellt ein Qualitätskriterium
dar [329].
Bei Vorliegen von Verunreinigungen oder schaumigem Speichel sollte die Mukosa freigespült
werden, um eine komplette Inspektion zu gewährleisten. Neben der alleinigen Beurteilung
der Mukosa sollte die Inspektion auch die Beweglichkeit der Magenwand während und
nach der Entfaltung der Magenfalten unter Luftinsufflation beinhalten. Kardia und
Magenfundus werden in Inversion beurteilt. Die Ösophagusschleimhaut wird im Rückzug
bis zum oberen Ösophagussphinkter gespiegelt. Die Z-Linie und ggf. das Ausmaß einer
axialen Hernie und ggf. Barrett-Metaplasie kann auch bereits beim Vorspiegeln beurteilt
und durchgemessen werden.
Klinische Daten zur diagnostischen Effektivität bzw. zur Frequenz übersehener Befunde
bei inkompletter Spiegelung liegen nicht vor.
Empfehlung
Neben der Dokumentation von pathologischen Befunden soll eine Bilddokumentation mindestens
folgender Landmarken erfolgen: Z-Linie, Antrum, Corpus, Kardia in Inversion, Duodenum
Pars II.
Starker Konsens
Kommentar
Die Bilddokumentation von Landmarken in der ÖGD dient in erster Linie als Qualitätsmerkmal.
Dadurch wird Vollständigkeit der Untersuchung belegt und eine Reproduzierbarkeit und
Vergleichbarkeit der Befunde im Verlauf ermöglicht. Zur klinischen Effizienz der Bilddokumentation
von Landmarken in der ÖGD liegen keine Daten vor. Dennoch empfiehlt die ESGE bereits
2001 eine strukturierte Bilddokumentation durchzuführen [335]. Im klinischen Alltag stellt dieses Verfahren eine allgemein akzeptierte angewandte
Praxis dar.
4.1.2.2 Gerätetechnik
Empfehlung
Die Art des verwendeten Gastroskops (Durchmesser des Endoskops, Größe des Arbeitskanals,
Möglichkeit zur integrierten optischen Kontrastverstärkung mit oder ohne Magnifikation)
soll in Abhängigkeit von der Indikation zur Gastroskopie bzw. den vorliegenden Vorbefunden
gewählt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Gastroskope sind in einem variablen Durchmesser des Gerätes (4,9 – 12,8 mm) und des
Arbeitskanals (2,0 – 3,8 mm) erhältlich. So sind Endoskope mit großlumigem Arbeitskanal
bei therapeutischen Eingriffen wie z. B. Blutungen oder Bolusentfernungen geeignet.
Ultradünne Gastroskope sind mit einem Gerätedurchmesser von 4,9 oder 6 mm (Arbeitskanal
1,5 – 2 mm) und einer Beweglichkeit der Endoskopspitze in 2 oder 4 Richtungen verfügbar.
Sie kommen zur Passage von Stenosen oder zur (transnasalen) Endoskopie bei unsedierten
Patienten zur Anwendung [336]. Bisher existieren keine vergleichenden Studien zu Gastroskopen verschiedener Hersteller.
Empfehlung
Zur Diagnostik und Verlaufskontrolle von prämalignen Läsionen in Ösophagus und Magen
und Duodenum soll die hochauflösende Videoendoskopie Standard sein.
Starker Konsens
Empfehlung
Chromoendoskopie (Indigokarmin, Essigsäure, Plattenephitel: Lugolfärbung) und virtuelle
Chromoendoskopie (NBI, FICE, i-Scan) können zur verbesserten Detektion von Dysplasien
oder Frühkarzinomen eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Video Endoskope der neueren Generation besitzen bzgl. der Bildauflösung „high definition“
(HD) Technik. HD Endoskope generieren Bilder von bis zu einer Million Pixel im Vergleich
zu bis zu 400 000 Pixel bei SD Geräten. Für eine komplette HD-TV-Auflösung werden
entsprechend HD-kompatible Monitore und Prozessoren benötigt [337].
Systeme zur integrierten optischen Kontrastverstärkung auf Knopfdruck (virtuelle Chromoendoskopie)
sind das Narrow Band Imaging (NBI, Olympus Medical Systems®), Multi Band Imaging (MBI, Fujinon®) und i-Scan (Pentax®). Diese nutzen die unterschiedliche Interaktion von Gewebestrukturen auf Licht unterschiedlicher
Wellenlänge. NBI verwendet Filter zur Gewebedarstellung bei den Wellenlängen von 415 nm
(blau) und 540 nm (grün), dies hebt insbesondere vaskuläre Strukturen hervor. MBI
erzielt eine Kontrastanhebung durch digitale Aufsplittung des Lichtes in die verschiedenen
Wellenlängen [338].
Die reale Chromoendoskopie verwendet die topische Applikation von Farbstoffen zur
Anhebung der mukosalen und vaskulären Oberflächenstruktur. Die absorptiven Farbstoffe
Methylenblau oder Krystallviolett werden aufgrund vermuteter toxischer bzw. mutagener
Eigenschaften nicht mehr verwendet. Gebräuchlich sind Indigokarmin oder Essigsäure
bzw. Lugollösung im Plattenepithel, diese werden nicht in die Zellen aufgenommen sondern
kontrastieren lediglich die Oberfläche.
Eine Kombination mit Magnifikationsendoskopen ist möglich. Diese verfügen über eine
Zoom Funktion durch eine bewegliche Linse in der Endoskopspitze. Dadurch wird eine
bis zu 150fache optische Vergrößerung des endoskopischen Bildes möglich [337].
Zur Frage der Verwendung von SD- oder HD-Gastroskopen sowie Kontrastanhebung und Magnifikation
liegen die meisten Studien für die Diagnostik von prämalignen Läsionen in Ösophagus
und Magen vor.
SCC
Inoue identifizierte unter Weißlichtendoskopie 4 charakteristische morphologische
Veränderungen der oberflächlichen Mikrogefäße (IPCL: Intrapapillary capillary loop)
bei mukosalem SCC: Dilatation, gewundene Gefäße, Kaliberunregelmäßigkeiten und Formvariationen
[339]. Als ein weiteres diagnostisches Kriterium wurde eine bräunliche Verfärbung des
Ephitels unter NBI als Merkmal für ein mukosales SCC definiert [340]. Zur Detektion von Plattenepithelneoplasien liegen verschiedene vergleichende Studien
zur Weißlichtendoskopie mit oder ohne Magnifikation versus NBI und/oder Lugolfärbung
vor ([Tab. 22]) [341]
[342]
[343]
[344]
[345]
[346]
[347]
[348]
[349]
[350]
[351]
[352]
[353]
[354]. Die Studien resultierten überwiegend in einer höheren Detektion der Neoplasien
durch NBI gegenüber der Weißlichtendoskopie. Die Lugolfärbung war der virtuellen Chromoendoskopie
gleichwertig. Auch hier könnte die höhere Auflösung der HD-Endoskope den Vorteil der
virtuellen Chromoendoskopie schmälern. Wurde zwischen HD- und SD-Endoskopie unterschieden
[353], war die Sensitivität für NBI äquivalent zu Lugolfärbung und HD-WLE (Sens. 100 vs.
75 %; ns), bei nicht HD-Endoskopie zeigte sich eine Gleichwertigkeit von NBI zur Lugolfärbung
aber eine deutliche Unterlegenheit der WLE (Sens. 88 vs. 100 %; ns, 25 vs. 88 %; p < 0,05).
Tab. 22
Studien zu SCC und Chromoendoskopie (Goda et al. Dig Endoscopy 2013) [341]
[342]
[343]
[344]
[345]
[346]
[347]
[348]
[349]
[350]
[351]
[352]
[353]
[354].[1]
Studie
|
Studien-design
|
n
|
NBI-Endoskop
|
Endpunkt
|
Vergleich
|
Läsion
|
Ergebnis
|
Yoshida 2004
|
retrospektiv
|
22
|
Magnifikation
|
Staging
|
Magnifikations-WLE
|
SCC/IN
|
signifikant höhere Farbkontraste für NBI im Vergleich zu WLE
bessere Bestimmbarkeit der histologischen Tumortiefe bei NBI basierend auf IPCL Veränderungen
|
Goda 2009
|
prospektiv
|
101
|
Magnifikation
|
Staging
|
WLE, EUS
|
SCC
|
submukosales SCC
Sensitivität: WLE 72 %, Magnifikations-NBI 78 %, EUS 83 %
Spezifität: WLI 92 %, Magnifikations NBI 95 %, EUS 89 %
|
Kuraoka 2009
|
prospektiv
|
5
|
keine Magnifikation
|
Detektion
|
LF
|
SCC
|
Sensitivität: NBI und LF beide 100 %
PPV: NBI ohne Magnifikation vs. LF: 9,8 vs. 4,4 %
|
Takenaka 2009
|
prospektiv
|
16
|
Magnifikation
|
Detektion
|
LF
|
SCC/HGIN
|
Sensitivität: NBI 90,9 %; LF 100 % (ns)
Spezifität NBI 95,4 % LF 84,7 % (p sign)
diagn. Genauigkeit NBI 95,1 %, LF 85,9 % (p sign)
|
Lee 2009
|
prospektiv
|
18
|
keine Magnifikation, ultradünn
|
Detektion
|
WLE, LF
|
SCC/HGIN
|
Sensitivität: WLE + NBI bzw. + LF (beide bei 88,9 %) vs. WLE allein (55,6 %) (ns.)
|
Huang 2009
|
prospektiv
|
138
|
Magnifikation
|
Detektion
|
Magnifikation WLE, Lf
|
SCC/IN
|
Magnifikations NBI überlegen vgl. Magnifikations-WLE: Darstellung Pit-pattern und
Blutkapillaren überlegen
NBI vs. LF: Detektion (p = n. s.)
|
Ishihara 2010
|
retrospektiv
|
26
|
Magnifikation
|
Detektion
|
kein
|
SCC/HGIN
|
bräunliche Epithelien im NBI mukosalem SCC oder HGIN zuzuordnen
Intra- bzw. Inter Observer Übereinstimmung mäßig
|
Muto 2010
|
RCT
|
212
|
Magnifikation
|
Detektion
|
WLE
|
SCC/HGIN
|
Detektion Neoplasie/HG-IN: NBI vs. WLE:
Sensitivität (97,2 vs. 55,2 %)
diagn. Genauigkeit (88,9 vs. 56,5 %)
NPV (72,8 vs. 20,3 %)
|
Lee 2010
|
prospektiv
|
35
|
Magnifikation
|
Detektion
|
WLE, keine Magnifikation/Magnifikation NBI
|
SCC/IN
|
NBI vs. WLE: Sensitivität (100 vs. 62,9 %), diagn.Genauigkeit. (86,7 vs. 64,4 %)
NBI + Magnifikation vs. NBI: diagn. Genauigkeit (95,6 vs. 86,7 % ns)
|
Ishihara 2010
|
prospektiv
|
42
|
Magnifikation
|
Detektion
|
erfahrenere vs. weniger erfahrene Endoskopeure
|
SCC/HGIN
|
NBI bei erfahreneren Endoskopeuren vs. weniger erfahrenen Endoskopeuren
Sensitivität: läsionbasiert (100 vs. 53 %)
patientenbasiert (100 vs. 69 %).
|
Lecleire 2011
|
prospektiv
|
5
|
keine Magnifikation
|
Detektion
|
WLE, LF
|
SCC/HGIN
|
Detektionsrate: NBI, Lugolfärbung je100 % vs. WLE 80 %
|
Ide 2011
|
prospektiv
|
9
|
keine Magnifikation
|
Detektion
|
WLE, LF
|
SCC
|
Sensitivität: Läsionen < 10 mm WLE 0 %, NBI 100 %, LF 100 %. Läsionen > 10 mm WLE
85,7 %, NBI 100 %, LF 100 %
|
Yokoyama 2012
|
prospektiv
|
12
|
keine Magnifikation
|
Detektion
|
WLE, LF
|
SCC/IN
|
Sensitivität: gesamt: NBI ohne Magnifikation vs. WLE (92 vs. 42 %; p < 0,05), NBI vs. LF: (92 vs.
100 %; ns)
Nur HD-Technik: NBI equivalent zu LF und WLE (100 vs. 75 %; ns).
|
Kawai 2012
|
prospektiv
|
3
|
keine Magnifikation, ultradünn
|
Detektion
|
WLE, LF
|
SCC/HGIN
|
Detektionsraten: WLE 66,7 %, NBI 100 %, Lugolfärbung 100 %
|
1 WLE: weißlicht Endoskopie, LF: Lugolfärbung, NBI: Narrow band imaging, HD: High Definition,
SCC Squamos cell cancer, IPCL: Intrapapillary capillary loop.
Barrett-Metaplasie
Die Daten zur Chromoendoskopie (real und virtuell) in Bezug auf die Detektion von
Barrett-Metaplasien sind uneinheitlich. Arbeiten für die Verwendung von SD-Magnifikation
in Kombination mit NBI oder Färbung mit Essigsäure konnten eine erhöhte Detektionsrate
für Barrett-Metaplasien nachweisen [355]
[356]
[357]
[358], wobei ein einheitliches Klassifikationssystem für die die mukosale Oberflächenstruktur
fehlt.
Eine Metaanalyse zur Chromoendoskopie mit Methylenblau schloss 9 Studien mit 450 Patienten
ein [359]. Hier resultierte kein signifikanter Vorteil für Methylenblau gegenüber der 4 Quadrantenbiopsie
in der Detektion von Barrett-Metaplasie (4 %, 95 % CI –7 – 16 %), Dysplasie (9 %,
95 % CI –1 – 20 %) und HG-IN oder Frühkarzinom (5 %; 95 % CI –1 – 10 %).
Eine Metaanalyse zu NBI aus dem Jahr 2010 [360] schloss 8 Studien mit 446 Patienten ein und zeigte einen signifikanten Vorteil für
die Detektion von HG-IN mittels NBI im Vergleich zur SD Weißlichtendoskopie (Sensitivität
0,96 [95 % CI 0,93 – 0,99], Spezifität 0,94 [95 % CI 0,84 – 1,0], area under the curve
(AUC) 0,99 [SE 0,01]).
Bei Verwendung von HD-Technik mit oder ohne Magnifikation wird der Effekt unschärfer.
Eine prospektive Studie verglich die HD-WL-Endoskopie mit der Magnifikationsendoskopie
unter Indigocarmin-, Essigsäurefärbung sowie NBI. Die Bilder der Barrett-Areale wurden
extern durch erfahrene Endoskopiker (Experten und nicht Experten) beurteilt. Die additiven
Verfahren führten nicht zu einer erhöhten Detektionsrate und besseren Unterscheidung
für dysplastische bzw. neoplastische Areale (Diagnostische Genauigkeit: 81 % für HR-WLE,
72 % für NBI and 83 % für HR-WLE + NBI) und die Interoberserverübereinstimmung war
auch unter Experten mäßiggradig [361]. Ähnliche Ergebnisse resultierten aus zwei weiteren Multicenterstudien zur Beurteilung
der Barrett-Mukosa mit HD-WL-Endoskopie im Vergleich zu NBI [362]
[363]. Die multizentrische randomisierte Cross-over-Studie führte eine Dreifachbeurteilung
von Barrett-Mukosa mit histologisch nachgewiesener LG-IN durch. Die Beurteilung mit
HD-Endoskopie wurde gefolgt von Autofluorescence imaging (AFI) und Inspektion von
fokalen Läsionen mit NBI [363]. Hier ergab sich kein signifikanter Unterschied in der gesamten Neoplasiedetektion
zwischen den Gruppen, sondern nur für die Subgruppe der gezielten Biopsieentnahme,
wobei Lg-IN, HG-IN und Barrett-Karzinom zusammengefasst wurden (N 17 vs. n = 6, p = 0,023).
Eine weitere randomisierte Cross-over-Studie zum Vergleich von HD-Weißlicht-Endoskopie
und NBI zeigte in der läsionsbasierten Analyse ebenfalls eine verbesserte Detektionsrate
für die Gesamtgruppe der Neoplasien (Lg-/HG-IN und Ca) (30 vs. 21 %, p = 0,01). Für
die Detektion von ausschließlich fortgeschrittenen Neoplasien (HG-IN + Karzinom) ließ
sich kein signifikanter Vorteil nachweisen [364].
Ein aktueller systematischer Review schloss 13 Publikationen ab 2000 ein – darunter
6 neuere Arbeiten zwischen 2008 und 2013. Damit entsteht ein vermischter Vergleich
von Studien mit SD- und HD-Weißlichttechnologie. Hier resultierte die Anwendung von
Imaging-Technologien im Vergleich zur Weißlichtendoskopie in einer höheren Neoplasie
Detektionsrate (Dysplasie/Karzinom 34 % (95 % CI 20 – 56 %; p < 0,0001). Die Anwendung
der Chromoendoskopie (virtuell und nicht virtuell) führte in der Subgruppenanalyse
ebenfalls zu einem verbesserten diagnostischen Output [365].
Die Datenlage befürwortet die Addition von Chromoendoskopieverfahren in der Diagnostik
der Barrett-Mukosa auch wenn ein klarer Vorteil für die Detektion fortgeschrittener
Dysplasien im Vergleich zur HD-Technologie derzeit nicht belegt ist.
Magen
Für die Differenzierung und Diagnostik präneoplastischer Konditionen und Läsionen
im Magen (HP-Gastritis, atrophische Gastritis, intestinale Metaplasie) hat die aktuelle
ESGE Leitlinie die Weißlichtendoskopie als nicht ausreichend genau eingestuft [366] und eine Verbesserung der Diagnostik durch Verwendung von realer oder virtueller
Chromoendoskopie postuliert. Dies basiert auf Studien, die eine erhöhte Detektion
und Reproduzierbarkeit präneoplastischer Läsionen im Magen durch Chromoendoskopie
mit Magnifikation gezeigt haben [366]
[367]. Auch für die virtuelle CE wurde eine erhöhte diagnostische Genauigkeit in Kombination
mit Magnifikation nachgewiesen [368]
[369]. Eine aktuelle Arbeit klassifizierte 122 gastrische Läsionen: Die diagnostische
Genauigkeit, Sensitivität, Spezifität für die Diagnose Magenfrühkarzinom und Präkanzerose
lag bei 68,9, 95,1, 63,1 % für die WL-Endoskopie, 93,6, 92,7, 94,5 % für Magnifikations-NBI
und 91,3, 88,6, 93,2 % für Magnifikations-CE [370].
Weitere neuere Arbeiten belegten die Gleichwertigkeit von Magnifikations-CE und Magnifikations-NBI
[371]
[372] und eine bisher nur als Abstrakt publizierte Arbeit die Überlegenheit von Magnifikation-NBI
gegenüber alleiniger Chromoendoskopie ohne Magnifikation bei der Detektion von gastrischen
Läsionen unter 5 mm [373]. Auch ohne Magnifikation scheint die optische Kontrastanhebung mit virtueller Chromoendoskopie
vorteilhaft, jedoch fehlt auch für die Läsionen im Magen ein einheitliches Klassifikationssystem
der mukosalen Strukturen [374]
[375]. Es wird daher die Verwendung der besten verfügbaren endoskopischen Diagnostik für
den individuellen Patienten mit Präkanzerosen des Magens und die Entnahme von Sampling
Biopsien in der endoskopischen Überwachung gefordert [331].
4.1.2.3 Biopsie
Empfehlung
Die Biopsie von entzündlichen, präkanzerösen und malignomsuspekten Läsionen soll basierend
auf den aktuellen Empfehlungen der Fachgesellschaft/DGVS-Leitlinien erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Endoskopisch auffällige Läsionen beinhalten Schleimhautveränderungen durch Entzündungen,
Ulzera, Tumore und Infektionen. Die Diagnostik und Überwachung von Präkanzerosen bezieht
sich auf die Barrett-Metaplasie aber auch die atrophische Gastritis mit oder ohne
intestinale Metaplasie [331]
[376]. Hier richten sich die Empfehlungen zur Indikation und Durchführung der endoskopischen
Biopsie nach den aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaft [324]
[325]
[326]
[327]
[328] ([Tab. 23] gibt die aktuelle leitliniengerechte Empfehlung zur Biopsie im GI-Trakt verkürzt
wieder [331]
[376]).
Tab. 23
Biopsieempfehlungen nach aktuellen Leitlinien [331]
[376].
Refluxbeschwerden
|
Biopsie aus exophytischen Läsionen, Ulzera, Stenosen + je 2 PE aus Antrum/Corpus
|
v. a. Barrett-Mukosa
|
Quandrantenbiopsie im Abstand von 1 – 2 cm + je 2 PE aus Antrum/Corpus
|
histologisch gesichterte Barrett-Mukosa
|
Biopsie aus allen endoskopisch suspekten Arealen + Quandrantenbiopsie im Abstand von 1 – 2 cm
|
v. a. Ösophaguskarzinom
|
mehrere Biopsien aus dem suspekten Areal
|
v. a. eosinophile Ösophagitis
|
mindestens 5 Stufenbiopsien aus dem Ösophagus in getrennten Gefäßen
|
HP-Diagnostik und Gastritistypisierung
|
je 2 Biopsien aus Antrum/Corpus (klein und großkurvaturseitig) + je 1 Biopsie aus Antrum/Corpus für den Urease-Schnelltest
HP-Diagnostik ≥ 2 Wo nach PPI-Ende und ≥ 4 Wochen nach HP-Eradikation
|
Versagen der HP-Eradikation
|
erneute Biopsie für mikrobiologische Kultur und Empfindlichkeitstestung
|
Ulkus ventrikuli
|
mehrere Biopsien aus Ulkusrand und Ulkusgrund + je 2 PE aus Antrum/Corpus
|
Malt-Lymphom
|
Mindestens 10 Biopsien aus sichtbarer Läsion + Quadrantenbiopsien mit je 4 PE aus Antrum/Corpus und je 2 PE aus Fundus + je eine PE aus Antrum/Corpus für den Urease-Schnelltest
|
Vitamin B 12-Mangel
|
je 2 Biopsien aus Antrum, Corpus und Fundus in getrennten Gefäßen
|
Z. n. Magenteilresektion
|
Biopsien aus der Anastomose und dem Magencorpus
|
lymphozytäre Gastritis
|
+ Biopsien aus dem Duodenum (Ausschluss Sprue)
|
Eisenmangelanämie unklarer Genese
|
2 Biopsien aus dem tiefen Duodenum + Biopsieschema zur HP-Diagnostik
|
v. a. Lambliasis, Morbus Whipple
|
je 2 Biopsien aus Duodenum, Antrum und Corpus
|
v. a. Sprue
|
4 Biopsien aus dem Duodenum + je 2 Biopsien aus Antrum und Corpus
|
v. a. refraktäre Sprue
|
Biopsien aus dem Duodenum + Ileum und Kolon (DD lymphozytäre Kolitis)
|
Empfehlung
Zur Entnahme von Mukosabiopsien können Kaltbiopsiezangen mit oder ohne Dorn eingesetzt
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Kaltbiopsiezangen sind in verschiedenen Formen der Zangenbranchen mit oder ohne Dorn
erhältlich [377]. Der Dorn dient der Fixierung der Zange in der Mukosa und der Fixierung des Biopsats
mit der Möglichkeit zur Mehrfachbiopsie in einem Arbeitsgang [378]. Die Biopsie selbst erfolgt meist durch eine zum Endoskop gerichtete Ziehbewegung.
Alternativ kann ein größeres Biopsat durch eine vom Endoskop wegführende Abscherbewegung
erzielt werden. Jumbo-Biopsiezangen erfassen eine 2 – 3fach größere Mukosaoberfläche
als die Standardbiopsiezange, benötigen aber ein therapeutisches Endoskop mit einem
3,6 mm Arbeitskanal. Eine prospektiv-randomisierte verblindete Studie ergab keinen
Unterschied in der histologischen Qualität der entnommenen Proben zwischen 12 verschiedenen
erhältlichen Biopsiezangen [379], Dornzangen erzielten im Vergleich zu Zangen ohne Dorn etwas tiefere Biopsien [378]. Sogenannte „Multi-bite“-Biopsiezangen ermöglichen die Entnahme von bis zu 4 Biopsien
je Arbeitsgang ohne signifikanten Unterschied in der Probenqualität im prospektiven
Vergleich zur Standardbiopsiezange [380]. Für die Verwendung von Jumbobiopsiezangen in der Polypektomie kleiner Polypen unter
6 mm ergab der Vergleich der histologisch kompletten Abtragung nur einen statistisch
nicht signifikanten Trend für die Jumbobiopsiezange gegenüber der konventionellen
Biopsiezange [381]. Basierend auf der aktuellen Datenlage kann derzeit keine Empfehlung für die Verwendung
einer bestimmten Biopsiezange ausgesprochen werden.
Empfehlung
Die Knopflochbiopsietechnik kann zur Gewinnung von Proben aus submukösen Läsionen
eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Nach Entfernung der Mukosa mittels Zangenbiopsie, Schlingenabtragung oder Einschnitt
mit dem Nadelmesser erfolgt eine Biopsie aus tieferen Wandschichten. Die Gewinnung
von histologisch adäquatem Biopsiematerial reicht je nach Studie von 38 – 93 % [382]
[383]
[384]. Für die schlingenbasierte Mukosaresektion wurden therapiepflichtige Nachblutungen
um 50 % beschrieben [385]. Das Vorgehen und die Komplikationsrate entsprechen einer endoskopischen Polypektomie
bzw. EMR. (siehe auch Kapitel 4.5: Kolospopie und Kapitel 4.6: Endoskopische Resektion).
4.1.3 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Bei Rachenanästhesie soll eine Nahrungskarenz bis zum vollständigen Abklingen der
örtlichen Betäubung eingehalten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die diagnostische Ösophagogastroskopie mit Zangenbiopsie ist eine sichere Untersuchung
[386]
[387]. Eine längere Überwachung nach der Aufwachphase erscheint für den diagnostischen
Eingriff ohne Risikofaktoren nicht erforderlich. Die Überwachung nach therapeutischen
Eingriffen richtet sich nach dem Risikoprofil des jeweiligen Eingriffs.
4.1.4 Komplikationen
Die elektive diagnostische ÖGD ist eine sehr sichere Untersuchung [386]
[387]. Prozedurabhängige Letalität von etwa 0,01 %
Das Komplikationsrisiko steigt in Abhängigkeit von der Durchführung bestimmter therapeutischer
Prozeduren oder bei Vorliegen von Risikokonstellationen wie der akuten oberen GI-Blutung.
4.1.5 Spezifische Qualitätsindikatoren Diagnostische ÖGD ([Tab. 24])
Tab. 24
Vorschlag für Qualitätsindikatoren ÖGD.
Qualitätsindikatoren
|
intraprozedural
|
Frequenz der Durchführung einer kompletten Ösophagogastroduodenoskopie
|
Frequenz der Diagnostik und Verlaufskontrolle von prämalignen Läsionen in Ösophagus,
Magen und Duodenum mit hochauflösender Videoendoskopie
|
Frequenz der Leitliniengerechten Biopsieentnahme aus entzündlichen, pathologischen
oder prämalignen Läsionen
|
Kommentar
Allgemeine Qualitätsindikatoren zu endoskopischen Untersuchungen siehe Kap.7. Spezifische
intraprozedurale Qualitätsindikatoren für die ÖGD sind die Frequenz der Durchführung
einer kompletten Untersuchung sowie die adäquate leitliniengerechte Beschreibung bzw.
Klassifikation pathologischer Befunde wie z. B. die Ausdehnung einer Barrett-Metaplasie
nach der Prag-Klassifikation [324].
Die Frequenz der leitliniengereichten Biopsieentnahme bei Vorliegen entzündlichen
oder prämaligner Läsionen stellt einen weiteren messbaren Qualitätsindikator dar [324]
[325]
[326]
[328]
[329]
[376].
4.2 Anlage von Sonden zur enteralen Ernährung
Einleitung
Eine ausreichende Ernährung (und Flüssigkeitszufuhr) ist für viele Behandlungsprozesse
wesentlich [388]. Eine enterale Zufuhr ist physiologisch, verhindert eine intestinale Zottenatrophie
und beeinflusst positiv Barrierefunktion und Infektabwehr [389]. Voraussetzung einer enteralen Ernährung ist, dass ausreichend funktionsfähiger
Darm zur Verfügung steht und die intestinale Passage gewährleistet ist [390]. Ist die eigenständige und ausreichende Aufnahme von Flüssigkeit oder Nahrung über mehrere Tage nicht ausreichend möglich, sollte eine Zufuhr über transnasale Ernährungssonden (TNS)
erfolgen. Ist dies über mehr als 2 – 3 Wochen nicht zu erwarten, sollte eine perkutane Sondenanlage durchgeführt werden [390]. Diese grundsätzlichen Indikationen zur enteralen Ernährung werden in Abhängigkeit
von Erkrankung und Behandlungssituation spezifiziert (neurologische Erkrankungen,
Tumorerkrankungen, wasting syndrome bei HIV u. a.) [391]
[392]
[393]
[394]
[395]
[396]. Die Indikationsstellung zur enteralen Ernährung wird bei einem Patienten auf der
Intensivstation mit einer akuten, oft passageren Erkrankung anders zu betrachten sein,
als bei einem Patienten, der aufgrund einer fortgeschrittenen Demenz keine orale Nahrung
mehr aufnimmt [397]. Bei solchen chronischen Erkrankungen im fortgeschrittenen Stadium müssen daher
auch immer ethische Aspekte bei der Prüfung der Indikation/Sinnhaftigkeit einer Ernährungssonde
berücksichtigt werden [398]
[399].
Das Risiko von (Aspirations-)Pneumonien unterscheidet sich zwischen TNS und perkutaner Gastrostomie nach einer aktuellen
Cochrane-Analyse nicht signifikant, sodass sich hieraus keine Empfehlung für oder
gegen eines der beiden Verfahren ableiten lässt [400]. Auch sind die Unterschiede zwischen perkutaner Gastrostomie und Jejunostomie nicht
signifikant [401]. Bei isolierter Magenentleerungsstörung sollte eine jejunale Sondenapplikation erfolgen
[402].
Die Auswahl zwischen den verschiedenen etablierten Verfahren zur perkutanen Sondenanlage (perkutane endoskopische Gastrostomie: PEG; perkutane
endoskopische Gastrostomie mit jejunaler Verlängerung: Jet-PEG; perkutane endoskopische
Jejunostomie: PEJ) wird in der Regel davon bestimmt, mit welchem Verfahren vor Ort
die meiste Erfahrung besteht. Eine PEG kann in Pull-Technik oder in Push-Technik (jeweils
mithilfe eines peroral ausgeleiteten Führungsfadens) oder als Direktpunktionsverfahren
erfolgen. Die perkutane, endoskopische Gastrostomie (PEG) im Fadendurchzugsverfahren
in Pull-Technik ist das häufigste angewandte Verfahren [403]. Im Direktpunktionsverfahren kann eine PEG auch angelegt werden, wenn eine Passage
des Pharynx/Ösophagus mit der PEG-Sonde nicht möglich ist oder eine Tumorzellverschleppung
sicher vermieden werden soll (siehe auch Kap. Nr. 4.2.2.3 Durchführung einer PEG).
Kontraindikationen zur enteralen Ernährung reflektieren auf die Grundvoraussetzung einer erhaltenen enteralen Funktion und Passage
des Gastrointestinaltraktes. Eine enterale Ernährung soll daher nicht erfolgen bei
Ileus, fortgeschrittener chronischer, intestinaler Pseudoobstruktion (CIPO) und rezidivierendem,
nicht stillbarem Erbrechen. Eine akute Pankreatitis stellt keine generelle Kontraindikation
dar [393]
[404]. Nach chirurgischen Eingriffen am Abdomen kann frühzeitig enteral ernährt werden
[405].
Nasogastrische Sonden können zur passageren, gastralen Dekompression bei Magenentleerungsstörung, Ileus etc. eingesetzt werden. Perkutane gastrische Sonden
können zur gastralen Dekompression in der Palliativtherapie bei chronischem Ileus/Peritonealkarzinose
indiziert sein [402].
4.2.1 Transnasale Sonden
4.2.1.1 Kontraindikationen zur Ernährung über eine transnasale Sonde
Kommentar
Verletzungen und Malformationen des Gesichtsschädels erhöhen je nach Ausprägung die
Perforationsgefahr bei der Nasenpassage (siehe Kap. Nr. 4.2.1.5 Komplikationen).
4.2.1.2 Vorbereitung
Empfehlung
Nasoenterische Sonden sollten nach Herstellerangabe vorbereitet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Komplikationen sind bei nasogastrischen und nasoenterischen Sonden nicht selten (s. u.).
Aufklärung und Einverständniserklärung sollten sich daher nicht nur auf eine eventuelle
Endoskopie zur Platzierung sondern auch auf die Risiken der Sondenplatzierung und
ihrer Nutzung beziehen (z. B. Aspirationspneumonie). Da viele Patienten, die einer
enteralen Ernährung über eine Sonde bedürfen, nicht eigenständig entscheiden können,
muss rechtzeitig an die Information und Zustimmung gesetzlicher Betreuer gedacht werden
[390]. Auch bei nicht endoskopischer Platzierung gilt das Nüchternheitsgebot wie bei einer
Gastroskopie (Ausnahme: Sondeneinlage zur gastralen Dekompression). Je nach Vorgehensweise
und Sondensystem kann eine Vorbereitung der Sonde mit Gleitölinstillation notwendig
sein, um später einen Führungsdraht ohne Sondendislokation entfernen zu können.
4.2.1.3 Durchführung
Empfehlung
Eine nasogastrische Sonde kann in der Regel ohne endoskopische Kontrolle platziert werden. Das Verletzungsrisiko
soll durch geeignetes Vorgehen und Vorschub ohne Widerstand gering gehalten werden.
Die korrekte Lage soll vor Beginn einer enteralen Ernährung überprüft werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Passage bis in den Magen erfolgt durch die Nase, durch den unteren Nasengang und
durch den Rachen bei vorgebeugtem Kopf. Der Vorschub sollte immer ohne Widerstand
möglich sein und erfordert Erfahrung. Bei gastraler Sondenlage ist die Spitze typischerweise
50 – 60 cm von der vorderen Nasenöffnung vorgeschoben. Es gibt keine Evidenz, dass
die Aspirierbarkeit von Sekret oder die Auskultation insufflierter Luft durch die
Sonde ausreichend Sicherheit vor einer Fehllage in Atemwegen oder Ösophagus bietet
[405]. Ein pH-Wert des Aspirates unter 5,5 gilt als verlässlicher Indikator einer gastralen
Sondenlage [405]
[406]. Häufig ist dieser Parameter aufgrund unzureichender Säureproduktion (Medikamente,
Atrophie, postoperative Anatomie) aber nicht verwertbar. Trotz verschiedener neuerer
technischer Ansätze (z. B. sonografische Kontrolle, Capnometrie etc.) bleibt die radiologische
Dokumentation der Sondenlage Goldstandard [407]
[408].
Empfehlung
Transnasale Dünndarmernährungssonden können endoskopisch, radiologisch kontrolliert,
aber auch ohne Hilfsmittel platziert werden. Bei Unsicherheit über die korrekte Position
soll vor Einleitung einer enteralen Ernährung eine radiologische Lagekontrolle erfolgen.
Bei nicht endoskopischer Platzierung soll immer eine radiologische Lagekontrolle erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Beispielhafte Vorgehensweisen zur Platzierung von Dünndarmernährungssonden sind:
Endoskopische Platzierung eines Führungsdrahtes möglichst weit postpylorisch und nasale
Umleitung. Der Führungsdraht kann alternativ auch primär mithilfe eines transnasalen
Gastroskops platziert werden. Anschließend wird die Ernährungssonde in Seldingertechnik
eingeführt und der Draht entfernt [409].
Eine Ernährungssonde wird transnasal bis in den Magen platziert. Die Spitze der Sonde
wird, nach Intubation des Magens mit einem Gastroskop, mit einer Schlinge oder Fasszange
gefasst und unter endoskopischer Kontrolle bis möglichst weit in das postbulbäre Duodenum
vorgeschoben. Nach vorsichtiger Extraktion des Endoskops wird der Führungsdraht der
Ernährungssonde nach Herstellerangaben entfernt. Die Spitze der Ernährungssonde kann
im Dünndarm mit einem endoskopischen Clip fixiert werden [409].
Die Sondenspitze sollte bei korrekter Lage im Dünndarm typischerweise 100 – 110 cm
von der vorderen Nasenöffnung vorgeschoben sein. Transnasale Sonden werden hautfreundlich
an der Nase und hinter dem Ohr fixiert.
Der technische Erfolg einer transnasalen Sondenplatzierung zur enteralen Ernährung
wird mit 86 – 97 % angegeben [409]. Bezogen auf die Intention einer ununterbrochenen enteralen Ernährung sind die Ergebnisse
mit Ausfallraten von 40 % durch Bruch, Verstopfung oder akzidenteller Entfernung deutlich
schlechter [400].
4.2.1.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Sonden zur enteralen Ernährung sollen vor und nach jedem Gebrauch gespült werden.
Starker Konsens
Kommentar
Sonden, die vor und am Ende einer Nährstoffapplikation, aber auch bei Aspiration von
Sekret, regelmäßig mit mindestens 30 ml Wasser gespült werden, okkludieren signifikant
seltener. Vor und nach Medikamenten und generell bei immunkompromittierten Patienten
sollte steriles Wasser verwendet werden [405].
4.2.1.5 Komplikationen
Mögliche Komplikationen der transnasalen Sondenplatzierung können sein
-
Laryngospasmus
-
Schmerzen/Druckgefühl in Nase und Rache
-
Sinusitis
-
Epistaxis
-
Fehllage in der Trachea/Kranium
-
Perforation (Hypopharynx + Ösophagus)
-
Aspiration/Aspirationspneumonie
-
Refluxösophagitis
-
Druckulzerationen der Schleimhaut
Ein ausgeprägter Laryngospasmus ist eine seltene, aber potenziell bedrohliche Komplikation
beim Einführen einer Ernährungssonde (0,5 %). Die mechanische Irritation (mit/ohne
Entzündung der Nasennebenhöhlen) durch eine Ernährungssonde ist ein häufiges Problem,
das auch durch dünne Sonden aus Silikon bzw. Sonden ohne löslichen Weichmacher nicht
vollständig vermieden werden kann. Nasenblutung tritt häufig bei der Anlage, seltener
auch im Verlauf auf. Fehleinführung in das Kranium ist selten. Das Risiko dieser Komplikation
ist bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma erhöht. Eine Fehlintubation der Trachea
wird meist durch anhaltendes Husten des Patienten früh bemerkt (erhöhte Vorsicht gilt
auch bei intubierten Patienten ohne Schutzreflexe). Perforationen mit Pneumothorax,
Pneumomediastinum und Mediastinitis mit fatalem Ausgang sind beschrieben. Bei (Tumor-)Stenose
proximal des Magens erfordert die Sondenplatzierung ein besonders vorsichtiges Vorgehen,
ggf. unter endoskopischer Kontrolle. Das Risiko einer (Aspirations-)Pneumonie im Verlauf
einer Ernährung über eine transnasale Sonde wird mit bis ca. 39 % angegeben. Refluxösophagitis
und Druckulzera korrelieren mit der Dauer der Applikation und der Verwendung von Sonden
mit löslichem Weichmacher [400]
[408]
[409]
[410].
4.2.2 Perkutane endoskopische Sonden
4.2.2.1 Spezielle Kontraindikationen
Empfehlung
Spezielle Kontraindikationen für eine perkutane, endoskopische Sondenanlage zur Ernährung
sind:
Starker Konsens
Kommentar
Ein Ileus ist eine Kontraindikation zur enteralen Ernährung. In der Einleitung zu
diesem Kapitel wurde aber bereits darauf verwiesen, dass in palliativer Situation
eine PEG zur Entlastung bei Ileus sinnvoll sein kann. Ein dauerhafter Kontakt zwischen
gastraler bzw. jejunaler Wand und Bauchdecke ist zur Ausbildung eines stabilen Stomakanals
essenziell. Eine Interposition von Leber oder Kolon kann die PEG-Anlage unmöglich
machen. Endoskopische Verfahren setzen voraus, dass der luminale Ort der Punktion
endoskopisch erreicht werden kann [390]. Fehlende Diaphanie ist dann keine Kontraindikation, wenn der Aspirationstest negativ
ausfällt (s. u.). Aszites ist keine grundsätzliche Kontraindikation zur Anlage einer
transkutanen Ernährungssonde, sofern durch geeignete Maßnahmen ein dauerhafter Kontakt
zwischen intestinaler Wand und Bauchdecke gewährleistet werden kann (wiederholte Aszitespunktion,
Gastropexie) [403]. Ulzera und Entzündungen (luminal und peritoneal) im Bereich des zu erwartenden
Punktionskanales sollten zunächst therapiert werden [411]. Bei ausschließlicher Magenentleerungsstörung kann eine Ernährungssonde primär jejunal
(PEJ) oder als PEG mit jejunaler Verlängerung platziert werden (JetPEG). Zum Blutungsrisiko
der PEG Anlage und dem Einfluss von gerinnungshemmender Medikation siehe Kap. 3.2.
4.2.2.2 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Bei malignen Tumoren des Hypopharynx oder des Ösophagus mit kurativem Behandlungsansatz
soll die Anlage einer PEG im Direktpunktionsverfahren erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Tumorabsiedlungen in der Bauchdecke sind für die Push-/Pull-Verfahren beschrieben,
insbesondere für wenig differenzierte Plattenepithelkarzinome des Hypopharynx [412]. Zytologisch sind Tumorzellen im PEG-Kanal auch mit zeitlichem Abstand zur Anlage
im Durchzugsverfahren in bis 10 % nachweisbar [413]. Klinisch manifeste Metastasen sind mit unter einem Prozent deutlich seltener publiziert,
sodass die o. g. Empfehlung sich ausdrücklich nur auf kurative Behandlungsansätze
bezieht [390]
[414].
Empfehlung
Die perkutane Punktion bei der PEG-Anlage soll unter sterilen Bedingungen erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die PEG-Anlage stellt einen Eingriff in einem sterilen Bereich (Abdomen) dar. Daraus
ergeben sich Händedesinfektion, Mundschutz, Haube, sterile Kittel und Handschuhe für
den Untersucher, der für den nicht endoskopischen Part ausführt (Punktion und Durchzug).
Das Instrumentarium soll auf einem sterilen Tisch vorbereitet werden. Die Punktionsstelle
wird großflächig desinfiziert und die Umgebung steril abgedeckt. Die nicht sterile
Pflegeassistenz übernimmt die Assistenz des endoskopierenden Arztes und fungiert ggf.
als Springer für den Punkteur.
4.2.2.3 Durchführung
Empfehlung
Zur Anlage einer perkutanen Ernährungssonde soll nach endoskopischer Intubation des
Magens/proximalen Jejunums die kutane Punktionsstelle am Ort der besten Diaphanie
gewählt werden. Bei fehlender Diaphanie kann die PEG-Anlage durchgeführt werden, wenn
der Aspirationstest negativ ausfällt. Bei der Anlage einer PEJ soll immer eine Probepunktion
mit (negativem) Aspirationstest erfolgen. Das weitere Vorgehen bei der Anlage soll
Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen und Gewebeschädigung beachten.
Starker Konsens
Kommentar
Um das Risiko interponierter Organe zu minimieren, soll die Punktionsstelle am Punkt
der besten Diaphanie durch die Bauchdecke gewählt werden (am Magen typischerweise
am Übergang zwischen mittlerem zum distalen Korpusdrittel). Weitere Sicherheit kann
durch Einfingerpalpation von außen an der Stelle der besten Diaphanie erzielt werden.
Bei fehlender Diaphanie wird eine Nadel unter Aspiration an der zu erwartenden Punktionsstelle
unter dauerhaftem Sog eingeführt. Kann erstmalig mit Erscheinen der Nadel im Sichtfeld
des Endoskops Sekret bzw. Gas aspiriert werden, ist eine Interposition von Darmteilen
ausreichend unwahrscheinlich (negativer Aspirationstest). Die PEG-Anlage kann dann
fortgesetzt werden [403]
[415]. Nach chirurgischer Hautdesinfektion, steriler Abdeckung und Lokalanästhesie erfolgt
eine ausreichende Inzision der Haut, die eine spannungsfreie Lage der Ernährungssonde
im Hautdurchtritt gewährleistet, wodurch Drucknekrosen mit erhöhtem Infektionsrisiko
vorgebeugt wird.
Platzierung einer PEG in Pull- oder Push-Technik: Nach Punktion des Magens von außen
wird ein Faden durch die Punktionsnadel in den Magen eingebracht und peroral ausgeleitet.
Beim Pull-Verfahren wird die nach Herstellerangabe am Faden fixierte PEG durch Zug
am Faden bis an das luminale Ende der Einführhülse und erst dann zusammen mit dieser
durch die Bauchdecke gezogen/an der Bauchdecke platziert. Durch Fixieren der Spitze
der PEG-Sonde an die Spitze der Einführhülse wird vermieden, dass der Faden beim Durchzug
die intestinale bzw. Bauchwand einschneidet. Beim Push-Verfahren wird die PEG über
Führungsdraht als Leitschiene geschoben. Für beide Verfahren gilt, dass die Bauchdecke
am Ende des Durchzuges durch die innere Halteplatte (Ballon) nur leicht angehoben
werden sollte. Bei zu starkem Zug besteht die Gefahr von Drucknekrosen der Magenwand.
Auch bei der Fixierung der äußeren Halteplatte ist darauf zu achten, dass die PEG
fest sitzt, ohne zu viel Druck auf das Gewebe auszuüben.
Platzierung einer PEG im Direktpunktionsverfahren (2 Vorgehen sind etabliert): Bei
dem einen sollte der Punktionskanal über einen in den Magen eingebrachten Führungsdraht
bougiert werden, bis die PEG eingeführt werden kann. Eine Direktpunktion des Magens
mit anschließender Bougierung des Punktionskanals über einen Führungsdraht ist prinzipiell
ohne Fixierung der Magenwand möglich. Eine Fixierung (Gastropexie) des Magens an der
Bauchdecke durch T-Anker oder Nahtverfahren verhindert das Ausweichen des Magens und
erleichtert die Intervention. Soll der Kanal für die PEG nicht durch Bougierung, sondern
durch einen Trokar ohne Führungsdraht geschaffen werden, ist eine Gastropexie mit
sicherer Fixierung des Magens an der Bauchwand zwingend erforderlich. Diese PEG-Sets
enthalten spezielle Punktionssysteme zur Anlage der Gastropexie mit Nähten oder T-Ankern.
Anschließend sollte der Magen durch einen Trokar punktiert und die PEG durch die Einführhülse
des Trokars platziert werden [416]
[417]
[418]. Die PEG wird intragastral durch einen wassergefüllten Ballon fixiert und kutan
durch eine Halteplatte (Fixierung nach Herstellerangaben).
Button-PEGs, deren Verschlussansatz in die äußere Halteplatte integriert ist, können
als primär im Direktpunktionsverfahren angelegt werden. Der Abstand zwischen Magenlumen
und Körperoberfläche wird bei der Intervention vermessen und eine entsprechend lange
Button-PEG platziert.
Eine jejunale Ernährung kann über eine durch die PEG vorgeschobene Dünndarmernährungssonde
(Jet-PEG) ab einem Durchmesser der PEG von 15 Charriere erfolgen. Diese wird ggf.
endoskopisch möglichst weit postbulbär platziert.
Ist eine jejunale Ernährung mit perkutaner Punktion im Jejunum vorgesehen (PEJ), soll
das proximale Jejunum distal des Treitzschen Bandes mit einem Koloskop oder (Doppelballon-)Enteroskop
intubiert werden. Bei positiver Diaphanie und erfolgreicher Probepunktion mit einer
dünnen Kanüle (21 Gauche, negativer Aspirationstest) unter Hypotonie mit Scopolamin,
kann die Anlage der PEJ im Fadendurchzug erfolgen, wie bei der PEG.
Die technische Erfolgsrate einer PEG-Anlage wird mit 76 – 100 % angegeben [409], die Frequenz eines funktionellen Sondenausfalls durch Bruch, Verstopfung oder akzidenteller
Entfernung mit 10 % [400]. Die Anlage einer Jet-PEG gelingt häufiger als eine direkte PEJ, das Dislokationsrisiko
(Zurückrutschen der Sonde in den Magen) ist jedoch deutlich höher.
Zu den Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen gehört zwingend die Beachtung der
Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Hygiene bei Anlage einer PEG: sterile Materialien,
sterile Abdeckung, für den punktierenden Arzt sterile Handschuhe, OP-Haube, steriler,
langärmeliger Kittel, Mund-Nasen-Schutz und für die Assistenz unsterile Handschuhe,
Mund-Nasen-Schutz, ggf. Einwegschürze [419].
4.2.2.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Eine perkutan platzierte Sonde kann ab dem Tag der Anlage zur Ernährung genutzt werden.
In den ersten 7 Tagen nach Anlage sollte ein täglicher Verbandswechsel mit Inspektion
und Überprüfung der korrekten Lage erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Eine PEG/PEJ ohne Gastropexie soll nicht vor Ausbildung einer stabilen Verbindung
zwischen Bauchdecke und Magen (Jejunum) entfernt werden. Sonden mit innerer Halteplatte
sollten endoskopisch geborgen werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei Sonden, die innen von einem Ballon gehalten werden, sollte dieser Ballon regelmäßig
unter Überprüfung des zuvor instillierten Volumens entleert werden, um rechtzeitig
Leckagen zu bemerken.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Metaanalyse aus 5 randomisierten Studien, die den Beginn der Nutzung einer PEG
innerhalb der ersten 3 Stunden nach Anlage oder später verglichen, ergab keine signifikanten
Unterschiede in Bezug auf Komplikationen [420]. Trotzdem wird man in Analogie zu anderen Interventionen geneigt sein, Ernährungslösungen
erst nach einigen Stunden zu applizieren. Bei jedem Verbandswechsel wird unter sterilen
Bedingungen die innere Halteplatte einer PEG gedreht, 2 – 3 cm nach innen und außen
mobilisiert und erneut (nicht zu fest) fixiert, um ein Einwachsen in die Magenwand
zu verhindern. In der ESPEN-Leitlinie wird dieses Vorgehen für Tag 1 – 7 beschrieben
[403]. Studien, die den Zeitpunkt des ersten Verbandswechsels vergleichen, liegen nicht
vor. Bei einigen Sondensystemen wird von Herstellerseite ein Wechsel der Sonde nach
6 Wochen vorgeschrieben.
Wird eine PEG (ohne Gastropexie) entfernt, bevor sich ein fester Kanal zwischen Magen
und Bauchdecke ausgebildet hat, besteht die Gefahr einer Peritonitis. In der Regel
besteht dieses Risiko nach 10 – 14 Tagen nicht mehr. Bei Patienten mit generell schlechter
Wundheilung kann dieses Intervall aber auch länger sein [421]. Ist ein PEG-Wechsel mit Einbringen einer neuen PEG über einen Führungsdraht geplant,
sollte der Kanal bereits 2 – 3 Monate eingeheilt sein [411].
Die Datenlage und die Empfehlungen zur Entfernung einer PEG mit innerer Halteplatte
mit endoskopischer Bergung oder spontaner Passage durch den Darm sind widersprüchlich.
Bei letzterem Vorgehen sind Perforationen beschrieben [421]
[422]
[423]
[424].
4.2.2.5 Komplikationen
Komplikationen bei perkutaner, endoskopischer Gastrotomie (PEG) können sein:
-
Wundinfektion
-
Peritonitis/Pneumoperitoneum
-
Aspiration
-
gastrale Ulzera
-
nekrotisierende Faszitis
-
Buried bumper
-
Fistel zum Kolon (bei Anlage nicht bemerkter Interposition)
-
akzidentelle Sondenentfernung
-
Leckagen neben der Sonde
Die prozedurbezogene Mortalität einer PEG-Anlage liegt bei 0,5 – 1 % [409]
[425]. Aufgrund ihrer Morbidität haben Patienten mit PEG mittelfristig eine deutliche
Mortalität. So beschreiben Blomberg et al. [426] eine Mortalität von 18 % innerhalb von 2 Monaten. Die häufigste Komplikation einer
PEG-Anlage, die lokale Wundinfektion, wird mit einer Frequenz von 2 – 39 % angegeben.
Die große Varianz erklärt sich aus Indikation, Patientenkollektiv, Durchmesser der
Sonde, Untersucher-/Abteilungserfahrung [427]. Eine Reduktion des Risikos durch Antibiotikaprophylaxe ist für die Fadendurchzugsverfahren
belegt. Direktpunktionsverfahren haben eine geringere Infektionsrate und bedürfen
keiner Antibiotikaprophylaxe (siehe Kap 3.3. Antibiotikaprophylaxe).
Die Streubreite in der Häufigkeit wird auch bei anderen Komplikationen berichtet,
die aber insgesamt deutlich seltener auftreten.
Ein Pneumoperitoneum ohne Infektion ist per se noch keine Komplikation, statistisch
aber mit Komplikationen assoziiert [428]. Bei Zeichen einer Peritonitis ist eine chirurgische Revision indiziert. Bezüglich
des Aspirationsrisikos fand sich in einer aktuellen Cochrane-Metaanalyse zu Studien
bei Patienten mit Schluckstörungen nur ein statistisch nicht signifikanter Unterschied
zwischen transnasalen (39 %) und transkutanen (33 %) Ernährungssonden [400]. Gastrale Ulzera können durch Druck durch die innere Halteplatte, aber auch bei
zu lockerem Sitz auftreten. Durch zu festen Sitz der PEG und unzureichende regelmäßige
Mobilisierung kann die innere Halteplatte in die Magenwand penetrieren: „buried bumper“
(2 – 6 %) [409]. Dieser – vermeidbare – Befund erfordert eine endoskopische oder chirurgische Intervention
[429]
[430]. Die seltene nekrotisierende Faszitis ist mit Risikokonstellationen wie Diabetes,
Mangelernährung oder Störungen des Immunsystems assoziiert. Eine Perforation anderer
Organe, insbesondere des Kolons, wird in einigen Publikationen häufiger dem Direktpunktionsverfahren
zugeschrieben [431], in anderen fanden sich keine Unterschiede [416]
[418]. Akzidentelle Entfernung der Sonde ist insbesondere ein Problem bei verwirrten Patienten.
Leckagen neben der Sonde können Ausdruck einer zu großen Beweglichkeit der Sonden,
also einer unzureichenden Fixierung sein. Abdominelle Schmerzen in den ersten Tagen/Wochen
ohne eine der zuvor benannten Komplikationen und Diarrhoe infolge der Nahrungszufuhr
via PEG, sind relativ häufige Beeinträchtigungen (um 10 %), auf die im aufklärenden
Gespräch hingewiesen werden sollte [426].
4.3 Endoskopische Varizenbehandlung
Einleitung: Ein Drittel aller Patienten mit Ösophagusvarizen erleidet im Verlauf der
Erkrankung eine akute Varizenblutung. Die Varizenblutung auf dem Boden einer fortgeschrittenen
Leberzirrhose ist dabei mit einer Mortalität von bis zu 20 % verbunden. Zusätzlich
verringert sich das Langzeitüberleben nach Varizenblutung; das 2-Jahres-Überleben
liegt hier bei nur 40 %. Dies legt den Fokus insbesondere auf die Prophylaxe der Varizenblutung
aber auch auf die optimierte Versorgung im Blutungsereignis.
4.3.1 Endoskopisches Varizenscreening
Empfehlung
Ein endoskopisches Varizenscreening soll bei jedem Patienten mit einer neu diagnostizierten
Leberzirrhose erfolgen.
Eine Wiederholungsendoskopie soll im Falle einer kompensierten Leberzirrhose im Child-Pugh-Stadium-A
nach 2 Jahren, im Falle einer fortgeschrittenen Zirrhose (Child-Pugh-Stadium-B und
-C) nach einem Jahr durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose einer Zirrhose liegen bei etwa 40 % der Patienten Ösophagusvarizen
vor, die Inzidenz für eine Varizenprogression bei initial negativem Screening liegt
bei 5 – 10 %/Jahr [432]. Risikofaktoren für die Entwicklung höhergradiger Varizen bzw. für eine Blutung
sind eine fortgeschrittene Leberzirrhose Child-Pugh-Stadium-B-C, großlumige Varizen
und das Vorliegen von endoskopischen Blutungsbereitschaftszeichen wie red spots oder
red wale signs [433]
[434]. Gastrische Varizen repräsentieren eine heterogene Gruppe, wobei gastrische Varizen
vom Typ I mit 75 % überwiegen. Diese bluten weniger häufig und weniger schwer als
die gastrischen Varizen Typ II, welche im Fundus gelegen sind [435]. In der Regel liegen gastrische Varizen bei Leberzirrhose in Kombination mit Ösophagusvarizen
vor. Die Leitlinie der AASLD empfiehlt daher ein endoskopisches Varizenscreening bei
Erstdiagnose der Leberzirrhose und eine Wiederholungsendoskopie bei Child-Pugh-A-Stadium
nach 2Jahren, bei Child-Pugh-B- und C-Stadium nach 1 Jahr [436] ([Tab. 25]).
Tab. 25
Endoskopische Varizentherapie: Stratifizierung nach Indikation.[1]
primärprophylaxe Ösophagusvarizen
|
Varizen
|
NSBB (Propranolol/Carvedilol)
|
Varizen Grad II–III ohne Risikofaktoren
|
NSBB/EVL bei Unverträglichkeit
|
Varizen Grad II–III mit Risikofaktoren
|
NSBB oder EVL
|
sekundärprophylaxe Ösophagusvarizen
|
Varizen mit Z. n. Blutung
|
EVL + NSBB (EVL bei NSBB Unverträglichkeit)
|
primärprophylaxe Gastrische Varizen
|
GV mit Risikofaktoren
|
NSBB (ggf. Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat)
|
sekundärprophylaxe Gastrische Varizen
|
GV Z. n. Blutung
|
NSBB (ggf. Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat)
|
akute Varizenblutung
|
Ösophagusvarizen
|
EVL/Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat, Interimslösung Blutungsstent, Reserve: TIPS
|
gastrische Varizen
|
Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat, Reserve: TIPS
|
1 Risikofaktoren: Child-Pugh-Stadium-B–C; red spots, red wale signs. NSBB: nicht selektive
Beta-Blocker; EVL: endoskopische Varizenligatur; GV: gastrische Varizen.
4.3.2 Elektive endoskopische Varizenbehandlung
4.3.2.1 Endoskopische Primärprophylaxe
Ösophagusvarizen: endoskopische Primärprophylaxe
Empfehlung
Bei Vorliegen von Ösophagusvarizen soll eine Primärprophylaxe erfolgen. Diese kann
endoskopisch oder medikamentös erfolgen. Im Falle einer endoskopischen Primärprophylaxe
soll eine endoskopische Varizenligatur (EVL) bis zur Varizeneradikation durchgeführt
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Nicht selektive Beta-Blocker (NSBB) sind der Therapiestandard in der Primärprophylaxe
mit einer Verringerung des Blutungsrisikos bis zu 45 % im Vergleich zu Placebo. Im
Falle von Ösophagusvarizen Grad I konnte durch Propranolol im Vergleich zu Placebo
die Varizenprogression nachweislich vermindert werden: 11 vs. 37 % innerhalb eines
3-Jahres-Follow-up [437]. Problematisch ist, dass NSBB bei einem Teil der Zirrhosepatienten aufgrund der
Nebenwirkungen nicht in ausreichender Dosis toleriert werden, um den Pfortaderhochdruck
adäquat auf einen Hepatovenösen Druckgradienten (HPVG) unter 12 mmHg zu senken. Ein
Versagen der Beta Blocker Prophylaxe ist klinisch mit jüngerem Alter, höherem Durchmesser
der Varizen, fortgeschrittener Lebererkrankung und natürlich niedrigeren Propranolol
Dosen verbunden [438]. Hier stellt die endoskopsische Varizenligatur eine Alternative dar.
Die Wirksamkeit der endoskopischen Varizenligatur zur Risikoreduktion für ein Blutungsereignis
in der Primärprophylaxe konnte in mehreren Metaanalysen nachgewiesen werden. Dies
galt sowohl für Studien, die die Ligaturtherapie gegen eine Gruppe ohne Prophylaxe
verglichen [439], als auch für den Vergleich von Ligatur und Betablocker [440]. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2005 belegte hier mindestens eine Gleichwertigkeit
beider Verfahren [440]. Die Ligaturtherapie zeigte ein günstigeres Nebenwirkungsprofil sowie in der Subguppe
der Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose eine geringere Blutungsrate im Vergleich
zu NSBB, allerdings ohne Einfluss auf das Gesamtüberleben.
Eine aktuelle Cochrane-Analyse wertete 19 RCTs zur Frage Beta-Blocker oder Ligaturtherapie
in der Primärprophylaxe von Ösophagusvarizen aus [441]. Eingeschlossen wurden überwiegend Patienten mit höhergradigen Varizen. Bei Analyse
aller Studiendaten ergab sich ein signifikanter Vorteil für die Varizenligatur mit
einer statistisch signifikant geringeren Rate für die obere GI-Blutung und die erste
Varizenblutung (RR 0,69; 95 % CI 0,52 – 0,91; RR 0,67; 95 % CI 0,46 – 0,98). Wurden
nur die als Volltext publizierten Studien in die Analyse einbezogen, zeigte sich eine
Gleichwertigkeit der Verfahren und der Vorteil für die Ligaturtherapie war nicht mehr
nachweisbar. Ein Unterschied hinsichtlich der blutungsabhängigen Mortalität und der
unterwünschten Ereignisse konnte ebenfalls nicht gezeigt werden.
Für die Kombination von Ligaturtherapie und Betablocker gegenüber Betablockern alleine
konnte eine prospektiv-randomisierte Studie an 140 Patienten keinen Vorteil für die
Kombinationstherapie hinsichtlich Blutungsprävention und Überleben nachweisen [442].
Erste Daten geben Hinweise, dass der Einsatz von neueren Betablockern ein sequenzielles
Vorgehen in der Primärprophylaxe ermöglichen könnte. Eine aktuelle prospektive Studie
[443] zeigte ein Ansprechen für Carvedilol (Non-Selektiver-β1/2 Antagonist und α1-Receptor
Antagonist) bei Propranolol-Nonrespondern (HPVG > 12mmHG) in noch 56 % der Fälle.
Nur die verbleibenden Carvedilol-Nonresponder wurden einer Ligaturtherapie zugeführt.
Im 2-Jahres-Follow-up war die Ligaturgruppe den Beta-Blocker Respondern hinsichtlich
Blutungsrate, hepatischer Dekompensation und Mortalität signifikant unterlegen (Blutungsrate:
PROP 11 % vs. CARV 5 % vs. EBL 25 % (p = 0,0429); hepatische Dekompensation: PROP
38 %/CARV 26 % vs. EBL 55 %; (p = 0,0789); Mortalität: PROP 14 %/CARV 11 % vs. EBL
31 % (p = 0,0455)).
Gastrische Varizen: endoskopische Primärprophylaxe
Empfehlung
Die Injektion von Gewebekleber n-Butyl-2-Cyanoacrylat kann bei Vorliegen großer oder
unter Therapie der Ösophagusvarizen zunehmender gastrischer Varizen mit Blutungsbereitschaftszeichen
in der Primärprophylaxe erwogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine kürzlich publizierte prospektive Studie [444] untersuchte erstmals die Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat bzw. Histoacryl® im Vergleich zu Beta-Blockern und keiner Therapie in der Primärprophylaxe, bei Vorliegen
großer gastrischer Varizen. Hier ergab sich in der Histoacrylgruppe im Vergleich zu
Beta-Blockern eine signifikant geringere Blutungsrate (87 % vs. 72 %, p = 0,039) und
im Vergleich zum Placeboarm ein signifikanter Überlebensvorteil (90 % vs. 72 %, p
= 0,048). Inwiefern diese singuläre Arbeit ausreichende Evidenz für eine generelle
prophylaktische Injektion von Gewebekleber in gastrische Varizen bietet, ist unklar.
Dies bleibt derzeit bei geringer Evidenz eine Einzelfallentscheidung.
4.3.2.2 Endoskopische Sekundärprophylaxe
Ösophagusvarizen: endoskopische Sekundärprophylaxe
Empfehlung
Die Kombinationstherapie von endoskopischer Bandligatur und Beta-Blocker soll der
Standard in der Sekundärprophylaxe sein, im Falle einer Beta-Blocker-Unverträglichkeit
die alleinige endoskopische Ligaturtherapie.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Metaanalyse, die 23 kontrollierte Studien zu dieser Thematik auswertete [445], ergab eine deutliche Reduktion der Gesamtblutungsrate unter der Kombination im
Vergleich zur endoskopischen Therapie (RR 0,68, 95 % CI 0,.52 – 0,89) bzw. zu Beta-Blockern
alleine (RR 0,71, 95 % CI 0,59 – 0,86). Die kombinierte Prophylaxe reduzierte auch
die Rezidivblutungsrate sowie das Auftreten von Rezidivvarizen nach Eradikation. Therapieabbrüche
wegen Nebenwirkungen traten dabei fast ausschließlich in der Beta-Blocker-Gruppe (bis
7 %) auf. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse [446] von 9 RCTs zur endoskopischen Varizenligatur, bestätigte die Ergebnisse mit einer
signifikanten Reduktion der Rezidivblutungsereignisse in der Kombinationstherapie
im Vergleich zu NSBB (RR 0,68; 95 % CI 0,54 – 0,85); die „number needed to treat“
lag bei 8 Patienten. Die Daten zeigen einen Vorteil der kombinierten Sekundärprophylaxe
auch für die blutungsassoziierte Mortalität, nicht aber für die Gesamtmortalität der
Patienten.
Gastrische Varizen: Sekundärprophylaxe
Empfehlung
Die Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat kann bei Z. n. Blutung aus gastrischen Varizen
in der Sekundärprophylaxe bis zur Varizeneradikation erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine aktuelle Arbeit untersuchte prospektiv die Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat
± NSBB in der Sekundärprophylaxe [447] gastrischer Varizen. Hier konnte für die Addition von NSBB weder ein Unterschied
in der Rezidivblutungsrate noch in der Mortalität gezeigt werden (p = 0,336 und 0,936).
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass NSBB bei dieser Indikation keinen Benefit
haben. Allerdings, ist die NSBB-Gabe durch das kombinierte Vorliegen von höhergradigen
Ösophagusvarizen oder einer portal hypertensive Gastropathie mit Indikation zur Beta-Blocker-Therapie
bei den meisten Leberzirrhotikern unabhängig von den gastrischen Varizen indiziert.
Sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprophlyxe (s. u.) sollte das Embolisatrisiko
bei Injektion von Gewebekleber bedacht werden, es wurden Thrombosen im Mesenterial-
und Pulmonalstromgebiet, septisch embolische Komplikationen oder Ulcera der Injektionsstelle
beschrieben [448].
4.3.2.3 Spezielle Kontraindikationen
Hier wird auf die Kapitel 3.2.2: Blutungsrisiko endoskopischer Eingriffe, 3.2.4: Empfehlungen
zur Einnahme von gerinnungshemmender Medikation in Abhängigkeit vom Risikoprofil bestimmter
endoskopischer Eingriffe und 3.2.5: Empfehlung zum Vorgehen bei Patienten mit angeborener
oder erworbener nicht medikamentös bedingter Hämostasestörung verwiesen.
4.3.2.4 Durchführung: elektive endoskopische Varizenbehandlung
Endoskopische Varizenligatur
Empfehlung
Vor der Intervention sollte eine aktuelle Beurteilung mittels kompletter Ösophagogastroduodenoskopie
erfolgt sein. Es sollen Multibandligatoren verwandt werden und die Varizenligatur
sollte möglichst distal am ösophagogastralen Übergang begonnen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Verwendung von Multibandligatoren mit transparenten Aufsatzkappen hat die Verwendung
von Singleband-Ligaturen abgelöst. Vorteilhaft sind eine bessere endoskopische Übersicht
und die einfachere Applikation mehrerer Ligaturen sowie die geringere Komplikationsrate
[449]
[450]. Mit der Verwendung von Übertuben wurden Ösophagusperforationen und Varizenblutungen
beschrieben [451]. Da der Multibandapplikator über den Arbeitskanal eingebracht wird, wird die Verwendung
eines therapeutischen Gastroskops mit Anschluss für eine Spülvorrichtung empfohlen
[452]. Die Varize wird in die montierte Aufsatzkappe des Applikatorsystems eingesaugt
und unter Beibehaltung des Sogs ein Gummibandring über die Kappe abgestreift. Es werden
im allgemeinen 4 bis maximal 10 Ligaturen im distalen Ösophagusdrittel gesetzt.
Injektion von Gewebekleber
Empfehlung
Die Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat gemischt mit Lipiodol (Röntgenkontrast) soll
streng in die Varize erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat in mehreren Portionen in die gastrische Varize
wird eine initiale Hämostaserate von über 90 % erreicht [453]
[454]. Langzeitige Hämostaseraten unter Verwendung von, im Mittel, 1,7 ml n-Butyl-2-Cyanoacrylat
in, im Mittel, 1,3 Sitzungen liegen bei 74 %. In der praktischen Durchführung ist
ein rasches Nachspülen der Injektionsnadel mit 0,5 – 1 ml NaCl 0,9 % zu beachten,
um ein Verkleben der Nadel zur vermeiden. Des weiteren Augenschutz für ärztliches
und pflegerisches Personal und ggf. für den Patienten zum Schutz vor verspritztem
n-Butyl-2-Cyanoacrylat. Der Erfolg der Sklerosierungstherapie kann durch vorsichtiges
Tasten des Härtegrades der Varize z. B. mit der geschlossenen Biopsiezange überprüft
werden.
Zu Effektivität und Komplikationsrate unter fluoroskopischer Kontrolle im Vergleich
zu alleiniger endoskopischer Injektion liegen keine Daten vor. Daher kann Durchführung
unter Röntgenkontrolle erfolgen, dies ist aber nicht zwingend erforderlich. Vorteilhaft
ist die radiologische Kontrolle zur Sicherstellung der intravasalen Applikation und
zur frühen Diagnostik von Embolisaten.
4.3.2.5 Prozedurabhängige Nachsorge: elektive endoskopische Varizenbehandlung
Endoskopische Varizenligatur
Empfehlung
Nach endoskopischer Varizenbehandlung kann eine stationäre Überwachung abhängig von
der Intervention und dem individuellen Risikoprofil des Patienten erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Rezidivblutungsrate aus Ligaturulzera im Rahmen der endoskopischen Bandligatur
wird in einer aktuellen größeren Arbeit mit 3,5 % beziffert [455]. Als unabhängige Risikofaktoren für Rezidivblutungen wurden eine Varizenblutung
in der Anamnese, eine eingeschränkte Lebersyntheseleistung in Form eines erhöhten
APRI scores sowie eine verlängerte Prothrombinzeit ermittelt. Andere Arbeiten korrelierten
das Rezidivblutungsrisiko mit dem Vorliegen eines Child-Pugh-C-Stadiums [456].
Fortführung der Ligaturtherapie
Empfehlung
Die Ligaturtherapie soll in regelmäßigen Abständen bis zur Eradikation fortgesetzt
werden. Im Folgenden sollten regelmäßige endoskopische Kontrollen erfolgen und ggf.
eine erneute Ligaturtherapie bei Auftreten von Rezidivvarizen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine komplette Varizeneradikation bei Ligaturtherapie alle 2 – 4 Wochen wird nach
2 – 4 Sitzungen erreicht [436]
[457]. Eine Fallserie [458], untersuchte die Effektivität der Ligaturtherapie, verglichen mit der Sklerotherapie,
in der Sekundärprophylaxe an 181 Patienten. Eine Varizeneradikation wurde mit der
Ligatur in 2,5 ± 1,6 Sitzungen und mit der Sklerotherapie in 6,6 ± 4,0 Sitzungen erreicht.
Die Langzeitdaten zum Erfolg der Varizeneradikation und Rekurrenz waren nicht unterschiedlich.
Die additive Sklerotherapie verbliebener, kleiner Varizen nach Ligatureradikation,
zeigte in einer prospektiven Studie an 45 Patienten keinen signifikanten Vorteil für
die Rezidivblutungsrate oder die Varizenrekurrenz [459]. Die Kombinationsgruppe wies vielmehr eine höhere Rate unerwünschter Ereignisse
wie Dysphagie und Schmerzen auf.
Injektion von Gewebekleber
Empfehlung
Im Rahmen der Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat sollte eine stationäre Überwachung
für mindestens eine Nacht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Kasuistisch wurden Embolisate in die Lungenstrombahn und in die Mesenterialgefäße
beschrieben, des Weiteren septische Komplikationen und lokale Ulzerationen an der
Injektionstelle [448]
[460]
[461]. Dies rechtfertigt die stationäre Durchführung. Frühe Rezidivblutungen sind eher
selten und traten im Zeitraum von Tagen bis Monaten nach der Injektion auf.
4.3.3 Akute Varizenblutung
4.3.3.1 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Bei der akuten Varizenblutung soll primär die intensivmedizinische Versorgung mit
Stabilisierung des Patienten im Vordergrund stehen.
Starker Konsens
Kommentar
Hier ist die Kreislaufstabilisierung durch Volumensubstitution und die Gabe von Blutprodukten/Gerinnungsfaktoren
und ggf. die Schutzintubation bei verminderten Schutzreflexen die Basis für eine endoskopische
Therapie [436].
Empfehlung
Die Endoskopie zur Diagnosesicherung und Therapie soll nach intensivmedizinischer
Stabilisierung bei v.a eine akute Varizenblutung zeitnah erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine retrospektive Studie [462] an 311 Leberzirrhotikern, die mit akuter Varizenblutung aufgenommen wurden, untersuchte
den Einflussfaktor Endoskopiezeitpunkt auf die Mortalität. Die multivariate Analyse
analysierte als unabhängige Risikofaktoren für die Mortalität im Krankenhaus vor allem
einen Endoskopiezeitpunkt über 15 Stunden nach Aufnahme (aOR 3,67; 95 %; 95 % CI:
1,27 – 10,39) und ein Therapieversagen der ersten Endoskopie (aOR 4,36; 95 % CI: 1,54 – 2,30).
Darüber hinaus der Anstieg des MELD-Scores je Punkt (aOR 1,16; 95 % CI: 1,07 – 1,25)
und Hämatemesis als Aufnahmegrund (im Vergleich zu Melaena aOR 8,66; 95 % CI: 1,06 – 70,94).
Die Empfehlungen der AASLD beinhalten eine Endoskopie zur Diagnosesicherung und Therapie
zeitnah nach Stabilisierung des Patienten [436].
Empfehlung
Die pharmakologische Therapie mit einem Vasopressinanalogon sollte bereits bei begründetem
Verdacht auf akute Varizenblutung noch vor der Endoskopie begonnen und bei Bestätigung
der Diagnose für eine Zeitdauer von 3 – 5 Tagen fortgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Vasopressinanaloga reduzieren durch Konstriktion der Splanchnikusgefäße den Pfortaderfluss
und damit die Durchblutung der Umgehungskreisläufe. Zusätzlich führt die Vasokonstriktion
zu einer Kreislaufstabilisierung und verbesserten Nierendurchblutung. Für die pharmakologische
Therapie konnte bei akuter Varizenblutung eine der endoskopischen Therapie vergleichbare
Hämostaserate nachgewiesen werden. Eine Metaanalyse [463] untersuchte die endoskopische Therapie der akuten Varizenblutung (EVL/Sklerosierung)
mit oder ohne pharmakologische Therapie, basierend auf 8 kontrollierten Studien. Die
Kombinationstherapie verbesserte signifikant die intiale Blutungskontrolle (RR 1,12;
95 % CI 1,02 – 1,23; NNT 8) sowie die 5 Tages Hämostase (RR, 1,28; 95 % CI, 1,18 – 1,39;
NNT 5); ohne Unterschiede in der Gesamtmortalität oder der Nebenwirkungsrate. Daher
sollte bei begründetem Verdacht auf eine Varizenblutung (obere GI-Blutung bei klinischem
v. a. Leberzirrhose, anamestisch bekannte Leberzirrhose ± Varizen), die Gabe eines
Vasopressin Analogons bereits vor der Endoskopie erfolgen.
Etabliert ist die Gabe von Terlipressin iv 1 – 2 mg als Bolus noch vor der Endoskopie,
Wiederholung alle 4 – 6 Stunden innerhalb der ersten 72 Stunden. Alternativ kann Terlipressin
auch kontinuierlich über Perfusor verabreicht werden um die Verträglichkeit zu verbessern
und kardiovaskuläre Nebenwirkungen zu minimieren [464]. Kürzlich untersuchte eine randomisierte kontrollierte Studie inwieweit eine Verkürzung
der Terlipressin-Gabe bei akuter Varizenblutung auf 24 h im Vergleich zu 72 h effektiv
und sicher ist [465]. Hier zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der intialen Hämostaserate
sowie in der 30 Tage Rezidivblutungsrate (3,1 vs. 1,5 %) und Mortalität (9,2 % beide).
Ggf. ist eine Verkürzung der Terlipressin-Gabe auf 24 Stunden möglich, dies hat aber
derzeit noch keinen Empfehlungscharakter.
Eine aktuelle multizentrische, prospektive Studie [466] verglich verschiedene Vasopressinanaloga für 5 Tage bei akuter Varizenblutung. Zwischen
Terlipressin (n = 261) vs. Somatostatin (n = 259) vs. Octreotid (n = 260) wurden keine
Unterschiede im Outcome von Blutungskontrolle, Rezidivblutung und Mortalität nachgewiesen.
Empfehlung zur Antibiotikaprophylaxe siehe Kap 3.3. Antibiotikaprophylaxe
4.3.3.2 Durchführung
Ösophagusvarizen
Empfehlung
Die definitive endoskopische Therapie einer akuten Ösophagusvarizenblutung soll bevorzugt
in Form einer Ligaturtherapie erfolgen. Alternativ kann eine Sklerotherapie mit n-Butyl-2-Cyanoacrylat
erwogen werden.
Die Sklerosierung mit Etoxysklerol/Polidocanol sollte aufgrund der höheren Komplikationsrate
nicht angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
In der klinischen Praxis kann im akuten Blutungsfall bei Ösophagusvarizen die Sicht
mit dem Bandligator eingeschränkt sein. Alternativ kann hier eine Erstversorgung mittels
Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat erfolgen, wobei das potenzielle Embolisatrisiko
bedacht werden muss. Aktuelle Daten zum Vergleich von Injektionstherapie mit n-Butyl-2-Cyanoacrylat
und Gummibandligatur in der Akutblutung von Ösophagusvarizen zeigen eine Gleichwertigkeit
beider Verfahren in der Blutungsstillung und im Überleben mit einem statistisch nicht
signifikanten Trend zu einer höheren Rezidivblutungsrate in der Injektionsgruppe [467].
Für die Sklerosierungstherapie mit Etoxysklerol/Polidocanol ist in vergleichenden
Studien zur endoskopischen Gummibandligatur eine höhere Rezidivblutungsrate und höhere
Komplikationsrate (Ulzerationen, Perforation, Mediastinitis) belegt, diese wird daher
nicht mehr empfohlen [436]
[468].
Gastrische Varizen
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von akuten Blutungen aus gastrischen Varizen soll eine
Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat in die blutende Varize erfolgen. Im Einzelfall
kann hier insbesondere bei gastrischen Varizen Typ I auch eine Gummibandligatur erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Metaanalyse [469] von 7 Studien zum Vergleich der Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat versus Ligatur
im akuten Blutungsereignis, zeigte für die Injektionstherpaie eine statistisch signifikante
höhere initiale Hämostaserate (OR = 2.,32, 95 % CI 1,19 – 4,51 sowie eine längere
Rezidivblutungsfreiheit (HR 0,37, 95 % CI 0,24 – 0,56) ohne Einfluss auf die Mortalität.
Endoskopische Interimslösungen bei akuter Varizenblutung
Empfehlung
Bei akuter mit den Standardmaßnahmen nicht beherrschbarer Ösophagusvarizenblutung
soll eine alternative Therapie erfolgen. Zur endoskopischen Therapie kann die Insertion
eines voll gecoverten selbst expandierenden Blutungsstents erfolgen. Alternativ kann
eine Einlage einer Ballontamponade erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Versagt die endoskopische Therapie in Kombination mit der Pharmakotherapie, definiert
als fehlende Stabilisierung innerhalb der ersten 6 Stunden oder frühe Rezidivblutung
innerhalb von bis zu 72 Stunden, kann die Einlage eines für diese Indikation zugelassenen,
voll gecoverten, selbst expandierenden Metallstents (Ella Danis Stent) [470] als vorübergehende Maßnahme erfolgen. Mit einem speziellen Insertionsset ist die
Platzierung des Stents ohne Röntgendurchleuchtung am Patientenbett möglich. An der
Spitze des Einführinstruments befindet sich ein insufflierbarer Ballon, der nach Luftfüllung
an die Cardia gezogen wird. Nach Positionierung (ggf. auch über Führungsdraht) wird
der Stent freigesetzt, der Ballon abgelassen und das Set entfernt. Der Stent komprimiert
die Ösophagusvarizen.
Die Effektivität des voll gecoverten Blutungsstents wurde in 3 Fallserien mit 62 Patienten
nachgewiesen [470]
[471]
[472]. Die Stentliegedauer betrug hier zwischen 2 und 14 Tagen. Eine Stabilisierung war
in allen Fällen möglich ohne wesentliche prozedurabhängige Komplikationen. Der Stent
kann auch als Bridging Therapie bis zu einer TIPS Anlage (s. u.) gelegt werden.
Alternativ kann eine Ballontamponade [436] (Ösophagusvarizen-Senkstakensonde/Fundusvarizen-Linton-Nachlasssonde) eingelegt
werden; diese sollte wegen der Gefahr der Druckulzera aber maximal für 24 Stunden
belassen werden. Auch wenn vergleichende Studien zum Blutungsstent versus Ballontamponade
nicht vorliegen, erscheint das Nebenwirkungsprofil des Blutungsstents in Anbetracht
der möglichen längeren Liegedauer günstig.
Als definitive Therapie ist bei Versagen der endoskopischen Therapie und geeigneten
Patienten die Anlage eines früh elektiven transjugulären portosystemischen Shunts (TIPS) [473] zu diskutieren. Hier konnte in einer prospektiv-randomisierten Studie durch TIPS
36 h nach Varizenblutung eine Hämostase in über 90 % erzielt werden. Das 1-Jahres-Überleben
in diesem kritisch kranken Patientenkollektiv betrug in der TIPS-Gruppe 86 % im Vergleich
zu 61 % in der Pharmako-EVL-Gruppe (p < 0,001). Die Komplikationsrate war vergleichbar
bei einschränkend kleiner Patientenzahl und selektioniertem Patientengut.
Eine Alternative zur endoskopisch gezielten Blutstillung bietet die EUS-gestützte Therapie. Longitudinale Echoendoskope ermöglichen die Beurteilung von dem Gastrointestinaltrakt
benachbarten Gefäßen einschließlich farbdopplersonografischer Untersuchungen. In einer
tierexperimentellen Untersuchung zur endosonografisch gestützten Angiografie vor allem
kleinerer venöser und arterieller Gefäße konnte diese mit 22G-Nadeln sicher und in
akzeptabler Qualität erfolgen, während sich die Kontrastmittelinjektion über 25G-Nadeln
schwierig gestaltete und nach Gefäßpunktion mit einer 19G-Nadel bei 1 von 5 Versuchstieren
eine Blutung auftrat [474]. Eine prospektiv-kontrollierte Studie verglich bei Patienten mit Magenvarizenblutung
in der Sekundärprophylaxe die EUS-kontrollierte, aber mit einem Gastroskop durchgeführte
regelmäßige Obliterationstherapie von Magenvarizen mit Cyanoacrylat mit der rein endoskopischen
Cyanoacrylat-Therapie „on demand“ bei Rezidivblutung. In der EUS kontrollierten Obliterationsgruppe
war die Rate verzögerter Rezidivblutungen signifikant reduziert [475]. In einer prospektiven randomisierten Studie konnte die Gleichwertigkeit einer EUS-gestützten
Sklerotherapie von Kollateralvenen bei Patienten mit mittelgroßen und großen Ösophagusvarizen
in der Sekundärprophylaxe mit der endoskopischen intravasalen Sklerotherapie gezeigt
werden; mit einer tendenziell geringeren Rate an Varizenrezidiven [476]. In Kasuistiken oder Fallserien beschrieben wurden die erfolgreiche EUS-gestützte
Cyanoacrylatinjektion und Coilembolisation blutender Magenvarizen [477]
[478]
[479]
[480] sowie die Injektionstherapie blutender ektoper Varizen (Coiling, Cyanoacrylat, Thrombin)
[481]
[482]
[483]
[484]. Endosonografisch gestützte, intravaskuläre Therapien (Cyanoacrylat, Polidocanol,
Thrombin, absoluter Alkohol, Thrombin) endoskopisch nicht beherrschbarer oder rezidivierender
arterieller gastrointestinaler Blutungen (Ulcus Dieulafoy, viszerales Pseudoaneurysma,
Tumorblutung), sind bisher nicht systematisch evaluiert, sondern nur kasuistisch berichtet
worden [485]
[486]
[487]
[488]
[489].
4.3.4 Komplikationen
Endoskopische Varizenligatur
-
Gesamtkomplikationsrate 14 %. Hauptsächlich handelt es sich um transiente, retrosternale
Schmerzen und Dysphagie.
-
Rezidivblutungen aus Ligaturulzera treten bei bis zu 3,5 % der Patienten, im Mittel
13,5 Tage nach der Ligaturbehandlung auf [455].
Injektion von Gewebekleber [448]
[460]
[461]
4.3.5 Spezifische Qualitätsindikatoren ([Tab. 26])
Tab. 26
Vorschlag für Qualitätsindikatoren Varizentherapie.
Qualitätsindikatoren
|
präprozedural
|
Frequenz der Antibiotikaprophylaxe bei akuter Varizenblutung
|
Frequenz der Therapie mit einem Vasopressinanalogon bei akuter Varizenblutung
|
intraprozedural
|
Frequenz der endoskopische Gummibandligatur als das Verfahren der 1. Wahl bei der
endoskopischen Therapie der akute Ösophagusvarizenblutung
|
Frequenz der endoskopische Gummibandligatur als das Verfahren der 1. Wahl bei der
endoskopischen Primär- und Sekundärprophylaxe von Ösophagusvarizen
|
postprozedural
|
Frequenz der Empfehlung zur Kontrolle und Fortführung der endoskopischen Varizenligatur
in der Primär- und Sekundärprophylaxe
|
Frequenz spezifischer Komplikationen nach Varizenligatur und Injektion von Gewebekleber
|
Kommentar
Präprozedurale Qualitätsindikatoren
Zur Antibiotikaprophylaxe bei akuter Varizenblutung siehe Kap 3.3. Die Einleitung
einer Therapie mit einem Vasopressinanalogon bereits vor der Endoskopie bei akuter
Varizenblutung ist Standard und gut belegt [463]
[464]
[465]
[466].
Intraprozedurale Qualitätsindikatoren
Die endoskopische Gummibandliagur ist sowohl in der elektiven Therapie von Ösophagusvarizen
(Primär- und Sekundärprophylaxe) als auch in der Therapie der akuten Ösophagusvarizenblutung
aufgrund des besseren Nebenwirkungsprofils im Vergleich mit der Injektion von Gewebekleber
die erste Wahl [441]
[445]
[446]
[449]
[450]
[451]
[467]
[468]. Die ASGE [490] spricht sich in den Empfehlungen zur Qualitätsindikatoren in den genannten Punkten
für ein Qualitätsziel von > 98 % aus.
Postprozedurale Qualitätsindikatoren
Nach erfolgter endoskopischer Primär- und Sekundärprophylaxe soll der Patient die
Empfehlung zu einem Kontrolltermin bzw. zur Fortführung der Therapie erhalten (Kap. 4.4.2.5)
[436]
[457]
[458]. Zur Erfassung der Häufigkeit Prozedur spezifischer Komplikationen wird auf die
Komplikationen unter Kap. 4.3.5 verwiesen.
4.4 Endoskopische Therapie nicht variköser Blutungen
4.4.1 Zeitpunkt der Endoskopie
Empfehlung
Bei jeder klinisch evidenten gastrointestinalen Blutung sollte eine endoskopische
Diagnostik und ggf. Therapie stattfinden.
Starker Konsens
Empfehlung
Für die obere gastrointestinale Blutung soll eine frühzeitige Endoskopie (innerhalb
von 12 – 24 h nach Aufnahme) erfolgen.
Eine schwere obere GI-Blutung sowie eine erhöhte Mortalität sollte bei Vorliegen bestimmter
Faktoren wie zusätzliche Komorbiditäten (Herz-, Leber-, Tumorerkrankung), eingeschränkte
klinische und laborchemische Parameter (HB < 8 g/dl, INR < 1,5, Albumin < 3 g/dl,
RR sys ≤ 90 mmHg) bedacht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die obere GI-Blutung konnte in einer älteren RCT nachgewiesen werden, dass eine
frühe endoskopische Diagnostik und Therapie innerhalb von 12 Stunden nach stationärer
Aufnahme im Vergleich zu einem späteren Untersuchungszeitpunkt die Krankenhausverweildauer
und den Bedarf an Blutprodukten reduziert (mittlerer Transfusionsbedarf 450 ml vs.
666 ml; p < 0,001; mittlere KH-Verweildauer, 4 vs. 14,5 Tage, p < 0,001) [491]. Von einer Endoskopie innerhalb von 12 Stunden profitierten insbesondere Patienten
mit Zeichen einer akuten oberen GI-Blutung mit blutigem Aspirat in der Magensonde
im Vergleich zu Kaffeesatzerbrechen oder klarem Aspirat in der Magensonde. Eine retrospektive
Analyse von 4478 Patienten mit nicht variköser oberer GI-Blutung zeigte keinen Einfluss
einer frühen Endoskopie (< 12 h vs. > 24 h) auf Mortalität und Frequenz von chirurgischen
Eingriffen (Mortalität OR 0,98, 95 % CI 0,88 – 1,09, p 0,70) [492]. Die spätere Endoskopie war allerdings mit einem verlängerten Krankenhausaufenthalt
verbunden (1,7 Tage länger, 95 % CI 1,39 – 1,99, p < 0,001). Dies ergab auch eine
randomisiert-kontrollierte Studie an 110 Patienten mit oberer GI-Blutung zur frühen
Endoskopie versus Endoskopie innerhalb von 24 – 48h; hier war die sofortige Entlassung
von 46 % der Patienten der frühen Endoskopiegruppe möglich [493]. Stabile Patienten mit endoskopisch diagnostiziertem geringem Risiko für eine Rezidivblutung
können daher durch die Endoskopie identifiziert und frühzeitig entlassen bzw. als
ambulante Patienten geführt werden [494]
[495].
Prädiktive Faktoren für eine schwere obere gastrointestinale Blutung sind eine zugrunde
liegende Tumorerkrankung oder Leberzirrhose, Hämatemesis, Hypovolämie und Hypotension
sowie Schock und ein HB < 8 g/dl [59. Der Blatchford-Score, der Labor- und Kreislaufparameter
(HB, Harnstoff, Puls, RR syst) sowie anamnestische Daten (Synkope, Melaena, Lebererkrankung,
Herzerkrankung) beinhaltet, weist eine hohe Sensitivität für die Identifikation einer
schweren Blutung (ROC 0,92, 95 % CI 0,88 – 0,95) bei allerdings geringer Spezifität
auf [496]. Prädiktive laborchemische und klinische Faktoren für eine erhöhte Mortalität sowie
eine verlängerte KH-Verweildauer bei oberer GI-Blutung wurden kürzlich anhand einer
großen Datenbasis ermittelt und validiert [497]. Als Risikofaktoren wurden hier ein Albumin < 3,0 g/dL, eine INR > 1,5, RR systolisch
≤ 90 mm Hg und ein Alter > 65 Jahre errechnet. Bei Vorliegen aller 5 Parameter stieg
die Mortalität von 0,3 auf 32,8 % (p < 0,001).
Empfehlung
Für die klinisch evidente untere GI-Blutung sollte eine Koloskopie nach adäquater
Vorbereitung erfolgen. Die Dringlichkeit orientiert sich an der klinischen Situation.
Bei v. a. eine anorektale Blutungsquelle sollte eine Proktorektoskopie vorgeschaltet
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die untere gastrointestinale Blutung ist der ideale Zeitpunkt der Koloskopie nicht
klar definiert. 2 randomisierte Studien haben hier keinen eindeutigen Vorteil für
eine frühzeitige Endoskopie innerhalb von 12 Stunden ergeben. Es zeigte sich kein
Unterschied hinsichtlich Mortalität, Substitution von Blutprodukten, KH-Verweildauer
und Rezidivblutungsrate zwischen der frühen Koloskopie und der Koloskopie innerhalb
von 24 – 48 Stunden [498]
[499].
Neuere Techniken mit integrierter endoskopischer Darmspülung während der Koloskopie
erlauben eine adäquate Beurteilung hinsichtlich der Blutungsquellensuche auch ohne
orale Vorbereitung [500]. Zusammenfassend erscheint, dass in der Regel eine ausreichende, vorbereitende Darmspülung
zur Beurteilung der Blutungsquelle gerechtfertigt ist [501]. Ausnahmen stellen Situationen mit bekannter Blutungslokalisation wie akute Blutungen
nach vorangegangener Polypektomie oder eine postoperative Anastomosenblutung dar.
Hier besteht zudem durch die vorangegangene Darmreinigung eine meist ausreichende
Beurteilbarkeit. Bei starken Blutungen orientiert sich die Dringlichkeit der Endoskopie
an der klinischen Situation des Patienten. Bei klinischem Verdacht auf eine Hämorrhoidalblutung
ist eine frühe Proktoskopie gerechtfertigt.
4.4.2 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Bei Kreislaufinstabilität/Schock soll eine intensivmedizinische Betreuung und eine
Kreislaufstabilisierung mit Volumensubstitution und ggf. Gabe von Blutprodukten vor/während
der Endoskopie erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die intensivmedizinische Kreislaufstabilisierung mit ggf. Intubation steht bei instabilen
und aspirationsgefährdeten Patienten im Vordergrund; hier wird auf die S3-Leitlinie
Sedierung verwiesen [502]. Bei der Gabe von Blutprodukten hat sich ein restriktiveres Transfusionsverhalten
durchgesetzt, das aktuellen Daten geschuldet ist. Hier sprechen sich internationale
Empfehlungen für die Gabe von Blutprodukten erst bei einem Hämoglobinwert ≤ 7 g /dl
aus [503]. Eine große Fallserie [504] evaluierte 4441 Patienten mit oberer GI-Blutung. 44 % der Patienten erhielten Erythrozytenkonzentrate
innerhalb der ersten 12 Stunden bei einem Hb Wert von > 8 g/dl oder < 8 g/dl. Auch
nach Korrektur bzgl. des initialen Hb-Wertes war die frühe Bluttransfusion mit einem
2fach erhöhten Risiko für eine Rezidivblutung (OR 2,26, 95 % CI 1,76 – 2,90) und einem
Anstieg der Mortalität um 28 % (OR 1,28, 95 % CI 0,94 – 1,74) verbunden. Eine aktuelle
randomisierte klinische Studie verglich liberales (Bluttransfusion < 9 g/dl) und restriktives
Tansfusionsverhalten (Bluttransfusion < 7 g/dl) bei 921 Patienten mit oberer GI-Blutung
[505]. Die Überlebenswahrscheinlichkeit nach 6 Wochen war signifikant höher in der restriktiven
Transfusionsgruppe (95 vs. 91 %; HR für Mortalität 0,55; 95 % CI 0,33 – 0,92; p = 0,02).
Dies galt für die Ulkusblutung (HR 0,70; 95 % CI, 0,26 – 1,25) und insbesondere für
Patienten mit Leberzirrhose Child-Pugh-Stadium-A/B (HR 0,30; 95 % CI 0,11 – 0,85).
Die Rezidivblutungsrate lag in der restriktiven Gruppe niedriger (10 vs. 16 % p = 0,01)
ebenso die Rate an unerwünschten Ereignissen (40 vs. 48 % p = 0,02).
Prokinetika bei oberer GI-Blutung
Empfehlung
250 mg Erythromycin iv. sollte 30 – 60 Minuten vor der Endoskopie einer frischen oberen
gastrointestinalen Blutung mit zu erwartenden Blutkoageln im Magen zur Verbesserung
der Beurteilbarkeit verabreicht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Der Motilin-Rezeptoragonist beschleunigt die Magenentleerung und hat in Studien und
in einer aktuellen Metaanalyse [506]
[507] ein verbessertes Outcome für die Lokalisation der Blutungsquelle und die endoskopische
Therapie bei oberer GI-Blutung gezeigt. Hier reduzierte die Gabe von Prokinetika (Erythromycin
in 3 Studien und Metoclopramide in 2 Studien) im Vergleich zu Placebo oder keiner
Gabe von Prokinetika, signifikant die Notwendigkeit einer erneuten ÖGD (OR 0,55; 95 %
CI, 0,32 – 0,94) ohne Einfluss auf die Gabe von Blutprodukten, Krankenhausverweildauer
oder die Frequenz von chirurgischen Eingriffen [506]
[507]. Einschränkend muss erwähnt werden, dass es sich bei der Gabe von Erythromycin um
einen Off-label-use handelt.
Protononenpumpeninhibitoren vor der Endoskopie bei oberer GI-Blutung
Empfehlung
Bei Verdacht auf akute Ulkusblutung soll die Therapie mit PPI unverzüglich, unabhängig
vom Zeitpunkt der Endoskopie, verabreicht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Cochrane-Metaanalyse [508] zur Frage der PPI-Gabe vor Endoskopie bei oberer GI-Blutung analysierte 6 RCTs mit
insgesamt 2223 Patienten. In der Indexgastroskopie der PPI-Gruppe zeigte sich eine
geringere Rate akuter Blutungstigmata (aktive Blutung, Blutkoagel oder Gefäßstumpf)
und therapeutischer Eingriffe verglichen mit der Kontrolle ohne PPI (Placebo oder
H-2 Rezeptorantagonisten) [508]. Auch wenn kein Einfluss auf die Langzeitmorbidität und -mortalität nachgewiesen
werden konnte, erscheint die Gabe von PPI in der Wartezeit vor der Endoskopie sinnvoll.
4.4.3 Durchführung
4.4.3.1 Endoskope und Blutstillungstechniken
Empfehlung
Es sollte ein therapeutisches Endoskop mit großlumigem Arbeitskanal verwendet werden,
welches eine suffiziente Spülung und Absaugung erlaubt. Der Anschluss einer automatischen
Spülvorrichtung sollte möglich sein.
Konsens
Kommentar
Ein Endoskop mit therapeutischem Arbeitskanal gewährleistet die Absaugung von Blutkoageln
und, in Kombination mit der Spülvorrichtung, die Lokalisation der Blutungsquelle.
Endoskopische Hämostaseverfahren
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie nicht variköser Blutung können die Injektionstherapie
mit NaCl 0,9 %, verdünnter Suprareninlösung oder die Injektion mit Fibrinkleber, sowie
thermische Koagulationsverfahren und mechanische Verfahren (Hämoclipping) angewandt
werden.
Reserveverfahren stellen der Verschluss mit einem Vollwandverschlussclip und die Sprühapplikation
von Hämostasespray dar. Die Verwendung von anderen Sklerosierungssubstanzen zur Therapie
der nicht varikösen Blutung kann nicht empfohlen werden.
Starker Konsens
Injektionstherapie
Die Injektion von meist isotonischer Kochsalzlösung erfolgt über einen Injektionskatheter
und führt über eine lokale Kompression und bei Zusatz von vasoaktiven Substanzen wie
Adrenalin, in einem Verdünnungsverhältnis von 1:10 000 oder 1: 20 000, durch eine
zusätzliche Vasokonstriktion zur Hämostase.
Sklerosierende Substanzen wie Polidocanol und Ethanol verursachen keine Gewebetamponade,
sondern eine direkte Gewebeulzeration, hier wurden lokale Gewebeschäden, Ulzerationen
und Thrombosen beschrieben. Daher werden diese Substanzen nicht mehr empfohlen [495].
Die Injektion von Fibrinkleber verklebt die Blutung und aktiviert die lokale Wundheilung
durch einen primären Fibrinclot. Dieser besteht aus zwei Komponenten (Komponente 1:
Fibrinogen, Faktor XIII, Aprotinin. Komponente 2: Thrombin, Calciumchlorid), bei Mischung
der beiden Anteile kommt es zur Ausbildung eines Fibrinnetzes. Die Injektion erfolgt
entweder durch eine spezielle Nadel mit 2 Kammern oder über einen Doppelaufsatz durch
die Sklerosierungsnadel. Hier ist auf die parallele, rasche Applikation der beiden
Komponenten zu achten, um ein vorzeitiges Verkleben der Nadel zu vermeiden. Ältere
Daten liefern Belege für eine Wirksamkeit der Injektion von Fibrinkleber in der Blutstillung
von nicht varikösen GI-Blutungen [509]. Dieser ist allerdings kostenintensiv und aktuelle Daten zum Vergleich mit modernen
Hämostaseverfahren liegen nicht vor.
Thermische Verfahren
Diese umfassen mono-, bi- und multipolare Koagulationssonden und Heather-Probes zur
Koagulation bzw. Verkochung von Gefäßen, kombiniert mit einem lokalen Kompressionseffekt
durch den Druck der Sonde. Koagulationszangen kombinieren die Biopsie mit der monopolaren
oder bipolaren Koagulation und der Möglichkeit zur gezielten Blutungsstillung durch
Verödung der Gefäße. ESD-Messer ermöglichen eine elektrische Koagulation zur Blutungsstillung,
neben der Schneide- und Präparationsfunktion.
Bei der Anwendung von Argonplasmakoagulation wird Hochfrequenzstrom durch ionisiertes
Argongas über einen flexiblen teflonbeschichteten Katheter auf das Gewebe übertragen.
Dabei erfolgt die Koagulation nahe der Zielstruktur ohne Berührung des Gewebes. Die
Eindringtiefe der APC-Koagulation und damit die Perforationsgefahr ist begrenzt. Hauptindikation
für die gastrointestinale Blutung sind die Verödung von Angiodysplasien und die palliative
Therapie von Tumorblutungen. Hier werden Pulsfrequenzen von 1 – 2 s und Energien von
40 – 60 Watt verwendet [495].
Mechanische Therapie
Endoskopisch applizierbare Metallclips in verschiedenen Größen greifen bis in die
Submukosa. Sie sind indiziert zum Verschluss von Gefäßstümpfen mit oder ohne aktive
Blutung und zur Wundrandadaptation [510]. Der Vollwandverschlussclip ermöglicht einen Vollwandverschluss und wurde entwickelt
für die Therapie der schweren GI-Blutung und zum Verschluss von Perforationen [511]
[512]
[513]. Ähnlich einem Bandligatursystem wird die Aufsatzkappe mit dem Clip (12 und 14 mm,
traumatisch oder atraumatisch) auf die Spitze eines therapeutischen Endoskops aufgezogen.
Mit einer speziellen Doppelzange oder einem Ankersystem wird das Gewebe in die Aufsatzkappe
eingezogen und eingesaugt. Anschließend wird der Clip über die Kappe über das Gewebe
gestreift. Eine vergleichende Ex-vivo-Studie zur Blutungstherapie zeigte eine höhere
Hämostaserate für den Vollwandverschlussclip im Vergleich zu zwei konventionellen
Hämoclips [514]. Fallserien berichten über die erfolgreiche Verwendung des Vollwandverschlussclips
als Reserveverfahren bei vorangegangener, erfolgloser endoskopischer Therapie von
GI-Blutungen [515].
TC 325
Seit kurzem steht als Reserververfahren für die obere und untere GI-Blutung ein nicht
organischer Puder (TC 325) zur Verfügung. Die Substanz wird in kurzen Sprühstößen,
unter CO2 -Druck, auf die Blutungsquelle aufgesprüht. Dabei hat der Sprühkatheter
einen Abstand von 1 – 2 cm von der Blutungsquelle. Das anorganische Material aktiviert
die Gerinnung und formiert eine granuläre Hämostase auf der Blutungsquelle. Nach ersten
Studien zur Sicherheit und Effizienz im Tiermodell [516] liegt eine prospektive, multizentrische Studie zu First-line- und Second-line-Therapie
bei 63 Patienten mit oberer GI-Blutung vor [517]. 57 Patienten wurden nur mit dem Blutungsspray behandelt, hier lag die primäre Hämostaserate
bei 47/57 (85 %; 95 % CI: 76 – 94 %) mit einer Rezidivblutungsrate von 15 % im Follow-up
7 Tagen (95 % CI, 5 – 25 %).
Bisher wurde die Substanz bei peptischen Ulkusblutungen, Blutungen unter antithrombotischer
Therapie und Tumorblutungen eingesetzt [518]
[519]
[520]
[521].
TC 325 ist bisher nicht zugelassen für die variköse Blutung, da eine Embolisatverschleppung
über den Gefäßweg befürchtet wird. Hier wurde der erfolgreiche Einsatz als Reserveverfahren
kasuistisch bei Ösophagusvarizenblutung bereits berichtet [522]
.
Endosonografisch gestützte intravaskuläre Therapien (Cyanoacrylat, Polidocanol, Thrombin,
absoluter Alkohol, Thrombin) endoskopisch nicht beherrschbarer oder rezidivierender
arterieller gastrointestinaler Blutungen (Ulcus Dieulafoy, viszerales Pseudoaneurysma,
Tumorblutung, vaskuläre Malformation) sind bisher nicht systematisch evaluiert, sondern
nur kasuistisch berichtet worden [578]
[579]
[580]
[581]
[582]
[583]
[584] und können in endoskopisch nicht beherrschbaren Notfallsituationen eine Alternative
zu radiologischen und chirurgischen Blutstillungsverfahren sein.
Empfehlung
Ein adhärentes Koagel sollte zur Risikoeinschätzung und zur Durchführung der weiteren
endoskopischen Therapie entfernt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Ist ein adhärentes Koagel leicht zu entfernen, ist eine endoskopische Therapie und
eine genauere Risikoeinschätzung des Rezidivblutungsrisikos bei z. B. Ulkusblutung
möglich.
Vergleichende Daten liegen vor allem für die peptische Ulkusblutung vor. Bei nicht
leicht ablösbarem Koagel ist die Datenlage uneinheitlich. Eine Metaanalyse zur endoskopischen
Therapie von Ulkusblutungen schloss unter anderem 5 randomisierte Studien an 189 Patienten
mit adhärentem Koagel ein, hier wurde die endoskopische mit der medikamentösen Therapie
verglichen [523]. Bei adhärentem Clot ergab sich, im Unterschied zu den Daten mit aktiver Blutung
aus einem Gefäß oder sichtbarem Gefäßstumpf, kein Vorteil für die Endoskopie hinsichtlich
der klinischen Endpunkte (Rezidivblutung, chirurgische Intervention) [523]. Bei Einzelbetrachtung der Studien zeigten 2 einen Vorteil für die Endoskopie, 2
keinen Vorteil und 1 Studie bestand nur aus 5 Patienten und war damit nicht repräsentativ
für die Fragestellung. Eine andere Metaanalyse [524] zeigte in der Gruppe mit endoskopischer Koagelentfernung und endoskopischer Therapie
eine signifikant verminderte Rezidivblutungsrate im Vergleich zur medikamentösen Therapie
(8.,2 vs. 24,7 %, p = 0,01; RR 0,35 (95 % CI 0,14–,.83; number needed to treat, 6,3).
Daher ist die Ablösung des adhärenten Koagels – falls möglich – sinnvoll, bleibt aber
eine Fall zu Fall Entscheidung [495].
4.4.3.2 Endoskopische Hämostaseverfahren in Abhängigkeit von der Blutungsursache
Peptische Ulkusblutung
Empfehlung
Bei Vorliegen von Hochrisikostigmata bei peptischer Ulkusblutung soll eine Injektionstherapie
durch ein zweites endoskopisches Hämostaseverfahren (Hämoclip/thermische Verfahren)
ergänzt werden, um eine Rezidivblutung zu vermeiden.
Bei ausreichender Beurteilung der Blutungsquelle kann primär eine alleinige Hämoclip-Applikation
oder ein thermisches Verfahren angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Hochrisikostigmata für eine Rezidivblutung sind eine spritzende arterielle Blutung
bzw. ein sichtbarer Gefäßstumpf.
Für die Therapie der peptischen Ulkusblutungen wurde durch mehrere Metanalysen und
eine Cochrane-Analyse belegt, dass die Kombination mit einem zweiten Hämostaseverfahren
(Hämoclip oder thermisches Verfahren) der alleinigen Injektionstherapie hinsichtlich
Rezidivblutungsrate und der Notwendigkeit zur Operation signifikant überlegen ist
[523]
[525]
[526]
[527]
[528]. Unter dualer Therapie zeigte sich zusätzlich in einigen Studien ein statistisch
nicht signifikanter Trend zu einer geringeren Mortalität [523]
[525]
[526]
[528]
[529]. Im Vergleich waren Hämoclips und thermische Verfahren auch in der Monotherapie
überwiegend gleichermaßen effektiv [523]
[525]
[527]
[528]
[529]. Nur eine Metaanalyse [526] ergab in der Subgruppenanalyse eine Überlegenheit der Hämoclip-Monotherapie bzgl.
der Rezidivblutungsrate im Vergleich mit der alleinigen thermischen Therapie. Der
Effekt war nicht mehr nachweisbar, sobald die thermische Therapie mit der Injektionstherapie
kombiniert wurde.
In der klinischen Praxis dient die Injektionstherapie, neben der akuten Hämostase,
der Herstellung einer ausreichenden Beurteilbarkeit der Blutungsquelle. Daran schließt
sich die Anwendung eines mechanischen Verfahrens z. B. Hämoclip oder alternativ eines
thermischen Verfahrens an. Bei initial guter Sicht kann die Injektionstherapie entfallen.
Welches Verfahren zur Anwendung kommt, ist abhängig von der lokalen Expertise.
Mallory-Weiss-Läsionen
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von Blutungen aus Mallory-Weiss-Läsionen des Ösophagus
sollten eine Injektionstherapie und/oder mechanische Verfahren wie z. B. ein Hämoclip-Wundrandverschluss
Anwendung finden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die endoskopische Injektion von verdünntem Suprarenin wurde eine effektive Blutstillung
bei Blutungen aus Mallory-Weiss-Läsionen nachgewiesen [530]. Für den Hämoclip-Verschluss zeigten vergleichende Studien und prospektive Serien
eine mindestens ebenso effektive Blutstillung, bei zusätzlichem Vorteil des Wundrandverschlusses
[531]
[532]. In den letzten Jahren wurde auch die Gummibandligatur als Verfahren zur Blutstillung
bei Mallory-Weiss-Läsion mit vergleichbarer Effektivität zum Hämoclip-Verschluss bzw.
zur Epinephrininjektion publiziert [43, 44[. Der Hämoclip-Verschluss gilt in Deutschland
allerdings, neben der Injektionstherapie, als das Standardverfahren.
Vaskuläre Malformation
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von Blutungen aus vaskulären Malformationen sollten thermische
Verfahren angewandt werden.
Zur endoskopischen Therapie einer GAVE können thermischen Verfahren oder eine endoskopische
Gummibandligatur angewandt werden.
Zur endoskopischen Therapie einer Dieulafoy-Läsion können neben thermischen Verfahren
auch mechanische Verfahren (z. B. Hämoclip, Ligatur) angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei den endoskopisch zu behandelnden vaskulären Malformationen handelt es sich meist
um Angiodysplasien, GAVE oder seltener Dieulafoy-Läsionen. Die endoskopische Therapie
von vaskulären Malformationen basiert dabei hauptsächlich auf thermischen Verfahren.
Hier ist die Argonplasmakoagulation die meist angewandte Technik. Bis auf Fallserien
existieren keine kontrollierten Studien zur endoskopischen Therapie von Angiodysplasien
und wenige vergleichende Daten zur GAVE bzw. Ulcus-Dieulafoy [535]. Ein aktueller systematischer Review stellt die Studienlage zu Angiodysplasie und
GAVE, inklusive der medikamentösen Therapieoptionen [536], anhand von 50 Studien bei 1790 Patienten mit Angiodysplasien oder GAVE dar. Die
Qualität der Daten zu den endoskopischen Therapieoptionen wurde hier allerdings als
überwiegend insuffizient bzw. nicht ausreichend beurteilt (Fallserien, keine RCT),
um eine finale Einschätzung zur Wirksamkeit zu geben.
Bei einer gastrisch antralen vaskulären Ektasie (GAVE) finden sich meist im Antrum
lokalisiert, diffus oder linear angeordnete Erosionen. Histologisch liegen dilatierte
mukosale Kapillaren und eine fibromuskuläre Hyperplasie der Lamina propria vor [537]. Die genaue Ätiologie der Veränderungen ist unklar. Eine Senkung des Pfortaderdruckes
z. B. durch eine TIPS-Anlage reduziert die Blutungsrate nicht. Die endoskopische Therapie
besteht in der endoskopischen Verödung mit thermischen Verfahren z. B. APC oder in
der Gummibandligatur des Antrums. Ein kürzlich publizierter retrospektiver Vergleich
zur Bandligatur bei GAVE zeigte eine signifikant geringere Rekurrenzrate der Blutungen
im Follow-up nach Ligatur im Vergleich zur APC-Therapie (8,3 vs. 68,2 %) [538]. Eine kleine Pilotstudie prüfte die Radiofrequenzablation mittels Halo 90 im Rahmen
des Barrx-System bei GAVE. Hier zeigte sich, nach im Mittel 1,7 Ablationssitzungen,
eine HB-stabile Situation im Follow-up von 3 Monaten bei 5 von 6 Patienten [539]. Die therapeutische Effektivität dieser seitens der Materialkosten vergleichsweise
aufwändigen Methode, bleibt im Rahmen von prospektiven Vergleichsstudien abzuwarten.
Für das Ulcus Dieulafoy wurden neben thermischen Verfahren, Injektionsverfahren und
mechanische Verfahren wie der Hämoclipverschluss beschrieben. Eine randomisierte kontrollierte
Studie [540] zur Epinephrininjektion im Vergleich zum Hämoclipping an je 16 Patienten zeigte
keine Unterschiede in der primären Hämostaserate (87,5 vs. 93,8, p = 1,00). Die Hämoclip-Behandlung
erzielte aber eine signifikant höhere Rate an permanenter Hämostase (0 vs. 35,7 %,
p < 0,05) mit einer geringeren Rate an Wiederholungseingriffen. Eine kleinere Serie
belegte ebenfalls die Wirksamkeit einer endoskopischen Gummibandligatur zur Therapie
[541]. Auch eine Anwendung des Vollwandverschluss Clips [542] wurde zur effektiven Blutstillung beschrieben.
Zur Therapie von Blutungen aus erweiterten mukosalen Gefäßen bei Strahlenproktitis
ist die Argonplasmakoagulation ein etabliertes Verfahren [543]. Eine Serie von 56 Patienten mit unterer GI-Blutung bei Strahlenproktitis zeigte
eine erfolgreiche APC-Therapie bei allen 27 Patienten mit leichter Proktitis und 23/29
(79 %) Patienten mit schwerer Proktitis. Im Follow-up von 17,9 Monaten (Range 6 – 33)
blieben 34/38 Patienten (89,5 %) in klinischer Remission. Vergleichende Studien der
Argonplasmakoagulation zur hyperbaren Sauerstofftherapie [544] oder zur bipolaren Koagulation [545] resultierten in einer vergleichbaren Effektivität der Verfahren.
Blutung aus GI-Tumoren
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von Blutungen aus gastrointestinalen Tumoren können thermische
Verfahren Anwendung finden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur palliativen endoskopischen Therapie von Blutungen aus GI-Tumoren liegen im Wesentlichen
Fallsammlungen oder kombinierte Daten zur Tumormassenreduktion bzw. Behandlung einer
Obstruktion vor. Hier kommen überwiegend thermische Verfahren wie die Argonplasmakoagulation
oder die bipolare Koagulation [546]
[547]
[548] zur Anwendung. Alternativ kann bei geeigneter Lokalisation die Einlage eines SEMS
erfolgen [549]. Ein Reserveverfahren kann die Applikation von TC 325 sein [520].
Divertikelblutung
Empfehlung
Eine endoskopische Diagnostik und ggf. Therapie sollte bei v. a. Kolondivertikelblutung
nach Darmlavage erfolgen. Zur endoskopischen Hämostase einer akuten Divertikelblutung
sollten primär Injektionsfahren und mechanische Verfahren (z. B. Hämoclip, Ligatur)
angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Kolonoskopie v. a. bei Divertikelblutung dient überwiegend der Diagnosesicherung
und dem Ausschluss anderer Ursachen für eine untere GI-Blutung. Die Divertikelblutung
sistiert meist spontan, eine endoskopische Intervention ist beim geringeren Teil der
Patienten notwendig und möglich. Dies belegt auch eine aktuelle Fallserie von 133
konsekutiven Patienten mit Kolondivertikelblutung. Hier zeigte sich eine spontane
Hämostase bei 123 Patienten (92,4 %). Endoskopische Interventionen waren bei den verbleibenden
10 Patienten erforderlich und die Rezidivblutungsrate, innerhalb von im Mittel 47,5
Monaten, lag bei 13,8 % [550]. Dies entspricht älteren Fallserien, die eine Diagnosesicherung durch die Endoskopie
in bis zu 90 % und eine erfolgreiche endoskopische Blutstillung in bis zu max. 39 %
beschreiben [551]
[552]
[553]
[554]
[555]
[556]. Dabei kommen Injektionsverfahren und thermische Verfahren in den älteren Arbeiten
und mechanische Verfahren (Hämoclipping) in Arbeiten jüngeren Datums zum Einsatz.
Eine aktuelle retrospektive Studie an 64 Patienten mit Divertikelblutung resultierte
bei 24 Patienten in einer akuten Blutung. Bei 81 % der akuten Divertikelblutungen
war eine primäre Hämostase mit Hämoclip-Applikation möglich; die Rezidivblutungsrate
aller Patienten, innerhalb von im Mittel 35 Monaten, lag bei 22 % [557]. Die erneute Blutung war überwiegend selbstlimitierend (57 %), wurde endoskopisch
erfolgreich geclippt (29 %) oder embolisiert (14 %).
Neuere Arbeiten beschreiben alternativ zum Hämoclipping die endoskopische Gummibandligatur
als endoskopisches Hämostaseverfahren bei Kolonodivertikelblutung [558]. Ein retrospektiver Vergleich der Gummibandligatur mit dem Hämoclip-Verschluss (n = 10
vs. n = 48) zeigte eine gleichwertige Rate beider Verfahren bzgl. der primären Hämostase,
bei einer höheren frühen Nachblutungsrate in der Hämoclipgruppe (6 vs. 33 %) [559]. Prospektiv-randomisierte Studien zum Vergleich der Hämostaseverfahren liegen für
die akute Divertikelblutung nicht vor.
Blutung während/nach endoskopischer Resektion (Post-Polypektomie, EMR, ESD)
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von intraprozeduralen Blutungen während endoskopischer
Resektion können Injektionsverfahren, thermische Verfahren und mechanische Verfahren
zum Einsatz kommen. Eine Empfehlung für ein bestimmtes Verfahren oder eine Kombination
kann basierend auf der aktuellen Datenlage nicht gegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die Therapie von intraprozeduralen Blutungen bei Polypektomie bzw. endoskopischen Resektionverfahren liegen keine vergleichenden
Studien zur Effektivität verschiedener endoskopischer Hämostaseverfahren vor. Bei
Großflächenresektion wie der ESD erfolgt meist eine thermische Koagulation blutender
Gefäße mit speziellen Koagulationszangen [560], die das weitere Resektionsverfahren weniger behindern als mechanische Verfahren
[561]. Für intraprozedurale Blutungen bei Großflächen EMR von 198 Kolonadenomen (mittlere
Größe 41,5 mm, 64 % rechtes Kolon) konnte für die Soft-Koagulation blutender Gefäße
mit der geschlossenen Schlingenspitze eine effektive Hämostase in 91 % der Fälle gezeigt
werden [562]. Andere Daten evaluierten nach Ende der Resektion bei Sickerblutung das Aufsprühen
eines Aminosäuregels [563].
Zur Therapie von postprozeduralen Blutungen stehen Injektionstherapie, mechanische und thermische Verfahren zur Verfügung [560]
[564]. Studien zum Vergleich einzelner Hämostaseverfahren liegen nicht vor. Die Wahl des
Verfahrens richtet sich nach dem endoskopischen Befund. Ein Reservefahren bei starker
oder diffuser Blutung kann die Applikation von Hämospray sein; dies wurde kasuistisch
bereits beschrieben [565].
4.4.3.4 Endoskopische Blutungsprophylaxe nach endoskopischer Resektion
Empfehlung
Zur Prophylaxe von frühen Blutungen nach Polypektomie und endoskopischer Resektion
können singuläre oder kombinierte Blutstillungstechniken angewandt werden. Die Entscheidung
zur Anwendung einer Blutungsprophylaxe kann bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren
(Läsionsgröße > 10 mm, Lokalisation z. B. im rechten Kolon, Komorbiditäten) getroffen
werden.
Starker Konsens
Zur Blutungsprophylaxe nach endoskopischer Resektion existieren insbesondere Daten zur Polypektomie von Kolonpolypen sowie einige Studien
zur endoskopischen Mukosaresektion.
Eine Metaanalyse zur Blutungsprophylaxe, die 8 Studien mit 2595 Polypektomien umfasst,
ergab eine verminderte Rate einer frühen Postpolypektomieblutung unter Verwendung
einer prophylaktischen Hämostasemethode im Vergleich zur Kontrollgruppe (2,58 vs.
8,15 %, OR 0,34, 95 % CI 0,20 – 0,58, p < 0,0001). Die Verwendung kombinierter Blutungsstillungstechniken
im Vergleich zu einer angewandten Technik senkte die frühe Blutungsrate ebenfalls
signifikant (0 vs. 8,41 %, OR 0.,12, 95 % CI, 0,03 – 0,47, p = 0,002). Die Rate der
späten Postpolypektomieblutung hingegen blieb unbeeinflusst von der Anwendung einer
einzelnen oder kombinierten Blutungsstillungstechnik [566]. Für die EMR sessiler und flacher Kolonadenome von mindestens 2 cm Größe, belegte
eine retrospektive Analyse von 524 Läsionen die Effektivität des prophylaktischen
Hämoclip-Verschlusses hinsichtlich der 30-Tage-Blutungsrate. Die Blutungsrate lag
bei 9,7 % ohne Hämoclipping und bei 1,8 % mit Clipverschluss. In der multivariaten
Analyse waren kein Hämoclip (OR 6,0, 95 % CI 2,0 – 18,5), eine Lokalisation an der
linken Kurvatur (OR 2,9; 95 % CI 1,05 – 8,1) und die Läsionsgröße (OR 1,3, 95 % CI
1,1—1,7 je 10-mm Größenzunahme) mit einer Zunahme der Blutungsrate assoziiert [567]. Ein aktueller RCT zum Vergleich der prophylaktischen Clip-versus-Endoloop-Applikation
vor Resektion großer gestielter Kolonpolypen zeigte keine Überlegenheit für eines
der beiden Verfahren [568]. Auch für die EMR von Magenläsionen konnte die prophylaktische Effektivität eines
Hämoclip-Verschlusses mit einer Senkung der Post-EMR-Blutungsrate gezeigt werden [569]. Eine retrospektive Studie von 1083 ESD-Läsionen analysierte die präventive Koagulation
von sichtbaren Gefäßen und die Lokalisation im oberen Magendrittel als unabhängige
Risikofaktoren für eine geringe Rate postprozeduraler Blutungen [570].
Ob nach Polypektomie oder endoskopischer Resektion ein prophylaktisches, endoskopisches
Hämostaseverfahren zur Anwendung kommt, ist derzeit eine individuelle Entscheidung.
Diese kann bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren gestützt werden. Eine Analyse von 9336 Polypektomien im Kolon ergab eine Postpolypektomieblutung
bei 2,8 %. Die multivariate Analyse auf Polypenbasis ermittelte als Risikofaktoren
für eine Postpolypektomieblutung folgende Faktoren: Ein Alter ≥ 65 Jahren, kardiovaskuläre
oder renale Komorbidität, Polypengröße > 1 cm, gestielte Polypen oder laterally spreading
Adenome, die Verwendung reinen Schneidestroms in der Abtragung sowie eine insuffiziente
Darmlavage [571]. Eine weitere aktuelle Studie identifizierte als unabhängige Risikofaktoren für
eine Postpolypektomieblutung die Polypengröße mit einem Risikoanstieg von 13 % pro
1 mm Größenzunahme (OR 1,13, 95 % CI 1,05 – 1,20, p < 0,001) und die Lokalisation
im rechen Kolon (OR 4,67 [1,88 – 11,61, p = 0,001]) [572]. Für die Großflächen EMR von Kolonadenomen zeigte eine prospektive Analyse von 1172
Patienten mit Adenomen ≥ 20 mm (mittlere Größe 35,5 mm) eine intraprozedurale Blutung
bei 11,3 %. Unabhängige Risikofaktoren waren die Läsionsgröße (OR 1,24/0 mm; p < 0,001),
eine Paris Classification von 0–IIa + Is (OR, 2,12, p = 0,004), und eine tubulovillöse
oder villöse Histologie (OR 1,84, p = 0,007). Eine postprozedurale Blutung trat bei
6,2 % auf, hier waren die Lokalisation im proximalen Kolon (OR 3,72, p < 0,001), der
Gebrauch von reinem Schneidestrom (OR 2,03, p = 0,038) und die stattgehabte intraprozedurale
Blutung (OR 2,16, p = 0,016) unabhängige Risikofaktoren für ein postprozedurales Blutungsereignis
[564]. Alle Blutungen konnten endoskopisch therapiert werden.
4.4.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Im Falle einer Rezidivblutung sollte ein erneuter endoskopischer Therapieversuch erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei peptischen Ulzera kann in bis zu 25 % eine Rezidivblutung auftreten, hier ist
ein erneuter endoskopischer Therapieversuch gerechtfertigt [503]
[573]
[574]. Bei großem und tiefem Ulkus, schwieriger anatomischer Lage mit protrahierter Blutungsstillung
und bei rezidivierender Blutung ist generell eine frühzeitige Information und Einbindung
der Chirurgie sinnvoll.
Auch wenn zur Fragenstellung der Effektivität einer erneuten endoskopischen Therapie
bei Rezidiv einer Postpolypektomieblutung, Post-EMR/ESD oder Divertikelblutung keine
gezielten Studien vorliegen, lassen die vorliegenden Fallserien eine zweite endoskopische
Blutstillung gerechtfertigt erscheinen [557]
[564]
[571]
[572].
Empfehlung
Nach erfolgreicher endoskopischer Hämostase kann die generelle Second-look-Endoskopie
nicht empfohlen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die generelle Durchführung einer endoskopischen Routinekontrolle ist anhand der besehenden
Daten und Metaanalysen kontrovers diskutiert. Die überwiegend zu diesem Thema publizierten
älteren Studien zur peptischen Ulkusblutung benutzen primär die Epinephrininjektion
oder thermische Hämostaseverfahren. Eine aktuelle Metaanalyse schloss 4 voll publizierte
Studien und 4 Abstracts ein (938 Patienten) [575]. Die Rezidivblutungsrate war in der Second-look-Endoskopiegruppe generell erniedrigt
(OR 0,55; 95 % CI 0,37 – 0,81), ebenso die Frequenz chirurgischer Eingriffe (OR 0.43;
95 % CI 0.19 – 0.96), die Mortalität blieb unbeeinflusst (OR 0,65; 95 % CI 0,26 – 1,62).
Wenn eine Hochdosis-PPI-Therapie erfolgte, war der positive Effekt der Routine-second-look-Endoskopie
nicht mehr nachweisbar, ebenso bei Ausschluss der Studien mit Hochrisikoblutungsstigmata.
Eine weitere Metaanalyse zeigte nur für die Patienten bei denen in der Second-look-Endoskopie
ein thermisches Verfahren, im Gegensatz zur Injektionstherapie, angewandt wurde einen
Benefit [576]. Mechanische Verfahren wie Hämoclipping wurden nicht untersucht. Ein systematischer
Review, welcher die Kosten miteinbezog, bewertet die Second-look-Endoskopie als ineffizient
und kostenineffektiv, insbesondere wenn initial eine Hochdosis-PPI-Therapie oder ein
Hämoclipping erfolgte [577]. Derzeit stellt die Second-look-Endoskopie daher eine Einzelfallentscheidung bei
Vorliegen von Hochrisikostigmata für eine Blutung dar [495]
[503].
Empfehlung
Bei Blutung aus peptischen Ulzera mit Hochrisikostimata sollte eine Hochdosis-PPI-Therapie
für 72 Stunden erfolgen. Im Verlauf sollte eine HP-Testung und ggf. HP-Eradikation
erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Für die intravenöse oder orale PPI-Therapie über 72 Stunden bei Hochrisikoulcera konnte
im Vergleich zu Placebo oder H2-Antagonisten in einer Cochrane-Metaanalyse mit 4273
Patienten eine Senkung der Rezidivblutungsrate (10,6 vs. 17,3 %; OR 0,49, 95 % CI
0,37 – 0,65) und der Frequenz der chirugischen Eingriffe (6,1 vs. 9,3 %; OR 0,61,
95 % CI 0,48 – 0,78) aber nicht der Mortalität nachgewiesen werden [585]. Hochdosis-PPI-Gabe (Definition: 80 mg Bolus gefolgt von 8 mg/h Infusion für 72
Stunden) vs. Nicht-Hochdosis-PPI (Definition: Dosierungen unter der Hochdosis) bei
peptischer Ulkusblutung analysierte eine Metaanalyse 7 Studien (1157 Patienten) [586]. Hier zeigten sich keine Unterschiede zwischen Hochdosis- und Nicht-Hochdosis-PPI
bzgl. Rezidivblutung (7 Studien, 1157 Patienten, OR 1,30, 95 % CI 0,88 – 1,91), chirurgischen
Eingriffen (6 Studien, 1052 Patienten, OR 1,49, 95 % CI 0,66 – 3,37) und Mortalität
(6 Studien, 1052 Patienten; 0.,89; 0,37 – 2,13). Die Subgruppenanalyse ergab keine
Abhängigkeit von der Schwere der Blutung der Art der PPI-Gabe (iv. oder p. o.) und
der PPI-Dosis.
Aufgrund der Datenlage lässt sich eine generelle Empfehlung für eine Hochdosis-PPI-Therapie
nicht für jede peptische Ulkusblutung aussprechen, erscheint aber bei Vorliegen von
Hochrisikoblutungsstigmata gerechtfertigt. Ein möglicher Weg ist die initiale intravenöse
Gabe von 80 mg gefolgt ggf. auch von weiteren peroralen PPI-Gaben. Wenn die HP-Testung
nicht bereits während der Akutendoskopie erfolgt ist, sollte eine Empfehlung zur HP-Testung
in der Befunddokumentation ausgesprochen werden [587].
4.4.5 Spezifische Qualitätsindikatoren ([Tab. 27])
Tab. 27
Vorschlag für Qualitätsindikatoren nicht variköser Blutung.
Qualitätsindikatoren
|
präprozedural
|
Frequenz der unverzüglichen PPI-Gabe unabhängig vom Zeitpunkt bzw. vor der Endoskopie
bei Verdacht auf akute Ulkusblutung
|
intraprozedural
|
Frequenz der genauen Beschreibung und Dokumentation von Lokalisation und Art der Blutungsquelle
|
Frequenz der Anwendung eines zweiten endoskopischen Hämostaseverfahren (Hämoclip/thermische
Verfahren) neben der Injektionstherapie bei Vorliegen von Hochrisikostigmata und peptischer
Ulkusblutung
|
postprozedural
|
Frequenz der Empfehlung zur HP-Testung und Fortführung einer PPI-Therapie bei Blutung
aus peptischen Ulzera
|
Kommentar
Präprozedurale Qualitätsindikatoren
Bei Verdacht auf eine akute peptische Ulkusblutung soll die unverzügliche iv. PPI-Gabe
noch vor der Endoskopie Standard sein [508] (Kap. 4.4.2). Die ASGE [587] setzt das Qualitätsziel hier mit > 98 % an.
Intraprozedurale Qualitätsindikatoren
Die Art und Lokalisation der Blutungsquelle z. B. bei peptischen Blutungen nach der
Forrest-Klassifikation stellt ein Qualitätskriterium dar und gibt einen Anhalt für
das Rezidivblutungsrisiko [587]. Deskription von Art und Lokalisation wird in der ASGE-Empfehlung mit > 80 % eingefordert,
die Beschreibung von Blutungstigmata mit > 98 % [587]. Bei peptischen Blutung oder Blutungen bei sichtbarem Gefäßstumpf soll nach Injektionstherapie
ein thermisches oder mechanisches Hämostaseverfahren zur Anwendung kommen, um das
Rezidivblutungsrisiko zu senken. Dies kann selbstverständlich auch bereits initial
erfolgen [523]
[525]
[526]
[528]
[529]. In der ASGE-Empfehlung beträgt das Qualitätsziel hier > 98 % [97 %].
Postprozedurale Qualitätsindikatoren
Die Empfehlung zur HP-Testung (falls nicht bereits während der Akutendoskopie erfolgt)
und Fortführung einer (ggf. auch Hochdosis)-PPI-Therapie bei Blutung aus peptischen
Ulzera stellt ein postprozeduralen Qualitätsparameter dar [587]. Die ASGE spricht sich in beiden Punkten für ein Qualitätsziel von > 98 % aus (97 %).
Kap 4.5 Koloskopie
Vorbemerkung
Im Folgenden werden als durchgängige Qualitätsparameter der Koloskopie die Vollständigkeit
(Zoekumrate), Polypenfindungsrate (speziell Adenomdetektionsrate[1]) und die Komplikationsrate als vorwiegende Qualitätsparameter genannt. Sie werden
aus den Daten der entsprechenden Studien analysiert, und dann wird die Validität dieser
Qualitätsparameter separat analysiert. Es ist klarzustellen, dass auch diese Qualitätsparameter
nicht zuletzt indikationsabhängig zu betrachten sind. So spielt beispielsweise die
Adenomdetektionsrate bei der Vorsorge und allen Indikationen, bei denen Polypen und
Neoplasien relevant sind, eine Rolle, weniger aber bei anderen Indikationen wie z. B.
chronisch entzündliche Darmerkrankungen, wo die Neoplasiedetektion eine andere Wertigkeit
und Ausprägung hat, oder beispielweise bei Notfallkoloskopien wegen Blutungen.
Einleitung
Indikationen
Die Durchführung einer Ileokoloskopie soll auf einer dokumentierten Indikation beruhen.
Für die Koloskopie gibt es diagnostische Indikationen und die Indikation als Vorsorgeuntersuchung.
Diagnostische Indikationen bestehen, wenn aus der Untersuchung eine diagnostische
oder therapeutische Konsequenz resultiert oder primär eine therapeutische Prozedur
in Erwägung gezogen wird. Bezüglich der einzelnen Indikationen sei auf krankheitsspezifische
Leitlinien und die Empfehlungen der DGVS (www.dgvs.de) und anderer Fachgesellschaft
verwiesen (http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien/ll-liste/deutsche-gesellschaft-fuer-verdauungs-und-stoffwechselkrankheiten.html).
Eine sorgfältige Indikationsstellung erhöht die Rate detektierter klinisch relevanter
Befunde [588]
[589]
[590]
[591]
[592].
Für das Darmkrebsscreening und die Diagnostik von kolorektalem Karzinome und Kolonadenomen
besitzt die Koloskopie die höchste Sensitivität und Spezifität und bietet die gleichzeitige
Möglichkeit der Polypenentfernung [593]. Im Gegensatz zur Stuhltests und zur Sigmoidoskopie [594]
[595]
[596] gibt es für die Koloskopie als Vorsorgeuntersuchung derzeit noch keine direkte Evidenz
aus randomisierten Studien [597]; die Ergebnisse entsprechender randomisierter Outcome-Studien zur Koloskopie werden
nicht vor 2020 vorliegen [598]
[599]. Zur Indikation auch bei Risikoerkrankungen, Screeningintervallen und Durchführung
wird auf die Krebsfrüherkennungsrichtlinien (BAnz. Nr. 34.2011) und die oben erwähnten
DGVS-Leitlinie Kolorektales Karzinom [593] verwiesen.
4.5.1 Spezielle Kontraindikationen
Relative Kontraindikationen
Im Folgenden werden relative Kontraindikationen aufgeführt, die in Lehrbüchern und
in der Literatur immer wieder genannt werden [600]; die Evidenz hierfür ist aber limitiert. Generell sollte der Nutzen der diagnostischen
oder therapeutischen Ileokoloskopie die Risiken des Eingriffs für den einzelnen Patienten
überwiegen. Relative Kontraindikationen betreffen außerdem vorwiegend Krankheitsbilder,
bei denen die Indikation wegen meist fehlender Konsequenzen aus klinischer Sicht eng
zu stellen ist:
-
Akute bekannte Divertikulitis: Zu diesem Thema gibt es zwei nachfolgende Serien aus einer Arbeitsgruppe aus Israel,
die zum einen zeigen konnte, dass die Koloskopie im Setting der akuten Divertikulitis
keine erhöhte Komplikationsrate hat [601], zum anderen einen Benefit für die Patienten nur in der Untergruppe der persistierenden
akuten Divertikulitis haben kann (17 % der Patienten hatten eine andere Differenzialdiagnose,
Fremdkörper als Ursache etc.) [602].
-
Bestehende Perforation ohne therapeutische Absicht des Verschlusses [603]; dies liegt auf der Hand.
-
Fulminant verlaufende Kolitis bzw. toxisches Megakolon außer zu therapeutischen Zwecken (Entlastung durch Absaugen und/oder Einlage einer
Dekompressionssonde [604]
[605]
[606]. Hier ist ansonsten in der Regel der diagnostische Gewinn im Vergleich zum Risiko
zu gering; allenfalls kann eine Rektoskopie in Erwägung gezogen werden.
-
Zu Koloskopie bei Einnahme von gerinnungshemmender Medikation: siehe Kapitel 3.2.
-
Zu Koloskopie in der Schwangerschaft: siehe Kapitel 4.16.
4.5.2 Spezielle Vorbereitung/Voraussetzungen
4.5.2.1 Vorbereitungsqualität
Empfehlung
Durch die Vorbereitung sollen bei der Untersuchung keine oder nur noch minimale Stuhlmengen
nachzuweisen sein, die während der Untersuchung durch Spülung und Absaugen zu entfernen
sind, um eine optimale Untersuchungsqualität zu gewährleisten.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Vorbereitungsqualität soll im Untersuchungsbefund dokumentiert werden, auch wenn
gute Evidenz für ihre Eignung als Qualitätsparameter fehlt; hierzu kann ein vereinfachter
und auf das gesamte Kolon ausgedehnter Boston-Bowel-Preparation-Score verwendet werden.
Konsens
Empfehlung
Untersuchungen, die eine schlechte Vorbereitungsqualität (Score 1) im vereinfachten
Boston-Bowel-Preparation-Score haben, haben eine niedrigere Adenomdetektionsrate und
sollten wiederholt werden, wenn es um Vorsorgeaspekte und Neoplasiedetektion geht.
Starker Konsens
Kommentar
Endoskopieeinheiten sollten Patienten und Pflegepersonal über die notwendigen Maßnahmen
unterrichten, die bei akzeptablem Komfort eine optimierte Darmvorbereitung erlaubt.
Insgesamt sollten mehr als 90 % aller elektiven Koloskopiepatienten ausreichend bis
sehr gut vorbereitet und/oder untersuchbar sein. Eine gute Darmvorbereitung ist für
alle diagnostischen und therapeutischen Koloskopien unabdingbar; Ausnahmen durch Einzelfälle
dem Patienten unmöglicher vollständiger Reinigung und/oder einzelne Indikationen (Ausschluss
grober Veränderungen, Notfallendoskopie bei Blutungen etc) müssen individuell entschieden
werden.
Insgesamt gesehen verbessert eine gute Vorbereitung des Kolons mit oraler Lavage die
Zoekumintubationsrate wie auch die Polypendetektion. Zahleiche Untersuchungen haben
im Gesamtkollektiv der Vorsorgen Korrelationen zwischen der Qualität der Vorbereitung
und Qualitätsparametern der Untersuchung gezeigt, allerdings ist die Validität der
erhobenen Daten trotz des Vorliegens mehrerer Studien begrenzt ([Tab. 28], [29]) [607]
[608]
[609]
[610]
[611]
[612]
[613]
[614]
[615]
[616]
[617]
[618]. In den verschiedenen Studien werden zwei-, dreistufige oder fünfstufige selbstentwickelte,
nicht validierte Scores verwendet. Im Gesamtkollektiv der jeweiligen Studien zeigen
nur die schlechtere von 2, oder die schlechteste von 3 oder die beiden schlechtesten
von 5 Kategorien signifikant niedrigere Zoekumraten und Polypenfindungsraten zeigen,
die 2 – 3 „besseren“ Kategorien unterscheiden sich nicht untereinander [608]
[609]
[610]
[615]
[617]. Zusammengefasst: Nur ein wirklich schmutziges Kolon hat eine geringere Adenomdetektionsrate,
was nicht überrascht. Keiner der in den erwähnten Studien verwendeten selbst entwickelten
(meist einander ähnlichen) Scores wurde intern bezüglich Variabilität zwischen Untersuchern
validiert. Es muss zusätzlich angemerkt werden, dass die Dynamik einer Koloskopie
mit Spülung und Reinigung meist nicht in die Scores einbezogen wird. Damit ist unklar,
ob der Score für den initial vorgefundenen oder durch Reinigungsmaßnahmen erzielten
Sauberkeitszustand des Kolons stehen soll; dies wird in kaum einer der Studien thematisiert
oder berücksichtigt [609].
Tab. 28
Studien zu Vorbereitung und Koloskopiequalität (ADR = Adenomdetektionsrate; OR = Odds
Ratio).
Polypenfindungsrate (ADR) und ähnliche Parameter
|
|
|
Score
|
Ergebnis
|
Harewood [607]
|
CORI database retrospektiv
|
93 004
|
2-stufig (adäquat/nicht adäquat)
|
Korrelation mit Polypen bis 9 mm OR 1,23 keine Korrelation mit Polypen ab 10 mm
|
Froehlich [608]
|
prospektiv
|
5382
|
5-stufig, nicht validiert Auswertung mit Score 3-stufig
|
Vollständigkeit 71 vs. 90 vs. 90 % Polypenrate 24 vs. 33 vs. 29 % (OR 1,7/1,4) Polypen > 1 cm 4,3 vs. 67,0 vs. 6,4 % (OR 1,8/1,7)
|
Adler [609]
|
prospektiv
|
12 134
|
5-stufig, nicht validiert
|
ADR multivariat von schlechter Vorbereitung abhängig, sign. erst bei Score 4 (OR 0,67)/5 (OR 0,22)
|
Jover [610]
|
RCT (Nebenanalyse)
|
4539
|
5-tufig, nicht validiert
|
ADR multivariat nicht von Darmvorbereitung abhängig
|
Lai [611]
|
prospektiv
|
3 Videos
|
Boston-Bowel-Prep-Scale
|
cot-off von 5 hat ADR-Unterschiede von 40 vs. 24 %
|
Kim [612]
|
prospektiv
|
482
|
Boston-Bowel-Prep-Scale
|
cut-off von 8 hat ADR-Unterschiede von 45 vs. 33 %
|
Vollständigkeit
|
Aslinia [613]
|
retrospektiv, database
|
5477
|
5-stufig, nicht validiert
|
Vorbereitung multivariat (OR 0,7), 30,5 % der inkompletten Koloskopien
|
Bowles [614]
|
prospektiv
|
9223
|
kein Score
|
19,6 % ungenügende Vorbereitung als Grund für Nichterreichen des Zoekums
|
Bernstein [615]
|
prospektiv
|
587
|
5-stufig, nicht definiert/validiert
|
sign. Stufe 3 – 5 vs. Stufe 1 – 2
|
Kim [612]
|
prospektiv (?)
|
909
|
3-stufig, nicht validiert
|
96 % komplette Koloskopie, 1,0/% inkomplette wegen schlechter Vorbereitung, verlängerte
Einführungszeit bei schlechter Vorbereitung (OR 2,8)
|
Nelson [617]
|
prospektiv (?)
|
3196
|
3-stufig, nicht validiert
|
bei schlechter Vorbereitung weniger komplette Koloskopien (19,3 vs. 2,8 vs. 2,2 %)
|
Gupta [618]
|
retrospektiv, CORI
|
129 549
|
4-stufig, nicht validiert
|
multivariat schlechte Vorbereitung OR 9,9
|
Tab. 29
Boston-Bowel-Preparation-Scale [616]
[620].
Score 0 – 9
|
|
jeweils getrennt für rechtes Kolon, Kolon transversum, linkes Kolon
|
0
|
unvorbereitetes Kolonsegment, Mukosa wegen festen Stuhls nicht sichtbar, der nicht
entfernt werden kann
|
1
|
Teile der Schleimhaut des Kolonsegments sichtbar, aber andere Areale im selben Segment
nicht gut einsehbar wegen Belegung mit restlichem Stuhl und/oder dunkler Flüssigkeit
|
2
|
geringe Mengen restlicher Stuhlbelegung, kleine Stuhlfragmente und/oder dunkle Flüssigkeit,
aber Schleimhaut des Kolonsegments gut einsehbar
|
3
|
gesamte Schleimhaut des Kolonsegments gut einsehbar, keine restliche Stuhlbelegung,
keine kleinen Stuhlfragmente oder dunkle Flüssigkeit
|
Vorschlag für deutschen Gesamtscore (es zählt das schlechteste Segment): Score 0 – 3
|
0
|
unvorbereitetes Kolon gesamt/in Teilen, Mukosa wegen festen Stuhls nicht sichtbar,
der nicht entfernt werden kann
|
1
|
Teile der Schleimhaut des Kolons gesamt/in Teilen sichtbar, aber andere Areale nicht
gut einsehbar wegen Belegung mit restlichem Stuhl und/oder dunkler Flüssigkeit
|
2
|
geringe Mengen restlicher Stuhlbelegung, kleine Stuhlfragmente und/oder dunkle Flüssigkeit,
aber Schleimhaut des Kolons gesamt/in Teilen gut einsehbar
|
3
|
gesamte Schleimhaut des Kolons gesamt/in Teilen gut einsehbar, keine restliche Stuhlbelegung,
keine kleinen Stuhlfragmente oder dunkle Flüssigkeit
|
Unter den
validierten Scores
befinden sich einige in den USA entwickelte [611]
[612]
[619]
[620]
[621]
[622], die zwar intern bezüglich Interobservervariabilität getestet sind – und meist auch
nur von der Gruppe, die diesen Score einführen will –, allerdings wurden die wenigsten
mit den Qualitätsparameters der Koloskopie (Zoekumrate, Adenomdetektionrate) korreliert.
Der am häufigsten verwendete Score ist der
Boston-Bowel-Preparation-Scale
[611]
[619], der für drei Abschnitte des Kolons die Sauberkeit in drei Stufen (0 unvorbereitet
bis 3 blitzsauber) festlegt, sodass sich Gesamtscores von 0 – 9 ergeben ([Tab. 29]). Dieser Score zeigte in einer Studie anhand von Koloskopievideos eine sehr gute
Konkordanz zwischen Beurteilern (kappa 0,77) und hatte auch bei Werten > und < 5 auch
eine unterschiedliche Adenomdetektionsrate, einschränkend wurde dieser Cut-off (wie
leider üblich) am selben Kollektiv entwickelt und getestet [611]. In einer jüngeren Studie aus Korea korrelierte die Adenomdetektionsrate zwar mit
dem Boston-Score, der Cut-off lag aber bei 8, also ober- und unterhalb einer nahezu
perfekten Vorbereitung [612].
Nimmt man all diese Einschränkungen zusammen und addiert die starke subjektive und
potentiell auch zielgerichtete Note subjektiver Scores hinzu (bei Unterschreiten des
Qualitätsziels kann ein Score leicht angepasst werden), ist es nicht verwunderlich,
dass eine kürzlich erschienene Studie aus New York anhand von 11 Untersuchern mit
1649 Koloskopien eine hohe Schwankungsbreite der Raten suboptimaler Vorbereitung (3 – 40 %)
und der Adenomdetektionsrate (13 – 31 %), aber keinerlei Korrelation zwischen beiden
zeigte [623]. Die Kolonsauberkeit ist also kein gut geeigneter, da im Übrigen auch schwer nachprüfbarer
Qualitätsparameter.
Dennoch sollte nicht zuletzt auch aus juristischen Gründen die Qualität der Vorbereitung
dokumentiert werden. Am ehesten bietet sich der Boston-Bowel-Preparation-Scale an,
der nach Übereinstimmung der Konsensusteilnehmer auf das gesamte Kolon ausgedehnt
werden sollte, in dem Sinne, dass das schlechteste Segment zählt ([Tab. 29]). Grund hierfür ist der mit den Patienten zu diskutierende Wiederholungsbedarf der
Koloskopie bei schlechter Darmvorbereitung. Zwei jüngere Übersichten über die Literatur
zeigen, dass keine Unterschiede in der Adenomdetektionsrate zwischen sehr guter und
guter/ausreichender Darmvorbereitung, sehr wohl aber zwischen diesen beiden Kategorien
(zusammengefasst) einerseits und schlechter Vorbereitung andererseits bestehen und
schlussfolgern daraus auf einen Wiederholungsbedarf der Koloskopie [624]
[625]. Nimmt man die Adenomdetektionsrate als Hauptsurrogatparameter für die Outcome-Qualität
der Koloskopie (möglichst wenig übersehene Karzinome) [626]
[627], so ist zu rechtfertigen, die Wiederholung einer Koloskopie bei schlechter (Score
3) Darmvorbereitung zu empfehlen.
Die EU-Leitlinien zur Qualität des kolorektalen Karzinomscreenings inklusive der Vorsorgekoloskopie
[628]
[629] bezeichnen die Dokumentation der Vorbereitung als notwendig, nennen aber den Grad
der Sauberkeit nicht unter den Qualitätsparametern.
4.5.2.2 Voraussetzung zur Durchführung (Untersucher)
Empfehlung
Um ausreichende Erfahrung und Kompetenz in der Durchführung von Koloskopien zu haben,
sollte nach einer kumulativen Erfahrung in Aus- und Weiterbildung von 300 Koloskopien
– im Einklang mit den derzeitigen Festlegungen – eine Mindestmenge von 200 Koloskopien/Jahr
durchgeführt werden.
Konsens
Statement
Die Einhaltung der unten genannten Qualitätsparameter Zoekum- und Adenomdetektionsrate
erscheint wichtiger als starre Fallzahlgrenzen.
Konsens
Kommentar
Im Gegensatz zur reichlich vorhandenen Literatur zum Kompetenzerwerb bei der Koloskopie
– die Zahlen schwanken zwischen 150 und 500 Koloskopien, die zum Erreichen einer > 90 %
Zoekumrate berichtet und/oder empfohlen werden [630]
[631]
[632]
[633]
[634]
[635]
[636] (s. a. ein kürzlich publizierter Review [634]) gibt es nur wenige valide Daten zum anschließenden Kompetenzerhalt. In den Trainingsstudien wird eher die Zoekumrate gemessen, beim Kompetenzerhalt
eher auf die Adenomdetektionsrate abgehoben.
Eine Studie aus Harvard zeigte einen Anstieg der Adenomdetektionsrate bereits zwischen
50 und 100 Koloskopien, die sich danach im weiteren Verlauf bis 300 Koloskopien nicht
mehr erhöhte [637]. Ähnlich zeigte eine weitere Studie, dass sich in der Beobachtung von 11 GI Fellows
zwischen den Jahren 1 – 3 die Zoekumrate erhöhte, die Koloskopiezeiten verminderten,
nicht aber die Adenomdetektionsrate erhöhte [635]. Offenbar sind Endoskopiker in Ausbildung aufmerksamer [638], sodass anzunehmen ist, dass die Lernkurve in der Adenomerkennung kürzer ist.
Eine ältere US-amerikanische Studie analysierte sowohl die initiale (> 100) wie auch
die jährliche Koloskopiefallzahl (> 100) als mit der Zoekumrate korreliert; allerdings wurden beide Parameter nicht
miteinander verbunden. Fallzahlvolumen und Adenomdetektionsrate wurden in einigen
Studien korreliert, aber der Erfahrungshintergrund war entweder sehr hoch wie in einer
Berliner Studie – hier spielte das Fallzahlvolumen im Rahmen der deutschen Minimalmengenbestimmungen
keine Rolle [609] – oder die Vorerfahrung war unklar oder begrenzt, wie in einer älteren britischen
Studie, bei der die jährliche Fallzahl > 100 einen leichten Anstieg einer primär niedrigen
Adenomdetektionsrate zeigte. Allerdings verschwand diese Korrelation in der Multivarianzanalyse
[639]. Vermutlich sind Vorerfahrung und jährliches Volumen komplementär zu sehen: So zeigte
eine amerikanische Studie bei Endoskopikern mit Erfahrungen von bis zu 5 Jahren noch
einen Einfluss der Fallzahl auf die Adenomdetektionsrate (92,5 % bei > 200 vs. 88,5 %
bei < 200 pro Jahr), während dieser Effekt bei länger tätigen Kollegen nicht mehr
nachweisbar war. Eine andere Studie zeigte die höchste Adenomrate im Mittelfeld der
Fallzahlquartilen im Vergleich zu den Kollegen mit sehr wenigen und sehr vielen Koloskopien
[640]. Insgesamt hängt die Zoekumrate mehr von der technischen Fertigkeit, die Adenomdetektionsrate
eher vom Aufmerksamkeitslevel und der Motivation ab, sodass hier kombinierte Scores
entwickelt werden müssten. Zu den Einflussfaktoren siehe auch Kapitel 3.5 und [Tab. 30] [613]
[618]
[639]
[641]
[642]
[643]
[644]
[645]
[646]. Hier wird deutlich, dass das Fallvolumen je nach Studie keinen [646], einen positiven [645] oder sogar einen negativen Einfluss [642] auf die Vollständigkeit der Koloskopie hatte.
Tab. 30
Studien zu Zoekumraten, die Analysen beziehen sich auf Faktoren (OR = Odds Ratio),
die die Zoekumrate beeinflussen, manche auch (separat ausgewiesen) umgekehrt auf Risikofaktoren
für eine inkomplette Koloskopie.[1]
Zoekumrate und Einflußfaktoren
|
|
n
|
nicht adjustiert
|
adjustiert
|
nach
|
Einflußfaktoren multivariat (OR) für
|
Aslina [613]
|
retrospektiv
|
5477
|
83,4 %
|
88,0 – 89,2 %*
|
C, DV D, S, VZ, T
|
komplette Koloskopie + Zeitverlauf (1,09), Screening (1,65) – Darmvorbereitung (0,17), stationär (0,46), path. Bildgebung (0,53), Frauen (0,67)
|
Bhangu [639]
|
retrospektiv
|
10 026
|
?
|
90,2 %
|
|
komplette Koloskopie + Männer (1,17), Indikation (variabel), > 100 Kolo/Jahr (1,62) – Alter (0,81/0,44), Chirurg (0,71)
|
Dafnis [641]
|
retrospektiv
|
5145
|
|
81 %
|
T, S, DV
|
komplette Koloskopie + Männer (1,68), Alter (jüngere bis 1,87), – Divertikulose (0,79), Komplexität (gering 2,8)
|
Gupta [618]
|
retrospektiv, CORI
|
129 549 (VK)
|
|
95,3 % (?)
|
T
|
inkomplette Koloskopie + Alter (bis 1,88), Klinik (1,4 – 1,9), Indikation (variabel, z. B. Vorsorge 0,69),
DV (bis 9,9) – Frauen (0,62)
|
Harris [642]
|
prospektiv
|
6004
|
|
89 % (?)
|
|
komplette Koloskopie + gute Darmvorbereitung (3,7 – 4,4), Privatklinik (3,2) – Frauen (0,74), Indikationen (variabel), stationär (0,54) Sättigungsabfall (0,42),
Anteil erfahrener Endoskopiker (bis 0,42, invers!), Fallzahlvolumen (> 1500:0,54,
invers!)
|
Kolber [643]
|
prospektiv
|
577
|
|
96,5 %
|
DV, S, GT, C
|
inkomplette Koloskopie + schlechte Darmvorbereitung (4,5), Alter > 65 (2,9)
|
Nagrath [644]
|
retrospektiv
|
1056
|
|
88,5 vs. 93,5 (VK)
|
|
inkomplette Koloskopie + Frauen (1,95), diagnostische vs. Vorsorge (1,78), schlechte Darmvorbereitung (2,0),
Karzinom (4,4)
|
Radaelli [645]
|
prospektiv
|
12 835
|
|
80,7 %
|
|
komplette Koloskopie + jüngeres Alter (bis 1,4), Indikationen (variabel) Screening 1,2), Sedierung (1,5 – 2,4) – Zentrumsvolumen < 1000 (0,87), Endoskopikervolumen (0,7 < 300, 0,82 < 500), Frauen
(0,72), schlechte Darmvorbereitung (0,6 – 0,01)
|
Shah [646]
|
retrospektiv
|
331 608
|
|
86,9 %
|
–
|
inkomplette Koloskopie + Alter (1,2), Frauen (1,35), Z. n. Bauch-OP (1,07), ambulant (3,6) kein Einfluss
des Fallvolumens
|
1 +/– = Faktor beeinflusst Rate positiv/negativ (entweder erhöht die Zoekumrate oder
die Rate inkompletter Koloskopien), * task force adjusted (1st line), individual decision
(second line), C = schwere Colitis, DVschlechte Darmvorbereitung, D = schwere Diverticulose,
S = Striktur, VZ = Vitalzeicheninstabilität T = Therapeutische Prozedur, die keine
vollständige Koloskopie nötig macht, GT = Gerätetechnikdefekte, OR = Odds ratio, VK = Vorsorgekoloskopie,
CORI = CORI (Clinical Outcomes Research Initiative) database.
Ein Einfluss des Fallvolumens auf die Komplikationsrate konnte in einer kanadischen
Studie gezeigt werden [647], doch waren hier vor allem Kollegen mit sehr niedrigem Fallvolumen beteiligt.
Eine kumulative Empfehlung einer initialen Fallzahl zum Kompetenzerwerb und einer subsequenten jährlichen Fallzahl
zum Kompetenzerhalt muss deswegen gemeinsam betrachtet, sowie auch im Licht nationaler
Aus- und Weiterbildungsbestimmungen gesehen werden. Die technischen und kognitiven
Fertigkeiten sind in der Literatur ab etwa 200 – 300 Koloskopien initial gegeben [634], im weiteren Verlauf sind die deutschen Zahlen zum Kompetenzerhalt von 200 jährlichen
Koloskopien (KV-Bestimmungen für die Niederlassung, Darmzentren) von der Evidenz mehr
als gut gedeckt. Bei auch sonst vorwiegend endoskopisch tätigen Kollegen in anderen
Bereichen der diagnostischen und therapeutischen Endoskopie kann die jährliche Fallzahl
an Koloskopien auch unterschritten werden. Zu diskutieren ist, ob eine dauerhafte
Zielerreichung (Zoekumrate, Adenomdetektionsrate, s. u.) als Parameter zuverlässiger
ist als reine Fallzahlen.
Die EU-Leitlinien zur Qualität der kolorektalen Karzinomscreenings inklusive der Vorsorgekoloskopie
[629] nennen eine Zahl von 300 jährlichen Koloskopien aus Gründen einer niedrigeren Komplikationsrate
und der statistischen Relevanz eines dann auch zu niedrigen Konfidenzintervalls. Beides
halten wir nicht für gerechtfertigt. Die Korrelation zwischen Volumen und Komplikationsrate
stammt aus zwei kanadischen Studien [647]
[648]. Die eine ist eine Datenbankanalyse von 97 091 ambulanten Koloskopien aus mehreren
kanadischen Provinzen. In einer Multivarianzanalyse von Blutungen und Perforationen
wurde die Fallzahl der Kollegen (Vorerfahrung nicht angegeben) in Quintilen unterteilt
und die Gruppe mit der höchsten jährlichen Fallzahl (im Mittel 417) als Referenz gesetzt:
Im Vergleich hierzu hatten Kollegen in der mittleren (im Mittel 248) und in der niedrigsten
Gruppe (im Mittel 63) signifikant höhere Komplikationsraten. Allerdings wurde nicht
zwischen diagnostischen und therapeutischen Koloskopien unterschieden, was v. a. in
punkto Perforation wichtig gewesen wäre [647]. Die andere Studie aus Winnipeg ist eine retrospektive Datenanalyse von 24 509 Untersuchungen,
darunter 13 % Sigmoideoskopien. Kollegen mit jährlichen Prozeduren < 200 hatten eine
knapp doppelt so hohe Komplikationsrate (mit einem sehr breiten Spektrum von Komplikationen)
wie diejenigen mit mehr Untersuchungen. Hier sind sonstige Qualifikation und Erfahrung
nicht berücksichtigt, Diagnose und Therapie nicht getrennt und überhaupt fehlt eine
Multivarianzanalyse [648]. Aus beiden Studien lässt sich u. E. keine Grenze von 300 zuverlässig ableiten.
Das andere Argument der EU-Leitlinien, dass aus Gründen der Statistik – d. h. um ein
niedrigeres Konfidenzintervall zu erreichen – die Zahlen hochgesetzt werden sollen,
ist bislang in der Qualitätssicherung nicht Standard und könnte auch durch die Betrachtung
längerer Zeiträume kompensiert werden.
4.5.2.3 Sedierung
Empfehlung
Um eine hohe Akzeptanz der Untersuchung zu erreichen aber auch um die Komplettierungsrate
der Untersuchung zu optimieren, soll nach Abwägung von Risiko und Nutzen eine Sedierung
bei der Untersuchung angeboten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zu Durchführung, Art, Überwachung und Sicherheit der Sedierung wird auf die aktualisierte
S3-Leitlinie Sedierung (www.dgvs.de) verwiesen.
4.5.3 Durchführung
4.5.3.1 Zeiterfassung
Empfehlung
Bei einer Koloskopie soll die Zeit, in der das Koloskop unter sorgfältiger Inspektion
der Schleimhaut zurückgezogen wird, dokumentiert werden.
Die Zoekumrückzugszeit sollte mindestens 6 Minuten betragen. Hierunter fallen nicht
die Zeiten für Biopsie und Polypektomie.
Starker Konsens
Statement
Die zugrunde liegenden Studien sind aber nicht einheitlich, vor allem, was den Einfluss
einer höheren Untersuchungszeit einzelner Endoskopiker auf die Adenomdetektionsrate
betrifft.
Starker Konsens
Kommentar
Zur rechtlichen Dokumentationspflicht der Untersuchungszeiten inklusive der zeitgenauen
Dokumentation der Anwesenheit aller bei einem endoskopischen Eingriff anwesender Personen
(Ärzte und Pflegekräfte) wird auf Kapitel 2.3.1 und Kapitel 5 verwiesen.
Ein Erhebungsbogen für die Zeiterfassung der Untersuchung und der Personalbindungszeiten
ist in Kapitel 2.3.1 abgebildet.
Im Hinblick auf die Rückzugszeit wurde in mehreren größeren Studien ein positiver
Einfluss längerer Rückzugszeiten auf die Adenomdetektionsrate nachgewiesen. Trotz
hochrangiger Publikationen ist festzuhalten, dass diese Studien möglicherweise Post-hoc-Analysen
und keine prospektiv geplanten Studien darstellen, da keine prospektive Zeitmessung
unter Ausschaltung z. B. einer Stoppuhr bei Biopsien und Polypektomien vorgenommen
wurde. Deswegen wurden in den einschlägigen Studien zur Rückzugszeiterfassung nur
die „negativen“ Koloskopien herangezogen, die keine biopsie- oder abtragungsfähigen
Befunde zeigten. Eine Übersicht über die Korrelationsstudien findet sich in [Tab. 31] [609]
[637]
[649]
[650]
[651]
[652]
[653]
[654]
[655]
[656]
[657]
[658]
[659]
[660]
[661].
Tab. 31
Studien zu Rückzugszeiten und Adenomraten (ADR).[1]
Autor
|
Studienart
|
n Koloskopie/Untersucher
|
RZZ
|
Ergebnis
|
Adler [609]
|
prospektiv
|
12 134/21
|
ohne Px (78,3 %)
|
kein Einfluss der RZZ multivariat bei mittlerer RZZ von 6 – 11 min
|
Barclay [649]
|
prospektiv (?)
|
2053/12
|
ohne Px (76,5 %)
|
RZZ > 6 min vs. < 6 min: ADR 28,3 % vs. 11,8 %
|
Barclay [650]
|
retro/prospektiv
|
vgl. 2053 vs. 2253/12
|
ohne Px
|
im Vergleich zur obigen Studie prospektive Einführung (76,5 % vs. 65,3 %)von RZZ ≥ 8 min
ADR 24,2 % vs. 35,4 %
|
Butterly [651]
|
prospektiv
|
7996/42
|
ohne Px (52,5 %)
|
sign. Einfluss der RZZ ≥ 9 min auf ADR + Detektion von SSA
|
Gellad [652]
|
prospektiv
|
initial 3121 vs. 1441
|
ohne Px (46,2 %)
|
(n = 304, initial ohne Px) keine Korrelation von RZZ und NPL-Rate Follow-up 304/13
Zentren)
|
Gromski [637]
|
prospektiv
|
1210/4
|
RZZ = RZZ ges.– Px (100 %)
|
1. year fellows, WT < 10 min: ADR 9,5 %; > 10 min ADR 32,3 %
|
Lee [653]
|
retro/prospektiv
|
752 und 220/11
|
RZZ = RZZ ges.– Px(100 %)
|
ADR-Gruppierungen (retrospekt.) ohne Unterschiede in RZZ
|
Lee [654]
|
prospektive Daten/
|
31 088/147
|
ohne Px (53,7 %)
|
RZZ < 7 min vs. > 11 min ADR 42,5 vs. 47,1 % retrospektive Analyse
|
Lin [656]
|
retro/prospektiv
|
850 und 541/10
|
ohne Px (%?)
|
Monitoring: RZZ 6,57 min vs. 8,07 min; PDR 33,1 und 38,1 %
|
Moritz [657]
|
prospektiv
|
4429/67
|
ohne Px (56 %)
|
Gruppierung nach pers. RZZ < 6 min oder > 6 min: PDR (< 6 min) 18,2 % vs. PDR (> 6 min)
20,8 %
|
Overholt [658]
|
prospektiv
|
15 955/315
|
inkl. Px* (100 %)
|
RZZ < 6 min und > 6 min: signifikanter Anstieg der ADR und PDR
|
Sawhney [659]
|
prospektiv
|
23 910/42
|
ohne Px (%?)
|
RZZ < 7 min und > 7 min: kein Einfluss auf PDR
|
Simmons [660]
|
retrospektiv
|
10 955/43
|
ohne Px (%?)
|
sign. Einfluss der RZZ auf PDR (multivariat) bei RZZ ≥ 7 min
|
Taber [661]
|
retrospektiv
|
A1405; B1387/Unters?
|
B ohne Px (%?)
|
kein Anstieg der PDR bei RZZ > 10 min im Vgl. zu < 10 min
|
1 RZZ = Rückzugszeit (% bezeichnet die Untersuchungen ohne Polypen, die zur Grundlage
der ADR-Berechnung gemacht wurden), Px = Polypektomie, SSA = sessile serrated adenomas.
* = RZZ einschließlicher der Zeiten für Polypektomie und Biopsie.
Die hauptsächliche Studie aus den USA [649] korrelierte die Rückzugszeit der normalen Koloskopien (ohne Polypenbefunde) von
12 Kollegen mit der Adenomdetektionsrate im Gesamtkollektiv (d. h. es wurden je weniger
Koloskopien einbezogen, je höher die Adenomrate der Kollegen waren). Es ergab sich
eine nahezu lineare Korrelation; eine Multivarianzanalyse anderer Faktoren wurde offenbar
nicht durchgeführt, da die Parameter von Patienten und Untersuchern nicht unterschiedlich
waren. Der Cut-off von 6 min wurde offenbar aus den Studiendaten heraus gewählt, um
einen optimalen Unterschied zu erreichen. Dieselben Kollegen wurden in einer Nachfolgestudie
angehalten, mindestens 8 min zurückzuziehen, was die Adenomrate insgesamt deutlich
erhöhte [650]. Dies konnte jedoch in einer anderen Studie nicht nachvollzogen werden [659]. Auch zeigte eine Studie aus Berlin, dass in einer Spanne zwischen 6 und 11 min
Rückzugszeit bei normalen Koloskopien multivariat kein Einfluss auf die Adenomdetektionsrate
zu finden war [609]. Andere Analysen aus landesweiten Koloskopieregistern in Norwegen und England [654]
[655]
[657] konnten bei Verwendung unterschiedlicher Cut-offs (>/< 6 min, < 7 vs. > 11 min)
zeigen, dass die Adenomrate bei längere Untersuchungszeit stieg. Die Empfehlung der
6-minütigen Rückzugszeit bei Patienten ohne Polypen beruht also nur teilweise auf
gut gesicherter Evidenz; zumindest ist die Evidenz bei noch längerer Untersuchungszeit
widersprüchlich. Vielleicht geben auch deswegen die EU-Leitlinien zur Qualität der
kolorektalen Karzinomscreenings inklusive der Vorsorgekoloskopie keine klare Zeitvorgabe
[629].
4.5.3.2 Parameter zur Erfolgskontrolle der diagnostischen Koloskopie
Empfehlung
Eine Qualitätskontrolle der Koloskopie soll im Hinblick auf die Detektion von Dickdarmneoplasien
im ambulanten und stationären Bereich erfolgen.
Konsens
Kommentar
Analog zur den Qualitätssicherungsvereinbarungen für die Koloskopie gemäß § 135 Abs. 2
SGB V für den vertragsärztlichen Bereich soll auch bei diagnostischen Koloskopien
im Krankenhaus eine Qualitätssicherung im Hinblick auf die Vorsorge von Dickdarmneoplasien
erfolgen. Diese Empfehlung gilt für diagnostische Koloskopien im Krankenhaus bei Patienten
mit einem Lebensalter von derzeit über 55 Jahren. Neben der oben genannten Erfassung
der Eingriffszeiten sollen die folgenden Qualitätsparameter in Praxis und Klinik gleichermaßen;
spezielle Bedingungen in Kliniken werden im Nachfolgenden gesondert besprochen.
Vollständigkeit/Zoekumintubationsrate
Empfehlung
Eine Zoekumintubationsrate von mehr als 90 % soll bei allen intendiert kompletten
Koloskopien erreicht werden. Das Erreichen des Zoekums soll durch Fotodokumentation
des Orificium des Appendix und der Ileozökalklappe dokumentiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Als Intubation des Zoekums gilt das Vorschieben des Endoskops hinter die Ileozäkalklappe.
Bei Patienten mit ileokolischen Anastomosen ist die Darstellung der Anastomose oder
des neoterminalen Ileums als gleichwertig anzusehen. Die Intubation des terminalen
Ileums ersetzt nicht die Betrachtung des gesamten Zoekums.
Zoekumintubationsrate
Dass die Zoekumintubationsrate als Marker für die Komplettierung der Untersuchung
ein wichtiger Qualitätsindikator ist, steht außer Frage, auch wenn es nur wenige gute
Untersuchungen – mit zum Teil widersprüchliche Ergebnissen – zur Korrelation von Vollständigkeit
und Adenomdetektionsrate gibt [662]
[663]. Allerdings zeigte eine kanadische Datenbankauswertung von 1260 Intervallkarzinomen,
dass Endoskopiker mit hoher Zoekumrate und solche mit höherer Polypektomierate (aus
Abrechnungsdaten gezogen) signifikant weniger Intervallkarzinome aufzuweisen hatten,
und zwar in einer nahezu linearen Korrelation [664]. Dies wäre – glaubt man an die Validität solcher Datenbanken – eine recht harte
Evidenz. Die vollständige Untersuchung des Kolons ist u. a. notwendig, um Adenome
proximal der Ileozökalklappe zu detektieren. Möglicherweise ist eine unzureichende
Visualisierung des Zoekums und des Colon ascendens einer der Gründe für die in Studien
immer wieder gezeigte höhere Zahl der rechtseitigen
Intervallkarzinome
(siehe auch [Tab. 32]) [626]
[665]
[666]
[667]
[668]
[669]
[670]
[671]
[672]
[673]
[674]
[675]
[676]
[677]
[678]
[679]
[680]
[681].
Tab. 32
Studien zu Intervallkarzinomen (KRK = kolorektales Karzinom, OR = Odds ratio).
Autor
|
Studienart
|
n
|
Ergebnisse/Einflussfaktoren
|
Baxter [665]
|
Datenbankanalyse, Fallkontrollstudie
|
10 292 KRK-Fälle, 51 460 Kontrollen
|
7 % der Fallpatienten und 9,8 % der Kontrollen waren koloskopiert worden (83 % komplett),
OR für komplette Koloskopie 0,99 für rechtsseitige und 0,33 für linkseitige Karzinome,
alters- und geschlechtsunabhängig
|
Brenner [666]
|
Datenbankanalyse, Fallkontrollstudie
|
1688 KRK-Fälle, 1932 Kontrollen
|
41,1 % der Fallpatienten und 13,6 % der Kontrollen waren koloskopiert worden, OR für
Koloskopie 0,44 für rechtsseitige und 0,16 für linkseitige Karzinome, alters- und
geschlechtsadjustiert
|
Brenner [667]
|
Fallkontrollstudie
|
78 Intervallkarzinome, 433 KRK bei der Vorsorge entdeckt
|
weibliches Geschlecht (OR 2,28) und rechtsseitige Lokalisation (OR 1,98) als Risikofaktoren,
häufiger inkomplette Koloskopie (26 vs. 12,9 %)
|
Brenner [668]
|
Fallkontrollstudie
|
3148 KRK-Fälle, 3274 Kontrollen
|
155 Fälle und 260 Kontrollen hatten koloskopische Polypendetektion zuvor. Signifikante
Faktoren waren inkomplette Entfernung (OR 3,73), keine Nachsorge (OR 2,96) und 3 oder
mehr Polypen initial (OR 2,21)
|
Bressler [669]
|
Datenbankanalyse chir. Krankengut
|
4920 KRK-Fälle re. 2654 mit Koloskopie innerhalb von 3 J
|
4 % Miss-rate rechtsseitige KRK (da Intervall Kloskopie und KRK > 6 Monate)
|
Bressler [670]
|
Datenbankanalyse chir. Krankengut
|
31 074 KRK-Fälle 12 487 mit Koloskopie innerhalb von 3 J
|
Miss-rates KRK (da Intervall Kloskopie und KRK > 6 Monate): rechtes Kolon 5,9 % (n = 3288
KRK-Gesamtzahl), Kolon transv: 5,5 % (n = 777), linke Flexur/Kolon desc. 2,1 % (n = 710),
Rekto- Sigmoid: 2,3 % (n = 7712). Risikofaktoren u. a.: Alter (OR 1,05), Divertikelkrankheit
(OR 6,88), Polypenabtragung (OR 0,66), prox. KRK-Lage (OR 2,52)
|
Corley [671]
|
Datenbankanalyse
|
314 872 Koloskopien
|
772 Intervallkarzinome (0,25 %), definiert als KRK 6 Mo–10 Jahre nach Koloskopie,
12 % Vorsorgekoloskopien. Intervall-Ca Abhängig von ADR der Koloskopiker (siehe 3,5,
Adenomdetektionsrate), 60 % proximale Lage
|
Farrar [672]
|
lokales Krebsregister
|
83 KRK
|
5,4 % Intervallkarzinome (Auftreten innerhalb von 5 Jahren), Kontrolle sporadische
KRK 27 % Entwicklung an vorheriger Polypektomie-Stelle. Intervall-Ca v. a. rechts,
sonst keine Einflussfaktoren
|
Imperiale [673]
|
Koloskopie-Datenbank
|
1256 Koloskopien
|
5 Jahre nach negativer Koloskopie (51 % nachuntersucht von 2436 neg. Kolos) kein KRK
16 % Adenome, 1,3 % fortgeschrittene Adenome
|
Kaminski [626]
|
Screening-Datenbank
|
45 026 Koloskopien
|
42 Intervallkarzinome (0,01 %), definiert als KRK innerhalb von 5 Jahren nach Koloskopie
Intervall-Ca Abhängig von ADR der Koloskopiker (siehe 3,5, Adenomdetektionsrate).
Sonstige Risikofaktoren nur Alter, nicht Geschlecht oder Familienanamnese
|
Leaper [674]
|
lokale Datenbank
|
5055 Koloskopien
|
17 Intervallkarzinome (5,9 %), 9/17 inkomplette Koloskopie, andere Gründe Missinterpretation
|
Pabby [675]
|
Zweitauswertung Polyp-Prevention-Trial
|
2079 Patienten
|
13 Intervallkarzinome, 4 inkomplette Polypenentfernung, 4 De-novo-Karzinome, 3 übersehen
3 falsch negative Biopsie
|
Pohl [676]
|
Modellrechnung
|
Literaturanalyse
|
Miss-rate pro Koloskopie: 0,07 % übersehene Karzinome, 0,11 % Karzinome, die sich
aus übersehenen Adenomen entwickeln. De-novo-Karzinome mit schneller Progression werden
zwar als Option genannt, sind in der Analyse aber nicht enthalten
|
Robertson [677]
|
Zweitauswertung 8 Studien mit Follow-up
|
9167 Patienten
|
Follow-up 47 Monate, Intervallkarzinome 0,6 % (n = 54), 52 % übersehene KRK, 19 %
inkomplette Kolon Polypenresektion, 24 % De-novo-Karzinome, 5 % falsch negative Biopsie
|
Samadder [678]
|
regionale Kassendaten, Krebsregister
|
126 851 Koloskopien
|
159 Intervallkarzinome 6 – 60 Monate nach Koloskopie (0,12 %), mehr proximal gelegen
(OR 2,24) und bei pos. Familienanamnese (OR 2,27), früheres Stadium und niedrigere
Mortalität als KRK, die bei der primären Vorsorgekoloskopie gefunden wurden
|
Singh [679]
|
regionale Kassendaten
|
35 975 Koloskopien
|
181 Intervallkarzinome 6 – 60 Monate nach negativer Koloskopie (0,5 %), mehr proximal
gelegen (47 vs. 28 %)
|
Singh [680]
|
regionale Kassendaten
|
45 985 Patienten
|
300 Intervallkarzinome 6 – 36 Monate nach negativer Koloskopie (0,65 %), Alter (OR
0,4 60 – 69 J, 0,10 50 – 59 J vs. ≥ 70 J) und Koloskopie durch Nichtgastroenterologen
(OR 1,78 – 3,38) als Risikofaktoren. Mehr proximale Karzinome
|
Singh [681]
|
Metaanalyse 12 Studien
|
7912 Intervallkarzinome
|
häufiger im proximalen Kolon (OR 2,4), bei älteren Patienten (OR 1,15 > 65 J), Divertikelkrankheit
(OR 4,25), geringeres Stadium (OR 0,79), kein Mortallitätsvorteil
|
Die Zoekumintubationsrate ist von mehreren Faktoren abhängig und wird in unterschiedlichen
Studien adjustiert oder unadjustiert angegeben [26, 31, 52, 54 – 59)] ([Tab. 30]). Die EU-Leitlinien zur Qualität der kolorektalen Karzinomscreenings inklusive der
Vorsorgekoloskopie determinieren eine Zoekumintubationsrate von mindestens 90 % als
Qualitätskriterium mit der Ausnahme obstruierender Kolonprozesse, eine Rate von 95 %
sei wünschenswert [629]. Da, wie aus [Tab. 30] ersichtlich, die Raten je nach Adjustierung unter Ausschluss von hinderlichen Faktoren
schwanken und anzunehmen ist, dass bei der Vorsorgekoloskopie weniger verschmutzte
Därme und weniger Strikturen zu finden sind, ist hier die empfohlene Rate von 95 %
zu vertreten.
Die Intubation des terminalen Ileums ist nur bei bestimmten Indikationen zwingend anzustreben (z. B. CED, Durchfallabklärung,
Suche nach ilealen Tumoren), aber nicht generell und vor allem nicht unter Vorsorgeaspekten.
Wenn bei jeder Koloskopie die Ileumintubation angestrebt wird, so gelingt dies in
70 – 97 % und es werden in 0,3 – 20 % relevante Befunde erhoben, fast ausschließlich
entzündlicher Natur und abhängig von der Indikation [682]
[683]
[684]
[685]
[686]
[687]
[688]
[689]
[690]
[691]. Bei einer Fallzahl von insgesamt 15 920 eingeschlossenen Koloskopien zeigen jedoch
die Studien mit hoher, d. h. vierstelliger Fallzahl, niedrigere Ergebnisraten, i. d. R.
< 5 % relevante Befunde [683]
[688]
[689]
[691]. In einer großen retrospektiven Datenbankerhebung über 21 638 Koloskopien lag die
tatsächliche Rate an (intendierten/erreichten) Ileumintubationen bei insgesamt 18 %
und je nach Indikation etwas höher (bei Durchfällen aber auch nur 28 %) [692]; letzteres ist wohl weit vom Idealzustand entfernt.
Der Vollständigkeit halber sei die Wasserfüllung des Kolons beim Vorschieben zur Verbesserung der Zoekumrate und Erhöhung des Patientenkomforts
erwähnt, die vor allem von einer Arbeitsgruppe teilweise multizentrisch propagiert
wird [693]
[694]
[695]
[696]
[697]
[698]
[699]
[700]
[701]
[702]
[703]
[704]
[705]. Die Ergebnisse wurden nur teilweise von anderen Studien bestätigt [704]
[706]
[707]
[708]
[709]. Natürlich gibt es auch hier schon eine Metaanalyse [710].
Adenomdetektionsrate
Empfehlung
Im Rahmen einer Vorsorgekoloskopie sollen in ≥ 20 % der Untersuchten Adenome detektiert
werden. Auch in Kliniken soll die Adenomdetektionsrate (Rate von Patienten mit mindestens
einem Adenom) für die intendiert vollständige diagnostische Koloskopie dokumentiert
werden.
Starker Konsens
Dies gilt nicht für Überweisungen mit bekannter Diagnose, chronisch entzündliche Darmerkrankungen,
Patienten mit Blutungen und Notfallindikationen sowie Patienten mit Zuweisung zur
endoskopischen Therapie inklusive Polypektomie aus. Für die Vergleichbarkeit mit der
ambulanten Vorsorgekoloskopie ist eine Alterskorrektur wünschenswert.
Konsens
Kommentar
Eine der wichtigsten Ziele bei der Koloskopie ist die Adenomdetektion. Die Adenomdetektionsrate
ist i. a. definiert als die Rate von Patienten, bei denen mindestens ein Adenom gefunden
wurde, allerdings wurde die mittlere Zahl an entdeckten Adenomen pro Untersucher ebenfalls
und sogar als besserer Parameter ins Feld geführt [711]. Trotzdem wird die oben definierte Adenomdetektionsrate (ADR) gemeinhin verwendet
und gilt als Surrogatparameter für die Wirksamkeit der Vorsorgekoloskopie, da sie
in mehreren und v. a. in zwei großen hochrangig publizierten Studien mit der Rate
an Intervallkarzinomen korrelierte (Übersicht über die wichtigsten Studien zu Intervallkarzinomen
in [Tab. 32] [626]
[665]
[666]
[667]
[668]
[669]
[670]
[671]
[672]
[673]
[674]
[675]
[676]
[677]
[678]
[679]
[680]
[681]). Die beiden Hauptstudien aus dem New England Journal of Medicie [626]
[671] verdienen aber aufgrund ihrer hohen Relevanz und doch einiger methodischer Einschränkungen
eine ausführlichere Diskussion:
-
Zunächst wird in den Studien nicht unterschieden, ob Patienten primär zur Koloskopievorsorge
und/oder nach positivem Stuhltest eingeschlossen wurden; in beiden Ländern gibt es
sowohl eine primäre Koloskopie- als auch eine Stuhltestvorsorge, gefolgt von der Koloskopie
bei positivem Stuhltest.
-
Weiter wird in beiden Studien nur die generelle Adenomdetektionsrate (Rate von Patienten
mit mind. 1 Adenom) und nicht die Rate fortgeschrittener Adenome mit dem Outcome korreliert,
sodass die Frage nach dem Warum erlaubt ist. Man müsste ja annehmen, dass fortgeschrittene
Adenome (Größe > 1 cm und/oder villöse Anteile und/oder Vorkommen von hochgradigen
Dysplasien) viel relevanter für die Karzinomentstehung sind. Allerdings zeigte eine
Studie aus den USA, dass bei 14 Koloskopikern mit 1944 Koloskopien zwar Adenomrate
und Rate fortgeschrittener Adenome stark schwankten, beide aber nicht miteinander
korrelierten [712]. Weiterhin zeigte eine vor kurzem im NEJM veröffentlichte Follow-up-Studie aus Norwegen,
dass die Mortalität nach Polypektomie bei 40 826 Patienten insgesamt nicht gesenkt
wurde [713]. Hier war eine leichte Senkung bei nicht fortgeschrittenen Adenomen (standardisierte
Mortalitätsrate 0,75), bei fortgeschrittenen Adenomen dagegen sogar eine Erhöhung
(1,16) zu finden. Bei diesem Kollektiv gab es allerdings keine Follow-up-Empfehlungen
bei Patienten mit nicht fortgeschrittenen Adenomen, bei fortgeschrittenen Adenomen
betrug sie 10 Jahre [713]. Das könnte bedeuten, dass u. U. ein ungenügendes Follow-up die protektive Wirkung
einer hohen ADR überspielen kann (s. u.).
-
Die polnische Studie [626] zeigte im nationalen Vorsorgeprogramm einen klaren Unterschied zwischen Intervallkarzinomen
bei Kollegen mit Adenomdetektionsraten < und > 20 %, mit Risikoerhöhungen der niedrigeren
Gruppen (< 11 % ADR, 11 – 15 %, 15 – 20 %) von etwa 11 – 12fach gegenüber der Gruppe
von 20 % und mehr. Hier wurden 45 026 Koloskopien von 186 Untersuchern ausgewertet
und die Patientendaten mit dem polnischen Krebsregister korreliert. Eingeschlossen
wurden nur Koloskopien mit adäquater Vorbereitung und ggf. vollständiger Polypektomie
sowie Untersucher mit mindestens 30 Vorsorgekoloskopien in einem Studienzeitraum von
4 Jahren. Die mittlere Zahl der Koloskopien der Kollegen über den Studienzeitraum
lag bei 145 (Range 30 – 1848), das sind im Schnitt 3 pro Monat. Ob diese Kollegen
auch außerhalb des Studienprogramms koloskopierten, ist nicht bekannt. Auch die Vollständigkeit
der befragten nationalen und regionalen polnischen Krebsregister wird positiv diskutiert,
aber nicht weiter validiert.
-
Die amerikanische Studie [671] dehnte den ADR-Bereich noch über 30 aus und fand bei 136 Gastroenterologen und 314 872
Koloskopien (nur 18 % allerdings mit Vorsorgeindikation) eine nahezu lineare Korrelation:
Für jede 1 % mehr Adenomrate ergab sich eine 3 % Mortalitätsverminderung. In Quintilen
eingeteilt, war ein signifikanter Unterschied in der Kolonkarzinommortalität aber
nur zwischen der Gruppe mit der niedrigsten ADR (7 – 19 %) und den beiden mit der
höchsten ADR (33 – 52 %) zu detektieren. Die Korrelation war ähnlich wenn man nicht
nur alle kolorektalen Intervallkarzinome, sondern auch die fortgeschrittenen und die
tödlich verlaufenden Karzinome auswertete. Ausgeschlossen wurden initial etwa 16 000
Patienten, zur Berechnung der Adenomraten wurden die 314 872 Patientendaten verwendet,
Follow-up-Daten für Intervallkarzinome gab es aber nur für 264 972 Patienten, also
etwa 2/3. Die Fallzahl und Erfahrung der beteiligten Koloskopiker ist ebenfalls interessant:
Nicht berücksichtigt wurden Koloskopiker mit Koloskopiezahlen von unter 300 und Vorsorgeuntersuchungen
von unter 75 im Studienzeitraum (12 Jahre!), was zunächst eine sehr niedrige Fallzahlgrenze
zu sein scheint. Hier ist zu anzumerken, dass es sich hier um das Patientenkollektiv
einer Versicherung handelt. Dieses bildet nicht das gesamte Praxiskollektiv ab, sodass
die Adenomrate insgesamt auch ganz anders sein kann. Beispielhaft sei hier aufgeführt,
dass ein Kollege mit 100 Vorsorge-Koloskopien in 4 Jahren für Kaiser Permanente in
diesem Zeitraum aber noch (Beispiel größere deutsche Praxis) 3000 Vorsorgekoloskopien
für anderweitig Versicherte durchführt. Die beteiligten Kollegen rangierten von 355 – 6005
Koloskopien innerhalb des 13-Jahreszeitraums, das sind also 27 bis 461 Untersuchungen
pro Jahr.
-
Schließlich zeigte eine interessante Analyse aus den USA, dass Studien, die aufgrund
von Datenbanken entstehen, Intervallkarzinome überschätzen können: Hier wurden bei
43 661 Koloskopien zunächst 45 Intervallkarzinome ermittelt (Rate 3,9 %), nach Aktendurchsicht
dieser Fälle wurden 21 davon als Fehldokumentation zurückgezogen, sodass die Rate
auf 2,1 % sank [714]. Dies entspricht einer 85 %igen Überbewertung.
Trotz der Limitationen der besprochenen Studien ist die Korrelation von Adenomdetektionsrate
und Intervallkarzinomen plausibel. Grundsätzlich ist lediglich die Frage einer linearen
oder ab einer bestimmten ADR-Höhe dann asymptotischen Korrelation unklar. Von beiden
Studien scheint die polnische die validere im Hinblick auf Auswertung und Methodik.
Deswegen wird der Cut-off von 20 % für die zu erreichende Adenomdetektionsrate bei
der Vorsorgekoloskopie empfohlen. In einer Literaturanalyse wird überdies in einer
Modellrechnung für Intervallkarzinome eine mittlere Rate von 0,7 für übersehene Karzinome
und 1,1 für eine Karzinomentwicklung aus übersehenen Adenomen errechnet; de novo Karzinome,
die weder übersehen wurden noch aus übersehenen Adenomen enstehen, werden dagegen
als sehr selten bewertet [676].
[Tab. 33] zeigt eine Übersicht über die hauptsächlichen Einflussfaktoren auf die Adenomdetektionsrate
[609]
[610]
[627]
[639]
[642]
[655]
[715]
[716]
[717], die sich in patienten-, untersucher- und gerätebezogen einteilen lassen.
Tab. 33
Studien zu Einflussfaktoren auf die Adenomdetektionsrate bei der (Vorsorge)Koloskopie.[1]
Autor
|
Studienart
|
n Koloskopien
|
Indikation
|
Ergebnisse (sign. Faktoren)
|
Adler [609]
|
prospektiv
|
12 134
|
Screening
|
Patienten-ass. Einflussfaktoren: Geschlecht, Alter, Darmvorbereitung Untersucher-ass.
Einflussfaktoren: Weiterbildung, Gerätegeneration
|
Barret [715]
|
prospektiv
|
3266/1200 529[2]
|
49,6 % Screening/38,9 % abd. Symptome
|
ADR gesamt 17,7 %, Inzidenz von CRC 2,9 %. Faktoren assoziiert mit einer hohen ADR:
männl. Geschlecht, > 50 J., fam. Bel., pos. FOBT
|
Bhangu [639]
|
prospektiv
|
10 026
|
9 % Screening
|
ADR maßgeblich abhängig von der Fallzahl/Jahr
|
Bretagne [716]
|
retrospektiv
|
3462
|
Screening
|
ADR bei: 1 Adenom 25,4 % bis 46,8 %; 2 Adenomen 5,1 % bis 21,7 %; 3 Adenomen 2,7 %
bis 12,4 %; 1 Adenom ≥ 10 mm 14,2 bis 28,0 %; Karzinom 6,3 bis 16,4 %.
|
Harris [642]
|
prospektiv
|
6004
|
10,2 % Screening
|
Erfahrung des Endoskopikers korreliert mit der Rate an Zoekumintubation und mit der
ADR; R/Z korreliert mit der ADR
|
Imperiale [717]
|
retrospektiv
|
2664
|
Screening
|
ADR 7 bis 44 %; maßgeblich beeinflusst durch die Untersuchungszeit
|
Jover [610]
|
prospektiv
|
4539
|
Screening
|
ADR korreliert mit RZZ (≥ 8Min) und Qualität der Darmvorbereitung
|
Lee [655]
|
retrospektiv
|
31 088
|
pos. FOBT
|
ADR korreliert mit Zoekumintubation, RZZ, Qualität der Darmvorbereitung, Spasmolyse,
Erfahrung des Endoskopikers, Tageszeit der Untersuchung
|
Regula [627]
|
retrospektiv
|
50 148
|
Screening
|
fortgeschrittene Adenome (≥ 10 mm, HGIN, tubulovillöse) signifikant häufiger bei Männern
|
1 RZZ = Rückzugszeit.
2 n = 3266 absoluten Daten einer Woche, n = 1200 529 extrapolierte Daten bezogen auf
ein Jahr.
Es soll ausdrücklich festgehalten werden, dass die Adenomdetektionsrate als Qualitätsparameter
nur bei der Vorsorgekoloskopie etabliert ist und deswegen nicht 1:1 auf die diagnostische Koloskopie übertragen
werden kann. [Tab. 34] zeigt die Adenomdetektionsraten bei Koloskopien verschiedener Indikationen [718]
[719]
[720]
[721]
[722]
[723]
[724]
[725]
[726]
[727]
[728]
[729]
[730]. Im Großen und Ganzen kann geschlussfolgert werden, dass (oft liegt keine Alterskorrektur
vor, oft auch keine direkten Vergleiche) Symptome wie Bauchschmerzen (z. T. als Reizdarm
gelabelt), Durchfälle und v. a. Obstipation eine mehr oder minder ähnliche Adenomrate
haben wie die der Vorsorgekoloskopie.
Tab. 34
Adenomdetektionsrate bei verschiedenen Koloskopieindikationen in Vergleichsstudien.
Autor
|
Studienart
|
n Koloskopien
[1]
|
Ergebnisse
|
Alterskorrektur
[2]
|
Adler [718]
|
prospektiv
|
1397
|
Karzinome/Polypen: Vorsorge 16,0 %, Blutung 22,1 %, Symptome[3] 7,7 %
|
–
|
Anderson [719]
|
retrospektiv
|
9100
|
Signifikant höhere ADR in Screening-Koloskopie (37 %) vs. Surveillance-Koloskopien
(25 %)
|
–
|
Chey [720]
|
prospektiv
|
917
|
IBS vs. gesunde Kontrollen: histologisch signifikant weniger Adenome in der IBS Gruppe
|
+
|
De Bosset [721]
|
prospektiv
|
509[1]
|
Polyp/Neoplasie ≥ 1 cm: Vorsorge 28,5 %, Symptome 15,4 %, FOBTpos. 27,5 %, Hämatochezie
28,8 %
|
–
|
Gupta [722]
|
retrospektiv
|
41 775
|
Indikation nur Obstipation geringes Risiko für relevante Befunde als Obstipation +
Screening oder nur Screening
|
+
|
Kueh [723]
|
retrospektiv
|
2633
|
Indikation abdominelle Schmerzen signifikant niedrigeres Risiko für Neoplasien verglichen
mit Eisenmangelanämie und rektalem Blutabgang
|
+
|
Lasson [724]
|
prospektiv
|
767
|
Indikation rektale Blutung (n = 405): Karzinome 13,3 % (n = 54), Adenome > 1 cm 20,5 %
(n = 83)
|
+
|
Lieberman [725]
|
retrospektiv (CORI)
|
6669[1]
|
Polyp/Neoplasie ≥ 1 cm: Vorsorge 6,5 %, unspez. Symptome 7,3 %, FOBT+ 17,0 %
|
+
|
Minoli [726]
|
prospektiv
|
1123
|
Karzinome: Vorsorge 8 %, Symptome 6,2 %, Hämatochezie 11,9 %
|
–
|
Neugut [727]
|
retrospektiv
|
1172
|
Adenome > 1 cm oder Karzinome in Abhängigkeit der Indikation: rektale Blutung 14,5 %,
abdominelle Schmerzen 7,1 %, Änderungen der Stuhlgewohnheiten 7,1 %,
|
–
|
Obusez [728]
|
retrospektiv
|
786
|
nur Indikation Obstipation: Adenome 2,4 % (n = 19), ADR bei Patienten < 40 J. 2,9 %,
< 50 J. 1,7 %
|
+
|
Patel [729]
|
prospektiv
|
559
|
Prävalenz von IBS in 559 Patienten mit Rom-III-Kriterien allein 15,4 % (n = 21) mit
zusätzlichen Alarmkriterien[4] 27,7 % (n = 117)
|
+
|
Pepin [730]
|
retrospektiv
|
563
|
nur Indikation Obstipation: Karzinome 1,7 %, Adenome 19,6 %, fortgeschrittene Adenome
5,9 %
|
+
|
1 Fallzahlen: für die genannten Indikationen ausgewertete/insgesamt erfasste Koloskopien:
509/1188 [134], 6699/20 475 [138].
2 Vergleich von symptomatischen mit Vorsorgekollektiven.
3 Symptome = i. d. R. Diarrhoe, Obstipation, Schmerzen.
4 Gewichtsverlust, Blutbeimengungen im Stuhl, Anämie.
Auch in
Kliniken
soll zu Zwecken der Qualitätssicherung die Adenomdetektionsrate bestimmt werden;
allerdings wird in Deutschland in Kliniken i. d. R. keine Vorsorgekoloskopie durchgeführt.
Dezidiert ausgenommen von dieser Regelung sind Vorsorgekoloskopien, die im Krankenhaus
nur durchgeführt werden, wenn eine persönliche Ermächtigung der KV vorliegt. In diesem
Fall unterliegt die Qualitätssicherung den Regelungen nach § 135 Abs. 2 SGB V und
nicht den Empfehlungen dieser Leitlinie. Aufbauend auf den in [Tab. 35] gezeigten Studien, schlagen wir die Erhebung der Adenomdetektionsraten vor, wobei
aus der Qualitätssicherung der Koloskopie im Krankenhaus für die Erfassung von Dickdarmneoplasien
dann wegen der Vergleichbarkeit ausgenommen sind:
Tab. 35
Komplikationsraten der (Vorsorge-)Koloskopie aus größeren Fallserien und Studien.
Autor
|
n Koloskopien
|
Indikationen
|
Studienzeitraum
|
Studienart/Follow-up
|
Ergebnisse
|
Deutsche Daten
|
Adler [745]
|
12 134
|
Screening
|
2006 – 2008
|
prospektiv
|
Dokumentation von Komplikationen unzureichend., dokumentierte Komplikationen 0,15 %,
unter Berücksichtigung der auditierten Daten 0,46 % (ohne Patientenfeedback 0,33 %)
|
Bokemeyer [746]
|
269 144
|
Screening
|
2003 – 2006
|
prospektiv
|
kardiopulmonal 0,10 %. Blutungen (Post-Polypektomie) 0,8 %, chirurgische Intervention
in 0,03 %. Perforationen in 0,02 % der Koloskopien und 0,09 % der Polypektomien
|
Crispin [747]
|
236 087
|
Screening/Non-Screening
|
2006
|
prospektiv
|
Komplikationen ges. 0,32 %; kardiopulmonal 0,06 %, Blutungen 0,2 %, Perforationen
0,03 %
|
Eckardt [748]
|
2500
|
Screening/Non-Screening
|
1995 – 1997
|
prospektiv
|
Komplikationen total 2,4 %; kardiopulmonal 2 %, Blutungen und Perforationen 0,3 %
|
Hagel [749]
|
7535
|
64 % diagnostisch/36 % therapeutisch
|
2002 – 2009
|
prospektiv
|
Perforationen 0,33 % (0,14 % diagnostische und 0,67 % therapeutische Koloskopie);
12 % konservative und 88 % chirurgische Therapie
|
Pox [750]
|
2821 392
|
Screening
|
2003 – 2008
|
prospektiv
|
Komplikationsrate ges. 0,28 %, Rate schwerer Komplikationen 0,058 %
|
Sieg [751]
|
82 416
|
k. A.
|
1998 – 1999
|
prospektiv
|
Komplikationen ges. 0,02 % (+ Polypektomie 0,36 %), Perforationen 0,005 % (+ Polypektomie
0,06 %), Blutungen 0,001 %% (+ Polypektomie 0,26 %)
|
Stock [752]
|
33 086
|
26 % Screening/74 % Non-Screening
|
2001 – 2008
|
retrospektiv
|
Perforationen: Screening 0,08 % und Non-Screening 0,07 % Blutungen: Screening 0,05 %
und Non-Screening 0,11 %
|
Heldwein [753]
|
2257/3976[1] nur Polypektomien
|
k. A.
|
20 Monate
|
prospektiv
|
Komplikationen in 9,7 % der Patienten; Risikofaktoren für schwere Komplikationen:
Polypengröße und rechtsseitige Lage
|
Internationale Daten
|
Bowles [614]
|
9223
|
61,2 % diagnostisch
|
4 Monate
|
prospektiv
|
Perforationen in 0,13 %; Blutungen (KH-Einweisung) in 0,06 %
|
Kang [754]
|
17 102[2]
|
k. A.2
|
2000 – 2007
|
retrospektiv
|
Perforationen: diagnostische Intervention 0,07 %, therapeutische Intervention 0,4 %
|
Ko [755]
|
21 375
|
Screening
|
k. A.
|
prospektiv
|
30-Tages-Komplikationen 0,2 %, Blutungen 0,16 %, Perforationen 0,02 %
|
Nelson [617]
|
3196
|
Screening
|
1994 – 1997
|
prospektiv
|
Komplikationen 0,3 %; schwere Komplikationen 0,1 %
|
Niv [756]
|
252 064[3]
|
k. A.
|
2000 – 2006
|
retrospektiv
|
bekannte Komplikationen in 0,04 %, davon 86,3 % Perforationen, 8,8 % Blutungen und
4,9 % kardiopulmonal
|
Rabeneck [647]
|
97 091
|
k. A.
|
2002 – 2003
|
retrospektiv
|
Blutungen 0,16 %, Perforationen 0,085 %, koloskopieassoziierte Todefälle 0,0074 %
|
Singh [648]
|
24 509[4]
|
k. A.
|
2004 – 2006
|
retrospektiv
|
Komplikationen ges. 0,29 %; Blutungen (Post-Polypektomie) 0,64 %, Perforationen (Post-Polypektomie)
0,18 %
|
Warren [757]
|
53 220
|
26 % Screening/53,3 % Polypektomie
|
2001 – 2005
|
retrospektiv
|
Blutungen 0,16 %, Perforationen 0,64 %, schwere Komplikationen (Screening-Koloskopie)
0,28 %
|
Zubarik [758]
|
1196
|
k. A.
|
1997 – 1998
|
prospektive
|
1,7 % Komplikationen die zu einer Wiedervorstellung führten
|
Zubarik [759]
|
466[5]
|
Screening
|
2000 – 2001
|
prospektiv
|
signifikant größere Beschwerden der Sigmoidoskopiegruppe verglichen mit der Koloskopiegruppe
|
1 2257 Patienten mit insgesamt 3976 Schlingenabtragungen.
2 17 102 Koloskopien; 20 660 Sigmoidoskopien; 6772 therapeutische Interventionen; insgesamt
53 Perforationen.
3 252 064 dokumentierte Koloskopien/102 bekannte koloskopieassoziierte unerwünschte
Ereignisse.
4 Endoskopien des unteren Gastrointestinaltrakts (inkl. Sigmoidoskopie, ±Polypektomie,
APC, Dilatation).
5 466 Interventionen (entweder Koloskopie unter Sedierung oder flexible Sigmoidoskopie
ohne Sedierung).
-
Koloskopien mit geplanter therapeutischer Intention.
-
Koloskopien bei Patienten mit bekannten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.
-
Koloskopien bei Patienten mit der Indikation einer gastrointestinalen Blutung.
-
Koloskopien mit einer Notfallindikation.
Diese Ausschlusskriterien beruhen auf der mäßig gut abgesicherten Annahme einer der
Vorsorge ähnlichen Adenomdetektionsrate bei Patienten mit Bauchbeschwerden, Obstipation oder Durchfällen (wenn kein CED-Verdacht vorliegt) ([Tab. 34]). Ein positiver Hämoccult-Test zählt nicht dazu, da in Deutschland bei der Vorsorgekoloskopie
keine strenge Trennung vorgenommen wird und nicht eruiert werden kann, wie viele der
im Register erfassten Vorsorgekoloskopie auf eine positiven Hämoccult und wie viele
primär erfolgt sind. Die Vergleichbarkeit einer ADR in Kliniken mit der im ambulanten
Vorsorgebereich ist allerdings nur gegeben, wenn eine Alterskorrekrtur vorgenommen
bzw. nur Patienten aber dem 55. Lebensjahr betrachtet werden.
Tageszeitliche Schwankungen der Adenomdetektionsrate (Absinken im Verlauf des Tagesprogramms) wurden in einigen
Studien behauptet (in der Größenordnung von 5 – 7 % weniger „absolute“ ADR) [731]
[732]
[733], von anderen Analysen dagegen verworfen [734]
[735]
[736]. Die praktischen Konsequenzen sind ohnehin begrenzt (Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit
durch den Tag, gemischte Programme [731] etc.). Offenbar spielt hierbei vor allem auch die unterschiedliche Vorbereitungsqualität
eine Rolle [737]. Im Wochenverlauf gibt es im Übrigen keine Schwankungen zwischen den Tagen [738].
Schließlich soll festgehalten werden, dass möglicherweise die Wirkung einer hohen
ADR von anderen Faktoren neutralisiert werden kann. Ein wichtiger solcher Einflussfaktor
ist vermutlich die Patientencompliance bezogen auf die Nachsorgeuntersuchungen nach Adenomabtragung. Möglicherweise liegt hier der Grund, warum einige Studien keinen
Effekt der Polypenabtragung auf die Karzinomrate in Norwegen und Frankreich gezeigt
haben. In Norwegen lag die Nachsorgeempfehlung für fortgeschrittene Adenomen bei 10
Jahren (diese Patienten hatten ein höheres Risiko für Kolorektale Karzinome als die
Normalbevölkerung) und eine Nachsorge bei nicht fortgeschrittenen Adenomen wurde nicht
empfohlen (hier war eine leichte Absenkung zu sehen) [713]. In einer französischen Follow-up-Studie des dortigen Vorsorgeprogramms (FOBT und
dann Koloskopie) von über 5779 abgetragenen Adenomen war die Kolonkarzinomsterblichkeit
sogar erhöht (SIR/standardized incidence ratio 1,26), u. a. entscheidend abhängig
von der Wahrnehmung des endoskopischen Follow-ups: Bei Patienten mit fortgeschrittenen
Adenomen und koloskopischer Nachsorge lag die SIR bei 1,10, im Vergleich zu 4,26 ohne
eine solche Follow-up-Untersuchung [739]. Ob bei bestimmten Patienten mit bestimmten Adenomcharakteristika wegen einer erhöhter
Lokalrezidivrate besonderer Wert auf die Nachsorge gelegt werden soll, wird derzeit
untersucht [740]
[741]
[742].
Komplikationsrate als Qualitätsparameter
Empfehlung
Die Komplikationen der Koloskopie sollen im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe dokumentiert
werden.
Starker Konsens
Statement:
Die Komplikationsrate ist zwar ein logischer, aber schwer überprüfbarer Qualitätsparameter;
bevor Festlegungen über Art, Definition der Komplikation und den Zeitraum der Erfassung
nach dem Eingriff allgemeinverbindlich getroffen, in ihrem Aufwand abgeschätzt und
Einigkeit über ein unabhängiges Monitoring getroffen sind, ist die Komplikationsrate
bei der diagnostischen und therapeutischen Koloskopie nicht zum breiten Einsatz und
zum Benchmarking geeignet.
Starker Konsens
Kommentar
(siehe auch Kapitel 5 und 7): Bezüglich publizierter Komplikationsraten der Koloskopie
sei auf eine Übersicht der ASGE [743] und einen spezifisch auf die Vorsorgekoloskopie bezogen Review [744] verwiesen. [Tab. 35] gibt einen Überblick über die wichtigsten deutschen [745]
[746]
[747]
[748]
[749]
[750]
[751]
[752]
[753] und internationalen größeren Serien [614]
[617]
[647]
[648]
[754]
[755]
[756]
[757]
[758]
[759]. Die wichtigste Frage bei der Komplikationsrate im Rahmen der Qualitätssicherung
und mehr noch beim Benchmarking ist, wer wie welche Komplikationen über einen wie
langen Zeitraum dokumentiert und wie – bei Vergütungsrelevanz („pay for performance“)
– diese Daten dann gemonitort werden sollen. Es ist nicht überraschend, dass Datenbanken
wie das deutsche Vorsorgeregister Komplikationen unterschätzen, wenn sie im Rahmen
einer prospektiven Studie überprüft werden [745]. Auch ist es ein völlig unterschiedlicher Aufwand, ob nur Akutkomplikationen erfasst
werden oder – wie in einigen Studien der Fall – ein 2 oder 4 Wochen-Follow-up durchgeführt
wird. Ob die Verlinkung von Register- und Kassendaten [752] hier die Lösung bringt, ist angesichts der unklaren Datenqualität noch offen.
Aus diesen Gründen und auch, da der Gesetzgeber keine detaillierten Vorgaben macht,
wird lediglich eine Dokumentation der Komplikationen unter allgemeiner Angabe der
Erfassungsbedingungen (z. B. akut oder mit Follow-up) als Qualitätsmerkmal gefordert.
Die EU-Richtlinien empfehlen drei Methoden der Qualitätssicherung in punkto Komplikationen
(Kontakt aller Patienten zu einem bestimmten Zeitpunkt, 30-Tages-Mortalitäts-Review,
8-Tages-Krankenhausaufnahme aus ungeplanten Gründen), geben aber zu, dass dieses nicht
alle nationalen oder regionalen Datenbanken erlauben.
Deswegen wird als „key performance indicator“ die ungeplante Aufnahme am selben Tag
der Koloskopie empfohlen, unter Angabe des Aufnahmegrunds [629].
4.5.3.3 Geräte- und Untersuchungstechnik
Empfehlung
Koloskopische Untersuchungen sollen mit hochauflösenden Videoendoskopen durchgeführt
werden.
Starker Konsens
Statement
Die Anwendung erweiterter Bildgebungsverfahren (z. B. direkte und virtuelle Chromoendoskopie/Zoomendoskopie)
stellt in bestimmten Situationen eine Verbesserung dar.
Starker Konsens
Kommentar
Videoendoskope sind Standard in der Endoskopie des unteren GI-Traktes. Es können pädiatrische
oder nicht pädiatrische Koloskope unterschiedlicher Länge zum Einsatz kommen. Die
Gerätelängen variieren zwischen 1330 und 1700 mm, der Durchmesser des Arbeitskanals
zwischen 2,8 – 4,2 mm. Immer noch werden Adenome in signifikantem Ausmaß übersehen
– insgesamt 22 %, allerdings vor allem kleine (26 % bis 5 mm, nur mehr 2 % ab 10 mm)
[760]. In den letzten Jahren sind zahlreiche randomisierte Studien zu erweiterten Verfahren
der Koloskopie erschienen, die meist keinen Vorteil auf die Adenomdetektionsrate gezeigt
haben. Eine Übersicht der ASGE im Mai 2015 gibt hier einen guten Überblick vor allem
über die eingesetzten und validierten Technologien [761].
Sie lassen sich zusammenfassen als:
-
Moderne (HDTV) und erweiterte Bildgebung wie Narrow Band Imaging (NBI), Fujinon intelligent chromoendoscopy (FICE) und I-Scan.
Eine Metaanalyse aus 5 Studien zeigte keinen Vorteil von HDTV [762]. Zum Thema „virtuelle Chromoendoskopie“ überschlagen sich die Metaanalysen [763]
[764]
[765]
[766]
[767]
[768]. NBI wird in keiner der Metaanalysen ein Effekt auf die ADR zugeschrieben, FICE
wird in einer der Metaanalysen erfasst, ebenfalls ohne Wirkung auf die ADR [764]. Eine weitere vor kurzem erschienene dreiarmige Studie mit NBI und FICE weist in
dieselbe Richtung [769]. Für I-Scan zeigen zwei kleinere (n = 200 und n = 67) randomisierte Studien einen
Vorteil [770]
[771], der durch eine größere randomisierte Tandem-Studie (n = 389) nicht bestätigt werden
konnte [772]. Interessanterweise wies die jüngste und umfangreichste Metaanalyse basierend auf
9 Studien nur der konventionellen Chromoendoskopie einen Effekt auf die ADR zu [764], hier zeigte sich überwiegend eine Verbesserung der Detektion von nur kleinen Adenomen.
Allerdings beschäftigten sich zwei dieser Studien mit Colitis ulcerosa und eine japanische
Studie nur mit dem rechten Kolon in einer Art Tandemansatz. Ob eine konventionelle
Färbung im Alltag praktikabel ist, sei dahingestellt.
-
Erweiterter Blickwinkel, zunächst von 140 auf 170 Grad und vor kurzem mit teilweiser Rundumoptik. Die 170-Grad–Optik
erbrachte in mehreren Studien keine erhöhte ADR [773]
[774]
[775]
[776]
[777]. Das erste Rundumoptikgerät (mit Geradeaus- und zwei Seitoptiken in einer Ebene,
sogenannte FUSE-Endoskop) zeigte in einer kleineren, methodisch allerdings kritisierten
Tandemstudie eine deutlich erniedrigte Adenoma-miss-Rate, bei allerdings niedriger
ADR in der primären Endoskopie der Kontrollgruppe [778]. Wie üblich, erscheinen dann sofort, Kosten-Nutzen-Berechnungen [779]. Hier muss man weitere Daten abwarten, ebenso wie über Rundumoptikgeräte anderer
Firmen [780].
-
Mechanische Verfahren wie einfache und erweiterte Aufsatzkappen sowie Verwendung eines Ballons an der Endoskopspitze.
Einfache Abstandskappen wurden in bereits 6 Metaanalysen bezüglich ADR analysiert
[764]
[781]
[782]
[783]
[784], nur in der ältesten [784] wurde ein Effekt gesehen, der in den neueren Metaanalysen verschwand. Neuere sogenannte
Igelkappen scheinen die Adenomrate zu erhöhen, so wurden in zwei aufeinanderfolgenden
gleichartigen Studien derselben Gruppe (in der zweiten Studie erweitert) mit jeweils
nahezu derselben Patientenzahl (n = 498 und n = 5600) eine Erhöhung und sehr ähnliche
Ergebnissen (ADR 36 vs. 28 % bzw. 35 vs. 21 %) gezeigt [785]
[786]. Randomisierte Studien über Konkurrenzprodukte (Endorings) liegen bislang nicht
als Originalveröffentlichung vor. Mit einem neuartigen Ballonendoskop, genannt G eye
(mit dem Ballon sollen die Kolonfalten für einen besseren Blick hinter die Falten
flachgedrückt werden) wurde in einer kleineren (n = 126) Tandemstudie eine dramatisch
reduzierte Adenoma-miss-Rate gezeigt [787]
[788]. Das sogenannte Third-eye-Endoskop (retrograder Blick durch ein durch den Arbeitskanal
eingeführtes „Baby“-Endoskop) wird hier nur erwähnt, da es sich, obwohl ebenfalls
Verbesserungen der ADR gezeigt werden konnten [789]
[790]
[791], bislang nicht durchgesetzt hat.
Aufgrund der begrenzten Datenlage mit neueren Geräten und Aufsatzkappen sind endgültige
Schlussfolgerungen
vermutlich verfrüht; doch scheinen mechanische Hilfen und vielleicht eine deutlich
erweiterte Optik größere Vorteile zu erbringen als Bildverstärkungstechniken. Auf
jeden Fall bringt der Übergang von einer Gerätegeneration auf die nächste keine messbaren
Vorteile für die ADR; erst bei Überspringen einer Generation scheint dies möglich;
hierfür gibt es aber bislang nur indirekte Evidenz [609]
[792].
Immer wieder wird eine zusätzliche Untersuchung des Rektums und des (v. a. rechtsseitigen)
Kolons in
Retroflexion
empfohlen; die Literatur hierzu ist älter und zahlreich, und wird vor allem im proximalen
Kolon ergänzt durch neue Studien.
-
Rektale Retroflexion: Hier gibt es vorwiegend ältere Studien unterschiedlicher Größe (n = 75 bis n = 1502,
insgesamt etwa 3600 Patienten), die eine geringe Ausbeute v. a. an Adenomen zwischen
0,3 und 2 % zeigten [793]
[794]
[795]
[796]
[797]. Eine nahezu 30 Jahre alte Vergleichsstudie der Fiberglasendoskopie mit der Anoskopie
ergab bei letzterer eine deutlich höhere Detektionsrate an Läsionen [798]. Weitere direkte Vergleichsstudien liegen nicht vor. Allerdings gibt es auch eine
Reihe von Perforationsberichten bei diesem Manöver [799]
[800]
[801]
[802]
[803], in einer großen Multicenterserie lag die Rate aber nur bei 0,01 % von 39 054 Untersuchungen
(4 Fälle) [801].
-
Retroflexion im (rechten) Kolon: Hier gibt es in den letzten Jahren mehrere prospektive Studien mit ebenfalls unterschiedlich
großen Patientenzahlen (von 200 bis 1000), die eine zusätzliche Adenomentdeckung/miss
rate zwischen 2 und 4,5 % erbrachten [804]
[805]
[806], mit Ausnahme einer jüngeren Analyse von 453 Patienten ohne Zugewinn [807]. Interessanterweise zeigten zwei neue randomisierte Studien mit 100 und 850 Patienten
denselben Effekt auf die Steigerung der Adenomrate, wenn man
ein zweites Mal
das rechte Kolon in konventioneller
Geradeaus-Manier
spiegelte [808]
[809].
Andere Vorteile wie
längere Geräte
oder
variable Versteifung
erhöhen natürlich nicht direkt die Adenomdetektionsrate, können aber die Zoekumrate
erhöhen und/oder die Koloskopie erleichtern. Längere Endoskope führen zu kürzeren
Zeiten bis zum Zoekum [810] und/oder zu höheren Zoekumraten [811], vor allem bei Frauen mit gynäkologischen Operationen [812]. Zwei Metaanalysen beschäftigen sich mit versteifbaren Koloskopen und finden einmal
eine höhere Zoekumrate (8 RCT) [813], die in der anderen, 3 Jahre älteren Metaanalyse (7 RCT) nicht gefunden wurde [814].
Das Einführen des Koloskops unter
Röntgenkontrolle
ist heute als Ausnahme zu betrachten und nur in speziellen Situationen z. B. zur
Therapie (Ballondilatation etc.) gerechtfertigt. Eine Darstellung mittels
magnetischer Bilddarstellung
(„scope guide“) im Endoskop kann bei ungeübten Untersuchern eine hilfreiche Ergänzung
darstellen. Generell bietet sie keine konsistenten Vorteile, sodass die aufgrund einer
skandinavischen Studie ausgesprochenen EU-Empfehlungen der Verwendung bei Koloskopien
ohne Sedierung für Deutschland nicht mitgetragen werden. Eine vor kurzem erschienene
Metaanalyse von 13 randomisierten Studien zeigt in der Gesamtauswertung zwar Vorteile
in verschiedenen Parametern, doch waren diese vorwiegend minimal (z. B. 4 % mehr Zoekumrate,
eine halbe Minute kürzere Zoekumzeiten, minimal weniger Patientenbeschwerden –0,45 cm
auf einer Skala von 10 cm) oder bei Berücksichtigung nur der qualitativ guten Studien
nicht mehr nachweisbar [815]. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine chinesische Metaanalyse mit 8 eingeschlossenen
Studien [816].
Erwähnt seien der Vollständigkeit halber der
Lagewechsel
der Patienten bei der Koloskopie, der geringfügig die Adenomrate erhöhen soll [817], vor allem bei schwieriger Koloskopie [818]
[819]. In einer jüngeren randomisierten Studie war aber kein Vorteil zu sehen [820].
Bezüglich
CED-Diagnostik
und Gerätetechnik sei hier wie auch für andere Kapitel auf die entsprechenden DGVS-Leitlinien
verwiesen [821]
[822].
Verwendung von CO2 bei der Koloskopie
Empfehlung
Koloskopien sollten mit CO2-Insufflation durchgeführt werden, da dies den Patientenkomfort
durch eine Reduktion der abdominellen Beschwerden nach der Koloskopie erhöht. Wahrscheinliche
Vorteile liegen auch bei therapeutischen Eingriffen mit einem erhöhten Risiko für
eine Perforation.
Starker Konsens
Kommentar
Es gibt wenig Anwendungsbereiche in der Endoskopie, wo alle durchgeführten randomisierten
Studien in dieselbe Richtung weisen, sowohl im Klinik- als auch im niedergelassenen
Setting, auch Studien aus dem deutschsprachigen Raum stützen die Anwendung von CO2
[823]
[824]. Der Haupteffekt zeigt sich in verminderten Blähungen am Tag der Koloskopie. Natürlich
gibt es auch hier bereits drei Metaanalysen [825]
[826]
[827].
Ob Einschränkungen für CO2 bei Patienten mit manifester COPD erforderlich sind, ist
aufgrund der manglenden Daten nicht klar. Eine japanische Studie über kolorektale
ESD fand bei 77 Patienten mit obstruktiver Lungenerkrankung keine Unterschiede zu
den anderen Patienten [241)]. Kapnografische Messungen zeigten bei sedierten Patienten
(allerdings ohne COPD) keine oder nur minimale Anstiege [829]
[830]
[831].
CO2 hat sich (wie auch im oberen GI-Trakt) bei therapeutischen Eingriffen v. a. Resektionen
bewährt; der Nutzen ist in Studien aber nicht leicht zu belegen [832]
[833].
Gabe spasmolytisch wirksamer Medikamente während oder vor der Koloskopie
Empfehlung
Spasmolytisch wirksame Medikamente können in Einzelfällen bei fehlenden Kontraindikationen
zur besseren Entfaltung des Kolons gegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Der Nutzen spasmolytisch wirksamer Medikamente vor oder während der Koloskopie ist
umstritten. Während einige Studien Vorteile auch in der Rate der erfolgreichen Zoekumintubationen
beschreiben, sehen andere nur einen Nutzen in der besseren Beurteilbarkeit der Schleimhaut
und dem Patientenkomfort. Die bislang veröffentlichten drei Metaanalysen zeigten keine
oder nur marginale Effekte auf die Adenomdetektionsrate [834]
[835]
[836]. Spasmolytika sind deswegen nicht als Standardmedikation bei jeder Koloskopie zu
sehen, sondern sind vorwiegend bei entsprechender Indikation (z. B. starke Spasmen
bei der Untersuchung) hilfreich. In den USA ist Butylscopolamin nicht zugelassen.
Das statt dessen verwendete Glukagon zeigte keine konsistenten Effekte auf Koloskopiedurchführung
und Patientenkomfort [837]
[838]
[839], war aber in einer älteren Studie in den hämodynamischen Parametern Butylscopolamin
überlegen [837].
4.5.3.4 Biopsieverhalten und endoskopische Differenzialdiagnose von Kolonneoplasien
Empfehlung
Karzinomverdächtige Läsionen sollen biopsiert werden, wenn keine primäre Abtragung
geplant ist.
Starker Konsens
Vor Polypektomie sollte eine Biopsie nur dann erfolgen, wenn die Art der Läsion unsicher
bleibt (Neoplasie oder Entzündung, Hyperplasie) und das weitere Vorgehen beeinflusst
wird (z. B. verschiedene Resektionsverfahren).
Starker Konsens
Statement
Es gibt keine ausreichende publizierte Evidenz, dass Biopsien nachfolgende endoskopische
Resektionen erschweren.
Starker Konsens
Kommentar
Ob Polypen vor der Abtragung biopsiert werden sollten oder sogar nicht biopsiert werden
dürfen, ist komplex. Bzgl. des Managements lassen sich verschiedene Situationen unterscheiden:
-
Die endoskopische Unterscheidung, ob es sich um einen abtragungswürdigen Befund handelt,
oder ob die Läsion belassen werden kann. In erfahrenen Händen sollte es mit modernen
Endoskopen ggf. mit Bildverstärkung möglich sein, Neoplasien von verdickten Schleimhautfalten
zu unterscheiden, wozu dann keine Biopsie nötig ist. Die Differenzialdiagnose zwischen
hyerplastischen Polypen und Adenomen wird derzeit intensiv beforscht. Gibt es aber
überhaupt Polypen, die nicht abgetragen werden sollen, sondern belassen werden können,
z. B. sicher hyperplastische Polypen, wenn sie klein sind? Dies gilt hochwahrscheinlich
für kleine linksseitige/distale, makroskopisch gut als solche erkennbaren hyperplastische
Polyp(ch)en, die i. a. belassen werden können. Bei allen anderen Polypen liegt der
Fokus derzeit auf der Debatte „Abtragen und histologisch analysieren oder nicht“ (DISCARD,
s. u.) – aber nicht „Abtragen oder belassen“. Die Diskussion, die derzeit um (v. a.
größere und rechtsseitige) serratierte Läsionen – hyperplastische Polypen oder sessil
serratierte Adenome [840]
[841]
[842]
[843]
[844]
[845]
[846]
[847] – geführt wird, lässt es angesichts der histopathologischen Unsicherheiten und des
unklaren biologischen Verhaltens der serratierten Läsionen, ratsam erscheinen, alle
solche erkannten Läsionen abzutragen. Insgesamt kann also, auch aus mediokollegialer
Sicht, begründet werden, warum eindeutig makroskopisch als solche erkennbare Polypen/Neoplasien
im Kolon nicht belassen, sondern auch ohne vorherige Histologie abgetragen werden
können. Hierzu benötigt man
keine Biopsiesicherung
. Ob umgekehrt die vorherige Biopsie eine nachfolgende Abtragung gerade von flachen
Läsionen erschwert (z. B. durch vermehrte Fibrose), wird zwar immer wieder behauptet
(http://www.dgvs.de/leitlinien/kolorektales-karzinom/), ist aber nicht sicher belegt.
Eine kleine korenanische Studie berichtet dies für Karzinoide [848]. Eine andere Studie aus Japan beobachtete ein non-lifting bei 15/76 Läsionen und
in einer Multivarianzanalyse von 4 Faktoren (eigentlich mehr als bei 15 Vorfällen
erlaubt) war die Biopsie nach mehr als 21 Tagen knapp signifikant (p = 0,048) [849]. Dass Biopsien schließlich in 10 – 60 % die wahre Natur eines Polypen verkennen
können, ist ebenfalls in einigen Studien gezeigt worden [850]
[851]
[852]
[853]
[854] (s. u.).
-
Die Unterscheidung zwischen einem
gut abtragbaren
und nicht mehr oder unter besonderen Umständen (Erfahrung/Technik z. B. ESD) abtragbaren
und dann zu operierenden
Kolonpolypen
ergibt sich aus einer gemeinsamen Beurteilung von Endoskopie/Makroskopie und Biopsie
und wird im klinischen Alltag unterschiedlich gehandhabt. Bezüglich des weiteren Managements
von (gestielten und flachen) malignen Polypen wird auf die DGVS-Leitlinien verwiesen
(http://www.dgvs.de/leitlinien/kolorektales-karzinom/). Dass die primäre Abschätzung
der endoskopischen „Abtragbarkeit“ eines Polypen von der Erfahrung des Koloskopikers
abhängt und die meisten „nicht abtragbaren“ Polypen in Zentren doch erfolgreich abgetragen
werden können, wurde wiederholt gezeigt [855]
[856]
[857]
[858]
[859]
[860]. Zudem wird immer wieder über signifikante Morbidität nach Operation von Kolonadenomen
berichtet [861]
[862] wohingegen es auch gegenteilige chirurgische Meinungen bezüglich der onkologischer
Sicherheit gibt [863]. Eine deutsche Studie zeigte anhand von 66 Patienten, dass die vorherige endoskopische
Resektion von Kolonfrühkarzinomen das onkologische Outcome nicht verschlechtert [864]. Welche endoskopische Resektionstechnik zum Tragen kommen soll und ab welcher Einschätzung
bzw. Ausdehnung operiert werden soll, muss aufgrund fehlender guter Evidenz individuell
entschieden werden (s. u.). Wenigen Studien zufolge müssen auch in Zentren etwa 10 %
der zugewiesenen Patienten doch operiert werden [865]
[866]. Eine entsprechende
Vorstellung in einem Zentrum
ist deswegen zu empfehlen.
Bezüglich der Biopsieprotokolle bei CED siehe entsprechende DGVS-Leitlinien [821]
[822].
Statement
Der endoskopische Aspekt ist als Gesamtbeurteilung vor einer endoskopischen Polypenresektion
wichtig und beinhaltet Aspekte der Morphologie (Verlust der Struktur, Ulzeration/Einsenkung,
Vulnerabilität) und des Verhaltens bei der Biopsie (Gewebehärte) und ggf. beim versuchten
Hochspritzen (non-lifting sign), auch wenn die Treffsicherheit der jeweiligen Einzelparameter
beschränkt ist.
Starker Konsens
Kommentar
Die
Abtragbarkeit
von (komplexen) kolorektalen Polypen hängt von einer Reihe von Faktoren ab, wobei
Größe/Ausdehnung, Form, Lage und Abhebbarkeit durch Unterspritzung bei flachen Läsionen
(Lifting sign) und die Erfahrung des Untersuchers (s. o.) eine Rolle spielen. Manche
dieser Faktoren erweisen sich erst bei der (versuchten) Abtragung als relevant. Bezüglich
Histologie der abgetragenen Polypen haben Low- und High-grade-Dysplasien (inklusive
Ca in situ, „Mukosakarzinom“, etc.) Relevanz für die Nachsorge, nicht aber für die
endoskopische Abtragbarkeit. Sogar bei maligner Karzinomhistologie wird das weitere
Management neben weiteren Kriterien von der Vollständigkeit der Abtragung (sogar piecemeal)
bestimmt (siehe auch DGVS-Richtlinien (http://www.dgvs.de/leitlinien/kolorektales-karzinom/)).
Bei der
Beurteilung der Abtragbarkeit
spielt vor allem eine zu erwartende maligne Histologie eine Rolle. Ob dies aus dem
endoskopischen Aspekt vorhersagbar ist, ist nach aktueller Datenlage nicht eindeutig.
Die verschiedenen potenziell zur Anwendung kommenden
Klassifikationssysteme
werden in [Tab. 36] dargestellt [867]
[868]
[869]. Zur Frage der Malignität werden in der vorwiegend japanischen Literatur leider
in der Regel beide Entitäten, nämlich „Mukosakarzinom“ = HGIN und submukosalinvasives
Karzinom vermischt. Westliche Daten gibt es wenige: In der großen australischen Polypenstudie
(n = 479) wurden als univariate Risikofaktoren für ein submukosalinvasives Karzinom
eine Paris-Klassification 0–IIa+c, die Morphologie (nongranuläre Oberfläche) und ein
Kudo Pit-pattern Type V genannt [870]. Von den Einzelkriterien wiesen allerdings von den 22 Paris Typ IIc- oder IIa+c-Läsionen
nur 31,8 %, von den 98 nicht granulären Wuchsformen nur 15,3 % und von den 25 Kudo
Typ V-Läsionen immerhin 56 % eine maligne Histologie (Submukosainvasion) auf. Der
prädiktive Wert dieser Kriterien ist also begrenzt [870]. Eine japanische Studie zeigte hohe Treffsicherheiten in der Erkennung von tiefen
(also nicht mehr kurativ abtragbaren) Submukosakarzinomen in einer eigens entwickelten
Kombination von Pit-pattern und Gefäßmuster (Sensitivität 94,9 %, Spezifität 76,0 %)
[871]. Selbst in der initialen Publikation von Kudo, der das Pit-pattern eingeführt hatte,
gab es neben einer hohen Treffsicherheit (81.,5 %) des Pit-pattern in der Unterscheidung
zwischen Adenom und Hyperplast nur 22 invasive Karzinome, von denen 11, also nur 50 %
einen Typ V aufwiesen [868]. Die NICE-Klassifikation ([Tab. 36]) wurde kürzlich in einer japanischen Studie an ausgewählten Standbildern auf die
Treffsicherheit einer submukösen Invasion getestet und schnitt mit jeweils 92 % Sensitivität
und negativem prädiktivem Wert sehr gut ab [872]. Ob dieses studienmethodisch bedingte etwas artifizielle Vorgehen auf die westliche
klinische Routine übertragbar ist, sei dahingestellt. Eine westliche Bildbeurteilung
ausgewählter japanischer Bilder erreichte aber ähnlich gute Werte [872].
Tab. 36
Darstellung der Klassifikationssysteme zur endoskopischen Polypencharakterisierung
und Differenzialdiagnose.
Paris-Klassifikation der Polypenmorphologie
[867]
|
Typ 0–Ip
|
Polypoid gestielt
|
Typ 0–Is
|
Polypoid sessil
|
Typ 0–IIa
|
nicht polypoid, nicht exkaviert, gering erhaben
|
Typ 0–IIb
|
nicht polypoid, nicht exkaviert, völlig flach
|
Typ 0–IIc
|
nicht polypoid, nicht exkaviert, gering eingesenkt (kein Ulkus)
|
Typ 0–III
|
nicht polypoid, ulzeriert
|
Kudo Klassifiation zur Polypendifferenzialdiagnose
[868]
|
hyperplastische Polypen
|
Pit-pattern I und II (A und B), Farbe eher weißlich und homogen
|
Typ I
|
rundliche kleine Kreise, eigentlich Pattern der normalen Schleimhaut; kann auch den
hyperplastischen Polyp kennzeichnen
|
Typ II
|
sternartige oder kapillarartige Anordnung, eher klein, rund und regelmäßig
|
Neoplasie/Adenome
|
Pit-pattern III–V, Farbe eher rötlich, kann inhomogen sein
|
Typ III
|
größere longitudinale pits, können auch rundlich sein, dann aber größer als normal.
Die seltene Untergruppe kleinerer pits als normal (IIIS) klassifiziert diese größeren pits dann als IIIL
|
Typ IV
|
verzweigt, oder Sulcus-, Gyrus-artig
|
Typ V
|
irregulär, kein Muster, gar keine pits (oft maligne oder prämaligne)
|
NICE-Klassifikation zur Polypendifferentialdiagnose
[869]
|
Typ 1 – charakteristisch für hyperplastischen Polyp
|
Farbe: heller als oder ähnlich wie Umgebung, keine Gefäße oder spärliches Netzwerk,
kein Muster erkennbar, Oberfläche: dunkle Flecken mit hellerem Rand
|
Typ 2 – charakteristisch für Adenom
|
Farbe: dunkler (brauner) als Umgebung, Gefäße: zentral hellerer Bereich, umgeben von
dickeren braunen Gefäßen
|
NB: serratierte Adenome zählen in der Klassifikation als Hyperplasten, sind aber Adenome.
Bitte separat vermerken (Typ 1–HP und Typ1-SSA oder nur HP oder SSA)!
|
Typ 3 – charakeristisch für invasives Karzinom
|
Farbe: dunkler als Umgebung, manchmal inhomogen, Gefäße: Areale mit gestörter oder
aufgehobener Gefäßarchitektur, Oberfläche: irreguläre Oberfläche, kein Muster
|
In einer vor kurzem veröffentlichten Metaanalyse von Studien über die Vorhersagekraft
des Kudo Pit-patterns ([Tab. 36]) wurde ebenfalls vor allem die Wertigkeit der Bildgebung in der Differenzialdiagnose
zwischen Hyperplasten und Adenomen behandelt, die Vorhersagekraft für invasive Karzinome
aber nicht erwähnt [873]. Ähnlich verhält es sich mit dem sehr ausführlichen Review der ASGE zu den Anforderungen
einer endoskopischen Polypendifferenzialdiagnose, zumal da es hier nur um kleine („diminutive“)
Polypen < 5 mm handelt [874], bei denen Malignome extrem selten sind.
Tab. 37
Aussehen und Malignität bei flachen Adenomen (laterally spreading adenoma, LST), G = granulärer
Typ, NG = nicht granulärer Typ.
Autor
|
n (LST)
|
Vorkommen von Submukosakarzinomen
|
japanische Daten
|
Imai [875]
|
482
|
1,8 % bei G (n = 316) vs. 15,5 % bei gemischt G/NG (n = 136)
|
Oka [876]
|
1363
|
0,9 % bei G (n = 351), 13,3 % bei gemischten Typen (n = 271), 6,1 % bei NG flach-erhabenen
(n = 703) und 42,1 % bei NG eingesenkten Typen (n = 38)
|
Saito [877]
|
257
|
3,7 % massive sm-Invasion bei 82 unruhigen knotigen Veränderungen (NG-Typ?)
|
Saito [1001]
|
432
|
0,6 % bei G (n = 161) und 14 % bei NG (n = 271)
|
Uraoka [879]
|
511
|
7 % bei G (n = 287), 14 % bei NG (n = 224)
|
internationale Daten
|
Moss [870]
|
479
|
40 nicht klassifizierbar. 3,2 % bei G (n = 311), 14,1 % bei NG und gemischt (n = 128)
|
Rotondano [880]
|
254
|
G-Typ n = 211, NG-Typ n = 43; 6 sm-Karzinome, 5 davon in der G-Gruppe
|
Immer wieder wird der prädiktive Wert des sogenannten nicht granulären Typs bei flachen größeren Adenomen (laterally spreading adenomas, LST) für die Prädiktion
der Malignität hervorgehoben, vor allem in der japanischen Literatur. Hier werden
der benigne granuläre Typ von dem nicht granulären oder gemischten Typ unterschieden,
letzterer mit deutlich höherem Malignitätsrisiko. Soweit submukosalinvasive Neoplasien
extra ausgewiesen sind, ist das Risiko beim nicht granulären Typ signifikant, aber
nicht exzessiv höher als beim granulären Typ ([Tab. 37]), etwa im Verhältnis 15 % zu 1 – 7 %. Dies wird nur zum Teil durch außerjapanische
Daten gestützt wird [870]
[875]
[876]
[877]
[878]
[879]
[880] und nicht z. B. durch eine prospektive italienische Studie [880]. Ob die verschiedenen Typen der LST unterschiedliche Rezidivraten nach Endoresektion
aufweisen, wird offenbar auch in Japan unterschiedlich gesehen: In einer etwas unübersichtlichen
Studie, in der viele Einflussfaktoren (Läsionscharakteristika und Resektionstechniken)
leider nur univariat analysiert wurden, wiesen granuläre Typen (n = 179) nach Resektion
kein Rezidiv auf [881]. Bei den nicht granulären (n = 80) waren es 7,8 % Lokalrezidive. Zur Anwendung kamen
verschiedene Resektionstechniken, mit erwartungsgemäß niedrigeren Rezidivraten bei
En-bloc-Resektion. Inwieweit die submukosale Invasion (n = 9) hier einen Einfluss
hatte, wird nicht beschrieben. Im Gegensatz dazu war gerade die granuläre Wuchsform
einer der Einflussfaktoren für Lokalrezidive in einer großen japanischen Multicenterstudie
(n = 1524) mit ebenfalls verschiedenen Resektionstechniken [882].
Das Non-lifting-Zeichen [883]
[884] ist als zuverlässiges Zeichen für Malignität umstritten [883]
[885], kann aber natürlich zu einer technisch erschwerten und unvollständigen Resektion
auch bei Low-grade-Adenomen führen [870].
Bei der Adenomgröße und Ausbreitung ist vorwiegend die zirkuläre Ausdehnung von Bedeutung, da hierdurch das eventuelle
Strikturrisiko determiniert wird. Dieses wird in den meisten Serien nicht separat
analysiert, scheint aber (viel?) geringer zu sein als im oberen GI-Trakt. Zumindest
werden klinisch signifikante Strikturen in keiner der größeren Serien inklusive Reviews
und Metaanalysen zur EMR/ESD von ausgedehnteren Kolonläsionen berichtet [870]
[886]
[887]
[888]
[889]. Die seitliche Abgrenzung vor allem flacher Läsionen wird durch Chromoendoskopie
oder die neuen Bildverstärkungsverfahren verbessert: Auch hier fehlen systematische
und kontrollierte Daten, da schwer zu eruieren, dies kann aber als allgemeine Erfahrung
gelten.
Im Übrigen ist die endoskopische Größenmessung – wenngleich unvermeidlicherweise Bestandteil zahlreicher, auch großer und hochrangiger
Publikationen u. v. a. zur KRK-Vorsorge und Nachsorge nach Polypektomie und in der
Definition eines „advanced adenoma“ (> 1 cm) – im Vergleich zur histologischen Größenbestimmungen
und anderen Goldstandards bekanntermaßen unzuverlässig [890]
[891]
[892]
[893]
[894]
[895]
[896]
[897]
[898]
[899], mit natürlich entsprechenden Konsequenzen für Nachsorgeempfehlungen nach Polypektomie
[900].
Ob die Angabe eines Komplexitätsgrades vor der Polypenabtragung, wie von einer britischen
Gruppe vorgeschlagen (SMSA für size, morphology, site, access; hierbei scores 1 – 17
und vier Klassen) bei der Planung und Überweisungsstrategie von schwierigen Polypen
hilft [901], sei dahingestellt.
4.5.3.5 Histologie nach Adenomresektion
Empfehlung
Abgetragene Läsionen sollen geborgen und unter Angabe der Lokalisation zur histologischen
Untersuchung eingesandt werden. Gelingt dies im Einzelfall nicht, soll dies im Befund
vermerkt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die histologische Beurteilung abgetragener Polypen ist beim derzeitigen Wissensstand
als Standard zu betrachten. Vor allem aus dem angloamerikanischen Sprachraum ist aber
aus Kostengründen [902]
[903] vorgeschlagen worden, Polypen zu resezieren und nicht histologisch zu analysieren
(„Resect and Discard“ [904]
[905], kurz DISCARD), was aus Gründen der Risikoabwägung bislang auf Polypen bis 5 mm beschränkt bleiben
soll. Die Nachsorgeempfehlungen (10 Jahre bei lediglich hyperplastischen Polypen,
i. d. R. 3 – 5 Jahre bei Adenomen, je nach Zahl, Größe und Histologie) richten sich
dann hauptsächlich nach der endoskopischen Differenzialdiagnose zwischen Adenomen
und Hyperplasten, da keine Histologie mehr vorliegt. Diese Überlegungen basieren auf
zahlreichen Studien zur endoskopischen Differenzialdiagnose mittels Pit-pattern [868] und haben eine weitere Flut von Publikationen aus Zentren ausgelöst, die u. a. auch
neue Klassifikationen eingeführt und getestet haben, z. B. die NICE-Klassifikation
[869], die auf der Gerätetechnik einer speziellen Firma beruht. Diese große Zahl von Publikationen
mit i. d. R. sehr guten Ergebnissen wurden in mehreren Reviews und „Metaanalysen“
zusammengefasst [906]
[907]
[908]
[909]
[910], so auch in einem kürzlichen Update der ASGE-Empfehlung. Hier wurden zudem die Kriterien
für eine qualitätsgestützte endoskopische Differenzialdiagnose von Polypen bis 5 mm
festlegt [874]. Gerade letztere sehr ausführliche Übersicht zeigt, dass die Differenzialdiagnose
mit verschiedenen Techniken in etwa gleich zu funktionieren scheint, was auch durch
die Ergebnisse der meisten randomisierten Studien bestätigt wird [911]
[912]
[913]. Obwohl die meisten Studien mit verschiedensten Techniken aus Referenzzentren diese
Anforderungen offenbar erreichen, gibt es in letzter Zeit zunehmend auch hochrangig
publizierte Studien, die zeigen, dass dies multizentrisch und unter „Alltagsbedingungen“
nicht funktioniert [913]
[914]
[915]
[916].
Erschwerend ist in den letzten Jahren eine zusätzliche differenzialdiagnostische Unsicherheit
bei den hyperplastischen Polypen durch die Aufwertung der sogenannte sessilen serratierten Adenome hinzukommen [840]
[844]
[847]. Diese werden in stark unterschiedlichem Ausmaß nicht nur von Endoskopikern gesehen,
sondern auch, wenn biopsiert oder abgetragen, unterschiedlich häufig von Pathologen
diagnostiziert [843]
[917]. Eine beträchtliche Anzahl von hyperplastischen Polypen wird in der Zweitmeinung
als SSA umklassifiziert [840]
[842]
[845]
[918], zudem ist die Interobservervarianz zwischen Pathologen in den meisten Studien relativ
hoch [840]
[846]
[919]. Zwar sind all diese Studien nicht streng größenkorreliert durchgeführt (DISCARD
wird nur für Polypen bis 5 mm in Erwägung gezogen), und es sind auch schon neue endoskopische
Beurteilungen [920] und Klassifikation vorgestellt [921], doch hält sich aus diesen Gründen die Leitlinie mit Empfehlungen zur Änderung des
bisherigen Vorgehens (histologische Beurteilung nach endoskopischer Abtragung) zurück.
Bezüglich des Umgangs mit Polypenkarzinomen, die sich meist erst aus der histologischen Aufarbeitung abgetragener Polypen ergibt
(schwieriger noch, wenn vor Abtragung bekannt), wird auf die die DGVS-Leitlinie kolorektales
Karzinom verwiesen (http://www.dgvs.de/leitlinien/kolorektales-karzinom/).
4.5.3.6 Endoskopische Resektion von Kolonneoplasien
Adenome im Kolon und Rektum sollen vollständig entfernt werden.
Bis zu einer Polypengröße von 5 mm kann die Polypektomie auch ohne Diathermie, bevorzugt
mit einer Schlinge oder mit einer Biopsiezange erfolgen.
Starker Konsens
Statement
Da die vollständige Abtragung mit Zange nur bis etwa 3 mm dokumentiert ist, ist bei
grenzwertig großen Polypen um 4 – 5 mm die Kaltabtragung mit einer Schlinge das präferierte
Verfahren.
Konsens
Kommentar
Biopsiezangen sind in verschiedenen Formen der Zangenbranchen mit oder ohne Dorn erhältlich
[922]. Der Dorn dient der Fixierung der Zange in der Mukosa und der Fixierung des Biopsats
mit der Möglichkeit zur Mehrfachbiopsie in einem Arbeitsgang; hier werden etwas tiefere
Biopsien erreicht [923]. Eine prospektiv-randomisierte verblindete Studie ergab keinen Unterschied in der
histologischen Qualität der entnommenen Proben zwischen 12 verschiedenen erhältlichen
Biopsiezangen [924]. Die Biopsie selbst erfolgt meist durch eine zum Endoskop gerichtete Ziehbewegung.
Alternativ kann ein größeres Biopsat durch eine vom Endoskop wegführende Abscherbewegung
erzielt werden; auch Mehrfachbiopsien (i. d. R. zwei pro Arbeitsgang) sind als nützlich
beschrieben [925]. Jumbobiopsiezangen erfassen eine 2fach größere Mukosaoberfläche als die Standardbiopsiezange,
benötigen aber ein therapeutisches Endoskop mit einem 3,6 mm Arbeitskanal [926].
Die optimale Abtragungsmethode für kleine Polypen bis 5 mm ist umstritten. Hier wird zwischen Abtragung mit Zange oder Schlinge und
bei beiden Methoden zwischen Kaltabtragung und Hot -biopsy unterschieden. In Tierexperimenten [927]
[928]
[929] wurde an Hunden gezeigt, dass durch Hot-biopsy bzw. Polypenkoagulation zum Teil
tiefere Schäden in der Wand entstehen, abhängig von der verwendeten Technik [928]. Weiterhin zeigte eine randomisierte Tierstudie von artifiziellen Polypen am lebenden
Schwein mit der Hot-biopsy Zange versus Schlingenresektion eine für die Hot -biopsy
signifikant erhöhte Rate an histologisch nicht untersuchbaren Resektaten (21 vs. 0 %)
und eine höhere Rate einer partiellen Nekrose der Muskularis propria (34 vs. 2 %)
[927].Die Anwendung der kalten Schlingenresektion bei künstlichen Läsionen am in vivo
Schweinekolon (n = 30) ergab keine Blutungen oder Perforationen [929].
Die entsprechenden klinischen Studien zur Abtragung kleiner Polypen mit Zange und Schlinge, kalt und/oder thermisch, sind
in [Tab. 38] zusammengefasst [930]
[931]
[932]
[933]
[934]
[935]
[936]
[937]
[938]
[939]
[940]
[941]
[942]
[943]
[944]
[945]
[946]
[947]
[948]
[949]
[950]. Die Ergebnisse zeigen, dass
-
die kalte Abtragung von kleinen Polypen mit der Zange oft Adenomgewebe zurücklässt
[930] und vermutlich abhängig von der Sorgfalt und der Biopsiezahl ist. Zumindest in einer
Studie war sie bei Polypenknospen bis 3 mm zuverlässig [931].
-
die Jumbozange bessere Ergebnisse [932]
[933] erzielt, aber meist nicht praktikabel und im deutschen Alltag wohl auch zu teuer
ist.
-
die Hot-biopsy-Zange schlechtere histologische Ergebnisse liefert [937]
[940] und teilweise wohl auch Polypenreste zurücklässt [938]. Die im Tierexperiment nahegelegte höhere Gefährlichkeit (s. o.) ließ sich klinisch
in den vorliegenden Studien aber nicht bestätigen.
-
die Kaltabtragung am besten beforscht und wohl bei kleinen Polypen vorzuziehen ist.
Zum einen hat sie eine sehr niedrige Nachblutungsrate [941]
[947]
[948], in randomisierten Studien im Vergleich mit der thermischen Schlingenabtragung nicht
konsistent [942]
[946], bei antikoagulierten Patienten sogar geringer [943]. Zum anderen konnte sie in zwei randomisierten, histologisch nach Kaltschlingenabtragung
dann mittels Nachbiopsie und sogar EMR-kontrollierten Studien eine um etwa 15 % bessere
Vollständigkeit der Polypenabtragung erreichen [944]
[945].
Tab. 38
Daten über Zangen- und Schlingenabtragung kleiner Polypen (bis 5 mm; Ausnahmen in
der Größe werden separat erwähnt).[1]
Autor
|
n (Polyp)
|
Studientyp
|
Zahl der Bx
|
Kontrolle[2]
|
Ergebnisse allgemein
|
Zangenabtragung, kalt
|
normale Zange
|
Efthymiou [930]
|
54
|
prosp.
|
2 (1 – 5)
|
EMR
|
39 % (62 % Adenom, 24 % Hyperplast)
|
Jung [931]
|
86
|
prosp.
|
2 (1 – 5)
|
EMR
|
92,3 % komplette Resektion (100 % bei Größe bis 3 mm)
|
Jumbozange
|
Aslan [932]
|
263
|
RCT vs. konv. Zange
|
k. A.[3]
|
Histo (?)
|
100 % Jumbo vs. 89,4 % konv. (sign), Blutung n = 1 vs. 3
|
Draganov [933]
|
305
|
RCT vs. konv. Zange
|
2.2 vs. 2.55
|
visuell
|
82,4 % Jumbo vs. 77,4 % konv. (n. s.)
|
Uraoka [934]
|
223
|
nur Abstract zitiert
|
1
|
k. A.
|
|
gemischte Serien
|
Liu [935]
|
65
|
retrosp.
|
k. A.
|
Bx sofort
|
Reste: Zange kalt: 2/22, Jumbozange kalt: 2/18 Abtragung Schlinge kalt: 1/7, Schlinge
therm. 1/18
|
Weston [936]
|
1964
|
retrosp.
|
k. A.
|
k. A.
|
1525 Hot Biopsy, 436 Zange kalt, 3 Schlinge; 6 sign. Blutungen, alle bei Hot Biopsy
(0,39 %), k. A. zur Histologie
|
Zangenabtragung, hot biopsy
|
Mönkemüller [937]
|
87
|
alternativ vs. Zange kalt
|
k. A.
|
k. A.
|
k. A. zur Vollständigkeit, histologische Qualität besser bei Zange kalt (Thermoschaden
91,1 vs. 2.2 %)
|
Peluso [938]
|
62
|
prosp.
|
Koag.
|
Endo n. 1/2 Wo
|
17 % Polypenreste
|
Woods [939]
|
156
|
RCT vs. Zange kalt
|
k. A.
|
Endo n. 3 Wo
|
21 % Hot Biopsy vs. 29 % Zange Restgewebe
|
Yasar [940]
|
237
|
RCT vs. Jumbozange kalt
|
k. A.
|
k. A.
|
k. A. zur Vollständigkeit, histologische Qualität schlechter bzgl. Thermoschaden,
Architektur und Submukosatiefe
|
Schlingenabtragung, kalt
|
Deenadayalu [941]
|
400
|
prosp.
|
–
|
k. A.
|
k. A. zur Vollständigkeit, 99 % histologisches Sample
|
Ichise [942]
|
205
|
RCT vs. Schlinge therm. bis 8 mm
|
–
|
k. A.
|
k. A. zur Vollständigkeit, keine Blutung/Perfo, aber mehr Bauchschmerzen für therm.
(20 vs. 2.5 %)
|
Horiuchi [943]
|
159
|
RCT bei AK vs. Schlinge therm.
|
–
|
k. A.
|
Studienoutcome Blutung sofort 5,7 vs. 23 %, später 0 vs. 14 %. Gefäßschäden Submukosa
22 vs. 39 %
|
Kim [944]
|
145
|
RCT vs. Zange
|
–
|
EMR
|
96,6 vs. 82.6 % (sign).
|
Lee [945]
|
117
|
RCT vs. Zange
|
mind. 2
|
zus. Bx
|
93,2 vs. 79.2 % (sign)
|
Paspatis [946]
|
1255
|
RCT vs. Schlinge therm.
|
–
|
k. A.
|
keine Nachblutung in beiden Gruppen, Blutung bei Endo 9,1 vs. 0,1 %
|
Repici [947]
|
1015
|
prosp. bis 10 mm
|
–
|
k. A.
|
nur Sicherheit evaluiert (Blutung 30 Tage 1,8 %) k. A. zur Histologie
|
Tappero [948]
|
288
|
?
|
–
|
k. A.
|
keine Blutung oder Perforation, alle Polypen geborgen. A. zur Histologie
|
Uno [949]
|
80
|
prosp.
|
–
|
k. A.
|
Akutblutung 3,75 %; k. A. zur Histologie
|
Schlingenabtragung, thermisch
|
McAfee [950]
|
183
|
7 mm
|
–
|
k. A.
|
88 % abgetragen und geborgen, k. A. zur Vollständigkeit Schlinge
|
1 k. A. = keine Angaben; AK = Antikoagluation; Bx = Biopsie; Koag = Koagulation des
Polypen, keine Histo.
2 Der vollständigen Abtragung nach makroskopisch vollständiger Zangenabtragung.
3 Ein Biss 97,1 vs. 46,6 %, 2 Bisse 100 vs. 86,4 %.
Empfehlungen
Bei einer Polypengröße > 5 mm soll eine Schlingenabtragung mit oder ohne Unterspritzung
unter Verwendung von Diathermiestrom durchgeführt werden. Bei flachen Adenomen sollte
die Abtragung in Form einer EMR (endoskopische Mukosaresektion, besser saline-assisted
polypectomy) erfolgen.
Klassische sogenannte EMR-Techniken wie die kappenunterstützte „Suck and cut“-Technik
und die „Bandligatur“-Technik sollten nur im Rektum angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei der traditionellen
Schlingenresektion
wird die Läsion unter endoskopischer Sicht mit der monopolaren HF-Schlinge gefasst
und nach Aktivierung des monopolaren Stromes thermisch (“cut-and-coagulation”) durchschnitten.
Eine submukosale Injektion von z. B. NaCl- und/oder verdünnter Adrenalinlösung 1:10 000,
ggf. mit Farbstoffzusatz, kann zum Abheben (“lifting”) der Mukosa (“injektionsassisistierte
Schlingenresektion” „saline-assisted polypectomy) mit dem Ziel einer kompletten und
sicheren Resektion erfolgen; dies gilt vor allem für die Resektion von sessilen flachen
Läsionen und wird vorwiegend bei größeren Läsionen (z. B. ab 1 cm) angewandt. Allerdings
muss gesagt werden, dass bezüglich Sicherheit (Perforation) und Präparatequalität
(Submukosatiefe) erstaunlicherweise keine vergleichenden Studien zwischen Vorgehen
mit und ohne Injektion vorliegen; entsprechende Injektionsstudien beschäftigen sich
alle mit der Frage der (Nach)Blutung mit oder ohne Injektion [951]
[952]
[953]
[954]
[955]. Zur Frage der submukosalen Injektion bei Schlingenresektion von GI-Läsionen mit
einer Größe unterhalb der Indikation für eine EMR hinsichtlich Vollständigkeit und
Komplikationen liegen keine vergleichenden Studien vor.
Die Auswahl der Schlinge soll sich nach der Expertise des Untersuchers richten. Es
sind eine Vielzahl von endoskopischen Schlingen unterschiedlicher Konfiguration verfügbar
(monofil, geflochten). Wenige Studien haben verschiedene Typen von Diathermieschlingen
verglichen [956] und zeigten keine konsistente Überlegenheit für eine bestimmte Schlingenart oder
-konfiguration [957].
Die Abtragung gestielter Polypen wird in der Regel ohne Unterspritzung durchgeführt. Hier beschäftigt sich die relevante
Literatur mit der Blutungsprophylaxe durch verschiedene Techniken (siehe Kapitel 4.4.3.4 Endoskopische Blutungsprophylaxe
nach endoskopischer Resektion).
Bei sessilen oder flachen Polypen wird dagegen in der Praxis meist die Abtragung nach Unterspritzung durchgeführt.
Die Literatur der zur Verfügung stehenden Techniken analysiert i. d. R. größere Polypen,
definiert als ≥ 2 cm. Zur Verfügung stehen im Wesentlichen:
-
Die reine Schlingenabtragung ohne vorherige Unterspritzung.
-
Die Schlingenabtragung nach Unterspritzung, oft auch endoskopische Mukosaresektion
(EMR) genannt. Iim Kolon ist dies ein besonders unscharfer Begriff, besser wären die
englischen Begriffe „Inject und Cut Technik“ oder „saline-assisted polypectomy“ [958]. Hier können Läsionen bis zu 2 cm meist en-bloc abgetragen werden. Bei größeren
Polypen ist oft eine stückweise Abtragung („piecemeal“) nötig, sodass die Beurteilung
der Vollständigkeit endoskopisch erfolgen muss. Ggf. können Polypenreste mit modernen
hochauflösenden Endoskopen besser erkannt und sofort entfernt werden.
-
Die endoskopische Submukosadissektion (ESD), bei der die Läsion mit speziellen Messern
umschnitten und von der Unterlage abpräpariert wird. Technisch erfolgt nach Markierung
und submukosaler Injektion mit Kochsalz oder speziellen Lösungen die zirkumferenzielle
Inzision und die anschließende Dissektion innerhalb der unterspritzen Submukosa mit
speziellen ESD-Messern. Eine kurze transparente Aufsatzkappe erleichtert die Dissektion
und mechanische Präparation in der Submukosa. Derzeit befinden sich eine Reihe von
ESD-Messern auf dem Markt inklusive Kombinationsinstrumenten, die HF-Chirurgie und
Wasserapplikation kombinieren (siehe Kapitel 4.6). Eine Hämostase der submukosalen
Gefäße kann durch Koagulationsstrom über das Messer selbst bzw. mit einer Blutstillungszange
(engl. coag grasper/hot biopsy) erfolgen.
-
Eine Kombinationsmethode, genannt endoskopische Mukosaresektion mit vorheriger submukosaler
Umschneidung (CSI-EMR) [959]
[960]. Sie ist eine Variante der EMR mit dem Ziel, eine „En -bloc“-Resektionen auch bei
großen (> 2 cm Durchmesser) Läsionen zu erhalten. Hierbei wird nach der Markierung
und submukosalen Unterspritzung in Analogie zur ESD-Technik eine zirkumferenzielle
Umschneidung der kompletten Mukosa um die Läsion herum vorgenommen. Anschließend wird
eine HF-Schlinge entsprechender Größe in die Inzisionsfalte gelegt, die komplette
Läsion gefasst, mit monopolarem Schneidestrom koaguliert und reseziert.
Die klinischen Ergebnisse fasst [Tab. 39] zusammen [886]
[901]
[961]
[962]
[963]
[964]
[965]
[966]
[967]
[968]
[969]
[970]
[971]
[972]
[973]
[974]
[975]. Aufgrund der Fülle der Literatur vor allem für die EMR wurden nur Studien ab 100
Patienten seit 2010 aufgenommen, weitere Daten resultieren aus Reviews und Metaanalysen.
Ab einer bestimmten Größe werden Adenome mittels EMR stückweise abgetragen. Die Vollständigkeit
der Abtragung ist akut nur endoskopisch und nicht histologisch zu bestätigen. Da sich
nicht alle Studien an diese Definition halten (s. u.) variiert die initiale „Vollständigkeit“
teilweise erheblich. Größere neue Studien zeigen – zugegebenermaßen bei Verlusten
im Follow-up – eine insgesamt über 90 %ige langfristige Erfolgsrate ([886]
[974]. Diese beruht auf der einfachen Retherapie (Abtragung, Argonbeamer-Ablation) von
Polypenresten bzw. Rezidiven, die hohe Erfolgsrate wird somit mit mehr Follow-up-Koloskopien
erkauft.
Tab. 39
Daten über Mukosaresektion (EMR) und Submukosadissektion (ESD) bei kolorektalen Läsionen
≥ 2 cm. Nur Studien seit 2010 und mit mind. 100 Patienten (Ausnahme westliche ESD-Studien)
sind berücksichtigt, Metaanalysen mit der Gesamtzahl der eingebrachten Patienten.
Alle Serien sind Mischserien mit verschiedener Histologie, von Low-grade-Adenom bis
zum submukosainvasiven Karzinom.
Autor
|
n (Polypen)
|
Studientyp
|
Ca[1]
|
Erfolgsrate und F-up
|
Erfolgsrate Ca
|
Kompl.
|
EMR
|
japanische/koreanische Daten
|
Puli [961]
|
5221 EMR 1998 – 2006
|
Metaanalyse[2]
|
k. A.
|
kurativ en-bloc 59 % k. A. zu F-up
|
nicht separat analysiert
|
k. A.
|
Kim [962]
|
497
|
retrosp.
|
9
|
en-bloc 72,4 %, komplett 93,7 % kein F-up
|
k. A.
|
2 % Nachblutung 0,4 % Perf.
|
westliche/internationale Daten
|
Ah Soune [963]
|
146
|
retrosp.
|
0
|
89 % 1 Sitzung, 38 % APC 12,5 % Rezidiv – 1 F-up Kolo bei 24/146 (median 12 Mo)
|
–
|
8 % Blutung,4 % Perf. 1 Stenose
|
Ahlawat [964]
|
183
|
retrosp.
|
16
|
89 %; 13 % > 1 Sitzung, 12 % Rezidiv – 1 F-up Kolo bei 114/174 F-up (≥ 12 Mo). 28 %
insgesamt operiert
|
alle operiert
|
5 % Blutung, 2 % Perf. 6 % Bauchschmerzen
|
Cipoletta [965]
|
1012 nur 38,1 % > 2 cm
|
prosp.
|
36
|
86 % komplett; 18 % APC 6,5 % Rezidiv (823/928 F-up)
|
23 operiert 7 F-up (AZ)
|
1,7 % Nachblutung 4,4 % Perf.
|
Conio [966]
|
282
|
retrosp.
|
35
|
|
15 OP 16 F-up (v. a. AZ)
|
7,4 % Blutung keine Perf.
|
Ferrara [967]
|
182/177
|
prosp.
|
5
|
79 en-bloc, 98 piecemeal 6,9 % Rezidiv – 1 F-up Kolo bei 147/157 (F-up Ø 19,8 Mo)
|
alle operiert
|
11,3 % Nachblutungen 1,1 % Perforationen
|
Gomez [968]
|
131
|
retrosp.
|
10
|
17 % Rezidiv – 1 F-up Kolo bei 70/99 bei F-up 3 – 6 Mo, 5 % Rezidiv – 2 F-up Kolo
bei 29/99 bei F-up ? Mo 2 % Rezidiv – 3 F-up Kolo bei 12/99 bei F-up ? Mo 1,5 % Rezidiv
– 4 F-up Kolo bei 2/99 bei F-up? Mo
|
3 (sm1 oder L1) operiert
|
2,3 % Nachblutungen 3 % Perforationen
|
Heresbach [969]
|
1210 (24,4 % ≥ 2 cm)
|
prosp.
|
64/18sm1
|
73 % enbloc
|
Operation bei: 9 der sm1 8 der m1
|
4 % Nachblutungen 0,6 % Perforationen
|
Hochdörffer [970]
|
167
|
prosp.
|
17
|
73,6 % piece-meal 26.3 % Rezidiv – Ø 2,7 F-up Kolos bei 99/165 4 der T1-Ca erfolgreiche Endotherapie
|
11 operiert
|
17,4 % Nachblutungen
|
Knabe [886]
|
252
|
prosp.
|
8
|
32 % Rezidiv 1. Kolo[3] bei 58/183 (6 Mo) 16 % Rezidiv 2. Kolo bei 19/126 (12 Mo)
|
7 operiert bei inkompletter ER oder sm1 ≥ 1000μm
|
5,5 % Nachblutungen 1,6 % Perforationen
|
Lim [971]
|
239 (≥ 1 cm)
|
prosp.
|
13
|
20 % Rezidiv – F-up Kolo bei 78/139 (F-up median 6,8 Mo)
|
k. A.
|
2,1 % Komplikationen
|
Longcroft-Wheaton [901]
|
220
|
prosp.
|
17
|
14,5 % Rezidiv – 1 F-up Kolo bei 179/209 (3 Mo) 3,9 % Rezidiv – 2 F-up Kolo bei 179/209
(12 Mo)
|
Indikation zur Op in 17 Fällen, operiert 14
|
8,1 % kompl.
|
Maguire [972]
|
269
|
retrosp.
|
25
|
24 % Rezidiv – F-up Kolo bei 160/231 (3 – 6 Mo)
|
Indikation zur Op in 25 Fällen/21 operiert
|
3 % Nachblutungen 1,3 % Perforationen
|
Mannath [973]
|
121 ≥ 1 cm
|
prosp.
|
2
|
67 piecemeal 13,1 % Rezidiv – F-up Kolo (3 – 6 Mo)
|
k. A.
|
4 % Nachblutungen, 0,8 % Perforationen
|
Moss [974]
|
1000
|
prosp.
|
43
|
16 % Rezidiv 1. Kolo[4] bei 799/1000 (4 Mo) 4 % Rezidiv 2. Kolo bei 426/670 (16 Mo)
|
sm1 alle operiert
|
keine Nachblutungen keine ER-ass. Perf.
|
Woodward [975]
|
423 (47,3 ≥ 2 cm)
|
retrosp.
|
17
|
55,3 % (234) piecemeal 17 % Rezidiv 1. Kolo bei 234/423 (3 – 6 Mo
|
k. A.
|
k. A.
|
ESD
|
japanische/koreanische Daten
|
Repici [887]
|
2841 2007 – 10
|
Syst.Review von 22 Studien[5]
|
18 %
|
88 % R0-Rate/kurativ 0,07 % Rezidive (nur 1 Studie 0,3 %, sonst 0) F-up 13 Studien
n = 1397 med. 22 Mo (12 – 34 Mo), k. A. zur Zahl Kolos
|
k. A. spezif.
|
1 % OP-pflichtige Komplikationen
|
Tanaka [984]
|
2718 2007 – 11
|
Review 13 Studien Japan
|
k. A.
|
en-bloc 82,8 %, en-bloc/R0 75,7 % k. A. zu Histo/F-up
|
k. A.
|
1,5 % Nachblutung 4,7 % Perf.
|
Jung [985]
|
163
|
retrosp.
|
29
|
en-bloc 93 %, kurativ 92 % 0 Rezidive bei F-up (% unklar) mittl. 27 Monate (? Zahl
Kolo)
|
k. A. spezif keine OP
|
11 % Kompl, nicht näher spez.
|
Lee [986]
|
874
|
retrosp.
|
129
|
en-bloc 97,1 %, R0 90,5 % 0,4 % Rezidive bei F-up 722/874, mittl. 13 Monate
|
1 Rezidiv bei sm-Ca 65/82 OP[6]
|
0,5 % Blutung 6 % Perf.
|
Mizushima [987]
|
134
|
retrosp.
|
16
|
en-bloc R0 86,6 %, kurativ 85,1 % k. A. zu F-up
|
16 OP[7]
|
3,7 % Nachblutung 6,7 % Perf.
|
Nishiyama [988]
|
300
|
retrosp.
|
29
|
en-bloc 89,2 %, R0 79,1 %, 1 Lokalrezidiv (0,4 %) bei F-up von 213/282 mittl. 34 Mo
(? Zahl Kolo)
|
89,6 % 8/11 OP3
|
0,7 % Nachblutung 8,1 % Perf. (2/22 OP)
|
Ozawa [989]
|
400[8]
|
retrosp.
|
78
|
37 % zusätzlich Schlinge verwendet en-bloc 75,1 %, R0 basal 89,7 % 37 % hatten aber
sm-Invasion > 2000 µm
|
k. A. zur OP
|
21,9 % Blutung 1,3 % Perf.
|
Takeuchi [990]
|
816
|
retrosp.
|
150
|
5 % zus. Schlinge verwendet en-bloc 94 %, R0 78 % k. A. zu F-up
|
k. A.
|
2,2 % Blutung 2,1 % Perf.
|
westliche/internationale Daten
|
Farhat [991]
|
85
|
retrosp.
|
?[9]
|
R0 enbloc 67,1 %
|
keine Differenzierung8
|
insges. 11 % Blutung 18 % Perf. (6/34 OP)
|
Lang [992]
|
11
|
retrosp.
|
3
|
en-bloc 73 %, R0 82 %
|
k. A.
|
0 Blutung/Perf.
|
Probst [993]
|
82
|
retrosp.
|
14
|
en-bloc 81,6 %, R0 69,7 % Lernkurve
|
R0 50 % Sm3 / G3 43 % 13/14 OP
|
7,9 % Blutung 1,3 % Perf.
|
Rahmi [994]
|
45 Rektum
|
retrosp.
|
3
|
en-bloc 64 %, R0 53 % Rezidiv 12 Mo 12 % Lernkurve
|
1 sm1 R0 F-up 1 sm1V1 OP 1 T2 OP
|
13 % Nachblutung
|
Repici [995]
|
40 Rektum
|
prosp.
|
2
|
en-bloc 90 %, R0 80 % Rezidiv 2,5 % 12 Mo
|
0 % R0, OP n = 2
|
5 % Nachblutung 2,5 % Perf.
|
Spychalski [996]
|
55
|
retrosp.
|
2
|
en-bloc 66 %, R0 64 % Rezidiv 4,9 % 3 Mo (1 OP)
|
2 R0 keine OP
|
4,7 % Nachbl. (2 OP) 5,7 % Perf. (1 OP)
|
EMR und ESD im selben Zentrum (japanische und koreanische Vergleichsstudien, keine
davon randomisiert)
|
Kim [999]
|
206
|
retrosp.
|
24
|
en-bloc
|
kurativ
|
Rezidiv
|
k.A
|
Blutung/Perf.
|
ESD n = 58
|
|
5
|
96,6 %
|
75,9 %
|
1,7 %
|
|
8,6 %/15,5 %
|
EMR-P n = 91[10]
|
|
11
|
61,5 %
|
51,6 %
|
0
|
|
1,1 %/5,5 %
|
ESD-S n = 57[11]
|
|
8
|
64,9 %
|
54,4 %
|
0
|
|
10,5 %/19,3 %
|
Kobayashi [1000]
|
84
|
retrosp.
|
24
|
en-bloc11
|
rezidiv
|
F-up
|
k. A.
|
Blutung/Perf.
|
ESD n = 28
|
|
10
|
92,9 %
|
0
|
20 Mo
|
|
7,1 %/10,7 %
|
EMR n = 56
|
|
14
|
37,5 %
|
21,4 %
|
38 Mo
|
|
1,8 %/0
|
Saito [1001]
|
373
|
retrosp.
|
k. D.
|
en-bloc11
|
rezidiv
|
F-up
|
k. A.
|
Blutung/Perf.
|
|
ESD n = 145
|
|
|
84 %
|
2 %
|
26 Mo, 2,4 Kolos
|
|
1,4 %/6,2 %
|
|
EMR n = 228
|
|
|
33 %
|
14 %
|
20 Mo, 2,0 Kolos
|
|
3,1 %/1,3 %
|
Tajika [1002]
|
89
|
retrosp.
|
19
|
en-bloc11
|
rezidiv
|
k. A. zu
|
k. A.
|
Blutung/Perf.
|
|
ESD n = 85
|
|
18
|
83,%
|
1,2 %
|
F-up Details
|
|
2,4 %/5,9 %
|
|
EMR n = 104
|
|
1
|
48,1 %
|
15,4 %
|
|
|
2,9 %/0
|
Terasaki [881]
|
269
|
retrosp.
|
98
|
kurativ
|
rezidiv
|
1. Kolo
|
k. A.
|
k. A. detailliert[12]
|
|
ESD n = 61
|
|
|
91,8 %
|
0
|
7,5 Mo
|
|
|
|
ESD n = 28
|
|
|
100 %
|
0
|
2. Kolo
|
|
|
|
EMR n = 178
|
|
|
98,8 %
|
7,9 %
|
21,5 Mo
|
|
|
Fujiya [1003]
|
2299 2009 – 13
|
Metaanalyse
|
284
|
en-bloc/Kurativ
|
rezidiv
|
OP
|
k. A.
|
Blutung/Perf.
|
|
ESD n = 973
|
|
|
91,7 %/80,3 %
|
0,9 %
|
9,9 %
|
|
1,9 %/5,7 %
|
|
EMR n = 1326
|
|
|
46,7 %/42,3 %
|
120,2 %
|
5,8 %
|
|
3,5 %/1,4 %
|
Wang [888]
|
1642 2011 – 2013
|
Metaanalyse
|
k. A.
|
en-bloc
|
kurativ
|
rezidiv
|
k. A.
|
Komplikationen
|
|
ESD n = 687
|
|
|
87,9 %
|
83,8 %
|
0,%
|
|
8,9 %
|
|
EMR n = 688
|
|
|
44,5 %
|
65,5 %
|
12,7 %
|
|
5,8 %
|
1 Ca = definiert als submukösinvasives Karzinom (sm.-Ca), „Mukosakarzinome“ werden
in der HGIN-Gruppe geführt, wenn separat analysiert (siehe Text), k. A. = keine Angaben,
APC = Argonplasmakoagulation, AZ = Allgemeinzustand, F-up = Follow-up, k. D. = keine
Differenzierung (zwischen “Muksakarzinom” = HGD und Submukosa-Karzinom).
2 Bis auf zwei britische Serien (n = 142) nur japanische Studien.
3 1. Kolo nach 3 – 6 Monaten (183/252), 2. Kolo nach 16 Monaten (126/252); 7 % positive
Biopsien aus makroskopisch unauffälligen Narben.
4 1. Kolo nach 4 Monaten (799/1000), 2. Kolo nach 16 Monaten (510/734).
5 Bis auf zwei Studien nur japanische retrospektive Serien, 2 japanische Studien in
der Tabelle fälschlich als randomisiert ausgewiesen; 4 Studien behandeln nur Karzinoide.
6 65/82 bzw. 8/11 Patienten folgten den OP-Empfehlungen.
7 8 Patienten mit massisver sm-Infiltration, 8 Patienten mit L+ oder V+ (Infiltrationstiefe
nicht genannt).
8 Analyse nur der 78 sm-Karzinome au seiner Serie von 400 kolorektalen ESD.
9 Keine Differenzierung nach Lokalisation, da noch andere Tumorarten in der Studie;
insgesamt waren 25 % sm-Tumoren vertreten.
10 Angaben gibt es nur zu R0 lateral, nicht zu R0 basal, deswegen wird der Parameter
en bloc genommen.
11 EMR-P = zirkulare Umschneidung mit Messer, dann Schlingenabtragung in einem oder
meheren Teilen, ESD-S = ESD mit Umschneidung und Präparation sowie abschließender
Schlingenabtragung.
12 2 ESD-Prozeduren wegen Blutung und Perforation abgebrochen.
Studien, die sich nur auf die EMR mit Umschneidung (CS-EMR, s. o.) beziehen [959]
[960], sind nicht in [Tab. 39] enthalten. Sie zeigen bei ähnlicher Effizienz eine höhere En-bloc-Rate. Alternative
Substanzen zur submukosalen Injektion wie Hydroxymethylcellulose [976], Hyaluronsäure [977] oder andere, kolloide Substanzen [978]
[979] werden auch gewinnbringend im Kolon verwendet (Kapitel 4.6).
Die
Nachbehandlung
von abgetragenen Polypen mit
thermischen Verfahren
ist vor allem aus Gründen der Blutungsprophylaxe evaluiert. Eine randomisierte Studie
konnte 2002 eine verminderte Polypenrezidivrate nach Argonplasmakogaluation der Polypenränder
zeigen [980]. Eine neuere Studie aus Australien zur Elektrokoagulation der Ränder nach Resektion
ist noch nicht veröffentlicht. Polypenreste in der Nachbiopsie wurden nach Abtragung
auch bei 1 – 2 cm großen Polypen gezeigt [981], sodass hier möglicherweise Handlungsbedarf besteht. Schlussendlich können unvollständig
abgetragene Polypen erfolgreich mit Argonplasmakoagulation nachbehandelt werden [982]
[983].
Empfehlung
Die endoskopische Submukosadissektion (ESD) ist in westlichen Ländern aufgrund der
hohen Komplexität, variablen Erfolgsrate und erhöhten Komplikationsrate keine etablierte
Resektionstechnik für kolorektale Läsionen und sollte spezialisierten Zentren vor
allem im Rahmen von Studien vorbehalten bleiben.
Starker Konsens
Kommentar
Die ESD gilt als technisch komplex und erkauft sich den möglichen Vorteil einer En-bloc-Abtragung
und niedriger primärer Rezidivrate mit einer höheren Komplikationsrate und deutlich
längerer Eingriffszeit. Die Abtragung in einem Stück bringt aber bei benignen Läsionen
wie Kolonadenomen prinzipiell weniger Vorteile als im onkologischen Setting von (Früh)karzinomen.
Die Ergebnisse der ESD bei Kolonpolypen sind in [Tab. 39] aufgelistet [887]
[984]
[985]
[986]
[987]
[988]
[989]
[990]
[991]
[992]
[993]
[994]
[995]
[996]. Leider sind in den meisten Serien Adenome und Karzinome gemeinsam analysiert. Zudem
werden in Japan High-grade Adenome von „Mukosakarzinomen“ unterschieden, die es in
der WHO-Definition als separate Entität nicht gibt. Dadurch lassen diese Studien eine
Analyse der Methoden hinsichtlich der Untergruppe der submukosalinvasiven Karzinome
(denn hier beginnt im Gegensatz zum oberen GI-Trakt erst die Karzinomdefinition) oft
nicht zu. Zum anderen werden und wurden in EMR-Studien nicht selten alle Patienten
mit Karzinomhistologie automatisch operiert, was eine Follow-up-Analyse erschwert.
Zwei kleine Studien beschäftigen sich mit Operationspräparaten nach EMR von malignen
Polypen: In einer Analyse von 143 Patienten über 17 Jahre (1990 – 2007) nach kompletter
endoskopischer Abtragung (keine näheren Angaben) fanden sich 16 Karzinomreste, weitere
Details werden nicht gegeben [997]. Eine kleine spanische Studie über 31 Patienten macht keine Angaben über endoskopische
Vollständigkeit [998]. Die derzeitigen deutschen KRK-Leitlinien lassen eine EMR von malignen Polypen prinzipiell
zu („Eine Entfernung in Piecemeal-Technik erscheint ausreichend“). Hierbei erfolgt
die Beurteilung der R-Situation zur Seite endoskopisch-makroskopisch, die Beurteilung
zur Tiefe histologisch (basal R0).) (http://www.dgvs.de/leitlinien/kolorektales-karzinom/);
das Update dieser Leitlinien für 2016 wird sich mit diesem Thema nochmals explizit
beschäftigen.
Die ESD-Studien auch aus Japan und Korea zeigen eine En-bloc- und R0-Rate (dies ist
ja das eigentliche Ziel der Methode) von 76 – 92 % ([Tab. 39]), teilweise werden noch zusätzliche Techniken wie die Schlingenabtragung verwendet
[989]
[990]. Separate Resultate für Karzinome (submukosal) gibt es kaum, und wenn, dann zeigt
sich hier doch eine hohe Operationsrate [987]
[988]. Die Komplikationsrate ist insgesamt deutlich höher als bei der EMR, die Rezidivrate
aber sehr niedrig. Diese Relationen sind in den westlichen meist retrospektiven Studien
noch deutlich ins Negative verschoben, mit niedrigeren kurativen Resektionsraten bei
höheren Komplikationsraten ([Tab. 39]). Bei den Karzinomen, die in westlichen Studien meist separat analysiert werden,
erfolgt bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten allerdings doch eine sekundär
Operation. Die Technik erscheint -– abgesehen von der fraglichen Indikation bei Adenomen
– für einen breiteren Einsatz im westlichen Kolon (noch ?) nicht geeignet.
Vergleichende
retrospektive und daher nicht randomisierte
Studien der ESD mit der EMR
gibt es nur aus Fernost. Diese sind ebenfalls in [Tab. 39] dargestellt [881]
[888]
[999]
[1000]
[1001]
[1002]
[1003] und zeigen ein ähnliches Bild wie oben beschrieben. Keine dieser Studien macht spezifische
Detailangaben zu Resultaten bei (insbesondere submukosalen) Karzinomen, u. a. deswegen,
da sich diese Patienten meist in den ESD-Gruppen befinden.
Empfehlung
Die Vollständigkeit der Abtragung soll endoskopisch kontrolliert werden. Diesbezüglich
richten sich die Nachsorgeintervalle nach den Empfehlungen der Leitlinie Kolorektales
Karzinom der DGVS.
Bei Piecemeal-Abtragung sollen im Rahmen der ersten endoskopischen Nachsorge auch
Biopsien aus makroskopisch unauffälligen Narbenarealen erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Empfehlung der Biopsie auch aus unauffälliger Narbe resultiert aus einer kürzlich
publizierten deutschen bizentrischen Studie aus zwei erfahrenen Zentren, bei der bioptisch
in 7 % Adenomgewebe aus unauffälligen Narbe zu gewinnen war [886]. Rezidive gibt es allerdings auch bei normaler Narbe und negativer Biopsie in knapp
3 % [1004]. Möglicherweise hilft hier eine erweiterte endoskopische Bildgebung [1005]
[1006]
[1007].
Blutungsprophylaxe nach endoskopischer Resektion siehe Kapitel 4.4.3.4
4.5.4 Spezifische Qualitätsindikatoren ([Tab. 40])
Tab. 40
Vorschlag Qualitätsindikatoren Koloskopie.
Qualitätsindikatoren Koloskopie
|
präprozedural
|
siehe allgemeine Qualitätsindikatoren Endoskopie
|
intraprozedural
|
Frequenz der Dokumentationsrate der Vorbereitungsqualität (vereinfachter Boston-Score)
|
Zoeumintubationsrate (Dokumentation Appendixabgang/Zoekumboden und Ileozoekalklappe)
|
Frequenz der Dokumentation der Rückzugszeit (im Rahmen der Zeiterfassung)
|
Adenomdetektionsrate (Rate von Patienten mit mind. einem Adenom) bei Vorsorge-Koloskopie
oder adäquaten Indikationen
|
Frequenz der Dokumentation der Vollständigkeit bei Polypenabtragung (endoskopische
Beurteilung)
|
postprozedural
|
Frequenz der Vollständigkeit der Einsendung von Präparaten zur histologischen Untersuchung
nach Polypektomie oder ggf. Biopsie von nicht abtragbaren Polypen
|
sonst siehe allgemeine Qualitätsindikatoren Endoskopie (v. a. Nachsorgeempfehlungen
adaptiert an histologische Befunde)
|
Kap 4.6 Endoskopische Resektion
Einleitung
Endoskopische Resektionstechniken umfassen neben der Zangenresektion, die traditionelle
Schlingenresektion, die EMR, ESD und die endoskopische Vollwandresektion. Die endoskopische
Mukosaresektion (EMR) stellt eine Weiterentwicklung der Schlingenresektion/Polypektomie
dar und wird immer dann eingesetzt, wenn die zu resezierende Läsion ihren größten
Durchmesser an der Basis aufweist. Die Übergänge und die Verfahrenswahl sind hier
fließend und werden durch die makroskopische Wuchsform der Läsion und deren Lokalisation
bestimmt. Da jedoch die Ausführung technisch anspruchsvoller und invasiver ist, ist
es sinnvoll, eine begriffliche Abgrenzung zur traditionellen Polypektomie vorzunehmen.
In der Internationalen Klassifikation operativer Prozeduren (OPS) ist dies auch bereits
geschehen.
Während die viszeralchirurgischen Kollegen immer weniger invasiv vorgehen (Laparoskopie,
Single-Port, Hybrid-NOTES), werden auf der anderen (endoluminalen) Seite immer invasivere
Resektionsverfahren angewandt (Vollwandresektion, submukosale Tunnelung, NOTES).
Diese Empfehlungen behandeln die fortgeschrittenen Techniken der Endoskopischen Resektion
(ER). Lokalisationbezogen werden die Daten zum oberen Gastrointestinaltakt dargestellt,
die Resektionen im Kolon werden im Kapitel Koloskopie (Kap 4.5) abgehandelt.
Bezgl. der Indikationsstellung zur endoskopischen Resektion von neoplastischen GI-Läsionen
wird auf die Kriterien der aktuellen AWMF-Leitlinien verwiesen (Ösophaguskarzinom,
Magenkarzinom, kolorektales Karzinom, etc.) Die wesentlichen Kriterien werden im Folgenden
kurz dargestellt.
Barrett-Neoplasie
Bei Nachweis einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie oder eines mukosalen Karzinoms
(L0, V0, keine Siegelringzellen, keine Ulzerationen, Grading G1 / G2, Infiltrationstiefe
≤ m3) ist die endoskopische Resektion das Verfahren der 1. Wahl, hier spricht die
LL einen „soll“ Empfehlungsgrad aus (www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html).
Bei Patienten mit oberflächlicher Submukosainfiltration eines Adenokarzinoms und ohne
Risikokriterien (pT1sm1; < 500 µm Tiefeninvasion, L0, V0, G1/2, < 20 mm, keine Ulzeration)
wird die endoskopische Resektion als ausreichende Alternative zur Operation mit einer
„kann“ Empfehlung empfohlen.
In der weiteren Behandlung nach erfolgreicher Resektion von Neoplasien im Barrett-Ösophagus
soll die nicht neoplastische Barrett-Mukosa thermisch abladiert werden, um die Rate
an metachronen Neoplasien zu senken.
Plattenephitelneoplasieösophagus
Bei Nachweis einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie oder eines mukosalen Karzinoms
(L0, V0, keine Ulzerationen, Grading G1 / G2, Infiltrationstiefe m1 / m2) im Plattenepithel
wird in der LL eine endoskopische En-bloc-Resektion mit einem „sollte“ Empfehlungsgrad
ausgesprochen. Dies dient neben der angestrebten R0-Resektion auch dem Staging der
Läsion. ( www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html).
Mukosales Magenkarzinom
Oberflächliche Magenkarzinome, die auf die Mukosa begrenzt sind (T1aN0M0), können
unter Berücksichtigung folgender Guideline Criteria mit einer endoskopischen Resektion
behandelt werden (basierend auf der Japanischen Klassifikation der Magenkarzinome):
Läsionen von < 2 cm Größe in erhabenen Typen, Läsionen von < 1 cm Größe in flachen
Typen, histologischer Differenzierungsgrad: gut oder mäßig (low grade bzw. G1 / G2),
keine makroskopische Ulzeration, Invasion begrenzt auf die Mukosa, keine restliche
invasive Erkrankung nach ER. Die LL-Magenkarzinom empfiehlt die endoskopische Resektion
von Magenfrühkarzinomen als komplette En-bloc-Resektion mit einem „soll“ Empfehlungsgrad,
auch zur vollständigen histologische Beurteilung der lateralen und basalen Ränder.
(www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html)
Die sogenannten Expanded Criteria sollen derzeit nur i. R. von Studien zum Einsatz
kommen. Gotoda zeigte an über 5000 Magenfrühkarzinomen, dass unter Berücksichtigung
der Expanded Criteria mit 95 % CI keine LK-Metastasen auftraten. Studien zur ESD bei
Patienten, die die „Guideline Criteria“ bzw. die „Expanded Criteria“ erfüllten zeigten
keinen Unterschied im Überleben [1008]
[1009]. Dennoch lag die En-bloc-Resektionsrate in der „Guidelinegruppe“ höher und das Perforationsrisiko
war niedriger als in der „Expanded-Criteria-Gruppe“ [1008]
[1009]
[1010].
Kolonneoplasie
Meist erfolgt die Diagnose eines frühen Kolonkarzinoms erst histologisch nach der
endoskopischen Resektion. Nach der AWMF LL-KRK soll auf eine onkologische Nachresektion
verzichtet werden, wenn nach Entfernung eines Polypen histologisch ein pT1-Karzinom
mit Low-risk-Situation (G1, G2, keine Lymphgefäßeinbrüche [L0]) und eine histologisch
karzinomfreier Polypenbasis (R0) vorliegt. Bei einer High-risk-pT1-Situation (G3,
L1) soll hingegen eine onkologische Nachresektion erfolgen. Bei inkompletter Abtragung
eines Low-risk-pT1-Karzinomes soll eine komplette endoskopische oder lokale chirurgische
Entfernung erfolgen. Hier ist das Ausmaß der SM-Infiltration entscheidend, wobei sm1,
sm2 bzw. Submukosainvasion ≤ 1000 μm mit 0 – 6 % ein geringes Risiko für LK-Metastasen
aufweisen. Im Kommentartext der AWMF LL-KRK erscheint die En-bloc-Resektion von Low-risk-Kolonneoplasien
„erstrebenswert“, die Piecemeal-Resektion ausreichend. Die R0-Beurteilung der lateralen
Ränder erfolgt endoskopisch, in die Tiefe histologisch. (www.dgvs.de/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/).
4.6.1 Spezielle Vorbereitung
4.6.1.1 Endoskopische Beurteilung vor endoskopischer Resektion
Empfehlung
Vor endoskopischer Resektion soll die Läsion in hochauflösender Videoendoskopietechnologie
hinsichtlich Ausdehnung, Oberflächenmuster und Vaskularisierung beurteilt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Additiv kann die Beurteilung durch Chromoendoskopie bzw. virtuelle Chromoendoskopie
ergänzt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Eine Klassifikation des mukosalen Musters (Pit-Pattern) und der Mikroarchitektur der
mukosalen und submukosalen Gefäße („vessel-pattern“) sowie eine Beurteilung nach der
Paris-Klassifikation kann sinnvoll sein.
Starker Konsens
Empfehlung
Das Plattenephitelkarzinom des Ösophagus soll in seiner Ausdehnung vor endoskopischer
Resektion mittels 1 – 3 %iger Kalium-Jodid-Lösung (Lugollösung) beurteilt werden.
Konsens
Empfehlung:
Ein Endoskopischer Ultraschall (EUS) soll zum Ausschluss eines fortgeschrittenen T-Stadiums
und zur Detektion von Lymphknoten erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Hochauflösende Videoendoskopie, Magnifikationsendoskopie, Chromoendoskopie
Die Beurteilung von oberflächlichen gastrointestinalen Läsionen dient der Einschätzung
des Malignitätsrisikos, der Invasionstiefe und damit der endoskopischen Resektabilität
und umfasst die laterale Ausdehnung, das Wachstumsmuster und die Vaskularisation.
Die Beurteilung des mukosalen Musters sowie der Mikroarchitektur der mukosalen und
submukosalen Gefäße („vessel-pattern“) von GI-Läsionen unter hochauflösender Videoendoskopie,
Magnifikationsendoskopie und Chromoendoskopie kann eine genauere Klassifizierung der
lateralen und Tiefeninvasion ermöglichen.
Zur Endozytoskopie und weiteren neuen endoskopischen Verfahren (z. B. konfokale Lasermikroskopie,
optische Kohärenztomografie) ist die Evidenz zur Beurteilung von malignen Befunden
vor Resektion limitiert, hier sind zur Einschätzung der klinischen Bedeutung weitere
kontrollierte Daten erforderlich.
Im Folgenden soll im wesentlichen nicht auf Daten zur Detektion von neoplastischen
GI-Läsionen eingegangen werden. Zur Beurteilung der Dignität, Ausdehnung und Invasionstiefe einer Läsion vor endoskopischer
Resektion mit oder ohne Chromoendoskopie mittels Pit-Pattern, Vessel-Pattern varriert die Evidenzlage
je nach Lokalisation der Läsion.
Für das Plattenephitelkarzinom des Ösophagus und die Magnifikationsendoskopie mit NBI konnte eine spezifische Veränderung des
mukosalen Gefäßmusters in Beziehung zur Mukosa- und Submukosainfitration bereits 2004
gezeigt werden [1011]. Zur Prädiktion der Infiltrationstiefe vor endoskopischer Resektion bzw. Ösophagektomie
verglich eine nicht randomisierte Studie die Weißlicht-Standardendoskopie, NBI und
den endoskopischen Ultraschall bei 101 Läsionen. Hier resultierte kein signifikanter
Unterschied in der Sensitivität und Spezifität der Verfahren [1012]. Eine aktuelle retrospektive Studie an 51 Patienten zum Vergleich der Invasionstiefe
vor Resektion mittels Magnifikations-NBI und Endoultraschall belegte ebenfalls die
Gleichwertigkeit beider Verfahren in der Unterscheidung von mukosaler und submukosaler
Infiltration (diagnostische Genauigkeit ME-NBI 76,1 % und EUS 84,8 %, ns). NBI führte
zu einer Überschätzung der Infiltrationstiefe in 13 % und zu einer Unterschätzung
in 10,9 % der Fälle. Diagnostizierten beide Verfahren eine mukosale Infiltration bestätigte
sich dies in der Histopathologie bei 94 % der Fälle [1013]. Daten zur Genauigkeit der Beurteilung der lateralen Ausdehnung vor Resektion fehlen.
Neuere vergleichende Studien zur Detektion des SCC mittels WL, NBI und Lugolfärbung
zeigten für beide Verfahren einen klaren Vorteil gegenüber der Weißlicht-Endoskopie
ohne Unterschied zwischen NBI und Lugolfärbung [1014]
[1015]
[1016]
[1017]. Die DGVS Leitlinie Ösophaguskarzinom empfiehlt die Chromoendoskopie mit Lugolfärbung
zur Detektion bei High-risk-Patienten mit einer „Kann“ Empfehlung (www.dgvs.de/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/).
In der Abgrenzung der Tumorausdehnung wird die konventionelle Chromoendoskopie mit
Lugolfärbung in einem asiatischen Konsensus zwar weiterhin als das überlegene diagnostische
Verfahren gewertet [1018]. In Anbetracht der vorliegenden Daten ist eine gleichwertige Genauigkeit für die
virtuelle Chromoendoskopie (NBI) anzunehmen.
Für die Barrett-Metaplasie liegen überwiegend vergleichende Studien zur Detektion und Beurteilung von neoplastischer
Barrett-Mukosa vor [1019]
[1020]
[1021].
Wir verweisen dazu auf das Kapitel 4.1.2.2, Diagnostische ÖGD, Gerätetechnik.
Zur Abgrenzung einer Barrett-Neoplasie vor und bei endoskopischer Abtragung können
fortgeschrittene endoskopische Darstellungstechnologien hilfreich sein – vergleichende
Studien fehlen aber. In einer Fallserie an 16 Patienten wurde die Barrett-Mukosa vor
EMR mittels HD-Endoskopie und Autofluoreszenz nach suspekten Läsionen beurteilt, diese
mittels Magnifikation und NBI dargestellt und vor EMR markiert. Die Gesamt EMR war
hier dennoch in nur 81.2 % der Patienten vollständig [1022].
Für das Magenkarzinom wird die Beurteilung der mukosalen- und der Gefäßarchitektur mittels hochauflösender
Vidoeendoskopie und Chromoendoskopie empfohlen [1023]. Zur Beurteilung vor endoskopischer Resektion liegen nur wenige Daten vor. Eine
prospektive multizentrische Studie verglich die Größenbeurteilung vor endoskopischer
Resektion von Magenadenomen und Karzinomen mittels Weißlicht-Endoskopie und Autofluoreszenz
Imaging (AFI) mit der Pathologie. Die Läsionsgröße wurde mit Weißlicht-Endoskopie
in 31,4 % und mit AFI in 22,1 % der Fälle unterschätzt (p = ns), wobei die mittlere
geschätzte Läsionsgröße unter AFI über der tatsächlichen pathologisch vermessenden
Größe lag [1024]. Eine weitere Arbeit untersuchte 151 Läsionen mit nachgewiesenem Magenfrühkarzinom
vor ESD mit WLE und Chromoendoskopie mit Essigsäure hinsichtlich der horizontalen
Ausdehnung. Verglichen zur Weißlicht-Endoskopie detektierte die Essigsäurechromoendoskopie
die horzizontalen Ränder in einem höheren Prozentsatz bei differenzierten Adenokarzinomen
(74/108 (68,5 %) vs. 97/108 (89,8 %), p < 0,001). Bei undifferenzierten Karzinomen
unterschied sich die Genauigkeit der horizontale Detektion der Randzone nicht (27/43
(62,8 %) vs. 30/43 (70,0 %), p = 0,494). Eine aktuelle Arbeit untersuchte die diagnostische
Wertigkeit der Magnifikationsendoskopie mit NBI bei unklarer lateraler Ausdehnung
der Läsion nach Chromoendoskopie vor ESD. Eine unscharfe Abgrenzung der lateralen
Ränder nach Initialdiagnostik lag in 18,9 % der Fälle vor, hier gelang die korrekte
Abgrenzung in 73 %, auch hier in keinem Fall mit undifferenzierter Histologie [1025]. Die Anwendung von virtueller Chromoendoskopie mit anderen Systemen wurde kasuistisch
vor Resektion beschrieben [1026] Die Arbeitsgruppe von Yao et al. empfiehlt ein diagnostisches Stufenschema zur Einschätzung
der lateralen Ausdehnung eines mukosalen Magenkarzinoms mit endoskopischer Bildgebung
in Abhängigkeit von der Histologie, wobei bei undifferenzierter Histologie die laterale
Abgrenzung mittels Biopsie gesichert werden sollte [1023].
Zur endoskopischen Dignitätsbeurteilung von kolorektalen Läsionen siehe Kap. 4.5.3.4 Biopsieverhalten und endoskopische Differenzialdiagnose von Kolonneoplasien.
Klassifikation nach der endoskopischen Wachstumsform gemäß der Paris-Japan-Klassifikation
Die Paris-Japan-Klassifikation [1027] klassifiziert die oberflächlichen GI-Läsionen (Superficial Typ 0) nach der endoskopischen
Wachstumsform in Typ Ip (polypoid gestielt), 0-Is (polypoid sessil), Typ II (nicht polypoid) mit den
Unterformen a (slightly elevated), b (flat), c (slightly depressed) und Typ III (ulzeriert) mit Mischformen. Dies dient der Einschätzung für eine mögliche Submukosa (SM) – Infiltration
und der endoskopischen Resektabilität. Die Korrelation der Paris-Japan-Klassifikation
mit der Tumorinfiltration ist abhängig von der Art und Lokalisation der Läsion. Im
Kolon werden zusätzlich flach erhabene Läsionen mit oberflächlichem Wachstum über
10 mm als lateral spreading tumor vom Granular-type (IIa, IIa+Is) oder Non-granular-type
(IIa, IIa–IIc) klassifiziert [1028]
[1029].
Für die Neoplasie im Plattenephitel des Ösophagus beschrieb eine große japanische Serie [1030] das höchste Risiko für eine SM-Infiltration für Läsionen vom Typ 0–I und 0–III,
das niedrigste Risiko für Typ 0–IIb. Das Risiko für LK-Metastasen lag hier bei 2 %
(m1, m2), 19 % (m3 +sm1) und 44 % (sm2 + sm3).
Für die Barrett-Neoplasie untersuchte eine Serie von 344 Patienten [1031] die Korrelation der Paris-Japan-Klassifikation und der SM-Infiltration. Eine SM-Infiltration
war bei Typ IIa in 14 %, II b in nur 4 %, Typ II c in 25 % und Typ II a+c in 18 %
nachweisbar. Die kleine Fallzahl für Typ III Läsionen ließ keine valide Aussage zu.
Insgesamt erscheinen die Typ IIb-Läsionen prognostisch günstiger hinsichtlich T-Stadium
und Differenzierung.
Für die Neoplasie des Magens liegen die meisten Arbeiten aus Japan vor. Als häufigster makroskopischer Wachstumstyp
wurde der Typ II c mit 78 % gefolgt von Typ IIa mit 17 % [1032] beschrieben, mit dem höchsten Risiko für eine SM-Infiltration bei Typ 0–I und 0–IIc.
Eine aktuelle koreanische Arbeit [1033], zeigte eine ähnliche Verteilung mit 16,6 % für Typ I + IIa, 28,6 % für Typ IIb,
and 54,8 % für Typ IIc. Erhabene Wachstumsmuster Typ I+IIa wiesen einen höheren Anteil
für eine SM-Infiltration, Lymphangioinvasion und LK-Filiae auf.
Zur endoskopischen Dignistätsbeurteilung von Kolonneoplasien siehe Kapitel 4.5.3.4 Biopsieverhalten und endoskopische Differenzialdiagnose von
Kolonneoplasien.
EUS-Staging vor endoskopischer Resektion
Der endoskopische Ultraschall ermöglicht mit einer hohen Ortsauflösung eine Beurteilung
der lokalen Wandfiltration (T-Stadium) und der lokoregionären Lymphknoten (N-Stadium).
Die endosonografische Beurteilung vor endoskopischer Resektion dient hauptsächlich
dem Ausschluss eines lokal fortgeschrittenen Tumors sowie der Diagnostik und Einschätzung
lokal vorliegender Lymphknoten. Ein EUS-Staging sollte bei Ösophagus-, Magen, und
Rektumkarzinomen erfolgen. Eine genaue Beurteilung der lokalen Infiltration zwischen
Mukosa und Submukosa (T1a versus T1b) gelingt je nach Tumorlokalisation mit guter
bis mäßiger diagnostischer Genauigkeit [1034]
[1035]
[1036] hier sind ggf. Minisonden hilfreich [1038]
[1039]. Die diagnostische Genauigkeit im Staging des N-Stadiums variiert je nach Tumorlokalisation,
so liegt diese für das Staging von Ösophaguskarzinomen höher als bei Magenkarzinomen.
Zusätzlich kann die EUS-Feinnadelpunktion der Lymphknoten die Detektionsrate verbessern,
dies wurde für das Ösophaguskarzinom in einer Metaanalyse nachgewiesen [1040].
Limitationen sind die Untersucherabhängigkeit und ein Overstaging des T-Stadiums insbesondere
von T2 in der Abgrenzung zu T3 (Subserosa versus Serosainfiltration) durch lokale
inflamatorische bzw. ödematöse Gewebereaktionen auf den Tumor. Dies ist in der Literatur
relativ unabhängig von der jeweiligen Tumorlokalisation nachweisbar. [Tab. 41], [42], [43] zeigt die aktuellen Daten zur diagnostischen Genauigkeit der Methode im Staging
von Ösophagus-, Magen- und Rektumkarzinom auf der Basis von Metaanalysen.
Tab. 41
EUS-Staging Ösophaguskarzinom: diagnostische Genauigkeit.
|
|
T-Staging
(Sensitivität, Spezifität [95 % CI])
|
N-Staging
(Sensitivität, Spezifität [95 % CI])
|
Puli S.
WJG 2008
[1040]
|
Metaanalyse
49 Studien (n = 2558)
|
T1: 81,6 % (77,8 – 84,9)/99,4 % (99,0 – 99,7)
T2: 81,4 (77,5 – 84,8)/96,3 (95,4 – 97,1)
T3: 91,4 (89,5 – 93,0)/94,4 (93,1 – 95,5)
T4: 92,4 % (89,2 – 95,0)/97,4 % (96,6 – 98,0)
|
EUS:
84,7 (82,9 – 86,4)/84,6 (83,2 – 85,9)
+ FNA:
96,7 (92,4 – 98,9)/95,5 (91,0 – 98,2)
|
Van Vlieth E. Br J Cancer 2008
[1041]
|
Metaanalyse
31 Studien (n = 1841)
5 Studien zu coeliakalen LK
|
–
|
regionale LK
0,80 (0,75 – 0,84)/0,70 (0,65 – 0,75)
Coeliacale LK
0,85 (0,72 – 0,99)/0,96 (0,92 – 1,00)
|
Thossani N. GI End 2012
[1034]
|
Metaanalyse
T1a vs. T1b
19 Studien (n = 1019)
|
T1a 0,85 (0,82 – 0,88)/0,87 (0,84 – 0,90)
AUC 0,93
T1b 0,86 (0,82 – 0,89)/0,86 (0,83 – 0,89)
AUC 0,93
|
–
|
Tab. 42
EUS-Staging Magenkarzinom: diagnostische Genauigkeit.
|
|
T-Staging
(Sensitivität, Spezifität [95 % CI])
|
N-Staging
(Sensitivität, Spezifität [95 % CI])
|
Puli S.
WJG 2008
[1036]
|
Metaanalyse
22 Studien (n = 1896)
|
T1: 88,1 % (84,5 – 91,1) 100,0 % (99,7 – 00,0)
T2: 82,3 % (78,2 – 86,0) 95,6 % (94,4 – 96,6)
T3: 89,7 % (87,1 – 92,0) 94,7 % (93,3 – 95,9)
T4: 99,2 % (97,1 – 99,9) 96,7 % (95,7 – 97,6)
|
N1: 58,2 % (53,5 – 62,8) 87,2 % (84,4 – 89,7)
N2: 64,9 % (60,8 – 68,8) 92,4 % (89,9 – 94,4)
|
Mocellin S.
GI End 2011
[1035]
|
Metaanalyse
54 Studien (n = 1841)
|
T1: 0,83 (0,77 – 0,88)/0,96 (0,93 – 0,97)
T2: 0,65 (0,57 – 0,72)/0,91 (0,88 – 0,92)
T3: 0,86 (0,83 – 0,89)/0,85 (0,80 – 0,89)
T4: 0,66 (0,52 – 0,77)/0,98 (0,97 – 0,98)
T1m: 0,83 (0,76 – 0,89)/0,79 (0,65 – 0,88)
T1/2 vs. T3/4: 0,86 (0,81 – 0,90)/0,91 (0,89 – 0,93),
|
regionale LK: 0,69 (0,63 – 0,74)/0,84 (0,81 – 0,88)
|
Cardoso R. Gastric Cancer 2012
[1042]
|
Metaanalyse
22 Studien (n = 2445)
|
T1: diagn. Genauigkeit 77 % (70 – 84 %)
T2: diagn. Genauigkeit 65 % (57 – 73 %)
T3: diagn. Genauigkeit 85 % (82 – 88 %)
T4: diagn. Genauigkeit 79 %(68 – 90 %)
|
74 % (66 – 81 %)/80 % (74 – 87 %)
diagn. Genauigkeit: 64 % (43 – 84 %)
|
Tab. 43
EUS-Staging Rektumkarzinom/Kolonneoplasie.
|
|
T-Staging
(Sensitivität, Spezifität [95 % CI])
|
N-Staging
(Sensitivität, Spezifität [95 % CI])
|
Puli SR.
Ann Surg Oncol 2009
[1043]
|
Metaanalyse
42 Studien (n = 5039)
|
T1: 87,8 % (85,3 – 90,0 %)/98,3 % (97,8 – 98,7 %)
T2: 80,5 % (77,9 – 82,9 %)/95,6 % (94,9 – 96,3 %),
T3: 96,4 % (95,4 – 97,2 %)/90,6 % (89,5 – 91,7 %),
T4: 95,4 % (92,4 – 97,5 %)/98,3 % (97,8 – 98,7 %)
|
–
|
Puli SR.
Ann Surg Oncol 2009
[1044]
|
Metaanalyse
35 Studien (n = 2732)
|
–
|
73,2 % (70,6 – 75,6)/75,8 % (73,5 – 78,0)
|
Puli SR.
Dig Dis Sci 2010 [1036]
|
Metaanalyse
11 Studien (n = 1791)
|
T1 (Mukosa):
97,3 % (93,7 – 99,1)/96,3 % (95,3 – 97,2)
|
74 % (66 – 81 %)/80 % (74 – 87 %)
diagn. Genauigkeit: 64 % (43 – 84 %)
|
Gall TM.
Kolorectal Dis 2014
[1039]
|
Metaanalyse
10 Studien (n = 642)
|
Minisonden-Staging von Rektum und Kolonneoplasien
T1: 0,91/0,98
T2: 0,78/0,94
T3 / T4: 0,97/0,90
|
0,63/0,82
|
4.6.2 Durchführung
4.6.2.1 Allgemeines
Empfehlung
Interventionelle endoskopische Resektionen sollen in Sedierung durchgeführt werden.
Je nach Invasivität und Zeitumfang kann die Durchführung in Intubationsnarkose erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Für die Sedierung/Kurznarkose müssen die Anforderungen der gültigen S3-Leitlinie Sedierung
in der Endoskopie berücksichtigt werden. Hier ist bei interventionellen Maßnahmen
und/oder entsprechender ASA-Klassifikation ein zweiter, intensiverfahrener Arzt zur
Sedierung erforderlich. Daten zum Vergleich von endoskopischen Resektionen in Sedierung
und Intubationsnarkose liegen nicht vor. Eine Intubationsnarkose kann bei komplexen
Eingriffen und oder schwieriger Lokalisation (z. B. Ösophaguseingriffe) sinnvoll sein.
und
Lagerung während der endoskopischen Resektion
Empfehlung
Endoskopische Resektionsverfahren (ER/ESD) sollten bei nicht intubierten Patienten
in der Regel in Linksseitenlage ausgeführt werden. Je nach Lokalisation und Konfiguration
der Läsion kann aus Gravitätsgründen eine Umlagerung des Patienten erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Studienlage zu dieser Frage ist begrenzt. Es sollte eine individuelle angepasste
Lagerung angestrebt werden, die ein ergonomisch günstiges Arbeiten unter Ausnutzung
der Schwerkraft/Gravität zur Vereinfachung der Resektion ermöglicht. Bei Durchführung
der Untersuchung in Intubationsnarkose ist die Rückenlage übliche Praxis, wobei eine
Umlagerung in Bauch- oder Linksseitenlage hilfreich sein kann [1045]
[1046].
4.6.2.2 Gerätetechnik
CO2-Insufflation
Empfehlung
Zur EMR und ESD sollte CO2 anstelle von Raumluft eingesetzt werden. Bei der endoskopischen
peroralen Myotomie (POEM) und bei submukosalen Resektionen und Tunnelungstechniken
soll CO2 verwendet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Verwendung von CO2 kann in der Endoskopie postinterventionelle Schmerzen und die abdominelle distensionreduzieren.
Eine Metaanalyse zur Verwendung von C02 in der GI-Endoskopie schloss 21 RCT´s, davon 13 zur Koloskopie, ein und resultierte
in einer signifikanten Verminderung der abdominellen Distension und der abdominellen
Schmerzen 1 Std. post-EMR. Die Rate an Perforationen, Blutungen und Zeitbedarf war
nicht unterschiedlich [1047]
. Eine aktuelle Fallkontrollstudie [1048] zur EMR von großflächigen Kolonandenomen analysierte 575 Läsionen ≥ 20 mm, davon
228 unter CO2 bzgl. der Rate an postinterventionellen Schmerzen und stationären Wiederaufnahmen.
Die postinterventionelle Schmerzinzidenz (1,0 vs. 5,7 % (p = 0,006) und die Rate an
Rehospitalisierungen (Rehospitalisierung 3,4 vs. 8,9 % (p = 0,01) wurden unter CO2
signifikant reduziert, allerdings ohne Einfluss auf die Komplikationsrate. Eine weitere
kleinere Fallkontrollstudie zur ESD von kolorektalen Läsionen unter CO2 zeigte ähnliche Ergebnisse [1049]. Ein randomisierte kontrollierte Studie zur ESD von Ösophagusläsionen unter CO2 vs. Luftinsufflation (18 Läsionen vs. 39 Läsionen) [1050]
ergab keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Untersuchungsdauer, dem Anstieg
der der Körpertemperatur und Leukozyten am Tag 1 nach Intervention und der Krankenhausverweildauer.
Die CO2-Gruppe benötigte allerdings signifikant weniger Midazolam während des Eingriffs (4 mg
vs. 6 mg, p = 0,0017). Auch für die submukosale Resektion von GIST-Tumoren ist ein
Vorteil für die Verwendung von CO2 hinsichtlich der postinterventionellen Schmerzen belegt [1051]. Im Rahmen von Ösophagus-ESD, POEM und den submukosalen Resektionen und Tunnelierungen
ist der Gebrauch von CO2 zur Vermeidung schwerwiegender Komplikationen (Pneumothorax, Embolie, Mediastinitis)
empfohlen [1052]
[1053].
Endoskope
Empfehlung
Zur Durchführung einer endoskopischen Resektion sollen Standardendoskope eingesetzt
werden. Spezialendoskope mit Elevationseinrichtungen am Arbeitskanal und neue endoskopische
Plattformen befinden sich in der Erprobung und sollten innerhalb von Studien eingesetzt
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Aktuelle Standardendoskope verfügen neben einem ausreichen großen Arbeitskanal von
2,8 – 3,7 mm meist auch über einen gesonderten Jetkanal zum Anschluss einer Spüleinheit.
Therapeutische Endoskope mit 2 Arbeitskanälen sind andererseits weniger flexibel und
besitzen eine eingeschränkte Manövrierbarkeit. Humane Studien zum Vergleich verschiedener
Endoskoptypen und neuer Technologien liegen nicht vor. Die Erfahrungen basieren auf
kleinen präliminären Fallserien. Das R-Scope mit 2 Albarran-Vorrichtungen an den Arbeitskanälen
konnte zumindest im Tierversuch beim Vergleich mit einem traditionellen Doppelkanalendoskop
nur hinsichtlich spezieller anatomischer Lokalisationen Vorteile zeigen, bezogen auf
En-bloc-Resektionsrate, Komplikationen, Größe des Resektats und Handling zeigten sich
keine Unterschiede [1054]
[1055]. Eine Alternative ist das zusätzliche Einführen eines transnasalen Endoskops, dies
erfordert jedoch eine hohe persönliche Expertise des Untersuchers und war in einer
kleinen humanen Fallserie nur hinsichtlich der postinterventionellen Blutungsrate
von Vorteil. In der Regel sollten aus der klinischen Routine gut bekannte Endoskope
zum Einsatz kommen.
HF-Chirurgie
Empfehlungen:
Zur Durchführung einer endoskopischen Resektion sollen Mikroprozessor-HF-Generatoren
mit automatisierter Schneide- und Koagulationsfunktion verwendet werden.
Starker Konsens
Die elektrochirurgische Einstellung soll in Abhängigkeit von der von der Art des Eingriffs,
der Expertise des Untersuchers und den Herstellerangaben zum verwendeten Instrumentarium
gewählt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Elektrochirurgische Hochfrequenz (HF)-Einheiten erzeugen thermische Energie, hier
kann ein Hochfrequenzschnitt und eine Hochfrequenzkoagulation erzeugt werden. Unterschieden
werden kontinuierliche Schneidemodi von modulierten Schneidemodi (Mischstrom), bei
denen die Dauer des Schneidestroms, die Dauer des Schnittintervalls und die Höhe des
Koagulationseffektes einstellbar ist sowie reine Koagulationsmodi [1056]. Einflussfaktoren sind einerseits die Einstellungen am HF-Gerät (Spannung, Modulation
und Leistung), die Gewebeeigenschaften als auch die Kontaktfläche zwischen Elektrode
und Gewebe. Hier beeinflusst auch das verwendete elektrochirurgische Instrumentarium.
So sind z. B. die thermischen Effekte an den Resektionsrändern bei monofilen Schlingen
wegen der geringeren Kontaktfläche geringer als bei polyfilen Schlingen [1056].
Die meisten Studien zur Einstellung von HF-Generatoren in der Endoskopie liegen für
die Polypektomie vor. Hier wird z. T. die Verwendung von Mischstrom oder Koagulationsstrom
anstelle von reinem Schneidestrom zu Koagulationsszwecken empfohlen (www.esge.com/esge-guidelines.html).
Reiner Schneidestrom war in einer großen Serie von über 9000 Polypektomien mit einem
erhöhten Risiko für eine intraprozedurale Postpolypektomieblutung (OR 6,95) verbunden
[1057]. Eine weitere retrospektive Multicenterstudie an 4735 Polypektomien konnte keinen
Unterschied zwischen der Verwendung von reinem Schneidestrom, Misch- oder Koagulationsstrom
in der Blutungsrate (1,1 % aller Polypektomien) feststellen [1058]. Eine retrospektive Serie detektierte intraprozedurale Postpolypektomieblutungen
bei der Verwendung von Mischstrom (n = 6) und postprozedurale späte Blutungen bei
der Verwendung von Koagulationstrom (n = 8) [1059].
Für die komplexeren Abtragungstechniken wie EMR (Injekt and Cut Technik, Suck and
Cut Technik, CSI-EMR) und ESD liegen keine vergleichenden Studien zu verschiedenen
HF-Einstellungen vor. Die Einstellung für die EMR orientieren sich an der Polypektomie,
hier wird meist Mischstrom verwendet. Die Auswahl der Effekte (fast reiner Schneidestrom
bis zu überwiegend Koagulationsstrom) richtet sich nach der Lokalisation und Größe
der Läsion. In der Regel wird ein Mischstrom Effekt 2 oder 3 verwendet. Der überwiegende
Schneidestrom (Effekt 1) wird zur Abtragung bei dünnwandiger Lokalisation (Coecum,
Duodenum) und der überwiegende Koagulationsstrom (Effekt 4) bei stark vaskularisierten
Läsionen z. B. im Rektum verwandt [1060].
Für die ESD richtet sich die Einstellung des HF-Gerätes nach der Lokalisation der
Läsion und nach den Herstellerangaben für das verwendete Intrumentarium zur Markierung,
mukosaler Inzision, Dissektion und Hämostase [1061].
Injektionslösungen
Empfehlung
Zur submukosalen Injektion bei ER soll NaCl 0,.9 % Standard sein, ein Zusatz von Adrenalin
kann erfolgen. Alternativ können hochvisköse Injektionslösungen inbesondere zur EMR
oder ESD angewandt werden, um eine zeitstabileres submuköses Kissen zu bilden. Ein
Zusatz von Farbe zur besseren Visualisierung der Wandschichtung kann erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die ideale Lösung für die submukosale Injektion bietet eine lang anhaltende Mukosaelevation,
um eine endoskopische Mukosaresektion sicher zu ermöglichen. Entscheidender noch ist
dieser Lifting-Effekt für die Ausführung der technisch komplexeren endoskopischen
Submukosadissektion. Zusätzlich darf die Substanz nicht toxisch sein und keine lokalen
Gewebeschäden verursachen. NaCl ist der Standard zur submukosalen Injektion, wird
aber rasch vom umgebenden Gewebe resorbiert. Hypertone Injektionslösungen bieten eine
stärkere and länger anhaltende Mukosaanhebung. Verschiedene Substanzen wurden in Studien
im Vergleich zu NaCL getestet wie hypertone Kochsalzlösung, Dextrose, Hydroxypropylmethylcellullose,
Gelatine-polysuccinat, Fibrinogenmischungen und Hyaluronsäure [1062]. Für eine Dextrose-Konzentration über 20 % wurde allerdings eine lokale Gewebetoxizität
nachgewiesen, diese sollte in höheren Konzentrationen nicht verwendet werden [1063]. Fibrinogen Mischungen bergen als Serumprodukte ein infektiöses Restrisiko. Einige
Arbeiten im Tierversuch berichten über eine lang anhaltende Mukosaelevation bei Verwendung
von Hydroxypropylmethylcellullose [1064]
[1065] oder Gelatine-polysuccinat 4 % [1066]. Im Vergleich verschiedener Injektionslösungen zeigt Hyaluronsäure (HA) die deutlich
längste Elevationsdauer [1067] Eine akutelle Metaanalyse [1068] von vier RCT (n = 585) zur Effektivität der submukosalen Injektion mit HA ergab
keine signifikanten klinischen Vorteile für HA hinsichtlich der Rate an En-bloc- und
R0-Resektion, Perforationen, Blutungen oder Schmerzen. HA war effektiver in der Erhaltung
der Mukosaelevation. Hier sind die hohen Kosten des Produktes zu bedenken. Der Zusatz
einer kleinen Farbstoffmenge (Indigokarmin, Methylenblau) kann eine bessere Unterscheidung
der Wandschichten ermöglichen. Eine abschließende Empfehlung für die Verwendung einer
bestimmten Injektionslösung ist auf der Basis der vorliegenden Daten nicht gegeben.
4.6.2.3 Endoskopische Resektionstechniken
Zu Endoskopische Zangenresektion und traditionelle Polypektomie mit der Schlinge (±submukosale
Injektion) siehe Kapitel 4.5.3.6 Endoskopische Resektion von Kolonneoplasien.
Endoskopische Mukosaresektion
Empfehlung
Zur EMR können verschiedene Techniken („inject and cut“, „suck-and-cut“, „band-ligation-EMR“,
„zirkumferenzielle C-EMR“) zum Einsatz kommen.
Starker Konsens
Statement
Die Kappen unterstützte „Suck and cut“-Technik und die „Band Ligatur“-Technik sind
anhand der Datenlage für die Barrett-Neoplasie gleichermaßen effektiv.
Starker Konsens
Kommentar
Die EMR mit der Inject and Cut-Technik
Die „Inject and cut“-Technik stellt eine Weiterentwicklung der endoskopischen Schlingenresektion
dar. Die Läsion wird durch eine submukosale Injektion angehoben und anschließend mit
einer HF-Schlinge abgetragen. Die „Inject und cut“-Technik wird überwiegend zur Resektion
flacher benigner Kolonadenome [1069]
[1070]
[1071]
[1072]
[1073] sowie Duodenaladenome ausserhalb der Papille [1074]
[1075]
[1076] angewandet. Daten liegen auch für die „Inject and cut-Technik“ mit einem Doppelkanalendoskop
bei Läsionen des Ösophagus vor [1077].
Bei Läsionen mit einer Größe > 20 mm ist eine En-bloc-Resektion nicht mehr sicher
möglich, hier war in einer Serie von 140 Kolonläsionen die Rate von Piecemeal-Resektionen
(OR: 13,7; 95 % CI: 3,8 – 49,6; p < 0,0001) und inkompletten Resektionen (OR: 7,3;
95 % CI: 1,6 – 34,2; p = 0,012) im Vergleich zu Läsionen unter 20 mm signifikant erhöht
[1071].
EMR mit der „Suck-and-cut“-Technik
Die EMR in der „Suck-and-cut“-Technik ist eine endoskopische Resektion mit einer speziell
geformten monofilen Schlinge und einer transparenten Kappe unterschiedlichen Durchmessers
und Form, welche auf das Endoskop aufgesetzt wird. In diese wird die zu resezierende
Läsion nach submukosaler Injektion eingesaugt, um einen „Pseudopolypen“ zu bilden,
der dann mit der Schlinge umschlossen und reseziert werden kann. Die Kappen sind in
unterschiedlichen Größen bis 18 mm und Formen (gerade oder schräg) verfügbar und werden
in Abhängigkeit von Größe, Morphologie und Lokalisation der Läsion gewählt (Technology
status evaluation report. EMR ESD GI End 2008). Mit dieser Technik können Läsionen
bis zu einer Größe von 2 cm en-bloc entfernt werden, bei Läsionen > 2 cm Diameter
kann eine Piecemeal-Resektion erfolgen.
Angewandt wird die Methode überwiegend zur Resektion von Neoplasien im Barrett-Ösophagus
(en-bloc und piecemeal) (70, www.dgvs.de/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/) sowie kleineren
Läsionen der Speiseröhre [1079]
[1080]
, Magen, Duodenum [1081] und Rektum [1082] die en-bloc entfernt werden können (www.dgvs.de/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/)
Endoskopische Mukosaresektion (EMR) mit der „Bandligatur“-Technik
Bei der EMR in der „Band-ligation“-Technik wird ein Gummiband am Grund des eingesaugten
neoplastischen Befundes platziert und unmittelbar danach ohne Unterspritzung unterhalb
des Gummibandes mittels einer HF-Schlinge reseziert.
Für diese Technik wurden spezielle Bandligationsinstrumente (DuetteTM oder Euroligator) entwickelt. Die Bandligatur-Technik kommt hauptsächlich zur EMR
von Neoplasien des Ösophagus zum Einsatz, hier liegen die meisten Daten zur Barrett-Neoplasie
vor [1078]
[1083]
[1084]
[1085] und weniger zur EMR von Plattenephitelneoplasien [1080].
EMR: „Suck and cut“ versus „Banding ligatur“-Technik
Vergleichende Studien zwischen verschiedenen EMR-Verfahren sind nur für die Barrett-Neoplasie
publiziert und hier nur zwischen der der "Suck-and-cut"- versus Multibandligatur-EMR
(Duette) ohne Unterschied hinsichtlich Effektivität, Größe und Tiefenausdehnung des
Resektats [1086]
[1087].
Ein randomisierter prospektiver Vergleich zwischen Bandligatur-EMR versus Kappen-EMR
in Peacemeal-Technik bei 84 Patienten [1087] zeigte keine Unterschiede hinsichtlich Effektivität (Größe Resektate 18 × 13 vs.
20 × 15 mm) und Komplikationsrate (Perforationen), allerdings waren die EMR mit Bandligatur
signifikant schneller (34 vs. 50 Min.) und kostengünstiger als die Kappen-EMR.
Endoskopische Mukosaresektion mit vorheriger submukosaler Umschneidung (CSI-EMR)
Die endoskopische Mukosaresektion mit vorheriger submukosaler Umschneidung (engl.
circumferential submucosal incision prior to EMR- CSI-EMR) ist eine Variante der EMR mit dem Ziel, eine „En-bloc“-Resektionen auch bei großen (> 2 cm Durchmesser) Läsionen zu erhalten. Hierbei wird
nach der Markierung und submukosalen Unterspritzung in Analogie zur ESD-Technik eine
zirkumferenzielle Umschneidung der kompletten Mukosa um die Läsion herum vorgenommen.
Anschließend wird eine HF-Schlinge entsprechender Größe in die Inzisionsfalte gelegt,
die komplette Läsion gefasst, mit monopolarem Schneidestrom koaguliert und reseziert.
Größere Datenserien liegen für den Magen [1088] und vor allem aus dem Kolon für non-polypoide Typ IIa–c-Läsionen bis zu einer maximalen
Größe bis 50 mm vor. En-bloc-Resektionen wurden mit dieser Technik in 61 – 70 % der
Läsionen beschrieben [1089]
[1090]
[1091]. Eine Arbeit verglich die CSI-EMR mit der traditionellen Piecemeal-EMR bei der Resektion
von Kolonläsionen von 40 × 40 mm im Schwein [1090]. Eine En-bloc-Abtragung gelang nur mit der CSI-EMR bei moderat verlängerter Untersuchungszeit
(30,3 ± 19,8 Minuten für CSI-EMR vs. 12,4 ± 6,8 Minuten für die EMR (p = 0,003)) und
identischer Komplikationsrate (Blutung/Perforation).
Endoskopische submukosale Dissektion (ESD)
Empfehlung
Die ESD-Technik und die Auswahl des Instrumentariums sollen sich nach der Expertise
des Untersuchers richten. Basierend auf der aktuellen Datenlage kann keine Empfehlung
für eine bestimmte Technik oder Instrumentarium gegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die endoskopische submukosale Dissektion (ESD) ermöglicht eine En-bloc-Resektion auch für größere Tumore (> 2 cm) und damit eine präzisere histologische
Auswertung und Diagnose.
Technisch erfolgt nach Markierung und submukosaler Injektion die meist zirkumferenzielle
Inzision und die anschließende Dissektion innerhalb der unterspritzen Submukosa mit
speziellen ESD-Messern. Eine kurze transparente Aufsatzkappe erleichtert die Dissektion
und mechanische Präparation in der Submukosa. Eine Hämostase der submukosalen Gefäße
kann durch Koagulationsstrom über das Messer selbst bzw. mit einer Blutstillungszange
(engl. coag grasper/hot biopsy) (siehe auch Kapitel 4.4.3.4 Endoskopische Therapie von nicht varkösen Blutungen)
vorgenommen werden.
Derzeit befinden sich eine Reihe von ESD-Messern auf dem Markt. Die bekanntesten sind
das Insulated Tip (IT) knife, das Triangle tip (TT) knife, das Hook knife, und das
Dual-knife (alle Olympus). Weiterhin existieren Kombinationsinstrumente, welche HF-Chirurgie
und Wasserapplikation kombinieren. Hierzu zählen das Flush knife (Fujinon) und das
Hybrid-knife (Erbe). Vergleichende Studien zur Effektivität der verschiedenen Messer
liegen nur begrenzt und überwiegend aus Tierversuchen vor [1092]
[1093]
[1094]
[1095]
[1096]. Hier zeigen sich hinsichtlich Effektivität, technischem Erfolg und Komplikationsrate
keine signifikanten Unterschiede.
4.6.2.4 Endoskopische Resektionsverfahren in Abhängigkeit von der Läsion
Empfehlung
Ziel der ER soll die vollständige und kurative Resektion der Läsion sein. Die verwendete
Technik zur ER soll sich nach der Art, Größe und Lokalisation der GI-Läsion richten.
Starker Konsens
Empfehlung
EMR-Verfahren können zur endoskopischen En-bloc-Resektion von GI-Läsionen bis zu einer
maximalen Größe von 20 mm angewandt werden und darüber hinaus zur Piecemeal-Abtragung
Starker Konsens
Kommentar
Die Empfehlung zur endoskopischen Resektion der mukosalen Neoplasie richtet sich nach
der Art und Lokalisation der Läsion. Hier wird auf die jeweiligen AWMF-LL verwiesen
(AWMF-Empfehlungen).
Zur Effektivität der idealen Resektionstechnik (EMR oder ESD) von GI-Läsionen mit
einer Größe über der Indikation zur endoskopischen Zangenresektion oder der traditionellen
Polypektomie liegen überwiegend nicht randomisierte Vergleichsstudien sowie Metaanalysen
aus retrospektiven Daten vor.
Eine Metaanalyse analysiert 15 nicht randomisierte Studien aus Japan und Korea (7
als Full paper, 8 als Abstract) zum Vergleich beider Techniken und unterschiedlichen
gastrointenstinalen Läsionen überwiegend im Ösophagus, Magen und Kolorektum (hier
unter Einschluss von LST-Adenomen und mukosalen Karzinomen). Die En-bloc- und R0-Resektionsrate
der ESD-Technik (OR 13,87, 95 % CI 10,12 – 18,99; OR 3,53, 95 % CI 2,57 – 4,84) lag
unabhängig von der Läsionsgröße über der der EMR bei einer höheren Rate an intraprozeduralen
Komplikationen [1097].
Plattenephitelkarzinom des Ösophagus ([Tab. 44])
Eine Fallserie zur EMR mit verschiedenen Techniken bei Plattenephithelkarzinom des
Ösophagus (SCCE) mit einer mittleren Läsionsgröße von 24 ± 15 mm resultierte in nur
19,8 % in einer En-bloc-Resektion [1080]. Zur Frage der ESD versus EMR bei SCCE analysierte eine japanische Arbeit aus 2008
168 SCC ≤ 20 mm [1098]. Hier lag die En-bloc-Resektionsrate für die ESD bei 100 %, für die kappengestützte
EMR bei 87 % und für die EMR nach der „Injekt and cut“-Technik mit einem 2-Kanal-Endoskop
bei 71 %. Bei Läsionen ≤ 15 mm unterschieden sich ESD und kappengestützte EMR nicht
mehr signifikant hinsichtlich En-bloc-Resektion und R0-Resektion. Lokalrezidive traten
nur in der „Inject and cut“-EMR-Technik mit dem 2-Kanal-Endoskop auf.
Tab. 44
Studien EMR/ESD Plattenepithelneoplasie.
Autor
|
n
|
Studie
|
Technik
|
Läsion
|
Größe
|
En-bloc-Resektion
|
Ergebnisse
|
Katada C. 2007
[1087]
|
104
|
retrospektiv
|
EMR Follow-up
div. Techniken
|
SCC (T1 m)
|
24 ± 15 mm
|
EMR: 19,8 %
|
Lokalrezidiv 20,7 %
LK Filiae 1,9 %, Organ Filia 1,0 %
5-Jahres-Überleben 95 %
|
Ishihara R. 2008
[1098]
|
171
|
retrospektiv
|
EMR vs. ESD
|
SCC (168)
Adenoca (3)
T1 m (169)
T1sm1 (2)
|
≤ 20 mm
|
ESD: 100 %
EMR (Kappe) 87 %
EMR (Inject-cut) 71 %
|
R0-Resektion
Läsion < 15 mm: ESD (100 %)und EMR (Kappe 86 %) gleichwertig, EMR (inject/cut 51 %)
unterlegen
Läsion > 15 mm ESD (100 %) beiden EMR Verfahren überlegen (52 %, 35 %)
|
Takahashi H. 2010
[1099]
|
300
|
retrospektiv
|
EMR (suck-cut 184) vs.
ESD (116)
|
SCC (T1 m)
|
ESD. 30 ± 16 mm
EMR. 20 ± 11 mm
|
ESD 100 %
EMR 53,3 % (sign)
|
Lokalrezidiv: ESD 0,9 % vs. EMR 9,8 % (p sign)
LK Filiae ESD 0 % EMR 2,2 % (ns)
Organ Filiae ESD 0 % vs. EMR 2,7 % (ns)
|
Repici A. 2010
[1100]
|
20
|
Kohorte
|
ESD
|
SCC
T1 m (18; 2/18: m3)
T1sm1 (2)
|
32 mm (15 – 60 mm)
|
ESD: 100 %
|
R0: 90 % (histolog. T1sm1-OP. n = 2)
Follow-up 11 – 13 Monate: keine Lokalrezidive oder Filiae
|
Kim JS.
2014 [1101]
|
776
|
Metaanalyse
15 Studien
|
ESD
|
SCC
|
22 mm–52 mm
|
ESD: 95,1 % (95 % CI 92,6 – 96,8 %)
|
R0-Resektion: 89,4 % (95 % CI 86,2 – 91,9 %)
Blutung. 2,1 % (95 % CI, 1,2 – 3,8 %, I2 0,0)
Perforation: 5,0 % (95 % CI 3,5 – 7,2 %, I2 19,5)
Stenose: 11,6 % (95 % CI 8,2 – 16,2 %, I2 6,0)
|
Eine neuere allerdings ebenfalls retrospektive Arbeit untersuchte 300 Patienten mit
SCC (T1, N0), die mit EMR in „Suck and cut“-Technik (n = 184) oder ESD-Technik (n = 116)
reserziert wurden [1099]. Die Läsionsgröße war in der EMR-Gruppe signifikant kleiner als in der ESD-Gruppe
(20 ± 11 mm (4 – 60) vs. 30 ± 16 mm (4 – 95) p > 0,0002). Dennoch lag die En-bloc-Resektionsrate
der ESD signifikant über der EMR-Technik (53,3 vs. 100 % p = 0,0009) mit einer geringeren
Rate an lokalen Rezidiven (0,9 vs. 9,8 % p = 0,065).
Eine prospektive europäische Fallserie untersuchte die Erfolgsrate der ESD beim SCC
des Ösophagus in der westlichen Welt [1100], hier lag die En-bloc-Resektionsrate mit Tumorfreiheit der Resektionsränder bei
90 %. Einschränkend handelte es sich um eine kleinere Fallzahl von 20 Patienten. Eine
aktuelle große Metaanalyse zur ESD bei SCC wertete 15 Studien mit über 776 ESDs bei
SCC aus [1101], diese zeigte eine En-bloc-Resektionsrate von 95,1 % (95 % CI 92,6 – 96,8 %) bei
einer Rate an kompletten Resektionen von 89,4 % (95 % CI 86,2 – 91,9 %).
Prospektiv-randomisierte Vergleichsstudien zur EMR versus ESD bei Läsionen unter 20 mm
fehlen. Basierend auf der aktuellen Datenlage erscheint die EMR Technik für die En-bloc-Resektion
von Läsionen bei SCCE unter 15 mm sicher zu sein, bei größeren Läsionen sollte die
endoskopische Resektion in ESD-Technik erfolgen.
Barrett-Neoplasie ([Tab. 45])
Für die endoskopischen Resektion der mukosalen Barrett-Neoplasie liegen die überwiegenden
Daten zur „endoskopischen Mukosaresektion (EMR) mit der Bandligatur oder Kappenresektionstechnik
vor. Hier ist eine En-bloc-Resektion für Läsionen bis 2 cm möglich und eine Piecemeal-Resektion
größerer neoplastischer Barrett-Areale.
Tab. 45
Studien EMR/ESD Barrettneoplasie.
Autor
|
n
|
Studie
|
Technik
|
Läsionen
|
Ergebnisse
|
Pech O.
2014
[1101]
|
1000
|
Kohorte
|
EMR (Multiband)
+ APC
|
Barrett-Neoplasie
G1 691; G2 255
G3 54
T1m1 493, T1m2 240
T1m3 124, T1m4 143
|
Follow-up: 56,6 ± 33,4
komplette Remission: 96,3 % (963/1000)
tumorbezogene Mortalität: 0,2 %
Neoplasie Rezidiv: 14,5 % (140/993) mit endoskopischer Retherapie in 115/140
krankheitsfreies 5-Jahres-Überleben: 87,1 %
|
Alvarez Herrerro, L.
2011
[1083]
|
170
|
Kohorte
|
EMR (Multiband)
|
fokale Läsionen 104, totale EMR 69, EMR nach RFA 12
Karzinom: 39,9 %
HG-IN 13,3 %
LG-IN: 14,4 %
No-IN: 21 %
|
En-bloc-Resektion fokaler Läsionen: 31/104
Komplette endoskopische Resektion:
fokale Läsion: 91 % (84 – 96)
Totale EMR: 86 % (80 – 93
EMR nach RFA: 100 % (75 – 100)
|
Chennat J.
2009
[1103]
|
49
|
retrospektiv
|
totale EMR
|
fokale Läsionen: 30
Barrett-Länge: 2 cm (med s. d. 2.2)
T2sm1: 2/49
T1 m, L1: 2/49
|
komplette endoskopische Resektion:
31/32 (Follow-up 22,9 Mo, median 17 SD 16,7 Mo)
totale EMR: 2,1 Sitzungen (median 2, SD 0,9).
Histologie nach EMR
Upstaging: 7/49 (14 %)
Downstaging: 15/49 (31 %)
|
Chung A. 2011
[1104]
|
77
|
Kohorte
|
totale EMR
|
LG-IN: 22 %
HG-In: 53 %
T1m: 18 %
T1sm: 1 %
|
komplette endoskopische Resektion: 94,8 %
totale EMR: Median 2 EMR Sitzungen (IQR 1 – 3).
komplette Remission im Follow-up: 17 Monate (IQR 6 – 44)
Neoplasie: 95 %
intestinale Metaplasie 82 %
|
Anders M. 2014
[1106]
|
90
|
retrospektiv
|
EMR (38)
EMR+APC (48)
EMR + RFA (3)
EMR + APC + RFA (1)
|
Karzinom 47
HG-IN/LG-IN 34
HG-In 31
LG-IN 3
|
komplette endoskopische Resektion: 90 %
Median 2,1 EMR Sitzungen (1 – 7)
Rezidiv: (Follow-up 64,8 Monate (36 – 129 Monate))
Neoplasie: 6,2 %
intestinale Metaplasie: 39,5 %
|
Neuhaus H. 2012
[1110]
|
30
|
prospektiv
|
ESD + RFA
|
Med. Durchmesser 20 mm (10 – 30 mm)
HG-IN: 2
Adenokarzinom:
24 (G1 16, G2 8)
T1m: 21; Sm1: 2, Sm2: 1
|
komplette endoskopische Resektion: 29 (96,7 %)
En-bloc-Resektion: 27 (90,0 %)
histologische R0-Resektion 10/26 (38,5 %)
R1: horizontal: 15; horizontal und vertikal: 1
komplette Remission im Follow-up (17 Mo (4 – 36 Monate))
Neoplasie 27 (96,4 %)
intestinale Metaplasie 15 (53,6 %)
|
Höbel A.
2014
[1111]
|
22
|
Kohorte
|
ESD
|
Med. Durchmesser 44 mm (18 – 120 mm)
pT1m: 20 (90,9 %):
(G1 15 [75,0 %]; G2: 5 [25,0 %])
pT1sm 2 (9,1 %): (G2: 2 [100 %])
|
En-bloc-Resektion: 21/22 (95,5 %)
R0.Resektion: 18/22 (81,8 %)
R1-Resektion: 4/22 (18,2 %)
R1 lateral 4/4 (100 %), R1 vertikal 1/4 (25 %)
kurative Resektionsrate: 17/22 (77,3 %)
Follow-up 1,6 (1 – 4,5) Jahre:
rekurrentes/metachrones Barrett-Karzinom: 1/17 (5,9 %)
|
Chevaux JB.
2015
[1112]
|
75
|
retrospektive Analyse
|
ESD
|
Med. Durchmesser 52,5 mm (IQR 43 – 71)
IM: 1/73 (1,4)
LG-IN: 6/72 (8,3)
HG-IN: 11/72 (15,3)
Karzinom: 55/72 (76,4):
(G3: 14/55 (25,6); > pTm3: 37 /55 (67 %)
|
En-bloc-Resektion: 66 /73 (90 %)
kurative Resektionsrate:
Karzinom: 42 /66 (64 %); HG-IN/Karzinom 47 /55 (85 %)
komplette Remission im Follow-up (20 Monate [IQR 8,5 –37,5]):
Neoplasie: 54/59 (92 %); intestinale metaplasie 43/59 (73 %)
|
Mit der EMR-Technik werden für mukosale Barrett-Neoplasien komplette Langzeitremissionsraten
bis zu 96 % erzielt [1083]
[1084]
[1101]. Für Low-risk-SM1-Karzinome wurde nach EMR eine 5-Jahres-Überlebensrate von 84 %
kalkuliert [1102].
Die EMR der Barrett-Neoplasie kann neben der gezielten Resektion von fokalen neoplastischen
Läsionen eine semitotale oder totale Piecemeal-EMR der Barrett-Mukosa umfassen.
Für eine totale EMR waren in Studien 2 – 2,7 Sitzungen erforderlich, die Strikturrate
betrug 1,7 % [1101], 37 % [1103], 50 % [1104] bis zu 70 % [1105]. Risikofaktoren für eine Strikturentwicklung war die Länge der abgetragenen Barrett-Mukosa
und die Ausdehnung der EMR-Fläche in der ersten Sitzung. Die Rekurrenzrate für eine
Barrett-Neoplasie nach totaler EMR lag in Fallserien bei 3,7 [1101], 4,7 % [1104] bis zu 6,2 % [1106]. Diese konnten überwiegend erneut endoskopisch reseziert werden. Die Rezidivrate
für die nicht neoplastische Barrett-Mukosa betrug bis zu 19,5 und 39,5 % [1104]
[1106].
Auch die Kombination von EMR und lokal ablativen Verfahren wie der RFA resultierte
in Follow-up-Studien bei einer deutlich geringeren Strikturrate in einer vergleichbaren
Rezidivrate für die Barrett-Neoplasie zwischen 7 – 22 % und die nicht neoplastische
Barrett-Mukosa zwischen 7 – 38 % [1107]
[1108]
[1109].
Europäische Daten zur ESD der Barrett-Neoplasie variiieren: Eine europäische Studie
zur ESD bei Barrett-Neoplasie bis 30 mm mit anschließender RFA [1110] ergab eine histologisch bestätigte komplette Resektionsrate in nur 38,5 % (95 %
CI 22 – 57 %) der Patienten mit HG-IN- oder Adenokarzinom. Eine weitere europäische
Fallserie [1111] zur ESD bei Barrett-Neoplasie an 22 Patienten führte Resektionen mit einem medianen
Durchmesser von 4, mm (18 – 120 mm) durch. Hier wurde eine endoskopische En-bloc-Resektion
in 95,5 % erreicht, eine R0, Resektion in 81,8 %. Die kurative Resektionsrate mit
einem Follow-up von 1,6 Jahren (1 – 4,5) lag bei 77,3 %. Eine retrospektive Studie
aus Belgien [1112] erzielte eine kurative Resektionsrate von 85 % (47 /55) für HG-IN und Karzinome
und 64 % (42 /66) für die Karzinome alleine. Hier lag die langfristige Remissionrate
für Neoplasien bei 92 % und für intestinale Metaplasien bei 73 %.
Magenneoplasie ([Tab. 46])
Zur Frage der EMR oder ESD bei mukosalen Magenkarzinom existieren zwei Metaanalysen,
beide basieren auf überwiegend retrospektiven, nicht randomisierten Daten. Die Metaanalyse
aus dem Jahr 2011 [1113] analysierte 3 Kohortenstudien und 9 retrospektive japanische Studien. Die ESD war
der EMR signifikant überlegen hinsichtlich der En-bloc-Resektion (OR 8,43; 95 % CI
5,20 – 13,67), der R0-Resektion (OR 14,11; 95 % CI 10,85 – 18,35), der kurativen Resektion
(OR 3,28, 95 % CI 1,95 – 5,54) und der Lokalrezidive (RR 0,13, 95 % CI 0,04 – 0,41).
Die Mortalität in beiden Gruppen war nicht unterschiedlich, eine Subgruppenanalyse
bzgl der Läsionsgröße oder des Wachstumsmusters wie der Paris-Japan-Klassifikation
erfolgte nicht.
Tab. 46
Studien EMR/ESD Magenneoplasie.
Autor
|
n
|
Studie
|
Technik
|
Größe
|
Ergebnisse
|
Lian J.
2012
[1114]
|
3548 Läsionen
|
Metaanalyse
(9 retrosp. Studien, davon 2 Abstracts)
|
ESD (1495) vs. EMR (2053).
|
n. a.
|
En-bloc-Resektion: ESD (OR 9,69; 95 % CI, 7,74 – 12,13)
R0-Resektionsrate ESD (OR 5,66; 95 % CI, 2,92 – 10,96)
Rezidivrate ESD (OR 0,10; 95 % CI, 0,06 – 0,18)
Perforationsrate ESD (OR 4,67; 95 % CI, 2,77 – 7,87
|
Park YM.
2011
[1113]
|
3806 Läsionen
|
Metaanalyse
(12 retrosp.Volltextstudien)
|
ESD (1734) vs. EMR (2072)
|
Subgruppenanalyse Größe:
komplette Resektion
< 10 mm (OR 10,62; 95 % CI, 6,00 – 18,80),
10 – 20 mm (OR 11,04; 95 % CI, 4,20 – 29,00),
> 20 mm (OR 20,91;95 % CI, 5,12 – 85,.40)
|
En-bloc-Resektion: ESD (OR, 8,43; 95 % CI, 5,20 – 13,67)
kurative Resektion ESD (OR, 3,28; 95 % CI, 1,95 – 5,54)
Rezidivrate local: ESD (RR, 0,13; 95 % CI, 0,04 – 0,41)
Perforationsrate: ESD (RR, 3,58; 95 % CI, 1,95 – 6,55)
Gesamtblutungsrate gleich (RR, 1,22; 95 % CI, 0,76 – 1,98)
Gesamtmortalität gleich (RR, 0,65; 95 % CI, 0,08 – 5,38)
|
Park JC.
2010
[1115]
|
239 Läsionen
|
retrospektiv
|
ESD (189) vs. EMR (50)
|
13,92 ± 8,73 mm
(EMR: 11,5 ± 3,68 mm, ESD: 14,56 ± 9,54 mm)
|
En-bloc-Resektion: EMR 64 % vs. ESD 86,8 %,
R0-Resektionsrate: EMR 60 % vs. ESD 79,9 %
Prädiktoren (Multivariate Analyse) für:
Lokalrezidiv: inkomplette Resektion (p = 0,013, HR = 5,592) und EMR Methode (p = 0,009,
HR = 4,005)
inkomplette Resektion:
Größe > 15 mm (OR = 2,65 (p = 0,004) und EMR Methode (OR = 3,52 (p = 0,001)
|
Watanabe K. 2008
[1116]
|
245 Läsionen
|
retrospektiv
|
ESD vs. EMR
|
< 10 mm (120)
> 10 mm (125)
|
Läsionsgröße > 10 mm
En-bloc-Resektion: ESD 91,3 % (84/92) vs. EMR 63,6 % (21/33) (p < 0,01).
R0-Resektionsrate: ESD 85,9 % (79/92) vs. EMR 51,5 % (17/33) (p < 0,01)
|
Repici A. 2013
[1117]
|
42 Patienten
|
Kohorte
|
ESD
|
25 mm (10 – 40 mm)
intramukosale Karzinome: 20
HG-Neoplasie: 17
LG-IN: 2
Andere: 3
|
En-bloc-Resektionsrate: 100 %
R0-Resektionsrate: 39 (92,8 %)
Lokalrezidivrate (Adenom): 5 % (Follow-up 19 months (9 – 53 Monate))
|
Facciorusso A. 2014
[1118]
|
4328 Läsionen
|
Metaanalyse
(10 retrospektive Studien, davon 2 Abstracts)
|
ESD (1916) vs. EMR (2412)
|
mukosale Karzinome
keine Größenangabe
|
En-bloc-Resektionsrate ESD (OR = 9,69 (95 %CI: 7,74 – 12,13), p < 0,001)
R0-Resektionsrate ESD (OR = 5,66, (95 %CI: 2,92 – 10,96), p < 0,001)
Lokalrezidivrate ESD: (OR = 0,09, (95 %CI: 0,05 – 0,17) p < 0,001)
Perforationsrate ESD (OR = 4,67, (95 %CI, 2,77 – 7,87), p < 0,001)
Blutungsrate gleich: (OR = 1,49 (0,6 – 3,71), p = 0,39)
|
Eine neuere Metaanalyse [1114] untersuchte 9 retrospektive Studien mit 3548 Läsionen, von denen 2 in Abstract-Form
vorliegen, mit ähnlichem Ergebnis. Auch hier erfolgte keine Analyse bezüglich der
Läsionsgröße und Form. Beide Metaanalysen zeigten eine erhöhte intraprozedurale Rate
von Perforationen in der ESD-Gruppe ohne Unterschied in Bezug auf die Blutungskomplikationen.
Eine retrospektive Analyse von 239 Patienten mit Magenfrühkarzinom (ER: 189 ESD, 50
EMR) definierten als Risikofaktor für ein Lokalrezidiv eine inkomplette Resektion
und die EMR-Technik. Risikofaktoren in der multivariaten Analyse für eine inkomplette
Resektion waren die Läsionsgröße über 15 mm (p = 0,048) und die EMR Technik (p = 0,005)
aber nicht die Lokalisation und die Wachstumsmorphologie [1115]. Andere restrospektive Daten analysierten eine höhere En-bloc-Resektionsrate für
die ESD-Technik bereits ab eine Läsionsgröße von 10 mm [1116]. Ein aktuelle europäische Fallserie zur ESD von 42 Läsionen im Magen beschreibt
eine R0-Resektionsrate von 92,8 % und endoskopisch erneut reserzierbarere Lokalrezidive
im Follow-up von 5 % [1117]. Eine Metaanalyse der Studien zur ESD versus EMR [1118] analysierte einen signifikanten Vorteil für die ESD hinsichtlich der En-bloc-Resektionsrate,
der R0-Resektionsrate und der Lokalrezidivrate ([Tab. 46]).
Auch hier fehlen prospektiv-randomisierte Vergleichsstudien. Basierend auf der aktuellen
Datenlage erscheint die EMR-Technik für die En-bloc-Resektion von Läsionen bei Magenkarzinom
unter 10 mm der ESD vergleichbar, die AWMF-Leitlinie Magenkarzinom spricht sich im
Kommentartext ebenfalls für eine ESD-Resektion bei Läsionen über 10 mm aus (www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html).
Zu Kolonneoplasie siehe Kapitel 4.5.3.6 Endoskopische Resektion von Kolonneoplasien ([Tab. 40]).
Zu Blutung während/nach endoskopischer Resektion (Intraprozedural, Postprozedural Postpolypektomie,
EMR, ESD) siehe Kap. 4.4.3.2 Endoskopische Therapie nicht variköser Blutungen.
4.6.3 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Nach endoskopischen Resektionsverfahren sollte in Abhängigkeit von dem individuellen
Risikoprofil des Patienten, der Größe und Lokalisation der Läsion sowie der Komplexität
und dem Verlauf der Intervention über eine stationäre Nachsorge entschieden werden.
Nach ESD soll die Nachsorge grundsätzlich stationär erfolgen.
Statement:
Bzgl. der Nachsorge nach Resektion neoplastischer Läsionen wird auf die entsprechenden
AWMF-LL (www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html) verwiesen.
Konsens
Kommentar
Für die EMR im Ösophagus wurden schwere Komplikationen in 1,5 – 2 % (15/1000 Patienten:
14 Blutungen, 1 Perforation) angegeben [1083]
[1101]. Für die EMR im Magen wurde eine späte Nachblutung im Mittel 33 Stunden nach der
Resektion bei 25 von 476 Patienten berichtet [1119].
Die Abtragung von Duodenaladenomen oder duodenalen Polypen ist ebenfalls mit einem
erhöhtem Blutungsrisiko bis 11,6 % innerhalb der ersten 10 Stunden [1120] behaftet, Perforationen traten hier in 1 von 37 Resektionen auf.
Im Vergleich zur EMR zeigten 2 Metaanalysen, dass die endoskopische Submukosadissketion
(ESD) das Risiko für Blutungskomplikationen verdoppelt (OR 2,20; 95 % Konfidenzintervall
1,58 – 3,07; RR, 2,16; 95 % CI, 1,14 – 4,09) und die Perforationsrate vervierfacht
(OR 4,09, 95 % CI 2,47 – 6,80; RR, 3,58; 95 % CI, 1,95 – 6,55) [1113]
[1121]. Die Mortalität beider Verfahren ist nicht unterschiedlich, viele der Blutungen
und Perforation treten intraprozedural auf und können endoskopisch beherrscht werden.
Nach 1192 ESD-Resektionen von Magenneoplasien wurde eine postoperative Blutung in
5,3 % aller Fälle beschrieben, 1,8 % waren Transfusionspflichtig, 2,7 % traten nach
über 5 Tagen auf [1122]. Perforationen wurden in 3,7 % beschrieben, diese konnten endoskopisch/konservativ
beherrscht werden.
Das Blutungsrisiko nach Abtragung von Kolonpolypen (PPB) lag in zwei größeren representativen
Fallserien bei 2,9 % [1123]
[1124]. 1,1 % davon waren schwere Blutungen [1123]. Als wesentliche Risikofaktoren für das Auftreten einer Postpolypektomieblutung
bei Kolonpolypen analysierten mehrere Studien ([1125]
[1126], www.esge.com/esge-guidelines.html) zum einen Patientenfaktoren: Alter > 65 Jahre,
koronare Herzkrankheit, Antikoagulation (Nicht ASS!), eine Polypengröße > 10 mm zum
anderen technische Faktoren wie die Benutzung von reinem Schneidestrom zur Abtragung.
Auch die Anwendung prophylaktischer Hämostaseverfahren nach Polypektomie hat einen
Einfluss auf die Rate an frühen Postpolypektomieblutungen innerhalb von 24 Stunden.
Diese lag zwischen 0 % bei Verwendung kombinierter prophylaktischer endoskopischer
Hämostaseverfahren, 2,5 % unter Verwendung eines Hämostaseverfahrens und 8 % ohne
Prophylaxe [1127]. Ein aktuelle retrospektive Analyse von 5981 Polypektomien beschrieb eine späte
Nachblutung in 1,1 % der Fälle [1128].
Das Perforationsrisiko lag in einer Kohortenstudie von 3976 Schlingenabtragungen von
Kolonpolypen bei 1,1 %. Als Risikofaktoren für eine schwere Komplikation wurden hier
die Polypengröße über 1 cm und die Lokalisation im rechten Kolon ermittelt [1123].
Für die endoskopischen Mukosaresektion analysierte eine europäische Fallserie 1210
EMR-Resektionen im Kolorektum, hier lag das Blutungsrisiko bei 4 % (0,4 % bei einer
Größe von < 1 cm) und das Perforationsrisiko bei 7 % (0,4 % bei einer Größe < 1 cm).
Die gleiche Arbeitsgruppe beschrieb ein Blutungsrisiko von 8 % und eine Perforationsrisiko
von 1 % bei 125 EMR-Resektionen im oberen GI-Trakt [1129].
Eine postprozedurale Nachblutung nach EMR großflächiger sessiler kolorektaler Adenome
über 20 mm bei 1172 Patienten wurde in 6,2 % beschrieben [1130]. Die multivariate Analyse zeigte eine Assoziation zu der Lokalisation im rechten
Kolon (OR 3,72, p < 0,001), unkontrolliertem Schneidestrom ohne Mikroprozessor (OR
2,03, p = 0,038) und einer stattgehabten intraprozeduralen Nachblutung (11,2 % im
Gesamtkollektiv OR 2,16, p = 0,016) nicht zu Läsionsgröße und Comorbiditäten.
Ein Postpolypektomie-Koagulationssyndrom durch thermische Schäden wurde in 0,7/1000
Patienten berichtet, wobei die Therapie konservativ mit Nahrungskarenz und antibiotischer
Abdeckung unter stationären Bedingungen erfolgte [1131] Risikofaktoren waren eine große Läsionsgröße (OR 2,855, 95 % CI 1,027 – 7,937) und
eine flache Läsion (OR 3,332, 95 % CI 1,029 – 10,791). Ein Koagulationssyndrom wurde
auch nach ESD von Kolonläsionen hier aber in einer Rate von 40 % berichtet [1132]. Als unabhängige Risikofaktoren wurden eine Läsionsgröße > 3 cm (OR 5, 95 % CI 1,2 – 21,7)
und die Lokalisation außerhalb des Rektosigmoid (OR 7,6, 95 % CI 2,1 – 27,9) ermittelt.
Komplikationen
siehe Kommentartext unter 4.6.2.
4.7 Endoskopische enterale Dilatation, Bougierung und Stenteinlage in der Therapie
von Stenosen in Ösophagus, Magen, Duodenum, Kolon (benigne/maligne) und postoperativen
Leckagen
4.7.1 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Nur GI-Stenosen, die Symptome und/oder eine objektivierbare Passagestörung verursachen,
sollen endoskopisch behandelt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Da endoskopische Eingriffe (Bougierung, Dilatation und Stenting) mit einer Komplikationsrate
für Blutungen und Perforation behaftet sind, sollten unnötige Interventionen inklusive
der damit verbundenen Risiken vermieden werden.
Empfehlung
Vor Behandlung einer GI-Stenose soll sichergestellt sein, dass keine nachgeschalteten
(weiter distal gelegenen) oder vorgeschalteten (weiter proximal gelegenen) Stenosen
bestehen.
Bei klinischem v. a. auf weitere Stenosen sollte neben der endoskopischen Untersuchung
eine geeignete Bildgebung (CT, MRT Sellink, US Abdomen, Gastrografin Kontrast) erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Verbesserung der gastrointestinalen Passage kann nur hergestellt werden, wenn
alle relevanten Stenosen behandelt werden. Dies gilt insbesondere für maligne Stenosen,
bei denen eine peritoneale Aussaat nachgeschaltete Stenosen im Dünndarm verursachen
kann. Oder für den Morbus Crohn mit mehrfacher Lokalisation von Stenosen unterschiedlicher
Länge und Entzündungsaktivität in Dünn- oder Dickdarm. Hier sollte eine geeignete
Bildgebung der endoskopischen Therapieentscheidung vorgeschaltet werden [1133]
[1134].
4.7.2 Durchführung
4.7.2.1 Ösophagusstenosen, benigne
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von benignen Stenosen des Ösophagus (peptische Stenosen,
Anastomosenstenosen) soll primär eine Bougierung oder Ballondilatation durchgeführt
werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Auswahl des Verfahrens sollte sich nach der Lage, Länge und Komplexität der Stenose
richten.
Starker Konsens
Ja 100 %
Empfehlung
Der initial gewählte Durchmesser der Bougierung bzw. Ballondilatation soll sich an
der vorliegenden Weite der Stenose orientieren.
Die Bougierung/Ballondilatation kann stufenweise über 2 – 3 Stufen (von je 1 – 1,5 mm)
erfolgen, bei einfachen Stenosen kann in einer Sitzung auch eine Dilatation über 3 mm
hinaus durchgeführt werden. In ausgewählten Fällen empfiehlt sich eine zwischenzeitige
endoskopische Kontrolle.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Bougierung oder Dilatation soll unter endoskopischer oder bei hochgradiger Stenose
ohne sichere endoskopische Drahteinlage unter fluoroskopischer Kontrolle erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Bougierung erfolgt mit konisch zulaufenden PVC-Bougies von (verfügbar 5 – 20 mm
Durchmesser) über einen Führungsdraht (Eder-Püstow-Draht oder steifen Führungsdraht
mit weicher Spitze), der unter endoskopischer Kontrolle über die Stenose eingelegt
wird. Ist die Stenose zur Einlage des Führungsdrahtes nicht endoskopisch passierbar,
empfiehlt sich die Drahteinlage und Bougierung unter radiologischer Kontrolle. Bei
der Ballondilatation wird der Ballon über den Arbeitskanal eines therapeutischen Endoskops
und ggf. unter Drahtführung über die Stenose vorgeführt. Durch druckgesteuerte Füllung
mit Wasser erfolgt eine stufenweise Dilatation unter endoskopischer Beurteilung der
Stenose.
Der initial gewählte Durchmesser der Bougies bzw. des Ballons orientiert sich an der
vorliegenden Weite der Stenose. In der Regel wird in jeder Sitzung über 2 – 3 Stufen
bougiert. Für die Ballondilatation wurde auch eine Dilatation über 3 mm mit einer
Endweite über 15 mm bei einfachen Ösophagusstenosen als sicher belegt [1133]
[1135]
[1136].
Vergleichende Daten zur idealen Dauer der Bougieeinlage bzw. zur Balloninsufflationszeit
(kurz versus 1 – 2 Minuten) liegen nicht vor. Die Intervalle zwischen den Sitzungen
der Bougierungs- bzw. Dilatationstherapie werden individuell festgelegt, abhängig
vom initialen Grad der Stenose und insbesondere der erneuten Schrumpfungstendenz der
Stenose [1137]
[1138].
Prospektiv-randomisierte Studien, die Bougierung und Ballondilatation bei benignen
Ösophagusstenosen verglichen [1137]
[1139]
[1140] zeigten eine vergleichbare Effektivität der Verfahren. Bei peptischen Stenosen und
Schatzki-Ringen wurde kein Unterschied hinsichtlich der Dsyphagiereduktion und Eingriffshäufigkeit
innerhalb von einem Jahr nachgewiesen [1137]. Zwei kleinere Studien mit einem gemischten Kollektiv von benignen Ösophagusstenosen
[1139]
[1140] zeigten ebenfalls keine Unterschiede der Therapieform innerhalb eines Ein-Jahres-Follow-up. Im
zweiten Jahr bestand für die Ballondilatation eine signifikant geringere Rezidivrate,
sowie eine geringe Eingriffsfrequenz bis zum Erreichen der Endpunktweite von 15 mm
(1,1 + 0,1 versus 1,7 + 0,2, p < 0,05) [1139]. Die meisten Patienten benötigen 1 – 3 Dilatationen zur Beseitigung der Stenosesymptomatik,
bis zu 35 % aller Patienten benötigen wiederholte Therapien [1141]. Eine retrospektive Serie zur Ballondilatation (n = 117) bei peptischen Stenosen
mit einem Follow-up von 51 Monaten berichtete über Rezidivfreiheit nach der 1. Sitzung
bei 26 % und nach zwei weiteren Sitzungen bei 20 % der Patienten [1138]. Bei komplexen Stenosen kann diese Rate deutlich höher sein [1138]
[1142]
[1143]. Diesbezüglich liegen allerdings keine größeren prospektiven oder retrospektiven
Studien vor.
Die Bougierung und Ballondilatation führen zu vergleichbaren Perforationsraten bis
zu 1 % [1140]
[1144]. In einer Serie wurden intramurale Einrisse nach Ballondilatation überwiegend allerdings
ohne OP-pflichtige Perforationen bei 38 % der Patienten beschrieben.
Anstelle der Bougierung oder als additives Verfahren scheint eine Inzision der Stenose
nach ersten Daten ebenfalls effektiv. Zwei prospektive Studien verglichen die elektrische
Inzision mit der Bougierung [1145]
[1146] mit vergleichbarer Effektivität im 6-Monats- Follow-up [1145] und längerer Symptomfreiheit für die Inzisionsgruppe in der kleineren der beiden
Studien im 12-Monats-Follow-up [1146].
Empfehlung
Bei therapierefraktärer benigner Ösophagusstenose kann eine temporäre Stentimplantation
erfolgen. Verfügbar sind voll gecoverte SEMS, SEPS und biodegradierbare Stents.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Stenteinlage kann drahtgeführt unter fluoroskopischer und/oder endoskopischer
Kontrolle erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Partiell gecoverte selbst expandierende Metallstents sollten wegen der erhöhten Komplikationsrate
(Einwachsen, Rezidivstrikturen, erschwerte Stentenfernung) nicht verwendet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Wenn es trotz multipler Therapiesitzungen zu rezidivierenden Stenosen kommt, kann
eine temporäre Stentimplantation erfolgen, um eine narbige Konsolidierung mit adäquater
Weite zu erlauben [1147]
[1148]. Hier sind bisher im Wesentlichen Einzelfallserien und keine größeren vergleichenden
Studien publiziert. Verwendet wurden teilgecoverte selbst expandierende Metallstents,
selbst expandierende Plastikstents, biodegradierbare Stents und voll gecoverte selbst
expandierende Metallstents. Nach Entfernung eines temporären Stents kommt es nur bei
etwa 30 – 50 % zu einem dauerhaften (1 Jahr anhaltenden) Therapieerfolg [1149]
[1150]
[1151]. Dies ist insbesondere der durch den Stent induzierten Granulation und Entzündung
geschuldet. Da die Stentimplantation gleichzeitig Risiken der Perforation, der Stentmigration,
der Blutung und anderer Komplikationen beinhaltet, sollte die Stentimplantation bei
benigner Stenose im Einzelfall genau abgewogen werden.
Die Einlage der SEMS erfolgt meist drahtgeführt unter radiologischer Kontrolle nach
epikutaner Markierung der Stenose mit röntgendichtem Metall oder durch Lipiodol-Injektion
in die Stenose. Je nach Hersteller wird der Stent von distal oder von proximal freigesetzt.
Alternativ ist eine Stenteinlage und Freisetzung unter endoskopischer Sicht mit pädiatrischen
Endoskopen entweder transnasal oder transoral ohne Fluoroskopie möglich [1152]. Dies wurde für Stents mit distaler und proximaler Freisetzung beschrieben [1153]
[1154].
Partiell gecoverte Metallstents
Partiell gecoverte SEMS wurden in Anlehnung an die Therapie der malignen Ösophagusstenose
in mehreren Einzelfallserien bei benigner Ösophagusstenose für wenige Wochen bis zu
mehreren Monaten gelegt [1155]
[1156]
[1157]
[1158].
Die initiale Erfolgsrate mit Dysphagierückgang nach Stenteinlage ist hoch. Demgegenüber
steht ein erhöhtes Risiko des Einwachsens von Granulationsgewebe durch die Maschen
des Stents mit erschwerter Stententfernung und Bildung von Rezidivstenosen. Rezidivstenosen
traten in bis zu 40 – 50 % der Fallserien auf [1155]
[1157]
[1158]. Zusätzlich kam es zu Stentmigrationen. Ein Review von 29 Patienten berichtet über
Stentmigrationen in 31 %, Rezidivstrikturen in 41 % sowie Schmerzen und Reflux (21 %)
sowie neu aufgetretene tracheoösphagelae Fisteln in 6 % [1157]. Daher spricht sich die ACG (American College of Gastroenterology) in einer Practice
Guideline aus dem Jahr 2010 gegen die Einlage von partiell gecoverten SEMS bei benignen
Indikationen im Ösophagus aus [1148]. Eine aktuelle retrospektive multizentrische Analyse zur Sicherheit der Stententfernung
stützt diese Empfehlung. Hier wurden 214 Patienten mit 329 Stententfernungen ausgewertet
[1159]. Indikationen waren therapierefraktäre Strukturen (49,2 %) und Fisteln (49,8 %)
im Ösophagus. Partiell gecoverte SEMS lagen in 28,6 %, voll gecoverte SEMS in 52 %
und selbst expandierende Plastik Stents (SEPS) in 19,5 % für eine mittlere Liegedauer
von 37 Tagen. Die Komplikationsrate bei der Stententfernung war für pcSEMS deutlich
höher als bei SEPS oder fcSEMS (24,5 vs. 9,4 vs. 3,5 %) [1159]. Die Multivariate Analyse berechnete den pcSEMS als unabhängen Risikofaktor für
ein unerwünschtes Ereignis bei der Stententfernung (p < 0,001).
Selbst expandierende Plastikstents (SEPS)
Wegen der Wiederentfernbarkeit und der geringen lokalen Gewebereaktion wurden die
SEPS bei benignen Indikationen im Ösophagus in der Vergangenheit häufig eingesetzt.
SEPS bestehen aus einem Polyesternetz mit einem kompletten Covering durch eine innere
Silikonmembran. Sie werden auf ein Legesystem von 12 – 14 mm Durchmesser aufgebracht.
Daher ist ggf. vor der Stenteinlage eine Dilatation auf mindestens 12 mm erforderlich.
Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2010 zum SEPS bei Ösophagusstrikturen schloss 10 Studien
mit 130 Patienten ein. Die Anlage gelang technisch bei 98 % (95 % CI 96 – 100 %).
Die klinische Erfolgsrate, definiert als fehlende Notwendigkeit für weitere endoskopische
oder operative Therapien, lag bei 52 % (95 % CI 44 – 61 %), mit einer geringeren Erfolgsrate
bei zervikalen Stenosen (33 vs. 54 % (p < 0,05). In 23 % kam es zu einer Stentmigration,
weitere Komplikationen traten in 9 % auf (Perforation (n = 3), Blutung (n = 3), Schmerzen
(n = 2), Tracheale Fistel (n = 1), Eingewachsen-OP (n = 1)). Die Mortalität lag bei
0,8 %. Wegen der Verfügbarkeit von voll gecoverten Metallstents und des vergleichbar
rigiden Legesystems ist der Einsatz der SEPS in den letzten Jahren rückläufig. Kasuistisch
wurde die Anwendung Stent in Stent zur Entfernung eingewachsener Metallstents beschrieben.
Biodegradierbare Stents
Die Verwendung von selbst auflösenden sogenannten biodegradierbaren Stents zur Weitung
benigner Stenosen hat den Charme einerseits die Aufstellkräfte selbstexpandierender
Stents für die Dilatation zu nutzen und anderseits den Komplikationsbereich des Stenteinwachsens
zu umgehen. Die Stents bestehen aus Polydioxanone und degradieren unter Bildung von
Glyoxylsäure, bei einem pH-Wert von 7 beginnt die Degradierung ab Woche 5. Eine bizentrische
prospektive Studie untersuchte biodegradierbare Stents bei benigner Ösophagusstenose
[1160]. Bei allen 21 Patienten war die Stenteinlage technisch erfolgreich, nach 3 Monaten
waren die Stents fragmentiert. Stentmigrationen traten bei 9,5 % auf. Im Verlauf von
53 Wochen blieben 45 % der Patienten frei von Dysphagie. Schwerwiegende Komplikationen
traten nicht auf. Eine kleinere prospektive Studie zum Vergleich von biodegradierbaren
Stents, SPES und voll gecoverten Metallstents bei benignen Ösophagusstenosen für 12
Wochen ergab eine vergleichbare Effektivität der Stents hinsichtlich der Dysphagiefreiheit
[1161]. SPES wiesen hier die höchste Migrationsrate (60 %) und die höchste Reinterventionsrate
auf (n = 24). Eine weitere kleine aktuelle Serie, die Patienten mit benigner und maligner
Ösophagsstenose einschloss, berichtet über eine klinische Erfolgsrate von 76 %, die
allerdings als der Verbesserung des klinischen Dysphagiescores gemessen wurde [1162]. Anhand der aktuellen Datenlage ist eine Überlegenheit der resorbierbaren Stents
bei benignen Indikationen nicht belegt [1148]
[1163].
Voll gecoverte selbst expandierende Metallstents
Voll gecoverte SEMS werden aufgrund der atraumatischeren Entfernbarkeit [1159]
[1164] zur intermittierenden Therapie bei benignen Strikturen angewandt. In Fallserien
[1165] betrug die Liegedauer der fcSEMS im Mittel 64 ± 74 Tage (Durchmesser:18 – 22 mm).
Dennoch blieben nur 21 % der Strikturpatienten im mittleren Follow-up von 111 Tagen
ohne weiteren Reinterventionsbedarf. An Komplikationen traten Stentmigration, Invaginationen,
Schmerzen und Dysphagie auf [1150]
[1164]
[1165]. Des Weiteren die Bildung von Druckulzera oder Pseuodpolypen an den Stentenden [1150]. Evidenz zum Vergleich verschiedener Stenttypen, Durchmesser oder Liegezeiten liegt
nicht vor. Aktuell bleibt die Einlage von Stents daher ein Reserveverfahren in der
Therapie refraktären benignen Strikturen.
Empfehlung
Zur Rezidivprophylaxe kann eine Injektion von Steroiden in die Stenose erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Prophylaxe entzündlicher Schrumpfungsprozesse kann eine Injektion von Kortikoiden,
z. B. Triamcinolon, in die dilatierte Stenose erfolgen. Dies kann die Intervalle zwischen
den Dilatationen verlängern und die Zahl der notwendigen Dilatationen reduzieren [1166]
[1167]
[1168].
Nach erfolgreicher Dilatation oder Bougierung einer Stenose sollte 1 Amp. Triamcinolon
1:1 mit NaCl 0,9 % verdünnt und mittels Sklerosierungsnadel fraktioniert in alle 4
Quadranten der Stenose injiziert werden. Eine randomisierte Studie an 30 Patienten
(Steroide 15 vs. Sham 15) mit peptischer Stenose und Indikation zur rezidivierenden
resultierte in einer geringeren Notwendigkeit für eine wiederholte Dilatationstherapie
in der Steroidgruppe (13 vs. 60 %, (p = 0,011) [1166].
Auch zur Prävention bzw. Therapie von Stenosen nach ESD bei Plattenephitelkarzinomen
des Ösophagus erzielte die lokale Steroidinjektion im Vergleich zu einem historischen
Kontrollkollektiv eine niedrigere Strikturrate (10 %, 3/30 Pat. vs. 66 %, 19/29 Pat;
p < 0,0001) und eine niedrigere Rate an erforderlichen Dilatationsbehandlungen (Median
0, Range 0 – 2 vs. Median 2, Range 0 – 15; p < 0,0001) [1169].
Fallserien berichten auch über ein gutes Ansprechen der lokalen Injektion von Mitomycin
C in der Strikturbehandlung von Postresketionsstenosen [1170] und narbig/peptischen Stenosen [1171].
4.7.2.2 Ösophagusstenose, maligne
Empfehlung
In der palliativen Therapie von malignen Stenosen des Ösophagus (Ösophaguskarzinom)
und des Magens (Kardiakarzinom) sollte eine endoskopische Therapie (SEMS, Lokalablative
Verfahren) erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei gleichzeitiger Radiochemotherapie im palliativen Therapiekonzept kann die Einlage
eines SEMS erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Im neoadjuvanten Therapiekonzept von malignen Stenosen des Ösophagus (Ösophaguskarzinom)
und des Magens (Kardiakarzinom) sollte bei anhaltender Dysphagie die Einlage eines
SEMS sorgfältig abgewogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
In der palliativen Situation ist die Dysphagie ein wesentliches Symptom, das die Lebensqualität
beeinträchtigt. Die endoskopische Therapie der Tumorstenose ist aufgrund ihrer deutlich
geringeren Morbidität und Mortalität gegenüber der palliativen chirurgischen Ösophagusresektion
im Vorteil. Eine Fallserie von 78 Patienten mit Tumoren des Ösophagus (Plattenephitelkarzinom,
Adenokarzinom, Karzinom des gastroösophagealen Übergangs) zeigte eine rasche Dysphagiereduktion
innerhalb von 48 Stunden bei allen Patienten [1172]. 11 Patienten benötigten bei rekurrenter Dysphagie und Tumoreinwachsen einen 2.
Stent. Das mediane Überleben lag bei 18 Wochen. Im Vergleich zur Lasertherapie ergab
sich ein Vorteil in der Lebensqualität für das Stenting (96 versus 71 %).
Die endoskopische Therapie erfolgt allerdings auch im palliativen Setting im Kontext
mit den übrigen Therapieoptionen der palliativen Radio- und/oder Chemotherapie. Eine
aktuelle Arbeit analysierte das Outcome von 155 nicht operablen Ösophaguskarzinomen
[1173] an einem Zentrum. Patienten, die aufgrund ihres Allgemeinzustandes nicht fit genug
für eine Radio-/Chemotherapie waren, erhielten einen SEMS. Die Behandlungsart war
der einzige unabhängige Prädiktor für das Überleben in der multivariaten Analyse (p = 0,043),
wobei die Stentgruppe das kürzeste Überleben und die Radiochemotherapiegruppe das
längste Überleben aufwies (6,92 Mo vs. 13,53 Monate). Angesichts dessen ist die endoskopische
Therapie eher für Patienten mit fortgeschrittenem Tumorstadium und eingeschränkten
anderen Therapieoptionen geeignet.
Die Evidenz hinsichtlich Stentkomplikationen unter Radio-/Chemotherapie ist eher begrenzt.
Homs et al. berichten in einer Serie über keinen negativen Einfluss einer vorangegangenen
Radiochemotherapie bei Tumoren des ösophagogastralen Übergangs [1174]. Andere größere Serien zeigten eine erhöhte Stentkomplikationsrate in der Gruppe
der Patienten mit Radiochemotherapie (frühe Komplikationen 23,2 vs. 3,3 %; p < 0,002;
späte Komplikationen 21,6 vs. 5,1 %; p < 0,02) [1175]. Auch bei Einlage eines vollgecoverten Metallstents war die Applikation einer Chemotherapie
mit signifikant mehr Stentkomplikationen (Stentmigration p = 0,002; Ausbildung ösophagorespiratorischer
Fisteln p < 0,001) verbunden [1176]. Eine aktuelle prospektive RCT-Studie verglich das ösophageale Stenting mit der
Kombination von Radiochemotherapie plus Stenting [1177]. In der Kombinationstherapie war das Gesamtüberleben (180 vs. 120 Tage, p = 0,009)
und das dysphagiefreie Überleben höher (118,6 ± 55,8 vs. 96,8 ± 43,0 Tage, p = 0,054),
ohne Unterschiede in der Komplikationsrate.
In Anbetracht der uneinheitlichen vorliegenden Daten ist eine erhöhte Komplikationsrate
bei Stenteinlage unter Radiochemotherapie möglich. Dies sollte im palliativen Konzept
im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden.
Ein endoskopisches Stenting im neoadjuvanten Behandlungskonzept sollte vermieden werden,
um die chirurgische Ösophagusresektion nicht durch Komplikationen zu erschweren [1148]. Zudem verhindert ein Stent die endoskopische Kontrolle des Tumoransprechens nach
neoadjuvanter Therapie. Daten zu einer prophylaktischen Stentimplantation vor neoadjuvanter
Therapie liegen nicht vor.
Empfehlung
In der endoskopischen palliativen Therapie maligner Stenosen des Ösophagus und des
gastroösophagealen Überganges sollte die Einlage eines SEMS den lokal ablativen Verfahren
vorgezogen werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Ballondilatation, Bougierung oder lokale Gewebeablation mittels Laser- oder APC-Koagulation
können zur Vorbereitung dieser Maßnahme oder bei Unverträglichkeit oder fehlender
Platzierbarkeit für einen SEMS eingesetzt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Eine Empfehlung für einen bestimmten SEMS-Typ kann auf der Basis der aktuellen Evidenz
nicht gegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Ballondilatation, Bougierung und die lokale Ablation von Tumorgewebe mittels Laser
oder APC-Koagulation sind effektiv in der Wiederherstellung der Passage bei Tumorstenosen.
Der klinische Effekt dieser Maßnahmen hält meist nur kurzfristig an [1178]
[1179], daher sollte primär eine Stentimplantation angestrebt werden. Bei hochgradigen
Tumorstenosen kann eines der oben genannten Verfahren zur Vorbereitung der Stentimplantation
notwendig sein.
Eine Cochrane-Analyse analysierte 2542 Patienten aus 40 Studien zur endoskopischen
Behandlung maligner Ösophagusstenosen [1180]. Im Vergleich von lokalablativen Verfahren (Laser oder fotodynamische Therapie)
und Metallstenteinlage zeigte die lokal ablative Therapie vergleichbare Ergebnisse
für die Dysphagiereduktion aber eine erhöhte Frequenz für Wiederholungseingriffe und
eine höhere Komplikationsrate für Perforationen oder Fistelbildung. SEMS (Wallflex,
Z-Stent, Ultraflex, Dua-Z Stent, DO Stent [Antireflux]) waren im Vergleich zu Plastikstents
sicherer und effektiver (Dysphagie ↓ [OR 0,36], rekurrierende Dysphagie ↓ [OR 0,25],
prozedurabhängige Mortalität ↓[OR 0,36], Komplikationen ↓ [OR 0,25]). Die in der Cochrane-Analyse
untersuchten Anti-Refluxstents zeigten eine vergleichbare Verbesserung der Dysphagie
wie konventionelle Metallstents.
Auch für maligne Ösophagusstenosen wurde eine sichere SEMS-Einlage unter endoskopischer
Sicht für Stents mit distaler und proximaler Freisetzung beschrieben [1153]
[1154]. Eine retrospektiv vergleichende Analyse von endoskopisch und fluoroskopisch gesteuerter
Freisetzung ergab keinen Unterschied der Verfahren hinsichtlich des technischen Erfolges
und der Komplikationsrate [1181].
Bezüglich der Auswahl des Metallstents ist auf der Basis der derzeitigen Datenlage
eine Empfehlung für einen bestimmten Stenttyp nicht möglich, es wurden keine relevanten
Unterschiede in Erfolgsrate und Sicherheit gezeigt. Eine systematische Analyse zum
Vergleich von gecoverten und ungecoverten SEMS bei malignen Stenosen im GI-Trakt zeigte
keinen Unterschied in der Stentoffenheitsrate und dem Überleben [1182]. Nicht gecoverte Stents zeigten häufiger ein Tumoreinwachsen (RR 0,10, 95 % CI 0,01 – 0,77)
wohingegen gecoverte Stents eher migrierten (RR 5,01, 95 % CI 1,53 – 16,43). Ähnliche
Ergebnisse belegte auch eine aktuelle Serie an 252 Patienten [1183]. Hier waren FCSEMS, eine benigne Grunderkrankung und eine distale Lokalisation unabhängige
Prädiktoren für eine Migration (p < 0,001, p = 0,022, and p = 0,008). Randomisierte
klinische Studien zum Einsatz von SEMS mit Antirefluxfunktion konnten keinen eindeutigen
Benefit nachweisen [1184]
[1185]
[1186].
4.7.2.3 Magenausgangstenose, benigne
Empfehlung
In der endoskopischen Therapie von benignen Magenausgangsstenosen (Pylorus, Duodenum)
soll primär eine Ballondilatation durchgeführt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Ballondilatation soll unter endoskopischer Sicht angepasst an die jeweilige Stenose
erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Begleitend soll eine säurehemmende Therapie und, wenn H. pylori positiv, eine HP-Eradikation
erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Implantation eines SEMS soll bei benigner Magenausgangsstenose ausgewählten Einzelfällen
vorbehalten bleiben.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei Versagen der Dilatationstherapie oder Rezidiven nach initial erfolgreicher Dilatation
sollte eine chirurgische Therapie (Gastroenterostomie, distale BII-Magenresektion)
durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Ballondilatation
Narbige Magenausgangsstenosen können mittels Ballondilatation effektiv behandelt werden
[1134]. Dazu stehen Ballone mit einem Durchmesser von 6 – 25 mm zur Verfügung, die über
den Arbeitskanal des Endoskops eingeführt werden. Günstig ist eine zusätzliche Führung
über einen Draht, insbesondere bei hochgradigen Stenosen. Der Ballon wird dabei unter
endoskopischer Sicht platziert und mittels vom Hersteller angegebenem Wasserdruck
auf die entsprechende Weite gefüllt. Ballone, die durch verschiedene Druckstufen mehrere
Durchmesser realisieren (z. B. 10 – 12 mm oder 15 – 18 mm) vereinfachen die Prozedur,
da ein Wechsel des Ballons bei der stufenweisen Dilatation entfällt.
Zur anzustrebenden Dilatationsweite oder der Dauer der jeweiligen Ballondilatation
existieren keine vergleichenden Daten. Die meisten Autoren streben eine Dilatation
bis mindestens 15 mm an, einige berichten über eine Balloninflationszeit von 60 Sekunden
[1187]. Der Untersucher entscheidet aufgrund des endoskopischen Aspekts der Stenose, ob
eine Dilatation auf die endgültige Weite in einer Sitzung möglich und sicher ist.
In der Regel erfolgt eine stufenweise Dilatation mit Steigerung der Durchmesser in
wöchentlichen Abständen in Hinblick auf eine größtmögliche Sicherheit [1187].
Eine retrospektive Serie analysierte 177 Ballondilatationen bei 72 Patienten [1188]. Der mittlere Ballondurchmesser lag bei 18 mm (12 – 25 mm). Endoskopische Kontrollen
erfolgten 1 – 3 Wochen später und in 3 monatlichen Abständen. Der mittlere Durchmesser
der Stenose lag bei 6 mm (2,0 – 9,5 mm) vor und 16 mm (10 – 20 mm) nach der Dilatation.
Ein Symptomrückgang lag nach 3 Monaten bei 70 % der Patienten vor, eine rekurrente
Stenose zeigten 16 Patienten innerhalb von 18 Monaten. Die besten Ergebnisse erzielten
die postoperativen Anastomosenstenosen mit 100 %, die schlechtesten Ergebnisse die
korrosiven Stenosen mit 35 %. An Komplikationen traten 2 Pylorusperforationen und
eine arterielle Blutung auf. Eine kleine Fallserie mit 17 Patienten berichtete ebenfalls
über gute Ergebnisse ohne Komplikationen bei einer stufenweisen Dilatation von 15
bis auf 25 mm [1189].
Eine andere Serie von 41 Patienten dilatierte stufenweise nur bis auf 15 mm mit einer
Inflationszeit von jeweils 60 Sekunden [1190]. 39 Patienten benötigten wiederholte Dilatationen mit einer mittleren Frequenz von
5,8 ± 2,6 Dilatationen (Range 2 – 13) bis zum Endpunkt von 15 mm. Im Follow-up von
35,4 ± 11,1 Monaten wurde ein Patient chirurgisch behandelt. An Komplikationen traten
eine OP-pflichtige Perforation, Schmerzen (n = 8) und konservativ therapierbare Blutungen
(n = 7) auf.
HP Eradikation und Säuresuppression
Bei peptischen Stenosen mit positivem HP-Nachweis vermindert eine HP-Eradikation signifikant
das Auftreten weiterer Ulkuskomplikationen im Langzeitverlauf nach Dilatation [1191] und sollte daher durchgeführt werden. Die HP-Eradikation war in einer weiteren Studie
ebenfalls mit einer erfolgreichen Ballondilatationstherapie assoziiert, hier zeigte
die fortgesetzte Einnahme von NSAR eine erhöhte Rate an rekurrierenden Stenosen [1192]. Auch eine säuresuppressive Therapie, die bei peptischen Stenosen ohnehin meist
erfolgt, erscheint im Rahmen einer Dilatationstherapie sinnvoll für das Outcome [1193].
Operative Therapie
Rezidivstenosen oder primär nicht endoskopisch therapierbare Stenosen sollten chirurgisch
therapiert werden (Gastroenterostomie). Als prädiktive Faktoren für eine chirugische
Therapie wurden jüngeres Alter, die Notwendigkeit multipler Dilatationen und eine
lange Behandlungsdauer beschrieben [1192]. In einer weiteren Studie war die Notwendigkeit von mehr als zwei Dilatationen zum
Erreichen einer Symptomkontrolle ein Prädikator für eine notwendige chirurgische Therapie
(OR 6857, 95 % CI 1,031 – 45,606) [1194].
SEMS
Obwohl in einzelnen Fallberichten erwähnt, ist die Erfahrung mit selbstexpandierenden
Metallstents bei benigner Magenausgangsstenose auf Einzelfallberichte mit Einlage
von vollgecoverten oder teilgecoverten SEMS begrenzt [1195]
[1196]
[1197]. Sie kann daher nicht als Standardtherapie empfohlen werden [1134].
4.7.2.4 Magenausgangsstenose, maligne
Empfehlung
Zur Therapie einer malignen Stenose von Magenausgang und/oder Duodenum soll in Abhängigkeit
von der individuellen Prognose des Patienten, dem Lokalbefund und der Präferenz des
Patienten zwischen konservativer (Ablaufsonde), endoskopischer Therapie und chirurgischer
Therapie (Bypass) entschieden werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie einer malignen Stenose von Magenausgang und/oder Duodenum
kann in der palliativen Situation eine Stentimplantation erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Im palliativen Therapiekonzept bei Magenausgangsstenose stehen eine duodenale Stentimplantation
sowie eine chirurgische Gastroenterostomie zur Verfügung. Vor Implantation eines Duodenalstents
sollten nachgeschaltete weitere Stenosen ausgeschlossen werden.
Endoskopisches Stenting
Die Verwendung von Through-the-Scope-Stentsystemen ermöglicht bei der Stentanlage
eine zeitgleiche endoskopische und ggf. radiologische Kontrolle, dazu ist ein Therapieendoskop
mit Arbeitskanal von mindesten 3,7 mm erforderlich [1198]. Wegen der Nähe zum Gallengang werden meist ungecoverte SEMS angelegt, die einen
Abfluss der Galle oder ein endoskopisches Stenting durch die Maschen des Metallstents
erlauben.
Der primäre technische Erfolg der Stentimplantation ist hoch (> 90 %), der klinische
Erfolg mit der Nahrungsaufnahme von weicher Kost liegt zwischen 60 – 95 % [1147]. Eine systematische Analyse von 32 Serien (davon 10 prospektiv) an 606 Patienten
wies bereits 2004 eine klinische Erfolgsrate von 87 % für die Einlage eines SMES nach
[1199]. Das mittlere Überleben der Patienten lag bei 12,1 Wochen. Schwere Komplikationen
(Blutung, Perforation) traten bei 1,2 % auf, Stentmigration bei 5 % und Stentobstruktion
bei 18 % infolge Tumorinfiltration. 61 % der Patienten benötigten gleichzeitig auch
einen Gallengangsstent. Dieser wurde in 41 % vor dem Duodenalstent, in 18 % in einer
Sitzung und in 2 % nach dem Duodenalstenting gelegt. Eine aktuellere multizentrische
Analyse verfolgte 74 Patienten nach Stenteinlage bei gastroduodenaler Obstruktion.
Der technische und klinische Erfolg lag bei 100 bzw. 97,2 %. 95,9 % der Patienten
konnten oral bis zum Lebensende ernährt werden, 63,5 % mit festen Speisen. 78,4 %
benötigten keine weiteren Interventionen. Die mittlere Stentoffenheit lag bei 76,6
Wochen [1200].
Vergleichende Studien zwischen verschiedenen Stenttypen liegen nicht vor. Serien mit
Einlage verschiedener ungecoverter Stentfabrikate zeigen ähnliche klinische Erfolgsraten
gemessen an der Verbesserung des Gastric outlet obstruction (GOO)-Scores vor und nach
Stenteinlage zwischen 77 und 91 % [1200]
[1201]
[1202]
[1203]
[1204]
[1205]
[1206].
Gecoverte Stents können bei Tumoreinbruch in einen ungecoverten Stent oder primär,
wenn wegen eines intraluminalen Tumors ein rasches Einwachsen vom Tumor zu befürchten
ist, eingesetzt werden. Serien, die partiell gecoverte [1207] bzw. gecoverte [1208] Stents untersuchten, berichten über klinische Erfolgsraten von 90 bzw. 88 % und
eine Stentmigrationsrate von 6 bzw. 10 %, meist in den ersten 2 Wochen nach Anlage.
Vergleichende Studien zwischen ungecoverten und gecoverten Stents liegen nicht vor.
Andere Daten analysierten die klinische Effektivität der Stents in Abhängigkeit von
der Tumorlokalisation. Eine Analyse von 71 Patienten [1209] mit maligner gastroduodenaler Obstruktion ergab eine deutlich erniedrigte klinische
Effektivität bei antraler Tumorlokalisation [29,4 %] im Vergleich zum duodenalen Stenting
[70,2 %] und Stenting bei Tumorrezidiv der gastrojejunalen Anastomose [86,6 %]. Eine
andere Serie verglich das palliative Stenting bei Magenausgangsstenose zwischen Magen-
und Pankreaskarzinomen ohne signifikante Unterschiede in der klinischen Erfolgsrate,
der Komplikationsrate und der kumultativen Stentoffenheitsrate [1210].
Endoskopisches Stenting oder Gastroenterostomie
Eine prospektiv-randomisierte Studie (n = 36) verglich die chirurgische Gastrojejunostomie
mit dem endoskopischen Stenting [1211]. Die Patienten nach Stentimplantation konnten häufiger und früher kostaufgebaut
werden, die Langzeitergebnisse waren aber in der Gastroenterostomiegruppe besser mit
mehr Patiententagen mit einem GOO-Score ≥ 2 (72 vs. 50 Tage p = 0,05). In der Stentgruppe
kam es häufiger zu Reobstruktion (8 vs. 5 Pat p = 0,02) mit Reinterventionen (10 vs.
2 p < 0,01). Keine Unterschiede zeigten sich im Überleben (56 Tage v.s 78 Tage n. s.)
und in der Lebensqualität. Ähnliche Ergebnisse erzielte auch ein vorangegangener systematischer
Review der gleichen Arbeitsgruppe [1212].
Eine aktuelle retrospektive Analyse schloss 113 Patienten [1213] mit vergleichbaren Ergebnissen in der ersten Woche nach Intervention ein, aber einer
erhöhten Rate an Stentkomplikationen (44,4 vs. 12,2 %, p < 0,001) sowie Reinterventionen
(43,0 vs. 5,5 % p < 0,001) im Langzeitverlauf. Stentkomplikationen waren Tumoreinwachsen
(n = 29), Migration (n = 2) und Perforation (n = 1). Die mittlere Offenheitsrate betrug
125 Tage in der Stentgruppe vs. 282 Tage in der Gastroenterostomiegruppe (p = 0,001).
Das mittlere Überleben in der Stentgruppe lag bei gutem klinischen Performancestatus
(ECOG 0 – 1) signifikant niedriger als in der Gastroenterostomiegruppe; ab einem ECOG
von 2 war dieser Unterschied nicht mehr nachweisbar.
In Anbetracht der vorliegenden Daten scheint die chirurgische Gastroenterostomie somit
eine längere Symptompalliation zu ermöglichen und ist daher für Patienten mit einer
längeren Lebenserwartung von über 2 Monaten und einem guten klinischen Performancestatus
zu diskutieren [1134]
[1214]. Die Entscheidung hängt letztlich von der Erfahrung des Behandlers, der individuellen
Prognose des Patienten und auch der Präferenz des Patienten ab [1134].
4.7.2.5. Benigne Stenose des unteren GI-Traktes
Empfehlung
In der endoskopischen Therapie von benignen Stenosen des ileozökalen Übergangs und
des Kolons sollte bei technischer Machbarkeit (gute Erreichbarkeit, kurzstreckige
Stenose) eine Ballondilatation durchgeführt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Endoskopische Dilatation von entzündlichen Stenosen sollte immer in eine antiinflammatorische
Therapie eingebunden werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Zur Rezidivprophylaxe kann eine simultane Steroidinjektion durchgeführt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei rezidivierender oder therapierefraktärer Stenose sollte eine Operation durchgeführt
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Therapie von Stenosen im Ileozökalbereich, Kolon und Rektum zielt auf die Resolution
einer (Sub)Ileussymptomatik hin.
Ballondilatation/Bougierung
Für die Ballondilatation in der Therapie von (post-)entzündlichen und postoperativen
Stenosen des ileozökalen Übergangs und des Kolons wurde eine Langzeiteffizienz von
70 % [1215] nachgewiesen. Eine größere Fallserie [1215] analysierte 133 Dilatationen bei 57 Patienten mit überwiegend postoperativen und
postentzündlichen Stenosen in Anus (n = 4), Rektum (n = 45), Kolon (n = 7) und terminalen
Ileum (n = 1). Der Durchmesser der Stenosen wurde von 7,2 (Range 1 – 14) mm auf 19,7
(Range 14 – 25) mm erweitert. 17 von 57 (29 %) Patienten wurden im Verlauf bei rezidivierender
Stenose operiert.
Die (post-)entzündlichen Stenosen bei Morbus Crohn bedürfen aufgrund der entzündlichen
Aktivität der Grunderkrankung einer gesonderten Betrachtung. Hier ergab ein systematischer
Review von 13 Studien mit 347 Crohn-Patienten einen technischen Dilatationserfolg
bei 86 % [1216]. Der klinische Langzeiterfolg, definiert als OP-freies Outcome innerhalb eines mittleren
Follow-up von 33 Monaten, lag nur bei 58 % und war in der multivariaten Analyse mit
einer Strikturlänge ≤ 4 cm assoziiert (OR 4,01, 95 % CI 1,16 – 13.8; p < 0,028). Keine
Assoziation fand sich zur Crohn-Aktivität, zum Ballondurchmesser oder zu einer Steroidinjektion
in die Stenose. Die Rate ernster Komplikationen lag bei 2 %. Eine aktuellere Analyse
von 93 Ballondilatation bei 55 Patienten mit Morbus Crohn ergab einen klinischen Langzeiterfolg
bei 76 % der Patienten im Follow-up von 44 Monaten (1 – 103) [1217]. Die Patienten, die im Verlauf eine Operation benötigten, wiesen neue Stenosen im
terminalen Ileum auf, die zudem signifikant länger waren als die endoskopisch erfolgreich
behandelten Strikturen (7,5 cm (1 – 25 cm) vs. 2,5 cm (1 – 25 cm); p = 0,006). Auch
in neueren Serien liegt die Relapserate der Crohn-Stenosen bei 46 – 74 % mit erneuter
Notwendigkeit zur endoskopischen Dilatation [1218]
[1219]
[1220]
[1221]. Ob eine simultane Steroidinjektion plus Ballondilatation die Rezidivstenoserate
senkt, kann anhand der vorliegenden Daten nicht abschließend beurteilt werden, 3 negativen
Studien [1216]
[1222]
[1223] steht eine kleine prospektiv-randomisierte Studie bei Kindern mit Vorteil für die
Ballondilatation mit Steroidinjektion in die Stenose bei Morbus Crohn gegenüber [1224].
Für postoperative Anastomosenstenosen konnten mehrere Fallserien mit 1 – 3 Dilatationssitzungen
eine gute klinische Effektivität der Ballondilatation nachweisen [1215]
[1225]
[1226].
Vergleichende Daten zum verwendeten Ballonsystem liegen kaum vor. Eine prospektive
Studie verglich randomisiert die Ballondilatation „through the Scope“ (TTS 18 mm)
mit der fluoroskopischen drahtgeführten Ballondilatation (OTW 35 mm) bei kolorektalen
Anastomosenstenosen über je 2 Minuten Inflationszeit. Angestrebt wurde eine Dilatation
auf mindestens 13 mm mit erfolgreicher Passage des Koloskops. Hier war die Erfolgsdauer
in der drahtgeführten Gruppe höher als in der „Through the scope“-Gruppe mit 560,8
(248,5) Tagen vs. 294,2 (149,3) Tagen (p = 0,016). Ursächlich ist hier aber weniger
die Ballontechnik als der unterschiedliche Durchmesser der Ballons zu diskutieren.
Komplikationen traten nicht auf. Eine ältere Arbeit evaluierte die Ballondilatation
versus Bougierung bei postoperativen Stenosen nach Rektumresektion mit einem Vorteil
für die Ballondilatation in der ersten Behandlungssitzung (76,9 versus 51,8 %) [1227]. Häufigste Komplikationen nach Ballondilatation im unteren GI-Trakt sind Blutung,
Infektion und Perforation in unter 2 % [1215]
[1216].
SEMS
Für den Einsatz von SEMS bei therapierefraktären benignen Stenosen im unteren GI-Trakt
liegen bisher nur limitierte Daten in Form einiger Fallserien vor. Eine Studie implantierte
25 SEMS (4 partiell gecovert, 21 voll gecovert) in Stenosen < 8 cm des Kolon und Ileums
bei Morbus Crohn. Die mittlere Stentliegedauer lag bei 28 Tagen (1 – 112 Tage), die
klinische Erfolgsrate betrug 64,7 % nach einem Follow-up von 60 Wochen [1228]. Allerdings war die Stentextraktion bei 4 Patienten deutlich erschwert und eine
proximale Stentmigration erforderte eine operative Entfernung. Eine andere Arbeit
implantierte 23 SEMS in 21 Patienten mit Anastomosenstenosen (n = 10), radiogener
Stenose (n = 1) und Divertikulitisstenosen (n = 10). Die klinische Erfolgsrate betrug
76 % bei einer Komplikationsrate von 43 % [1229]. 2 kleinere Fallserien an jeweils 3 und 7 Patienten mit Rektum- oder Kolonstenose
weisen auf die Möglichkeit zur Einlage eines biodegradierbaren Stents zur Stenosedilatation
hin [1230]
[1231]. Hier fehlen derzeit größere Studien und Langzeitergebnisse. Insgesamt aber limitieren
Stentmigration, Obstruktion und Impaktierung bislang den breitflächigen Einsatz von
Stents bei benignen Stenosen [1232]
[1233]. Die Einlage von voll gecoverten SEMS oder biodegradierbaren Stents bei benigenen
Stenosen im unteren GI-Trakt bleibt daher ausgewählten Einzelfällen vorbehalten.
Chirurgische Therapie
Bei rezidivierender oder therapierefraktärer narbiger Stenose nach mehrfacher endoskopischer
Dilatation sollte eine operative Therapie diskutiert werden. Bei Morbus Crohn ist
dies nach Optimierung der antiinflammatorischen Therapie bei technisch schwieriger
Erreichbarkeit der Stenose und langstreckigen Stenosen abzuwägen [1216]. Eine vergleichende Analyse zwischen endoskopischer Dilatation und operativer Revision
bei Anastomosenstenosen sowie einer gesunden Kontrollgruppe bzgl. der Lebensqualität,
in die gastrointestinale Symptome einflossen, zeigte die schlechtesten Werte in der
endoskopisch behandelten Gruppe (GIQLI-Scores, 104 ± 20, 119 ± 24, und 121 ± 16, p = 0,005)
[1234]. Die finale Entscheidung für eine operative Therapie der Stenose ist in Zusammenschau
der Häufigkeit der endoskopischen Dilatationen sowie der Klinik und dem Allgemeinzustand
des Patienten zu treffen.
4.7.2.6 Maligne Stenose des Kolons
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie einer malignen Stenose des Kolons kann in der Notfallsituation
(akute Obstruktion) die Implantation eines selbst expandierenden Metallstents („bridge
to surgery“) durchgeführt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
In der palliativen Situation kann bei Patienten mit hoher Komorbidität, geringer Lebenserwartung
und hohem operativen Risiko als Alternative zur chirurgischen Resektion oder zur Stuhldeviation
(Bypass, Stoma) eine Stentimplantation erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Therapie der Wahl des kolorektalen Karzinoms ist die chirurgische Resektion (Leitlinie
Kolorektales Karzinom der DGVS). Die Einlage eines SEMS wird im Notfall als Bridge
to Surgery diskutiert. Im Fall der tumorbedingten kolorektalen Stenose analysiert
eine Cochrane-Übersichtsarbeit fünf randomisierte Studien, die bei akuter maligner
kolorektaler Stenose einen notfälligen chirurgischen Eingriff mit einer vorübergehenden
Stentimplantation und dann elektiver Chirurgie verglichen – mit einer höheren klinischen
Erfolgsrate der Notfalloperation [1235]. Komplikationsrate, Morbidität und Mortalität waren in beiden Verfahren vergleichbar,
der Vorteil der Stentimplantation lag in einer kürzeren Aufenthaltsdauer, in einer
kürzeren Prozedur und einem geringeren Blutverlust. Eine weitere Metaanalyse von Tan
et al. aus dem Jahr 2012 findet dahingegen in vier randomisiert-kontrollierten Studien
zur gleichen Frage lediglich eine klinische Erfolgsrate der Stentimplantation von
69 % [1236]. Die Perforationsrate nach Stentimplantation betrug hierbei bis zu 14 %, zwei Studien
wurden aufgrund der Komplikationen bei Stentimplantation und eine Studie aufgrund
zu vieler Anastomoseninsuffizienzen in der Resektionsgruppe frühzeitig geschlossen.
Eine andere Metaanalyse aus dem Jahr 2012 [1237] unter Einschluss von 8 Studien und Fallserien zeigte für die Stentgruppe einen Vorteil
hinsichtlich der primären Anastomosenrate (RR, 1,62; 95 % CI 1,21 – 2,16, p = 0,001).
Eine Stentimplantation kann als Überbrückung bis zur chirurgischen Resektion („bridge
to surgery“) die Rate primärer Anastomosen erhöhen und die Rate von notwendigen Stomaanlagen
reduzieren [1236]
[1237]
[1238]. Obwohl die Kosten einer Stentimplantation im Vergleich zu einer notfälligen Operation
sicherlich niedriger sind [1239] lässt sich auf der Basis der derzeitigen Datenlage nicht abschließend ein Verfahren
favorisieren. Bei entsprechender Expertise kann – alternativ zur notfälligen Chirurgie
– zur Überbrückung der Zeit bis zur elektiven Resektion bei ausgewählten, zum Beispiel
komorbiden und mit hohem Operationsrisiko behafteten Patienten eine Stentimplantation
erfolgen [1236]
[1237]
[1238]
[1240]
[1241]
[1242]. Im Fall einer im Verlauf dann etwaigen palliativen Situation kann ein etablierter
Stent gegebenenfalls in situ verbleiben und die Anlage eines Stomas überflüssig machen
[1243].
Wenn ein Stent implantiert wird, sollte dieser mindestens 5 cm oberhalb der Anokutanlinie
platziert werden und der Patient kontinent sein [1244]. Vor Stentimplantation sollte keine Dilatation einer malignen Stenose erfolgen,
da dies das Perforationsrisiko um das 6fache erhöht. Zudem sollte bei malignen Stenosen
in der Regel ein nicht gecoverter Stent implantiert werden, um das Risiko einer Migration
zu reduzieren [1245]
[1246].
In der Palliativsituation kann eine Stentimplantation bei Patienten, die keine geeigneten
Kandidaten für eine chirurgische Resektion sind, mit einem klinischen Soforterfolg
von 90 – 93 % durchgeführt werden. Die Stentimplantation führt auch hier im Vergleich
zu einer palliativen Operation, zum Beispiel einer Stomaanlage, zu kürzeren Liegedauern,
damit verbunden niedrigeren Kosten und einem früheren Beginn einer Chemotherapie [1247]
[1248]
[1249]. Eine kleine prospektiv-randomisierte Studie an 22 Patienten zur Stenteinlage versus
Stomaanalge zeigte eine kürzere mittlere Krankenhausverweildauer für die Stentgruppe
(2,6 Tage vs. 8,1 Tage p < 0,05) bei vergleichbarem mittleren Überleben (297 Tage
vs. 280 Tage, n. s.) [1248]. Hauptkomplikationen der Stentimplantation in der Palliativsituation sind die Perforation,
Obstruktion und Migration, was in einer niederländischen Studie zum frühzeitigen Abbruch
geführt hat [1250]. In einer spanischen Fallserie traten Stentobstruktion in 17 % (n = 7), Stentmigration
in 22 % (n = 9) und Perforation in 7 % (n = 3) auf. Stentmigration und Perforation
waren überwiegend assoziiert mit einer vorangegangenen Chemotherapie und alle Patienten
mit Perforation verstarben [1251]. Auch in einer älteren Serie kam es in 2/31 Patienten nach kolonischer Stenteinlage
und nachfolgender Chemotherapie zu Perforation mit Notfallchirurgie [1249]. Langzeitauswertungen und größere vergleichende Daten zur palliativen Stenteinlage
und nachfolgend Chemotherapie fehlen bislang.
Daher kann die palliative Einlage eines SEMS derzeit für Patienten mit hoher Komorbidität,
erniedrigter Lebenserwartung und erhöhtem operativen Risiko eine Alternative darstellen.
Bei länger zu erwartendem Überleben des Patienten und gutem klinischem Performancestatus
sollte die chirurgische Therapie auch in der Palliativsituation präferiert werden.
4.7.2.7 Postoperative Leckage
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie einer postoperativen Leckage am oberen Gastrointestinaltrakt
kann die Einlage eines komplett gecoverten Stents oder eine endoskopische Vakuumtherapie
erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie einer postoperativen Leckage am unteren Gastrointestinaltrakt
kann die endoskopische Vakuumtherapie erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei geeigneten Leckagen (kleiner Durchmesser, keine infizierte Insuffizienzhöhle)
im oberen und unteren Gastrointestinaltrakt kann ein Verschluss mit Clipping-Devices
erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Therapie einer postoperativen Leckage nach Ösophagektomie oder Gastrektomie wurde
die Einlage von selbstexpandierenden Plastikstents in Einzelfallberichten beschrieben [1252]
[1253]
[1254]
[1255]
[1256]. Der Stent lag für eine Dauer von 7 – 242 Tagen mit einer Heilungsrate von 80 – 95 %.
Hauptkomplikation war eine Migrationsrate bis zu 23 %.
Mit der Verfügbarkeit von gecoverten Metallstents in verschiedenen Durchmessern und Längen ist im Vergleich zu den rigiden SPES eine
an die postoperative Anatomie besser angepasste Stentanlage möglich. Hier wurden in
Fallserien Heilungsraten von 78 – 100 % beschrieben [1257]
[1258]
[1259]
[1260]
[1261]. Die größte Fallserie von 115 Patienten mit Leckagen nach Ösophagogastrostomie,
Ösophagojejunostomie und Ösophagokolostomie beschreibt eine komplette Heilung nach
Einlage von voll gecoverten Metallstents in 70 % der Fälle; die elektive Stententfernung
erfolgte endoskopisch in 80 % der Fälle nach 54 d (17 – 427 d), in 3 % via Laparotomie.
Stentdislokation trat in 53 % auf (ösophagogastrische Anastomose: 49 %; ösophagojejunale
Anastomose: 61 %, ösophagokolonische Anastomose in allen Fällen). Eine Anastomosenstenose
bildete sich in 12 % aus, die Mortalität betrug 9 % [1262]. Für die Einlage eines voll gecoverten Metallstents bei Anastomosenleckage nach
bariatrischer Chirurgie liegt eine Metaanalyse von 7 Studien (67 Patienten) vor [1263]. Die Leckageverschlussrate lag bei 87,77 % (95 % CI 79,39 – 94,19 %), die Rate erfolgreicher
endoskopischer Stententfernungen bei 91,57 % (95 % CI 84,22 – 96,77 %). Eine Stentmigration
trat in 16,94 % (95 % CI 9,32 – 26,27 %) auf.
Alternativ ist bei Leckagen im oberen Gastrointestinaltrakt eine endoskopische Vakuumtherapie mit Einlage eines Schwamms in die Leckage oder endoluminal auf Höhe der Leckage möglich. Das Prinzip ist die
Absaugung von Wundsekret, die Verbesserung der Durchblutung und die Erzeugung von
Granulationsgewebe. Der Schwamm wird dazu an einen kontinuierlichen Unterdruck über
eine Vakuumpumpe angeschlossen, ein regelmäßiger Schwammwechsel kann bis zu 2 – 3 ×/Woche
erforderlich sein. Nachdem die ersten Fallserien mit selbst hergestellten Sonden-Schwamm-Kombinationen
durchgeführt wurden, steht neuerdings auch ein kommerziell erhältliches und für die
Therapie von ösophagealen Leckagen zugelassenes System zur Verfügung, das mit dem
Overtube-Prinzip arbeitet (Eso-Sponge®, Braun Melsungen AG). In einem systematischen Review von 7 Studien [1264] erzielte die endoskopische Vakuumtherapie bei 76 von 84 Patienten (90 %) mit einer
Leckage im oberen Gastrointestinaltrakt eine erfolgreiche Ausheilung, wobei keine
mit der endoskopischen Vakuumtherapie assoziierten Komplikationen auftraten.
Die Therapieentscheidung Stent vs. endoskopische Vakuumtherapie kann aufgrund der eingeschränkten Datenlage für die Vakuumtherapie noch nicht endgültig
beantwortet werden. Zwei retrospektive Studien verglichen die Stenttherapie mit der
endoskopischen Vakuumtherapie bei ösophagealen Leckagen. Schniewind et al. [1265] untersuchte 62 Patienten mit Anastomosenleckagen nach Ösophagusresektion. Nach Matching
der APACHE-Scores zu Beginn der Komplikationstherapie hatte die Gruppe mit endoskopischer
Vakuumtherapie eine signifikant niedrigere Mortalität (12 %) im Vergleich zu chirurgisch
therapierten (50 %) und mittels Stent therapierten (83 %) Patienten. Brangewitz et
al. [1266] verglichen 39 Patienten, die einen Stent erhielten, mit 32 Patienten, die mit endoskopischer
Vakuumtherapie behandelt wurden. Die Heilungsrate der Leckagen war nach endoskopischer
Vakuumtherapie signifikant höher (84 vs. 54 %). Anders als in der Studie von Schniewind
et al. [1265] war die Mortalität aber nicht unterschiedlich. Obwohl beide retrospektiven Studien
einen Vorteil für die endoskopische Vakuumtherapie sehen, sind die Vergleiche mit
Vorsicht zu betrachten. Die in diesen Studien berichteten Daten für die Stenttherapie
(83 % Mortalität, bzw. 54 % Heilungsrate) sind weit schlechter als die oben genannten
Ergebnisse in großen Serien zur Stenttherapie. Insofern sind weitere vergleichende
Studien, insbesondere randomisierte Studien, notwendig, um die vielversprechenden
ersten Ergebnisse der Vakuumtherapie zu bestätigen und mit der langjährig etablierten
Stenttherapie zu vergleichen.
Für postoperative Leckagen im unteren Gastrointestinaltrakt ist die endoskopische
Vakuumtherapie bereits seit Jahren fest etabliert. Hier liegen Erfolgsraten zwischen
56 und 97 % vor. Die Schwammtherapie war für 21,5 – 34,4 Tage, mit 5,7 – 13 Schwammwechsel
[1267]
[1268]
[1269]
[1270]. Die Stenttherapie spielt bei postoperativen Leckagen im unteren Gastrointestinaltrakt
keine Rolle.
Der endoskopische Verschluss von Leckagen und Fisteln mit Clips war lange nur Einzelfallberichten
vorbehalten; technisch scheiterte der Verschluss meist an der kleinen Spannbreite
und der geringen Kompressionskraft der Through-the-Scope Clips (TTSC). Mit der Verfügbarkeit
der Vollwandverschluss-Clips (OTSC®; Ovesco Endoscopy AG, Tübingen) wurden diese Beschränkungen überwunden. Die auf eine
Plastikkappe geladenen Clips werden, ähnlich einer Gummibandligatur, nach Einsaugen
oder Hereinziehen der Läsion in die Kappe über den Zug an einem Faden abgesetzt. Durch
ihre hohe Spannbreite und Kompressionskraft sind auch sichere Vollwandverschlüsse,
auch nach natural-orifice-transluminal-surgery (NOTES)-Zugängen, möglich. Voraussetzungen
für die Anwendung eines Vollwandverschluss-Clips bei postoperativen Leckagen sind
dabei: Erreichbarkeit mit dem kappenarmierten Endoskop, Leckage klein genug, um mit
einem Vollwandverschlussclip gefasst zu werden, ausreichend vitale und tragfähige
Ränder und Ausschluss einer hinter der Leckage gelegenen Höhle, die nach Verschluss
nicht ausreichend drainiert wäre. In einem systematischen Review [1271] erzielte der Vollwandverschluss-Clip bei Leckagen im Gastrointestinaltrakt eine
Gesamterfolgsrate von 220/301 (73 %), wobei die Raten am oberen (135/186, 73 %) und
unteren (73/94, 78 %) Gastrointestinaltrakt nicht signifikant unterschiedlich waren.
Bei alleiniger Betrachtung postoperativer Leckagen lag die Erfolgsrate bei 81/120
(68 %).
4.7.3 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Zum Abschluss jeder interventionellen Stenosetherapie soll eine endoskopische Kontrolle
erfolgen, um akute Blutungen oder Perforationen auszuschließen.
Starker Konsens
Empfehlung
Wegen der noch zweizeitig möglichen Perforation kann in Abhängigkeit vom Risikoprofil
eine Überwachung unter stationären Bedingungen erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Wegen des Perforationsrisikos nach Bougierung und Ballondilatation und zur Beurteilung
einer ggf. auftretenden Blutungskomplikation ist eine abschließende Beurteilung nach
Bougierung oder Ballondilatation unumgänglich. Blutungskomplikationen treten eher
selten auf, Perforationen wurden in bis zu 3 % beschrieben [1271]
[1272]
[1273]
[1274]
[1275]. Ob eine stationäre Überwachung über 24 h erforderlich ist, richtet sich nach der
Komplexität der Stenose und dem Risikoprofil des Patienten. Rezidivierende Dilatationsbehandlungen
bei chronischen Stenosen können bei unkomplizierter Intervention auch ambulant durchgeführt
werden.
Die enterale endoskopische Einlage eines selbstexpandierenden Metallstents birgt je
nach Lokalisation und Art der Stenose (benigne/maligne) ein Risiko für Schmerzen,
Perforation sowie Stentdislokation und seltener Blutungskomplikationen [1147]. Die Daten zu Komplikationen wurden bereits detailliert unter den entsprechenden
Indikationen aufgeführt (s. o.). Hier kann eine stationäre Überwachung sinnvoll sein.
4.8 Endoskopisch-retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP)
Einleitung: Seit der ersten endoskopisch-retrograden Cholangiopankreatikografie (ERCP)
durch McCune und Kollegen (McCune, 1968) und der ersten Sphinkterotomie (Kawai, 1974;
Classen, 1974) hat sich diese endoskopische Technik von der zunächst diagnostischen
Anwendung zu einer mittlerweile fast ausschließlich therapeutisch genutzten Intervention
weiterentwickelt. Die derzeit anerkannten Indikationen sind in [Tab. 47] zusammengestellt [1276]
[1277].
Tab. 47
Indikation.
biliär therapeutisch
|
Choledocholithiasis
|
benigne Gallengangsstenosen (z. B. postoperativ, narbig; dominante Striktur bei PSC
etc.)
|
Gallengangsleckage
|
maligne Gallengangsstenosen (Cholangio-Ca, Pankreaskarzinom, Kompression durch Lymphome
oder Metastasen)
|
Papillentumor (i. R. der Papillektomie)
|
biliär diagnostisch
|
erweiterte Gallengangsdiagnostik (Cholangioskopie, Intraduktale Sonografie, Biopsie/Zytologie)
|
Small duct disease, bzw. klinisch dringender V. a. primär-sklerosierende Cholangitis
(PSC) und nicht wegweisende Magnetresonanzcholangiopankreatikografie (MRCP)
|
Sphinkter Oddi-Dysfunktion (SO-Manometrie)
|
Pankreas therapeutisch
|
chronische Pankreatitis (Steine, Stenosen)
|
Pankreasgangruptur
|
transpapilläre Pseudozystendrainage
|
4.8.1 Spezielle Kontraindikationen
-
Therapie mit dualer Plättchenaggregationshemmung (in Abhängigkeit vom Risiko und der
Dringlichkeit der geplanten Intervention).
-
(Siehe Kapitel 3.2.2: Blutungsrisiko endoskopischer Eingriffen und Kapitel 3.2.4:
Empfehlungen zur Einnahme von gerinnungshemmender Medikation in Abhängigkeit vom Risikoprofil
bestimmter endoskopischer Eingriffe.)
-
Nicht passierbare Stenose im Magenausgangsbereich.
4.8.2 Spezielle Vorbereitung
Lagerung während der ERCP
Empfehlung
Die ERCP sollte bei nicht intubierten Patienten in Bauchlage (oder alternativ in Linksseitenlage)
ausgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Studiensituation zur Patientenposition ist uneinheitlich. Eine prospektive Untersuchung
[1278] ergab signifikante Vorteile bezüglich Erfolgsrate und notwendigen Kanülierungsversuchen
für die Bauchlage; zudem war die Rate kardiorespiratorischer Probleme in Rückenlage
höher (41 vs. 6 %, p = 0,039). Eine weitere Studie [1279] ergab keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Patientenlagerungen. Eine
große retrospektive Serie zeigte Vorteile für die Bauchlage bezüglich der technischen
Schwierigkeitsgrade [1280]. Bei Durchführung der Untersuchung in Intubationsnarkose ist die Rückenlage übliche
Praxis, wobei eine Umlagerung in Bauch- oder Linksseitenlage hilfreich sein kann.
Für die korrekte anatomische Darstellung der intrahepatischen Gallenwege ist eine
Positionierung in Bauch oder Rückenlage hilfreich, ebenso für die klare Zuordnung
des Pankreasgangs bei Drahtkanülierung. In Seitenlage kann es zu einer überlagerten
Darstellung der intrahepatischen Gallengänge kommen.
Empfehlung
Die ERCP soll unter sterilen Ausgangsbedingungen für den Instrumentierungstisch erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die ERCP unter sterilen Ausgangsbedingungen durchzuführen, dient der Infektionsprophylaxe
des Patienten durch Schutz vor Übertragung von Fremdkeimen. Dies umfasst die Vorbereitung
der Instrumente auf einem steril abgedeckten Tisch und die Verwendung von sterilen
Handschuhen für Untersucher und Assistenz. Für die Aufbereitung der verwendeten Endoskope
gilt die RKI-Richtlinie. Klinische Studien zur Frage von sterilen versus keimarmen
Ausgangsbedingungen in der ERCP liegen nicht vor. Basis zur Keimreduktion und Infektionsprophylaxe
bleibt die Einhaltung der Standards für Händedesinfektion und Händehygiene [1281]. Ein Argument für das Tragen von zumindest sterilen Handschuhen ist die Tatsache,
dass unsterile Handschuhe nach der Produktion keiner Maßnahme zur Keimreduktion (z. B.
Bestrahlung) unterzogen werden. Zudem bestehen die im unsterilen Bereich verwendeten
Handschuhe meist aus PVC. Diese weisen eine hohe Perforationsquote mit einer Fehlerlokalisation
im Bereich der Fingerkuppen von bis zu 42 % nach dem Tragen auf, am ehesten infolge
der geringen Materialstärke. Diese orientiert sich am Ende der amerikanischen Norm
mit einer Mindestmaterialstärke im Bereich der Fingerkuppen gem. ASTM 5151 von 5/100 mm.
Wegen der besseren Trageeigenschaften, Griffigkeit und der höheren mechanischen Belastbarkeit
empfiehlt die AWMF-Leitlinie im OP-Bereich den Einsatz puderfreier OP-Handschuhe aus
Naturlatex oder alternativ Nitrillatex [1281].
CO2-Insufflation
Empfehlung
Die Verwendung von CO2 in der ERCP kann postinterventionelle Schmerzen und die abdominelle
Distension reduzieren.
Starker Konsens
Empfehlung
Die perorale Cholangioskopie soll wegen des Risikos einer Luftembolie obligat unter
CO2-Insufflation oder Wasserspülung durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine aktuelle Metaanalyse zum Einsatz der CO2-Insufflation im Vergleich zur Standardinsufflation
von Raumluft bei der ERCP analysierte die Daten von 7 randomisiert-kontrollierten
Studien mit insgesamt 818 Patienten [1282]. Die Analyse ergab eine signifikante Verminderung der abdominellen Distension und
der abdominellen Schmerzen 1 Stunde post-ERCP, sowie eine tendenzielle Verminderung
der beiden Parameter bis zu 24 Stunden nach der Intervention. Die Rate von Komplikationen
(kardiorespiratorisch), der Zeitbedarf für die ERCP und die Kosten der Gesamtprozedur
war nicht unterschiedlich.
Bei der direkten peroralen Cholangioskopie mit Luft kann wahrscheinlich aufgrund des
größeren Gerätedurchmessers ein erhöhter Druck in den Gallenwegen entstehen, hier
wurden fatale Luftembolien beschrieben [1283]
[1284]. Deshalb sollte bei dieser Technik die Verwendung von CO2-Insufflation oder Wasserspülung
obligat sein.
Empfehlung
Die gesetzlichen Regelungen des Strahlenschutzes sollen sowohl für die Patienten als
auch für das Personal strikt eingehalten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Reduktion der Strahlendosis sollen technische Hilfsmittel möglichst optimal genutzt
werden.
Durch gepulste statt kontinuierliche Strahlung (niedrigste mögliche Pulsrate), Einblendung
auf das Gebiet des Interesses, möglichst wenige Aufnahmen (Nutzung der sogenannten
„Last image hold-Funktion“, bei der das Durchleuchtungsbild gespeichert wird) kann
eine erhebliche Reduktion der Strahlendosis erreicht werden [1285]. Strahlenschutz der Patienten durch Abdeckung, des Personals durch geeignete Bleiglasabdeckungen,
Tragen persönlicher Schutzkleidung (Schürzen/Mäntel; Schilddrüsenschutz, ggf. Schutzbrille)
ist geeignet die Strahlenbelastung zu reduzieren. Die mittlere Hauteintrittsdosis
(ESD) während der ERCP liegt zwischen 55 und 347 mGy in den meisten Studien; wobei
die Werte bei therapeutischer ERCP circa drei Mal höher liegen als bei der diagnostischen
ERCP. Die mittleren Werte des kerma-area product (KAP) für die diagnostische und therapeutische
ERCP liegen im Bereich von 3 – 115 Gy∙cm² und 8 – 333 Gy∙cm² [1285].
Es sollte grundsätzlich keine diagnostische ERCP bei Schwangeren durchgeführt werden,
sondern alternative Techniken (transkutane Sonografie, MRCP, Endosonografie) genutzt
werden. Ist eine therapeutische ERCP erforderlich, sollte diese bei elektiven Situationen
möglichst im 2. Trimenon erfolgen, da die Strahlenbelastung des Fetus im ersten Trimenon
besonders hoch und sich das Kind im dritten Trimenon bereits sehr nahe am biliopankreatischen
System und damit im Strahlenfeld befindet. Die Untersuchung sollte bei Schwangeren
nur durch erfahrene Untersucher erfolgen, um die Untersuchungszeit und die Strahlenbelastung
möglichst niedrig zu halten und die Risiken der Untersuchungen zu minimieren [1285]
[1286].
(Siehe auch Kapitel Kap. 4.16 Endoskopie in der Schwangerschaft).
Empfehlung
Die ERCP soll in Sedierung durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Durchführung der ERCP unter Sedierung ist allgemeiner Standard. Zur ERCP ohne
Sedierung liegen keine vergleichenden Untersuchungen oder größere Fallserien vor.
Für die Sedierung gelten die Anforderungen der gültigen S3-Leitlinie zur Sedierung
in der Endoskopie. Interventionelle ERCPs bei eingeschränkten Patienten (mind. ASA
3) sollten nach der überarbeiteten S3-LL mit Anästhesie bzw. ggf. in Intubationsnarkose
erfolgen (Verweis aktuelle Sedierungs-LL)
4.8.3 Durchführung
Empfehlung
Für die Standard-ERCP sollen Duodenoskope mit Seitblickoptik verwendet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Duodendoskope sind als diagnostische und therapeutische Endoskope mit variablem Durchmesser
(7,5 – 12,1 mm) und Arbeitskanal (2,0 – 4,8 mm) verfügbar. Eine Firma bietet den Elevator/Alberan
Hebel mit V-förmiger Kerbe zur besseren Fixation von Führungsdrähten an [1287]. Vergleichende Studien zwischen verschiedenen Gerätetypen oder Herstellern liegen
aber nicht vor.
4.8.3.1 Medikamentöse Komplikationsprophylaxe
Zu Antibiotikaprophylaxe siehe Kapitel 3.3.
Empfehlung
Zur medikamentösen Prophylaxe einer Post-ERCP-Pankreatitis (PEP) soll 100 mg Diclofenac
oder 100 mg Indomethacin rektal als Suppositorium vor oder unmittelbar nach der ERCP
appliziert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur medikamentösen Prophylaxe einer PEP ist bisher nur die rektale Gabe von Diclofenac
oder Indomethacin in mehreren vergleichenden Studien evidenzbasiert [1288]
[1289]
[1290]
[1291]
. Die rektale Applikation von 100 mg Diclofenac oder Indomethacin unmittelbar vor oder
nach der ERCP mit Papillotomie reduzierte die Inzidenz der PEP signifikant und soll
daher standardgemäß angewandt werden, dies ist auch bereits in der europäischen Leitlinie
zur Prophylaxe der PEP verankert [1292]. In der kürzlich aktualisierten Version der gleichen Leitlinie [1293] wird auf der Basis neuer Daten aus aktuellen Metaanalysen von prospektiv-randomisierten
Studien [1294]
[1295]
[1296]
[1297]
[1298]
[1299] die routinemäßige Anwendung der o. g. NSAR bei allen ERCP von Patienten ohne Kontraindikationen
dringend empfohlen. Die „numbers needed to treat“ (NNT) liegt dabei zwischen 11 und
20.
4.8.3.2 Prozedurenabhängige Komplikationsprophylaxe
Einführung: Als definitive Risikofaktoren für eine PEP wurden unter anderem patientenabhängig
der V. a. Sphinkter Oddi-Dysfunktion, weibliches Geschlecht und eine vorangegangene
Pankreatitis ermittelt. Prozedurabhängig wurden die Precut-Sphinkterotomy und die
Injektion von Kontrastmittel in den Pankreasgang als Riskikofaktoren ermittelt [1300]
. Daneben konnte u. a. ein jüngeres Patientenalter, das Fehlen einer chronischen Pankreatitis
oder einer Gallengangdilatation, eine hohe Zahl von Kanülierungsversuchen an der Papille,
die Ballondilatation des Gallangangsphinkters mit Ballons bis zu 10 mm und die Pankreas-EPT
als relative Risikofaktoren identifiziert werden [1293]
[1301]
.
Empfehlung
Die Kanülierung des Gallen- und Pankreasganges bei nicht papillotomierten Patienten
sollte primär mit Führungsdraht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die drahtgeführte Kanülierungstechnik ist zur Prophylaxe der PEP gut belegt und sollte
daher der Standard sein [1302]. Auch wenn eine aktuelle monozentrische Studie und eine Metaanalyse aus dem Jahr
2009 keinen Vorteil für die drahtgeführte Kanülierungstechnik zeigte [1303]
[1304], stehen diesen Daten zwei aktuelle Metaanalysen entgegen. Die Verwendung eines Führungsdrahts
reduzierte im Vergleich zur primären kontrastmittelgeführten Intubation signifikant
das PEP-Risiko und erhöhte zudem die Chance der primären Intubation (89 vs. 78 %,
RR 1,19, 95 % CI 1,05 – 1,35) [1302]. Dies wird in einer weiteren aktuellen Cochrane-Metaanalyse [1305] erneut bestätigt (2,7 vs. 6,8 %; RR 0,.37, 95 % CI 0,18 – 0,76; I2 54 %; NNT: 26,
95 % CI 16 – 74).
Empfehlung
Die Kontrastmittelfüllung des Pankreasganges sollte bei geplanten Interventionen am
Gallengang vermieden werden.
Starker Konsens
Kommentar
Studien zeigen, dass mit der Anzahl der Kanülierungsversuche und der Anzahl und Ausmaß
der Kontrastmittelapplikation in den Pankreasgang die Rate der Post-ERCP-Pankreatitis
(PEP) ansteigt. Eine prospektive Serie [1306] belegte z. B., dass bei einmaliger KM-Injektion das PEP-Risiko bei 2,2 %, bei zweimaligem
Anfärben bei 4,1 %, bei vierfacher KM-Instillation sogar bei 11,8 % liegt (RR 1,39
[2]
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[1276]
[1363]). Eine Vollfüllung des Pankreasganges vervielfacht das PEP-Risiko signifikant (RR
3,46 [1276]
[1311]). In anderen Metaanalysen konnte die Pankreasganginjektion von Kontrastmittel als
signifikanter Risikofaktor für die PEP ermittelt werden [1300]
[1307].
Empfehlung
Bei erhöhtem Risiko für eine PEP sollte zusätzlich zur NSAR-Prophylaxe die passagere
Einlage eines Pankreasgangstents in Erwägung gezogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bezüglich der Einlage eines prophylaktischen Pankreasgangstents bei erhöhtem Risiko
für PEP zeigte eine Metaanalyse von 8 RCTs eine signifikante Reduktion der PEP durch
das prophylaktische Pankreasgangstenting mit einer NNT von 8 [1308]. Der protektive Effekt der Pankreasgangprothese konnte auch in weiteren aktuellen
Metaanalysen [1309]
[1310] bestätigt werden. Diese Technik führte bei Patienten mit hohem wie mittleren Risiko
zu einer statistisch signifikanten Reduktion der PEP (RR 0,32, 95 % CI 0,19 – 0,52,
p < 0,001) [1309].
Die Subgruppenanalyse der Studien von Elmunzer et al. [1299] zur PEP-Prophylaxe mittels Indomethacin ergab bei einer Stratifizierung der Patienten
nach zusätzlichem Pankreasgangstent vs. kein Stent keinen additiven Effekt über die
NSAR-Gabe hinaus an [1299]. Dies bestätigt auch eine andere Analyse [1311].
Die Implantation einer Pankreasgangprothese zur PEP-Prophylaxe soll bei Risikokonstellationen
wie langwierigen Papillenkanülierungen, Precut-Sphinkterotomie, Kanülierung des Gallenganges
über einen einliegenden Draht im Pankreasgang und Ballondilatation des Gallenganges
mit kleinkalibrigen Ballons erwogen werden [1292]. Zu beachten ist die Verwendung kleinlumiger Pankreasstents und die frühzeitige
Entfernung des Pankreasgangstents nach 3 – 5 Tagen um Pankreasgangschäden zu vermeiden
[1292]
[1312]
[1313]. Der Pankreasstent sollte aber mindestens (!) 12 – 24 Stunden in situ bleiben [1293]. Neue Daten zeigen, dass 5 French-Plastikstents effektiver sind als 3 French-Stents
und sollten daher präferiert werden [1314].
Ein erhöhtes Risiko durch die Implantation eines Pankreasstents konnte in einer Metaanalyse
[1309] nicht nachgewiesen werden.
Empfehlung
Ist eine primäre Intubation mit dem Katheter/Draht nicht möglich, sollte je nach Dringlichkeit
der Intervention die ERCP-Sitzung beendet und in den Folgetagen wiederholt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Mit der Länge der Untersuchungsdauer und der Zahl der Manipulationen am Papillenorificium
steigt signifikant die PEP-Rate [1315]. Zur Reduktion des Post-ERCP-Pankreatitisrisikos sollte daher die Dauer der Manipulation
an der nativen Papille und die Zahl der Kanülierungsversuche begrenzt werden. In Studien
wurde dazu ein Zeitlimit von etwa 9 – 15 min. gesetzt, wobei diese Grenze arbiträr
ist.
Mit der Zahl der Kanülierungsversuche steigt signifikant das PEP-Risiko. So konnte
in der Studie von Bailey et al. [1315] belegt werden, dass bei 10 – 14 Versuchen der Papillenkanülierung das relative Risiko
um 4,4fach erhöht (OR Z 4,4, P Z 0,031)ist, bei mehr als 15 Versuchen sogar um 9,4fach
erhöht ist (P Z 0,013). (multivariat; prospektiv). Diese Daten werden von einer aktuellen
Studie bestätigt [1303], bei der das PEP-Risiko bei mehr als 10 Kanülierungsversuchen auf 21,9, bzw. 19,6 %
(Standardkanülierung, bzw. drahtgeführte Kanülierung) stieg.
Bei Wiederholung der Untersuchung am Folgetag gelingt die Intubation in den meisten
Fällen sogar durch den gleichen Untersucher [1316]. Bei Verlegung in ein tertiäres Zentrum nach erfolglosem externem Intubationsversuch
lag die Erfolgsquote für die ERCP bei 100 % [1316].
Empfehlung
Alternativ kann durch einen Vorschnitt („precut“) die Erfolgsrate der Intubation erhöht
werden. Dazu können verschiedene technische Varianten angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Durch die Precut-Papillotomie kann die Erfolgsrate der tiefen Gallengangsintubation
auf Kanülierungsraten von etwa 90 % erhöht werden. Im Rahmen von randomisiert-kontrollierten
Studien zum frühen Einsatz der Precut-Technik verglichen mit der fortgesetzten Kanülierung
zeigten zwei Metaanalysen allerdings keinen signifikanten Unterschied für die Kanülierungsrate
und die Gesamtkomplikationen, wohl aber eine geringere Post-ERCP-Pankreatitisrate
bei Anwendung der frühen Precut-Technik [1317]
[1318].
Es gibt verschiedene technische Varianten und Instrumente zur Precut-Papillotomie.
Die Verwendung eines Nadelmessers oder eines Drahtzug-Papillotoms (z. B. Typ Erlangen),
wobei sich letzteres weltweit nicht durchgesetzt hat [1319]. Eine retrospektive Analyse der beiden Techniken ergab keinen signifikanten Unterschied
hinsichtlich der Komplikationsrate (6,4 vs. 7,8 %) [1320].
Beim Einsatz des Nadelmessers, das in der klinischen Praxis die größte Verbreitung
hat wird die klassische Nadelmesser-Papillotomie (vom Pylorus zum Papillendach) und
die klassische Fistulotomie des Papillendachs (nach oben oder unten/suprapapapilläre
Fistolotomie) beschrieben. Die suprapapilläre Fistulotomie scheint die geringste Pankreatitisrate
aufzuweisen, da das Pankreasgangorificium nicht betroffen ist [1321]. Bei der suprapapillären Fistulotomie wird allerdings eine kleinere maximal Öffnung
erreicht als bei der klassischen Technik. Eine technische Variante zum Precut ist
die Papillotomie über den Pankreasgangsphinkter um in den Gallengang zu gelangen.
Dazu wurden in mehreren Serien von erfahrenen Untersuchern hohe Erfolgsraten [1322]
[1323]
[1324]
[1325]
[1326] publiziert.
Eine weitere Variante ist, bei fehlgeschlagenem Zugang zum Gallengang und primärer
Intubation des Pankreasganges, die primäre Implantation eines Pankreasgangstents oder
das Belassen eines Führungsdrahtes im Pankreasgang und die anschließende drahtgeführte
Intubation des Gallengangs [1327]
[1328]
[1329]
[1330]
[1331]
[1332].
Da es sich hier überwiegend um Fallserien und nur wenige vergleichende Studien mit
unterschiedlichem Studiendesign handelt, ist eine vergleichende Aussage zu Erfolgs-
und Komplikationsrate der jeweiligen Techniken schwierig. Anhand der vorliegenden
Daten scheint der Precut nach Einlage eines Pankreasgangstents mit einer geringeren
Rate an Post-ERCP-Pankreatitis einherzugehen [1330]
[1332].
Empfehlung
Ein Precut sollte durch einen erfahrenen Untersucher oder unter Anleitung durch einen
erfahrenen Untersucher erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Mehrere Metaanalysen und große Studien belegten für die Precut-Papillotomie ein erhöhtes
Risiko für PEP, Blutung und Perforation [1307]
[1333]. Eine ältere Metaanalyse [1300] berechnete das relative Risiko der Precut EST auf 2,71 (95 % CI 2,02 – 3,63, p < 0,001).
Aktuell wird diskutiert, ob die erhöhte Komplikationsrate nicht der Precut-Papillotomie
als solche, sondern eher dem Zeitpunkt und der Indikation des Precuts geschuldet ist.
Diesbezüglich zeigen zwei aktuelle Metaanalysen [1317]
[1318], dass eine frühe Entscheidung zum Precut im Vergleich zu einer langen Manipulationsdauer
mit multiplen Kanülierungsversuchen die Erfolgsrate erhöht, das Risiko der PEP sogar
senkt, aber nicht das Gesamtkomplikationsrisiko reduziert.
Evidenzen für die Durchführung eines Precuts nur durch sehr erfahrene Untersucher
liegen nicht vor, dies ist aber geübte klinische Praxis [1334]
[1335]. Im ERCP-Curriculum wird explizit darauf hingewiesen, dass diese Prozedur „potenziell
gefährlich in unerfahrenen Händen“ ist und dass eine „erhebliche Expertise erforderlich“
ist, bevor der Weiterzubildende versuchen sollte, diese Technik zu erlernen [1336].
Studien, bei denen der Precut ausschließlich durch erfahrene Untersucher oder Untersucher
unter Anleitung eines erfahrenen Endoskopikers erfolgten, konnten keinen Unterschied
bezüglich den Komplikationen zwischen den ersten 20, bzw. 50 % und den letzten 50,
bzw. 25 % der Papillotomien nachweisen [1337]
[1338].
4.8.3.3 Alternative Zugänge
Empfehlung
Ist der Zugang zu den Gallenwegen mit dem Duodenoskop auf dem oralen Weg wegen geänderter
anatomischer Situationen nach Voroperationen nicht erreichbar, sollte ein Versuch
mit einem langen Endoskop oder Ballonenteroskop erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Seit Einführung des Doppelballonenteroskops 2001 hat sich der Zugang zu den Gallenwegen
bei postoperativ veränderter anatomischer Situation (Billroth-II-Gastrojejunostomie,
Roux-Y-Gastrojejunostomie, Lebertransplantation mit Roux-Y-Hepaticojejunostomie, Bariatrische
OP mit Roux-Y-Jejunojejunostomie) unter Verwendung eines Single- oder Doppelballonenteroskops
zunehmend etabliert. Interventionen an der Papille, der bilidigestiven Anastomose
bzw. dem pankreaticobiliären System erfolgen mit speziellen langen B-II Papillotomen,
Steinentfernungskörben, Führungsdrähten mit einer mindestens 480 cm Länge, langen
Ballonsystemen zur druckgesteuerten Dilatation sowie drahtgeführten Dilatatoren und
biliären 5 – 7 F Kunststoffstents [1339].
Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2008 schloss 16 bis zu diesem Zeitpunkt publizierte
Serien bei 63 Patienten zur Verwendung eines Doppel- oder Singleballonsystems zur
ERCP nach Voroperationen ein [1340]. Hier wurde eine Diagnose bei 83 % der Patienten gestellt. Therapeutische Interventionen
wie Ballondilatation der Papille, Steinextraktion, Stenteinlage oder Pankreasganginterventionen
gelangen bei 35 von 63 Patienten. Schwerwiegende Komplikationen traten nicht auf.
In einer großen aktuellen Single Center Serie von 180 Enteroskopie-ERCPs bei 129 Patienten
wurde die Papille oder die biliodigestive Anastomose bei 71 % erreicht. Davon gelang
in 88 % eine erfolgreiche ERCP [1341]. Gründe für das Scheitern der ERCP waren Nichterreichen der Papille oder der BDA
(n = 23), erfolglose Kanülierung (n = 11), starke Angulierung der zuführenden Schlinge
(n = 8) und Nichtidentifikation der Jejunojejunostomie (n = 6). Im klinischen Follow-up
über 6 Monate waren 51 wiederholte Enteroskopie-ERCPs erforderlich. Komplikationen
wurden in 12,4 % beschrieben, diese waren Pankreatitis (n = 5), Blutung (n = 1) abdominelle
Schmerzen (n = 4) Halsschmerzen (n = 4), Perforationen (n = 2) und ein letaler Schlaganfall
bei Luftembolie (n = 1). Die Analyse ergab keinen Vorteil hinsichtlich der Effizienz
für eine bestimmten anatomische Situation oder die Verwendung eines Enteroskoptyps.
Eine kleinere retrospektiv vergleichende Studie zwischen Doppelballon und Singleballon
konnte ebenfalls keinen Unterschied hinsichtlich Erfolgsrate oder Komplikationen nachweisen
[1342]. Einzelne Serien berichten auch über die erfolgreiche Anwendung der Spiralenteroskopie
für diese Indikation [1343]. Zum praktischen Vorgehen ist anzumerken, dass bei maligner Indikation mit der Notwendigkeit
zu rezidivierenden Eingriffen und ggf. Stentwechseln aufgrund des erhöhten Aufwandes
der Untersuchung die Alternative einer PTCD überdacht werden sollte. Es können nur
Kunsstoffstents unter einem Durchmesser unter 10 French verwendet werden. Selbst expandierende
Metallstents mit einer für ein Ballonenteroskop erforderlichen Länge des Einführsystems
liegen bisher nicht vor.
Empfehlung
Bei Versagen des transpapillären Zuganges zu den Gallenwegen kann ein Rendezvous mittels
PTC durchgeführt werden (siehe Kapitel 4.12: PTCD).
Starker Konsens
Empfehlung
Als weitere Alternative kann der Zugang zu Gallenwegen oder dem Pankreasgang bei gegebener
Indikation mittels Rendezvous über einen endosonografischen Zugang erreicht werden
(siehe Kapitel: 4.11.3 EUS gestützte Gallengangs- und Pankreasdrainage).
Starker Konsens
Kommentar
Das Risiko des kombinierten perkutanen/endoskopischen Zuganges ist höher als das des
direkten transpapillären Zugangs. Dies begründet sich primär durch die höhere Komplikationsrate
der PTC.
Der endosonografische Rendezvouszugang zu den Gallenwegen oder dem Pankreasgang wurde
bisher in Fallserien beschrieben. Eine aktuelle retrospektive Studie vergleicht erstmals
die EUS-gesteuerte Rendezvoustechnik bei einem selektionierten Patientengut mit distaler
Gallengangsobstruktion mit einem historischen Precut-Kontrollkollektiv für den Zugang
zu den Gallenwegen. Die Erfolgsrate für das EUS-Rendezvous lag mit 98,3 vs. 90,3 %
(p = 0,03) über der Precut-Gruppe ohne Unterschiede hinsichtlich der Komplikationsrate
(3,4 vs. 6,9 %, p = 0,27) [1344].
4.8.3.4 Papillotomie
Empfehlung
Standard zur Papillotomie sollte der Einsatz eines führungsdrahtgeführten Papillomiekatheters
sein.
Starker Konsens
Kommentar
Technische Variante ist ein teilweise durch Isoliermaterial geschützter hintere Anteil
des Schneidedrahts, der eine zu weite Intubation der Papille mit dem Schneidedraht
und damit einen unkontrollierten langen Schnitt („zipper“) verhindern soll [1345].
Empfehlung
Bei der Sphinkterotomie sollte ein gemischter Schneidestrom zur Reduktion von Blutungskomplikationen
eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Es gibt mehrere prospektive Serien und 4 prospektiv-randomisierte Studien, die den
Effekt unterschiedlicher Stromapplikation und gemischten Stromanteilen bei der Sphinkterotomie
analysiert haben. Eine Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Geräten ist begrenzt,
da die Stromgeneration unterschiedlich ist und in den modernen Gerätesystemen eine
Softwaresteuerung integriert ist, die im Hintergrund die zuvor geübte Praxis, dass
der Untersucher die Anteile von Koagulations- und Schneidestrom über ein Pedal selbst
steuert, weitestgehend ersetzt hat [1346].
Eine Metaanalyse von 4 prospektiven randomisierten Studien mit 804 Patienten [1347] belegte, dass gemischter Strom die PEP-Rate nicht signifikant erhöht (Pure-current-Gruppe
3,8 % (CI 1,0 – 6,6 %) versus Mixed-current-Gruppe 7,9 % (CI 3,1 – 12,7 %, p > 0,05).
Bei reinem Schneidestrom ist aber das Risiko der (zumeist leichten) post-EST Blutung
signifikant höher (Pure-current-Gruppe 37,3 % [95 % CI 27,3 – 47,3 %] vs. Mixed-current-Gruppe
12,2 % [95 % CI 4,1 – 20,3 %]).
Bei der Pankreasgangsphinkteromie ist die Datenlage uneinheitlicher. Einzelne Experten
empfehlen die Verwendung eines reinen Schneidestroms, um eine Koagulation des Zugangs
zum Pankreasgang und damit das Risiko der PEP wie auch der sekundären, narbigen Stenose
zu reduzieren. Überzeugende Daten dazu fehlen allerdings genauso wie auch Studien,
die die Unterschiede zwischen den Stromarten aufzeigen, wenn die heute nahezu obligate
Implantation einer protektiven Pankreasgangprothese nach Pankreaspapillotomie erfolgt
ist. Da die Überlegungen zur Blutung analog für beide Schnittlokalisationen gelten,
sollte auch zur Pankreassphinkterotomie ein gemischter Strom verwendet werden (niedriger
Anteil von Koagulationsstrom) [1348].
Empfehlung
Die Länge der Sphinkterotomie soll sich nach anatomischen Gegebenheiten und der geplanten
Intervention richten.
Starker Konsens
Kommentar
Die Länge des EPT-Schnittes hängt von anatomischen Faktoren ab. Grundsätzlich gilt,
dass nur der intraduodenale Verlauf des Gallengangssphinkters inzidiert werden darf,
um eine Perforation zu vermeiden. Als „landmark“ gilt die Plica longitudinalis. Bei
schwierig einzuschätzendem Verlauf des zu papillotomierenden Segments (z. B. Divertikel,
ödematöse Schleimhaut) sind verschiedene Techniken publiziert, die die Abschätzung
der Schnittlänge verbessern sollen [1349]
[1350]. Es kann ein geblockter Ballon [1351] oder ein maximal gespanntes Papillotom aus dem Gallengang nach unten gezogen und
damit der intraduodenale Anteil des Gallengangs oft besser abschätzbar gemacht werden.
Zu berücksichtigen ist, dass eine Stentimplantation auch ohne Papillotomie möglich
ist und dass bei geplanter Großballondilatation zur Steinextraktion keine maximale
Schnittlänge notwendig ist [1352].
Empfehlung
Die Papillendilatation mit kleinen Ballons – als Alternative zur Sphinkterotomie –
sollte nur in begründeten Einzelfällen durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Metaanalyse der prospektiv-randomisierten Studien ergab eine vergleichbar hohe
Erfolgsrate der Steinextraktion für Papillendilatation (EPBD) und Sphinkterotomie
(EST) (94,3 vs. 96,3 %) bei gleicher Rate an Gesamtkomplikationen (10,5 vs. 10,3 %)
[1353]. Die Studienanalyse wies ein signifikant erhöhtes Pankreatitisrisiko nach Papillendilatation
(Standard 8 mm Ballon, bzw. 4 – 6 mm Ballon bei schmalem Gallengang) im Vgl. zur klassischen
Sphinkterotomie nach (7,4 vs. 4,3 %; p = 0,03). Die Blutungsrate lag bei den dilatierten
Patienten signifikant niedriger (0 vs. 2 %, p = 0,01). Eine weitere Metaanalyse bestätigte
das erhöhte Pankreatitisrisiko bei einer kurzen Ballondilatation (< 1 min.) im Vergleich
zur Sphinkterotomie (RR: 4,14 (1,58 – 12,56)), allerdings sogar ein tendenziell niedrigeres
Pankreatitisrisiko, wenn die Ballondilatation länger als 1 Minute erfolgte [1354].
Die Ballondilatation von 6 – 10 mm zeigte im einem aktuellen randomisiert-prospektiven
Vergleich zur EPT [1355] (n = 132, Indikation Choledocholithiasis, keine Risikofaktoren) eine geringere Komplikationsrate
in der Ballongruppe (8,1 % (5/62) Pankreatitis n = 5) vs. 11,4 % (8/70) Pankreatitis
n = 5, Blutung n = 2, Perforation n = 1) mit geringerer Blutungs- und gleicher Pankreatitisrate.
Im Langzeitverlauf wiesen Patienten mit einer Sphinkterotomie nach einem mittleren
Follow-up von 6,7 Jahren eine signifikant erhöhte Rate an biliären Komplikationen
(25 vs. 10,1 %) auf, insbesondere Cholezystitis, Cholangitis und Cholecystolithiasis.
Die multivariate Analyse ergab für Patienten mit Sphinkterotomie ein relatives Risiko
von 2,38 (1,1 – 5,4; p = 0,03) für biliäre Komplikationen [1356]. Diese Daten dieser Studie warten noch auf Bestätigung durch weitere Serien.
Die Papillendilatation scheint eine Alternative bei Patienten mit Koagulopathien zu
sein, ansonsten ist derzeit die klassische Papillotomie noch als Standardverfahren
anzusehen.
Die Bewertung der Papillendilatation mit großlumigen Ballons zur Extraktion großer
Steine erfolgt im Themenkomplex Choledocholithiasis.
Empfehlung
Eine Empfehlung für die Auswahl eines bestimmten Führungsdrahtes für Interventionen
am pankreatobiliären System kann anhand der derzeitigen Evidenz nicht ausgesprochen
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die zur ERCP eingesetzten Standarddrähte haben einen inneren Draht, der aus Nitinol
oder Stahl besteht, und eine Hülle aus Teflon, Polyethylen oder PTFE. Dadurch sind
verschiedene Charakteristika der Drähte vorgegeben: Stabilität oder Flexibilität,
Röntgendetektion, Gleitfähigkeit, optische Kontrollierbarkeit über das Endoskop. Die
meisten Drähte weisen eine flexible, atraumatische Spitze auf und sind aktuell fast
ausschließlich für den Einmalgebrauch vorgesehen [1357].
In den letzten Jahren haben verschiedene Hersteller sogenannte Kurzdrahtsysteme an
den Markt gebracht, die theoretisch die ERCP-Dauer verkürzen und die Kontaminationsgefahr
verringern könnten [1358]. In einer vergleichenden Studie wurde belegt, dass dadurch die Gesamtinterventionsdauer
verkürzt, die Instrumentenwechsel beschleunigt (125 vs. 177 sec.; p = 0,05) und die
Zeit für die Endoprotheseneinlage verkürzt werden (135 vs. 254 sec.; p > 0,01) [1359]. Evidenzbasierte Daten aus größeren Serien oder Metaanalysen, die den Vorteil längerer
oder kürzerer Drähte bzw. bestimmter Drahttypen eindeutig belegen fehlen derzeit,
sodass aktuell keine Empfehlung für ein spezielles System abgegeben werden.
4.8.3.5 Choledocholithiasis
Empfehlung
Die primäre ERCP sollte nur bei Patienten mit gesicherter oder mit hoher Wahrscheinlichkeit
für eine Choledocholithiasis erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die ERCP hat eine sehr hohe diagnostische Sensitivität (> 98 %) für den Nachweis von
Gallengangssteinen [1360]
[1361]. Wegen der Risiken der ERCP wird bei niedriger oder geringerer Wahrscheinlichkeit
für eine Choledocholithiasis die Endosonografie oder eine Schnittbildgebung (MRT mit
MRCP oder CT) empfohlen [1362]. Ein systematischer Review von 4 randomisierten Studien [1363] zum Vergleich der EUS gesteuerte ERCP versus der direkten ERCP bei V. a. Gallensteinleiden
ergab eine signifikante Reduktion der Gesamtkomplikationsrate (RR 0,35, 95 % CI 0,20 – 0,62);
p < 0,001) und der PEP (RR 0,21, 95 % CI 0,06 – 0,83, p = 0,030) in der EUS/ERCP-Gruppe.
Die diagnostische Genauigkeit der EUS und der MRCP ist nach aktueller Datenlage vergleichbar
[1364]. Bei kleinen Steinen zeigte die EUS in vergleichenden Studien eine höhere Sensitivität
als die Schnittbildgebung oder der transkutane Ultraschall [1362]
[1365].
Empfehlung
Die ERCP mit Papillotomie und Steinextraktion soll als Standardverfahren zur Behandlung
der Choledocholithiasis eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die endoskopische Steinextraktion nach Sphinkterotomie unter Einsatz von Ballonkatheter
oder Körbchen ist eine Standardtherapie und wird mit einer Erfolgsrate von über 90 %
in der klinischen Routine eingesetzt [1362]
[1366]
[1367].
Ursachen für das Versagen der Standardtechnik ist in erster Linie ein großer Steindurchmesser
(> 15 mm Durchmesser) [1368]. In multivariaten Analysen wurden auch andere Faktoren ermittelt, die eine primäre
Steinextraktion erschweren oder unmöglich machen können, z. B. Missverhältnis Steindurchmesser-Gangdurchmesser
und anatomische Hindernisse (z. B. Stenosen unterhalb des Steins, intrahepatische
Lage, postoperative Zustände) [1369]
[1370].
Empfehlung
Bei großen Steindurchmessern sollte die mechanische Lithotripsie als Methode der ersten
Wahl verwendet werden. Als Alternative ist die Papillendilatation mit großlumigen
Ballons zu erwägen.
Starker Konsens
Kommentar
Bereits in den frühen 80er-Jahren wurde die mechanische Lithotripsie als Verfahren
zur Behandlung großer Steine entwickelt [1371]. In größeren Serien wurden Erfolgsraten von über 81 – 98 %% für diese Methode erreicht
[1372]
[1373]
[1374]
[1375]. Limitation der ML ist das Einfangen des Steins zur Fragmentation: Therapieversager
wurden daher besonders bei impaktierten Steinen, sowie Steindurchmessern von über
30 mm beschrieben [1376]
[1377].
In den letzten Jahren wurde als Alternative zur ML die großlumige Ballondilatation
der Papille bei Patienten mit großen Steinen und dilatierten Gallenwegen eingesetzt
[1378]
[1379]
[1380]
[1381]
[1382]
[1383]. Nach einer submaximalen Papillotomie wird dazu ein drahtgeführter Dilatationsballon
in die Papille/unteren Gallengang eingeführt und insuffliert. Die in den Studien beschriebenen
Ballons haben Durchmesser zwischen 12 und 20 mm und eine Ballonlänge von 5 – 5,5 cm.
Nach einer Analyse bis dato publizierter Serien zur Technik [1384] wurde ein initialer Erfolg der Steinextraktion von 91 % (75,5 – 100 % und ein Gesamterfolg
von 98 % (88,6 – 100 %) erzielt, wobei in bis zu 9 % noch zusätzlich eine mechanische
Lithotripsie erforderlich war.
Die Komplikationsrate der Methode ist relativ gering (Gesamtrate 5 % [0 – 14 %]; davon
akute Pankreatitis 2,85 [0 – 8 %] und Blutung 1,2 %). Nur in wenigen Einzelfällen
wurden Perforationen beschrieben (2 × Duodenum, 1 × Gallengang), die aber alle konservativ
beherrschbar waren [1384].
Eine aktuelle prospektiv-randomisierte Studie [1385] verglich die großvolumige Ballondilatation mit der endoskopischen Sphinkterotomie
großer Gallensteine. Hier zeigten sich keine Unterschiede in der kompletten Steinentfernungsrate
(97,5 % [39/40] und 95,3 % [41/43], p = 0,600), der Notwendigkeit zur mechanischen
Lithotripsie (10 vs. 21 %, p = 0,171) und der Steinclearance in einer Sitzung (82,4
und 81,4 %; p = 0,577). Weiterhin keine Unterschiede hinsichtlich der Komplikationsrate:
Pankreatitis 5,0 vs. 7,0 %; Blutung 10,0 vs. 16,3 %; akute Cholangitis 5,0 vs. 2,3 %
und Perforation 2,5 vs. 0 %. Eine aktuelle Metaanalyse von 7 prospektiv-randomisierten
Studien zur gleichen Fragestellung ergab ebenfalls keine Unterschiede hinsichtlich
der Steinclearance. Die großvolumige Ballondilation war mit einer geringeren Gesamtkomplikationsrate
als die EST verbunden (5,8 vs. 13,1 %, OR 0,41, 95 % CI 0,24 – 0,68, p = 0,007). Blutungskomplikationen
traten bei Ballondilatation weniger häufig auf als bei EST (OR 0,15, 95 % CI 0,04 – 0,50,
p = 0,002) [1386].
Auch die Dauer der Papillendilatation scheint hinsichtlich der Komplikationen eine
Rolle zu spielen. Eine aktuelle Metaanalyse ermittelte für die Ballondilatation über
1 Minute Dauer eine vergleichbare Komplikationsrate für eine PEP zur endoskopischen
Sphinkterotomie aber eine signifikant geringe PEP-Rate im Vergleich zur kurzzeitigen
der Ballondilatation der Papille unter 1 Minute Dauer [1387].
Empfehlung
Ist eine primäre Steinextraktion trotz mechanischer Lithotripsie nicht möglich, sollten
andere intra- oder extrakorporale Lithotripsiemethoden eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
An intrakorporalen Verfahren stehen die elektrohydraulische Lithotripsie (EHL) [1388]
[1389]
[1390]
[1391]
[1392]
[1393]
[1394] und die laserinduzierte Stoßwellenlithotripsie (LISL) [1395]
[1396]
[1397]
[1398]
[1399] zur Verfügung, zudem verschiedene extrakorporale Stoßwellengeneratoren (ESWL) [1400]
[1401]
[1402]
[1403]
[1404]. Diese Verfahren sind im Vergleich zu den Standardmethoden aufwendig und kostenintensiv.
Die intraduktale Lithotripsie erfolgt unter direkter optischer Kontrolle mittels Cholangioskopie,
da durch die Stoßwellen Verletzungen der Gallengangswand möglich sind. Nur zwei Lasersysteme
(Rhodamin 6G-Laser und FREDDY) mit integrierter Steinerkennung können unter radiologischer
Kontrolle eingesetzt werden [1395]
[1396]
[1405].
Für alle Verfahren wurden unter Studienbedingungen bei sehr selektiven Patientenkohorten
mit komplizierten Steinen, die durch Standardverfahren nicht beseitigt werden konnten,
Erfolgsraten zwischen 70 und 100 % erreicht. Zwei kleine vergleichende Studien [1406]
[1407] konnten Vorteile für die LISL im Vergleich zur ESWL bezüglich Steinfreiheit und
Therapiedauer belegen, für die EHL konnte dies nicht gezeigt werden [1388].
Empfehlung
Gelingt bei der ERCP nicht die komplette Beseitigung von Steinen oder Fragmenten,
sollte eine Endoprothese zur Sicherung des Galleabflusses eingelegt werden. Dies kann
bei inoperablen Patienten auch die definitive Therapie sein.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Patienten mit einem inakzeptabel hohen OP-Risiko oder Risiko bei sehr langen und
aufwendigen Lithotripsieverfahren konnte gezeigt werden, dass die Endoprotheseneinlage
geeignet ist, kurzfristig die steinbedingten Probleme (obstruktive Cholangitis, Verschlussikterus)
sicher zu beseitigen [1408]
[1409]
[1410]
[1411].
Im Verlauf wurden bei 50 von 79 Patienten (63 %) der Patienten die Steine komplett
entfernt, bei 27 Patienten (mittleres Alter 82 Jahre) wurde die Endoprothese als Langzeittherapie
belassen [1409]. In einer weiteren Studie wurden 49 Patienten mit Endoprothesen wegen nicht extrahierbarer
Steine versorgt. Bei 11 von 25 Patienten (44 %) gelang in einem zweiten oder dritten
Versuch die komplette Steinextraktion, weil der Steindurchmesser erheblich reduziert
oder der Stein komplett zerstört worden war [1412]. Die Dauerversorgung mit Endoprothesen sollte wegen des Risikos der sekundären Cholangitis
bei Prothesenokklusion und sepsisbedingter Mortalität auf Ausnahmen beschränkt bleiben
[1410]
[1413]
[1414].
4.8.3.6 ERCP-gesteuerte pankreatikobiliäre Gewebediagnostik
Empfehlung
Für die Entnahme von intraduktalen Biopsien aus den Gallenwegen oder dem Pankreasgang
in der ERCP können Zangenbiopsien und/oder Bürstenzytologien unter fluoroskopischer
Kontrolle entnommen werden. Hier sollte eine ausreichende Anzahl von Biopsien bzw.
Bürstenzytologiedurchgängen erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Für die Zangenbiopsie stehen flexiblere Zangen zur Verfügung [1415]. Für die direkte fluoroskopische Biopsie in der Diagnostik extrahepatischer Cholangiokarzinome
wurden Sensitivitäten zwischen 40 und 80 % beschrieben [1416]
[1417]. Der prospektiv-randomisierte Vergleich von vier verschiedenen endoskopischen Zytologiebürsten
ergab keine signifikante Überlegenheit eines bestimmten Typs [1418]. Für die Tumordetektion mittels Bürstenzytologie der Gallenwege wurden Sensitivitäten
von 30 – 50 % bei einer Spezifität von 100 % beschrieben [1417]. Die Verwendung einer speziellen Körbchenbürste zeigte in einer randomisierten Studie
im Vergleich zur herkömmlich Bürste eine signifikant höhere Sensitivität für die Tumordiagnose
86 % (19/22) vs. 52 % (11/21) (p = 0,015) [1419]. Eine Dilatationstherapie vor Bürstenzytologie verbesserte den diagnostischen Output
nicht, nur die Anzahl der Bürstengänge und Zytologiepräparate steigert die Trefferquote
[1415]. Durch die Kombination von Bürstenzytologe und fluoroskopischer Zangenbiopsie ließ
sich bei hilären Cholangiokarzinomen die Sensitivität auf maximal 60 % steigern [1420]. Additiv kann eine direkte Cholangioskopie zur visuellen Beurteilung der Stenose
und der direkten Gewebeentnahme durchgeführt werden [1421] (siehe Kapitel 4.8.3.8: Cholangioskopie).
4.8.3.7 Endoskopische pankreatikobiliäre Stenteinlage
Empfehlung
Zur Ableitung und Therapie von Stenosen des pankreatikobiliären Systems sowie zur
Therapie einer Gallengangs- oder Pankreasgangleckage können bei gegebener Indikation
Kunststoffendoprothesen und selbst expandierende Metallstents Anwendung finden.
Starker Konsens
Kommentar
Kunststoffendoprothesen sind in unterschiedlichen Formen mit oder ohne Seitenlöcher
und mit unterschiedlichem Design der Halteflaps erhältlich. Die Durchmesser rangieren
von 3 F, 5F (Pankreasgangstenting), 7 F, 8.5 F, 10 F bis 11,5 French bei variabler
Länge, wobei der 10-French-Stent für die biliäre Drainage als Standard gelten kann.
Kunststoffendoprothesen bestehen meist aus Polyethylen, Teflon oder Polyurethan. Bei
der Ableitung distaler maligner biliärer Stenosen zeigte der Polyethylenstent im Vergleich
zum Teflonstent in 3 RCTs eine höhere 30 Tage Offenheitsrate allerdings ohne Einfluss
auf die Mortalität [1422]. Die Einlage der Kunststoffstents erfolgt über einen Führungsdraht und Legekatheter
mit röntgendichten Markierungen und einem Pusher. Stents ≤ 7 French werden ohne Legekatheter
eingelegt, ebenso einige Teflonstents [1352]. Bezüglich der Führungsdrähte sind Kurzdrahtlegesysteme verfügbar, für die eine
Reduktion der Legezeit im Vergleich zu Langdrahtsystemen nachgewiesen werden konnte
[1423]. Eine schnellere Legezeit konnte ebenfalls für die vorgeladenen kompletten Legesysteme
im Vergleich zu den Einzelkomponenten gezeigt werden [1424]. Eine Empfehlung zur Verwendung eines bestimmten Legesystems oder Stenttypen lässt
sich aus den vorliegenden Daten allerdings nicht ableiten. Zur Dilatation von Stenosen
im Gallengang oder Pankreasgang ist die sequenzielle Einlage von mehreren Kunststoffendoprothesen
in Abhängigkeit von der bestehenden Stenosenweite möglich [1425]
[1426].
Kunststoffendoprothesen sind in der Regel leicht entfernbar. Die Entfernung der Kuntsstoffstents
erfolgt mit Körbchen oder Fasszange oder bei schwierig kanülierbaren Stenosen nach
Stentsondierung mit Führungsdraht über Stentretriewer oder Schlinge.
Selbst expandierende Metallstents bieten bei geringem Applikationsdurchmesser ein
großes Stentlumen nach Stentfreisetzung. Der Durchmesser des Legekatheters sowie des
nicht freigesetzten Stents beträgt meist 5 – 6 French. Dies ermöglicht die Applikation
über den Arbeitskanal des Duodenoskops. SMES bestehen aus Nitinol oder Platinol und
werden entweder aus Draht geflochten oder als Netz aus einem Metallzylinder geschnitten.
In Abhängigkeit von der Anwendung sind sie ungecovert, teilgecovert und voll gecovert
erhältlich. Das Covering verhindert das Einwachsen von Gewebe und besteht aus einer
Kunststoffbeschichtung aus Silikon, Polyurethan oder Polytetrafluoroethylen. Pankreatikobiliäre
Stents sind in variabler Länge und Durchmessern von 4 – 10 mm verfügbar. Weitere Unterschiede
der SMES-Fabrikationen bestehen in der Stärke der radialen Aufstellkraft, dem Ausmaß
der Stentverkürzung nach Freisetzung sowie der Art und Position der angebrachten Röntgenmarkierungen.
SMES einiger Hersteller sind bis zu einem bestimmten Punkt (Point of no return) wieder
verschließbar und neu positionierbar. SMES werden über einen Führungsdraht unter Röntgenkontrolle
positioniert. Dabei erfolgt die Freisetzung des Metallstents durch Ziehen am Handgriff
während der Stent durch Zug am Legekatheter in Position gehalten wird [1427].
Empfehlung
Die Einlage einer Kunststoffendoprothese oder eines Metallstents kann auch ohne eine
endoskopische Sphinkterotomie erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine endoskopische Sphinkterotomie vor Stenteinlage soll insbesondere bei Einlage
von großvolumigen Stents das Pankreatitisrisiko mindern. Dazu verglich eine große
Serie an über 5000 Patienten die Komplikationen bei Stenteinlage (Kunststoff 77,5 %
oder Metall 15,5 %) mit Spinkerotomie mit der Stenteinlage ohne Sphinkterotomie bei
diversen Indikationen. Für die Rate an Post-ERCP-Pankreatiden konnte kein signifikanter
Unterschied zwischen den Gruppen gefunden werden. Eine auf der DDW 2013 in Abstractform
erstmalig publizierte multizentrische Studie zur Metallstenteinlage mit oder ohne
EPT bei Pankreaskarzinom konnte ebenfalls keinen Unterschied in der 30 Tage Komplikationsrate
(Blutung, Perforation, Pankreatitis) nachweisen. Daher scheint das Kunststoffstenting
ohne EPT generell sicher und auch die Metallstenteinlage zumindest bei Pankreaskarzinomen
ohne höheres Risiko. Im Falle von erforderlichen Rezidiveingriffen erleichtert die
endoskopische Papillotomie die Folgeeingriffe und sollte bei Fehlen von Kontraindikation
durchgeführt werden [1428].
Empfehlung
Bei Vorliegen einer hochgradigen rigiden Stenose kann vor dem Stenting eine Bougierung
oder Ballondilatation auf mindestens den Durchmesser des einzulegenden Kunststoffstents/bzw.
Legekatheters bei SEMS erforderlich sein.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Bougierung werden Kunststoffdilatatoren, mit einem Durchmesser von 7 – 8,5 oder
10 French drahtgeführt über die Stenose vorgeschoben. Alternativ kann mit einem Ballonkatheter
eine druckgesteuerte Ballondilatation der Stenose über eine Dauer von 1 – 3 Minuten
oder bis zu einer sichtbare Aufweitung der Stenose unter fluoroskopischer Kontrolle
bei kurzstreckigen Stenosen erfolgen [1427]. Evidenzbasierte vergleichende Studien zur Bougierung versus Ballondilatation liegen
nicht vor.
Empfehlung
Die erforderliche Stentlänge soll sich nach der Lage der Stenose bzw. der Länge des
zu überbrückenden Segmentes richten und sollte durch Ausmessen bestimmt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Längenbestimmung kann radiografisch anhand von definierten Markierungen des Legekatheters
oder Führungsdrahtes erfolgen. Alternativ besteht die Möglichkeit durch Zurückziehen
des Kanülierungskathers bzw. Papillotoms über den Führungsdraht aus dem Zielgebiet
der distalen Stentlage bis zur Papille die erforderliche Stentlänge außerhalb des
Duodenoskopes auszumessen [1427]. Evidenzbasierte vergleichende Studien zur Genauigkeit der verschiedenen Messverfahren
liegen nicht vor.
Empfehlung
Ein Wechsel der Kunststoffendoprothese soll progammiert nach 3 Monaten und bei Komplikationen
(Cholangitis, fehlender Abfall des Bilirubins) erfolgen. Die Einlage mindestens einer
10-French-Kunststoffendoprothese sollte zur Verlängerung der Offenheitsrate angestrebt
werden. Eine Begleittherapie mit UDCA und oder Antibiotika zur Prophylaxe einer Stentokklusion
soll nicht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Ein programmierter Wechsel der Kunststoffendoprothesen ist sinnvoll, um infektiöse
Komplikationen zu vermeiden. Eine Okklusion der Kunststoffendoprothesen wurde in einer
Metaanalyse zwischen 62 und maximal 165 Tagen nach Anlage beschrieben [1429]. Ursächlich wurde eine Inkrustation durch Sludge und eine bakterielle Besiedelung
diskutiert [1430]
[1431]. Einzelne Arbeiten weisen eine längere Offenheitsrate von 10-French-Stents im Vergleich
zu kleineren Stentdurchmessern nach [1432], ein Vorteil für die Verwendung von 11,5 French gegenüber 10 French konnte nicht
gezeigt werden [1433]. Eine aktuelle multivariate Analyse belegte als Prädiktor einer frühen Stentokklusion
bei biliären Stents die hiläre Striktur, nicht aber Stentdurchmesser, Genese der Stenose
oder Komorbiditäten [1434]. Daten einer Cochrane-Analyse wiesen eine höhere 30 Tage Offenheitsrate für den
Polylethylenstent im Vergleich zum Teflonstent bei extrahepatischen maligenen biliären
Stenosen nach (Okklusion Teflonstent: RR 2,84, 95 % CI 1,31 – 6,16, p = 0,008) [1435], sodass bei dieser Indikation Polyethylenstents vorteilhaft erscheinen. Für die
Verwendung medikamentöser Begleittherapien wie UDC und/oder Antibiotika konnte keine
längere Offenheitsrate belegt werden [1436].
Empfehlung
Die Auswahl des Stents (Kunststoffendoprothese oder SEMS gecovert/teil-/ungecovert)
soll sich nach der zugrundeliegenden Indikation, Lokalisation der Stenose richten.
Starker Konsens
Kommentar
Die Erläuterungen nach Datenlage finden sich unter den folgenden jeweiligen Stenoseentitäten
und -lokalisationen.
4.8.3.7.1 Biliäre benigne Stenose
Empfehlung
Die endoskopische Therapie von benignen biliären Stenosen sollte aus einem Multistenting
mit Kunststoffendoprothesen über 12 Monate bestehen.
Starker Konsens
Kommentar
Die technische Erfolgsrate der Einlage von Kunststoff- oder Metallendoprothesen bei
benignen biliären Stenosen liegt bei > 94 % [1437]. Der langfristige Erfolg nach Einlage von Kunststoffendoprothesen variiert nach
Genese der Stenose und Technik. Die Einlage multipler Endoprothesen (Multistenting)
mit regelmäßigem Wechsel in 3-monatlichen Abständen ist dabei effektiver als das Monostenting.
Hier wies eine Metaanalyse langfristige Offenheitsraten von bis zu 87 % bei Multistenting
im Vergleich zu 61,3 % bei Monostenting über einen medianen Zeitraum von 11 Monaten
nach [1437]. Postoperative Engstellen können mit Erfolgsraten von etwa 90 % langfristig offen
gehalten werden [1425], die schlechtesten Erfolgsquoten sind für benigne Stenosen bei chronisch kalzifizierender
Pankreatitis beschrieben [1438]
[1439]. Bei dieser Indikation sollte nach erfolgloser endoskopischer Therapie eine operative
Therapie erfolgen [1440].
Empfehlung
Alternativ kann bei extrahepatischen benigenen biliären Stenosen die Einlage eines
voll gecoverten SEMS erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Neben diesem Multistentingkonzept finden sich in den letzten Jahren vermehrt publizierte
Studien zum Effekt der Implantation voll gecoverter Metallstents verschiedener Hersteller
bei benignen biliären Stenosen unterschiedlicher Genese [1441]
[1442]
[1443]
[1444]
[1445]
[1446]
[1447]
[1448]
[1449]. Die Stents können für eine Zeitdauer von 6 Monaten gelegt und dann ggf. gewechselt
werden. Die Erfolgsraten der Studien mit gemischten Indikationsgruppen liegen zwischen
50 und 88 % bei einer Stentliegedauer von 3 – 4 Monaten. Hier waren die biliären Stenosen
bei chronisch kalzifizierender Pankreatitis mit der geringsten Erfolgsrate behaftet,
[1441]
[1442]
[1443]
[1444]
[1445]
[1446]. Eine aktuelle Arbeit identifizierte eine Stentliegedauer > 90 d als unabhängigen
Prädiktor für die suffiziente Stenoseweitung (OR 4,3, CI 1,24 – 15,09) [1446]. Komplikationen sind hauptsächlich die Stentmigration überwiegend nach distal in
bis zu 30 % und die Stentokklusion in Einzelfällen. Für die Dilatation von Anastomosenstenosen
nach Lebertransplantation existieren ebenfalls einige Fallserien [1448]
[1450]
[1451] und ein aktueller systematischer Review mit einem historischen Vergleichskollektiv
zum Multistenting mit Kunststoffendoprothesen [1449]. Die Erfolgsraten waren hier vergleichbar zum Multistenting und liegen zwischen
80 – 95 % mit einem besseren Outcome bei einer Stentliegedauer von mindestens 3 Monaten
[1449]. Eine Fallserie berichtete über relevante neue Strikturen nach Metallstenting von
relativ frischen Anastomosenleckagen post LTX bei 6 von 17 Patienten [1448]. Bei dieser Indikation scheint daher eine Evaluation im Rahmen von Studien sinnvoll.
Eine aktuelle prospektive Studie [1452] untersuchte die Erfolgs- und Komplikationsraten für fcSEMS bei benigner DHC Stenose
(Liegedauer CP 10 – 12 Monate, LTX 4 – 6 Monate). Die initiale Erfolgsrate ohne Restenting
lag bei 76,3 % (95 % CI 69,3 – 82,3 %). Im Follow-up von 20.3 Monaten (IQR 12,9 – 24,3
Monate), betrug die Rate an Rezidiven 14,8 % (95 % CI 8,2 – 20,9 %). Stentbedingte
Komplikationen – meist Cholangitis – traten bei 27,3 % auf.
Empfehlung
Partiell gecoverte oder ungecoverte Metallstents sollen bei benigner Indikation im
pankreatobiliären System nicht angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Einlage von ungecoverten SEMS ist bei benignen Stenosen mit einer erhöhten Komplikationsrate
(Einwachsen, Okklusion, erschwerte bis unmögliche endoskopische Entfernung) verbunden
und wird daher nicht empfohlen [1437]
[1453]
[1454]. Auch für partiell gecoverte SMES wurde eine erhöhte Komplikationsrate insbesondere
mit der Entwicklung neuer Strikturen im proximalen ungecoverten Bereich des Metallstents
beschrieben [1455].
Empfehlung
Dominante Strikturen (Stenosen der extrahepatischen Gallenwege, Hilus oder zentrale
Anteile der Ducti hepatici) bei einer primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) sollten
eher ballondilatiert als endoprothetisch versorgt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Kohortenstudien und retrospektive Analysen zur endoskopischen Therapie von dominanten
Stenosen bei PSC zeigten ein höheres Komplikationsrisiko für infektiöse Komplikationen
beim Stenting von dominanten Stenosen im Vergleich zur Ballondilatation [1456]
[1457]. Daher resultiert die Empfehlung zur primären Ballondilatation bei PSC-Stenosen.
Die Wirksamkeit der endoskopischen Therapie bei PSC wird durch Kohortenstudien unterstützt,
die ein transplantationsfreies 5-Jahres-Überleben von 81 % beschreiben [1458]. Größere prospektiv-vergleichende Studien fehlen allerdings bisher. Zu berücksichtigen
ist, dass nach aktueller Empfehlung der Fachgesellschaft, bei endoskopischen Manipulationen
im Rahmen der PSC eine periinterventionelle Antibiotikaprophylaxe empfohlen wird (siehe
Kap 3.3).
4.8.3.7.2 Biliär Maligne Stenose
Empfehlung
Eine präoperative endoskopische Ableitung einer malignen DHC-Stenose sollte nur bei
gegebener Indikation (hohes Bilirubin, Cholangitis, späterer Op-Zeitpunkt, neoadjuvante
Therapie) erfolgen. Hier können Kunststoffendoprothesen oder alternativ ein voll gecoverter
Metallstent platziert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für das präoperative endoskopische Stenting bei malignen DHC-Stenosen (Pankreaskarzinom,
distale Cholangiokarzinome, periampulläre Karzinome) wurde eine erhöhte perioperative
Morbidität aufgrund von infektiösen Komplikationen im Vergleich zur frühen Chirurgie
innerhalb einer Woche beschrieben [1459]
[1460]. Bei gegebener Indikation zur präoperativen Ableitung wie einer Cholangitis oder
einem späteren OP-Zeitpunkt z. B. im Rahmen einer neoadjuvanten Therapie sollte ein
Stenting primär endoskopisch mit einem Kunststoffstent erfolgen, alternativ kann ein
gecoverter distal positionierter Metallstent eingelegt werden [1352]
[1461]
[1462].
Empfehlung
Zur palliativen Ableitung einer malignen extrahepatischen biliären Stenose soll primär
eine endoskopische Stenteinlage erfolgen. Bei Patienten mit einer Lebenserwartung
von über 4 Monaten sollte die Einlage eines SEMS gewählt werden. Hier kann ein voll-,
teil oder ungecoverter Metallstent eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Implantation von Plastikendoprothesen oder selbstexpandierenden Metallstents (SEMS)
sind etablierter Stand und unterscheiden sich nicht in der primären kurzfristigen
Effektivität [1435]. Mittel- und langfristig wird der Einsatz von Plastikstents aber durch Okklusion
und daraus resultierender Cholangitis und Reintervention limitiert, sodass SEMS bei
Patienten mit einer prognostizierten Überlebenszeit von mehr als drei Monaten bevorzugt
werden sollten [1435]
[1463]. Es liegen nur wenige prospektiv-vergleichende Studien zwischen verschiedenen Metallstentfabrikaten
vor. Ein RCT zu Offenheitsraten bei malignen distalen biliären Stenosen zeigte im
Vergleich zu einem Durchmesser von 6 mm eine signifikant längere Offenheitsrate des
10 mm ungevocerten Metallstents ([1464], Mozart Studie). Der Vergleich von gecoverten und nicht- oder partiell gecoverten
Metallstents bei maligner Gallengangsstenose wurde in mehreren RCT´s und einer aktuellen
Metaanalyse untersucht [1465]
[1466]
[1467]. Hier ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bzgl. der Offenheitsraten, Komplikationsrate
und Überleben mit einem statistisch nicht signifikanten Trend zu mehr Stentmigrationen
in der Gruppe der gecoverten Stents.
Biliär hiläre Tumore
Empfehlung
Bei biliär hilären Tumoren soll vor einer elektiven ersten biliären endoskopischen
Dekompression eine suffiziente Bildgebung zur weiteren Therapieplanung erfolgen. Hier
erscheint die MRCP bzgl. der lokalen Tumorausdehnung der CT überlegen.
Starker Konsens
Kommentar
Einliegende Stents können die genaue Darstellung hilärer Stenosen in Lokalisation,
Länge und Lagebeziehung verhindern und damit die Aussage zur Resektabilität einschränken
[1468]
. Die diagnostische Genauigkeit des modernen CT für die Vorhersage der Resektabiliät
von hilären Cholangiokarzinomen liegt den aktuellen Daten zufolge zwischen 70 und
85 % [1469]
[1470]
[1471]. Problematisch ist die korrekte Bestimmung der Ausdehnung des Primärtumors, hier
wurde im Vergleich zum Resektat eine Unterschätzung der longitudinalen Tumorausdehnung
nachgewiesen [1471]. Die MRCP erscheint in der Prädiktion der lokalen hilären Tumorausdehnung mit einer
diagnostischen Genauigkeit bis zu 90 % überlegen [1468]
[1472].
Empfehlung
Vor der endoskopischen Ableitung hilärer Tumore sollte die gezielte Drainage der Lebersegmente
anhand einer aktuellen Bildgebung geplant werden. Präoperativ soll mindestens der
verbleibende Leberlappen suffizient drainiert werden. Palliativ sollen mindestens
50 % des Lebervolumens drainiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
In der ERC ist bei okkludierten Gallengangsegmenten die genaue proximale Tumorabgrenzung
und Sondierung abgehängter Segmente häufig erschwert. Die KM-Injektion von distal
nach proximal ohne suffiziente Ableitung der dargestellten Segmente, birgt ein erhöhtes
Cholangitisrisiko und sollte vermieden werden. Eine aktuelle Arbeit zeigte, dass die
Drainage von > 50 % des Lebervolumens mit einem signifikanten Bilirubinabfall und
einem verlängerten Überleben korreliert. Die Drainage von unter 30 % des Lebervolumens
mit Ableitung atropher Segemente steigert hingegen das Colangitisrisiko [1473]. Die Information über Lage und Volumen der betroffenen Lebersegmente ist damit entscheidend,
um eine suffiziente, gezielte Drainage okkludierter Segmente zu gewährleisten [1474].
Im Falle einer präoperativen Drainage existieren zu der Frage der einseitigen oder
beidseitigen Drainage keine klaren Daten. In jedem Fall sollte der verbleibende Leberlappen
suffizient drainiert werden. Dadurch kann die perioperative Mortalität signifikant
gesenkt werden, was auf dem Erhalt der funktionellen Leberreserve beruht [1475].
Empfehlung
Zur Drainage hilärer Tumore sollte die Einlage von Kunststoffendoprothesen Standard
sein. Die palliative Drainage kann bei einer Lebenserwartung von über 4 Monaten in
ausgewählten Fällen auch durch nicht gecoverte SEMS erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Bisher ist nur eine Multicenterstudie zum Vergleich von Kunststoffstents mit ungecoverten
Metallstents via ERC in der Palliation bei hilären Tumoren publiziert [1476]. Hier ergab sich für die Metallstents eine längere Offenheitsrate und eine geringere
Cholangitisrate (11,8 vs. 39,3 %) im Vergleich zu Kunststoffstents im Beobachtungszeitraum
von 30 Tagen. Vergleichende Daten zum Langzeitverlauf liegen allerdings nicht vor.
Auch eine aktuelle retrospektive Serie ermittelte längere Offenheitsraten für das
Metallstenting (20 vs. 27 Wochen p sign) [1477]. Ob eine Metallstenteinlage in Y Form [1478] oder die paralelle Einlage von zwei Metallstents mit dünnerem Einführbesteck vorteilhaft
sind [1479]
[1480]
[1481] ist ebenfalls nicht in vergleichenden Studien belegt. Daher können Metallstents
bei ausgewählten Patienten mit geeigneter Anatomie und rezidivierenden Cholangitisschüben
erwogen werden, wobei die Alternative des perkutanen endoskopischen Zuganges in Form
der PTCD bedacht werden sollte.
4.8.3.7.3 Lokalablative Therapie von biliären Tumorstenosen
Empfehlung
Zur palliativen endoskopischen Therapie des extrahepatischen Cholangiokarzinoms kann
eine fotodynamische Therapie zusätzlich zur Stentversorgung erfolgen. Eine Empfehlung
zur Auswahl eines bestimmten Fotosensitizers kann anhand der vorliegenden Daten nicht
gegeben werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Zur Radiofrequenzablation kann aufgrund der aktuellen Datenlage keine abschließende
Beurteilung abgegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die fotodynamische Therapie basiert auf der lokalen Bestrahlung der Gallengangstumore
mit Licht bestimmter Wellenlänge nach Injektion eines Fotosensitizers. Die dadurch
induzierte lokale Aktivierung des Fotosensitizers führt zu einer lokalen Nekrose und
Destruktion des Tumorgewebes. Als Fotosensitizer liegen Daten für Photofrin, Photosan
und Metatetrahydroxyphenylchlorin (mTHPC) vor, je nach Substanz variiert der Zeitpunkt
der Belichtung, die Wellenlänge und die Belichtungsdauer [1482]
[1483]
[1484]
[1485]. Zwei prospektive RCT haben die fotodynamische Therapie mit dem alleinigen palliativen
Stenting verglichen [1486]
[1487]. Beide zeigten einen signifikanten Überlebensvorteil für die fotodynamische Therapie
(493 vs. 98 Tage; 21 vs. 7 Monate). Darüber hinaus liegen Fallserien und Studien mit
einem historischen Kontrollkollektiv vor. Eine aktuelle Metaanalyse [1488] wertete die vorliegenden Daten aus: Eingeschlossen wurden 6 Studien. Hier erhielten
170 Patienten PDT und 157 nur ein biliäres Stenting. Die PDT zeigt eine Assoziation
zu einem statistisch verlängerten Überleben (WMD 265 days; 95 % CI 154 – 376; p = 0,01;
I2 65 %), einer Verbesserung des Karnofsky Indexes (WMD 7,74; 95 % CI 3,73 – 11,76;
p = 0,01, I2 14 %) und einen Trend zur einem Bilirubinabfall (WMD 2,92 mg/dL; 95 %
CI –7,54 – 1,71, p = 0,22, I2 94 %). Die Rate an biliär septischen Ereignissen lag
bei 15 % ohne Unterschied zwischen den Gruppen.
Kontrollierte prospektive Daten zur Bedeutung der PDT im Kontext mit Standardchemotherapie
und biliärem Stenting fehlen. Basierend auf der aktuellen Datenlage kann die PDT additiv
in der Palliation des extrahepatischen Cholangiokarzinoms durchgeführt werden.
Ein neueres Verfahren ist die Radiofrequenzablation der Gallenwege, hier erfolgt die
lokale Ablation mit bipolarem Strom von 7 – 10 Watt über einen 8-French-Katheter.
Kontrollierte prospektive Studien liegen bisher nicht vor, sondern Fallserien mit
einem zum Teil unterschiedlichem Indikationsspektrum (extrahepatische CC und Filiae,
Pankreaskarzinom), die eine Stentoffenheit bis zu im Mittel 170 Tagen und ein Überleben
bis zu im Mittel 17,9 Monaten beschreiben [1489]
[1490]
[1491]
[1492]
[1493]. Hier wurden als Komplikationen neben Cholangitisepisoden Hämobilieereignisse [14]
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[1492] beschrieben. Ein aktuell publizierter Vergleich von RFA (n = 16) und PDT (n = 32)
anhand eines historischen Fallkollektivs zeigte keinen Unterschied im Überleben zwischen
den Therapieverfahren [1494] ebenso keine Unterschiede hinsichtlich schwerer Komplikationen.
Die intraduktale RFA zur Therapie des extrahepatischen CC bietet den Vorteil der einfachen
Anwendung und Verzicht auf die Fotosensibilisierung, bei andererseits schwächerer
Evidenz mit dem Fehlen prospektiv-vergleichender Daten hinsichtlich Effizienz und
Sicherheit.
4.8.3.7.4 Gallengangsleckage
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von Gallengangsleckagen nach Cholezystektomie, Lebertransplantation
oder leberchirurgischen Eingriffen soll primär eine endoskopische Galleableitung erfolgen.
In Abhängigkeit von Lokalisation und Größe der Leckage sollte eine endoskopischer
Sphinkerotomie mit Einlage einer Endoprothese oder die alleinige Sphinkterotomie erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Nach Sondierung der Gallenwege sollte die Leckage cholangiografisch lokalisiert und
beurteilt werden. Mehrere Studien zeigten, dass eine alleinige endoskopische Papillotomie
insbesondere bei Zystikusleckage oder bei kleinen peripheren Ästen ausreichend wirksam
sein kann [1495]
[1496]. Nach endoskopischer Sphinkterotomie mit ggf. passagerer Endoprotheseneinlage (für
etwa 4 – 6 Wochen) sind die Erfolgsraten nahezu bei 100 % (1,78). Allerdings kann
die Kunststoffendoprothese auch ohne Papillotomie eingelegt werden. Eine kleine prospektive
Serie zeigte eine 100 %ige Erfolgsrate für die biliäre Protheseneinlage (mit oder
ohne Sphinkterotomie) und diese Rate war besser als für die alleinige Sphinkterotomie
[1497].
Für die Verwendung bestimmter Endoprothesendurchmesser 7 F versus 10 French konnte
ein RCT keinen signifikanten Vorteil nachweisen [1498]. Bei Entfernung der Endoprothese ist eine nochmalige Darstellung der Gallenwege
zur Erfolgskontrolle sinnvoll, zudem kann im Rahmen der Stenteinlage entstandenes
Steinmaterial/Sludge entfernt werden [1352]. Derzeit sind auch einige kleinere Serien zur Einlage eines voll gecoverten Metallstents
über 30 Tage bei biliären Leckagen mit gutem Erfolg publiziert [1499]
[1500]. In Anbetracht des hohen therapeutischen Ansprechens bei Durchführung einer endoskopischen
Sphinkterotomie mit oder ohne Kunststoffstenting bleibt der Metallstent aber eher
ausgesuchten Fällen vorbehalten. Operative Revisionseingriffe zur Therapie einfacher
Gallengangsleckagen sind nicht primär indiziert.
4.8.3.7.5 Pankreasgangstenosen
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von symptomatischen Pankreasgangstenosen im Rahmen einer
chronischen Pankreatitis können Dilatation und Stenteinlage durchgeführt werden. Dabei
sollte die Dilatation und Stenteinlage nach endoskopischer Sphinkterotomie des Pankreassphinkters
erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Einlage einer 10-F-Kunststoffendoprothese sollte zu Dilatationsszwecken angestrebt
werden. Zur weiteren Dilatation rigider Stenosen kann ein Multistenting mit mehreren
Kunststoffendoprothesen erfolgen. Eine definitive Empfehlung über die Zeitdauer der
endoskopischen Dilatationstherapie kann anhand der bestehenden Evidenz nicht festgelegt
werden,
Starker Konsens
Kommentar
Die endoskopische Intervention wird derzeit in der Deutschen und Europäischen Leitlinie
als Methode der ersten Wahl zur Behandlung von Patienten mit Pankreasgangsteinen oder
Pankreasgangstenosen im Hauptgang mit Pankreasgangerweiterung, abdominellen Schmerzen,
rezidivierenden Pankreatitisschüben oder Unterhaltung einer Pankreaspseudozyste empfohlen
[1440]
[1501]. Eine Vielzahl unkontrollierter klinischer Serien [1502]
[1503]
[1504]
[1505]
[1506]
[1507]
[1508]
[1509]
[1510]
[1511]
[1512]
[1513] konnte den positiven Effekt endoskopischer Maßnahmen, teilweise kombiniert mit extrakorporaler
Stoßwellenlithotripsie, auf Schmerzen und die Häufigkeit pankreatitischer Schübe dokumentieren.
Die endoskopische Dilatationstherapie von Pankreasgangstenosen mit Verwendung von
7-French- bis 10-French-Kunststoffendoprothesen wurde in diesen Serien zwischen 15
und 23 Monaten durchgeführt [1502]
[1503]
[1504]
[1505]
[1506]
[1507]
[1508]
[1509]
[1510]
[1511]
[1512]
[1513]. Dabei wurde ein kurzfristiger Schmerzrückgang in 65 – 94 % erreicht. Die Einlage
von 10-F- im Vergleich zu 8,5-F-Stents ging mit einer geringeren Hospitalisierungsrate
einher [1513]. Nach definitiver Stententfernung kam es im Follow-up von bis zu 3,8 Jahren zu einem
Schmerzrelapse in 27 – 38 % der Behandelten. Eine Fallserie evaluierte die Einlage
von bis zu 3 Stents bei rigiden Pankreaskopfstenosen über 7 Monate mit einer langfristigen
Schmerzfreiheit von 84 % im Follow-up [1514]. Die Dauer der endoskopischen Therapie ist nicht evidenzbelegt, die meisten Studien
therapierten über 12 Monate. Die Europäischen Leitlinien [1501] empfehlen eine endoskopische Therapie über 12 Monate mit Stentwechsel alle 3 Monate.
Zwei prospektiv-randomisierte Studien zur endoskopischen Intervention vs. Operation
(Drainage-OP oder partielle Pankreasresektion) zeigen eine höhere Effektivität bezüglich
der Schmerzreduktion für die chirurgischen Maßnahmen [1515]
[1516]
[1517]. Diese Resultate wurden aber wegen methodischer Mängel kontrovers diskutiert. Eine
chirurgisch interventionelle Therapie sollte in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand
des Patienten bei Versagen der endoskopischen Therapie, Schmerzrezidiv oder Komplikationen
einer chronisch kalzifizierenden Pankreatitis (Duodenalstenose, biliäre Stenose ohne
Ansprechen auf eine endoskopische Therapie) erfolgen [1440]
[1501].
Empfehlung
Die Einlage eines voll gecoverten SEMS in den Pankreasgang kann in ausgewählten Fällen
zur endoskopischen Dilatation von Gangstenosen erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Mehrere kleine Fallserien haben voll gecoverte Metallstents zur Dilatation von Pankreasstenosen
im Pankreaskopf untersucht. Hier wurden Nitinol Stents von 6 – 10 mm über eine Zeitdauer
von maximal 3 Monaten eingelegt mit erfolgreicher Aufweitung der Gangstriktur nach
Entfernung [1518]
[1519]
[1520]
[1521]
. Eine akutelle Metaanalyse fasst die Daten von etwa 80 Patienten zusammen [1522]. Komplikationen waren Stentmigrationen überwiegend nach distal, sowie die Bildung
erneuter Pankreasgangstenosen. Vergleichende Studien oder Langzeitdaten fehlen bisher.
Daher kann bei Kontraindikationen für ein operatives Vorgehen die Einlage eines voll
gecoverten Metallstents erwogen werden [1440]. Aufgrund der fehlenden Daten zum Langzeitverlauf sollten diese nicht länger als
3 – 6 Monate liegen und programmiert kontrolliert, entfernt bzw. gewechselt werden.
Ungecoverte Stents sollen wegen der Gefahr des Ein -und Überwachsens nicht verwendet
werden.
Empfehlung
Zur passageren Schienung einer Pankreasgangruptur nach Trauma oder zur transpapillären
Ableitung einer Pseudozyste kann die Einlage einer Kunststoffendoprothese erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
In den seltenen Fällen inkompletter Pankreasrupturen nach Bauchtrauma oder zur transpapillären
Ableitung einer Pankreaspseudozyste kann der defekte Gang passager durch eine Kunststoffendoprothese
abgeleitet werden. Diese umfasst die Sondierung des Pankreasganges mit Sphinkerotomie,
ggf. die Dilatation von Pankreasgangstrikturen proximal der Zyste und die Einlage
einer Kunststoffendoprothese. Prädiktive Parameter für ein Ansprechen der transpapillären
Drainage einer Pankreaspseudozyste sind die Lokalisation der Peudozyste im Pankreaskopf
sowie im Pankreascorpus, therapierbare Pankreasgangstrikturen vor der Zyste, eine
Zystengröße über 6 cm und ein Alter der Zyste unter 6 Monaten [1523]
[1524]. Die nicht sondierbare Pankreasgangokklusion „disconnected duct syndrome“ Typ III
nach Nealon et al. [1525] verhindert einen transpapillären Therapieansatz [1525] (siehe auch Kap. 4.9.X EUS Therapie von Pankreaspseudozysten).
4.8.3.8 Cholangioskopie
Empfehlung
Eine Cholangioskopie kann über ein Duodenoskop in „Mutter-Baby-Technik“ oder als direkte
perorale Cholangioskopie mit ultradünnen Endoskopen erfolgen. Je nach verwendetem
System soll die Cholangioskopie durch ein oder zwei Untersucher durchgeführt werden.
Voraussetzung für die Cholangioskopie sollte eine adaequat weite Papillotomie sein.
Die Cholangioskopie soll unter Wasserspülung oder CO2-Insufflation durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Mögliche Indikationen für eine Cholangioskopie sind die Abklärung unklarer Gallengangsstenosen,
die gezielte Biopsie unter direkter optischer Kontrolle, die Ausbreitungsdiagnostik
intraduktaler Gallengangskarzinome, die Lithotrypsie unter cholangioskopischer Kontrolle
und die Kontrolle der Steinfreiheit nach Lithotripsie [1276]
[1526]
[1527]
[1528].
Voraussetzung für die Cholangioskopie ist eine adäquat weite Papillotomie. Eine periinterventionelle
Antibitikaprophylaxe wird empfohlen (siehe Kapitel 3.3).
Für die transpapilläre Cholangioskopie in „Mutter-Baby-Technik“ bei der ERCP werden
Miniendoskope in Fiberglastechnik oder modulare, katheterbasierte Systeme „ Spy glass“
[1529]
[1530]
[1531], über den Arbeitskanal des Duodenoskops eingeführt. Short-Access-Cholangioskope,
die nur über den distalen Abschnitt des Duodenoskops geführt werden (Frimberger Modell)
sollen eine größere Flexibilität ermöglichen. Die Visualisierung des Gallenwegssystems
erfolgt meist unter Wasserspülung. Alle diese Cholangioskope haben einen Arbeitskanal
von 1,2 mm über den mit Minizangen Proben entnommen werden können oder eine Lithotripsiesonde
eingeführt werden kann. Die Beweglichkeit der Gerätespitze reicht von 2 Richtungen
bei den Miniendoskopen bis zu 4 Richtungen bei dem katheterbasierten System [1529]. Traditionelle Videocholangioskope sind bisher nicht über den Prototypstatus hinausgekommen
und sind zudem störanfällig und teuer [1532]. Für das katheterbasierte System ist allerdings seit diesem Jahr ein Viodeosystem
serienmäßig erhältlich. Für die Durchführung einer Cholangioskopie in Mutter-Baby-Technik
sind zwei Untersucher erforderlich, um Duodenoskop und Cholangioskop zu bedienen.
Das katheterbasierte „Spy-glass“-System kann von einem Untersucher manövriert werden.
Mit dem Einsatz ultradünner Endoskope, die primär für die transnasale Endoskopie des
oberen Gastrointestinaltrakts entwickelt wurden, ist auch die direkte perorale Cholangioskopie
(D-POCS) mit besserer Bildqualität ohne ERCP möglich. Nach weiter Papillotomie erfolgt
eine direkte Intubation des Choledochus; zur Verankerung kann ein Ballonkatheter im
Hepatikus geblockt werden, der die Intubation erleichtert [1533]
[1534]
[1535]. Die ultradünnen Cholangioskope verfügen über einen Arbeitskanal von 2 mm und werden
von einem Untersucher bedient. Im Rahmen der direkten peroralen Cholangioskopie mit
Luftinsufflation wurden schwerwiegende Luftembolien beschrieben [1534]
[1536]. Daher empfehlen wir die Verwendung von CO2 oder Wasserfüllung.
Limitationen der Cholangioskopie sind die eingeschränkte Passage von Stenosen und
die limitierte Zangen- und damit Probengröße durch den kleinen Arbeitskanal. Ein prospektiv-randomisierter
Vergleich zwischen Short-access-Cholangioskopie und direkter peroraler Cholangioskopie
an je 30 Patienten [1544] zeigte entsprechend Vorteile für D-POCS hinsichtlich der endoskopischen Beurteilung
bei besserer Bildqualität und Biopsieentnahme durch den größerem Arbeitskanal. Nachteilig
war die eingeschränkte Exploration intrahepatischer Gallenwege. Vergleichende weitere
Studien zwischen den einzelnen Systemen sind bisher nicht publiziert.
4.8.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Eine stationäre Überwachung sollte in Abhängigkeit von dem individuellen Risikoprofil
des Patienten sowie den durchgeführten Interventionen und dem Verlauf der Untersuchung
erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Ein Review von 11 Studien (5 prospektiv-vergleichend, 5 prospektiv und eine retrospektiv)
zum Thema der ambulanten versus der stationären ERCP ergab Komplikationsraten von
7 % im Rahmen der ambulanten und 3 % im Rahmen der stationär durchgeführten ERCP [1537]. Bei den ambulant geführten Patienten präsentierten sich 72 % der Komplikationen
innerhalb der ersten 6 Stunden, 10 % zwischen 6 und 24 Stunden und 18 % nach 24 Stunden.
Bei 6 % dieser Patienten verlängerte sich der Krankenhausaufenthalt und 3 % wurden
wieder aufgenommen. Bei den stationär geführten Patienten präsentierten sich 95 %
der Komplikationen innerhalb der ersten 24 Stunden. Die Daten lassen eine ambulante
ERCP bei entsprechend niedrigem Risiko zu, eine entsprechende Anbindung für eine Notfallaufnahme
bei Auftreten von Beschwerden nach Entlassung sollte gegeben sein. [Tab. 48] gibt einen Überblick über die möglichen Komplikationen der ERCP [1541].
Tab. 48
Komplikationen der ERCP [1541].
Pankreatitis
|
3,5 % (1,6 – 15,7 %)
|
Blutung (nach Sphinkterotomie)
|
1,3 % (1,2 – 1,5 %)
|
Perforation
|
0,1 – 0,6 %
|
Cholangitis
|
bis zu 1 %
|
Cholecystitis
|
0,2 – 0,5 %
|
kardiopulmonale Komplikationen
|
0,07 %
|
Mortalität
|
0,2 % (0,1 – 0,5 %)
|
Stentdysfunktion Kunststoffstents
|
41 %
|
Stentdysfunktion Metallstents
|
uc SEMS: 27 %; pc SEMS 20 %; fc SMES 20 %
|
Empfehlung
Bei beschwerdefreien Patienten ohne klinischen Anhalt für Komplikationen soll die
Routinebestimmung von Pankreasenzymen im Serum nicht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Erhöhung der Pankreasenzyme nach ERCP ohne klinische Symptomatik ist zur Definition
einer Post-ERCP-Pankreatitis nicht ausreichend. Eine große Serie zur Post-ERCP-Pankreatitis
zeigte eine 5fach erhöhte Pankreasamylase bei bis zu 8 % der Patienten ohne klinische
Schmerzsymptomatik. Eine bis zu 3fach erhöhte Amylase ging in keinem Fall mit klinischen
Symptomen einher [1538]. Neue Studien zur Post-ERCP-Pankreatitis definieren diese daher bei Vorhandensein
einer klinischen Schmerzsymptomatik mit 3fach erhöhten Pankreasenzymen innerhalb von
24 Stunden nach der ERCP und einer Hospitalisierung von mindestens 2 Nächten [1539]. Auf eine reine Enzymdiagnostik bei klinisch asymptomatischen Patienten soll daher
verzichtet werden.
Abweichend von diesem Routinevorgehen wird in den aktualisierten Leitlinien der ESGE
[1293] bei Patienten, die einer ambulanten ERCP unterzogen werden, eine Bestimmung der
Amylase oder Lipase 2 – 4 Stunden nach der ERCP empfohlen, da zu diesem Zeitpunkt
eine Erhöhung der Enzymwerte um weniger als 1,5fach beziehungsweise weniger als 4fache
des Normalwertes einen hohen negativen prädiktiven Wert für eine Post-ERCP-Pankreatitis
hat [1293]
[1540].
4.8.5 Spezifische Qualitätsindikatoren ERCP ([Tab. 49])
Tab. 49
Vorschlag für Qualitätsindikatoren ERCP.
Qualitätsindikatoren
|
präprozedural
|
Frequenz der Antibiotikaprophylaxe bei gegebener Indikation
|
Frequenz der PEP-Prophylaxe bei Risikopatienten/Risikointerventionen
|
intraprozedural
|
Frequenz des Kanülierungserfolges für die Gallengänge bei naiver Papille und normaler
Ganganatomie
|
Frequenz einer erfolgreichen Stentplatzierung in den DHC bei DHC Stenose unterhalb
der hilären Bifurkation
|
Frequenz der erfolgreichen Steinentfernung bei Gallengangssteinen unter 10 mm und
normaler Ganganatomie
|
Frequenz der Erfassung von Durchleuchtungszeit und Dosis
|
postprozedural
|
Frequenz spezifischer Komplikationen: PEP, Blutung nach Papillotomomie, Perforation
|
Kommentar
Zu allgemeinen Qualitätsindikatoren für endoskopische Eingriffe siehe Kapitel 7.
Präprozedurale Qualitätsindikatoren
Die spezifischen Indikationen zur Antbiotikaprophylaxe gibt Kapitel 3.3. wieder. Zur
PEP-Prophylaxe ist die rektale Applikation von 100 mg Diclofenac oder Indomethacin
unmittelbar vor oder nach der ERCP mit Papillotomie gut belegt und soll standardgemäß
angewandt werden [1293]
[1294]
[1295]
[1296]
[1297]
[1298]
[1299].
Intraprozedurale Qualitätsindikatoren
Eine große Metaanalyse analysierte aus über 8000 Publikationen zum Thema der ERCP-Qualitätskriterien
52 qualitativ adäquate prospektive und retrospektive Studien [1542]. Die kumulative Erfolgsrate der Gallengangskanülierung betrug 89,3 % (95 % CI 0,866 – 0,919),
die kumulative Erfolgsrate der Pankreasgangkanülierung 85 % (95 % CI 0,813 – 0,886).
Die Anwendung des Precuts lag bei 10,5 % (95 % CI 0,087 – 0,123). Die Stein Extraktionsrate
aus dem DHC lag bei 88,3 % (95 % CI 0,825 – 0,941) und die Rate der erfolgreichen
Platzierung eines Stentes in den DHC unterhalb der hilären Bifurkation bei 97,5 %
(95 % CI 0,967 – 0,984). In der Subgruppenanalyse ergaben sich keine statistisch signifikanten
Unterschiede zwischen akademischen und kommunalen Endoskopien, prospektiven und retrospektiven
Studien. Auch für die Teilnahme eines Trainees an der Prozedur bei Gallengangskanülierung,
Precut und Steinextraktion zeigten sich keine Unterschiede. Daten zur Pankreasgangkanülierung
und Gallengangsstenting unter Traineebeteiligung lagen nicht vor. Die aktuelle Publikation
der ASGE zu Qualitätsindikatoren in der ERCP [1543] benennt ähnliche intraprozedurale Qualitätsindikatoren, wobei hier die Erfolgsraten
für Gallangangskanülierung, Pankreaskanülierung, DHC Stenting und Steinextraktion
bei > 90 % angegeben werden.
Die Erfassung der Durchleuchtungszeit und Strahlendosis soll erfolgen und ist im Strahlenschutzgesetz
verankert [1285].
Postprozedurale Qualitätsindikatoren
Neben den allgemeinen postprozeduaren Qualitätsindikatoren (siehe Kap 7), kann die
Erfassung der spezifischen Komplikationen nach ERCP als Qualitätsindikator dienen
[Tab. 49]). Bei der Erfassung z. B. der PEP sollte die Analyse auf der Indikation der Intervention
basieren (geplante Gallengang- oder Pankreasgangkanülierung, naive versus vorgeschnittene
Papille, Zweiteingriff nach Precut), um Risikosubguppen zu definieren.
4.9 Diagnostische Endosonografie und endosonografisch gestützte Feinnadelpunktion
Einleitung: Erste Berichte über die endoluminale Anwendung der Sonografie im oberen
Verdauungstrakt wurden 1980 veröffentlicht [1545]
[1546], während die starre endorektale Sonografie bereits auf das Jahr 1956 zurückgeht
[1547]. Seit 1983 ein erstes radiales Endosonografiesystem kommerziell verfügbar war, hat
sich die Endosonografie (Synonym: endoskopischer Ultraschall, EUS) als diagnostische
Methode in der Gastroenterologie schnell etablieren können [1548]. Meilensteine waren die Einführung endokavitär, intraduktal und endobronchial einsetzbarer
hochfrequenter Minisonden im Jahre 1990 [1549]
[1550]
[1551] und die Entwicklung longitudinaler elektronischer Echoendoskope [1552], die die Durchführung der endosonografisch gestützten Feinnadelaspirationspunktion
(EUS-FNP) [1553] und später therapeutischer Anwendungen ermöglichte. 1996 wurde erstmals über die
EUS-gestützte Cholangiopankreatografie [1554] und über therapeutische Anwendungen der Endosonografie (Pseudozystendrainage und
Plexusneurolyse) berichtet [1554]
[1555], die das Spektrum der interventionellen gastrointestinalen Endoskopie erheblich
bereichert haben [1556]
[1557] ([Tab. 50], [51]).
Tab. 50
EUS und EUS-FNP-Komplikationen und deren Risikofaktoren.
Komplikation
|
%
|
Risikofaktoren
|
Perforation
|
0,03 – 0,15
|
Stenosen, Divertikel, Degenerative WS-Veränderungen, erschwerte Endoskopeinführung,
unerfahrener Untersucher, Verwendung des Longitudinalscanners
|
Blutung meist selbstlimitierend
|
1,3 – 4
|
EUS-FNP zystischer Läsionen, Punktion mit einer Zytologiebürste, Medikation mit Antikoagulantein
siehe Kapitel 3.2.3
|
Infektionen
|
bis 6
|
Bakteriämie ohne Fieber:
EUS ohne Intervention: 1,9 – 2 %
EUS-FNP (oberer GI-Trakt): bis 6 %
Fieber:
EUS-FNP solider Pankreastumoren: 0,4 – 1 %
Infektion/Sepsis:
EUS-FNP zystischer Läsionen im Mediastinum und Pankreas
EUS-FNP (EUS-FNP und EUS-TCB) von subepithelialen Tumoren des GI-Trakts und von mediastinalen
Lymphknoten bei Sarkoidose
biliäre Peritonitis/Cholangitis:
EUS-FNP der Leber bei obstruktiver Cholestase
|
akute Pankreatitis
|
0,19 – 2,6
|
benigne Läsionen, zystische Läsionen, intraduktale Minisondenendosonografie
|
Tumorzellverschleppung
|
Einzelfallberichte
|
|
falsch positive Befunde der EUS-FNP
|
1,1 – 5,3
|
Karzinome des Gastrointestinaltrakts und Barrettösophagus mit Dysplasie oder Frühkarzinom
(Zellkontamination); chronische oder autoimmune Pankreatitis (Interpretationsfehler),
wenig erfahrener Zytopathologe, unzureichender klinisch-zytopathologischer Dialog
|
Tab. 51
Spezifische Qualitätsindikatoren für die Endosonografie (angelehnt an [1549]).
Qualitätsindikatoren
|
präprozedural
|
Antibiotikaprophylaxe bei EUS-FNP zystischer Pankreasläsionen
|
intraprozedural
|
Dokumentation von entsprechend der Indikation relevanten anatomischen Strukturen
|
Staging gastrointestinaler Tumoren und von malignen Pankreasneoplasien entsprechend
der aktuell gültigen TNM-Klassifikation bzw. bei gastrointestinalen Lymphomen der
modifizierten Ann Arbor-Klassifikation
|
Dokumentation von Größe und Schichtenzuordnung subepithelialer Tumoren
|
Dokumentation von Größe und Echogenitätscharakteristika von pathologischen Lymphknoten
und anderen extraintestinalen Raumforderungen
|
Dokumentation der maximalen Pankreasgang- und Gallengangsweite sowie intraduktaler
Strukturen bei pankreatobiliären Fragestellungen
|
Einsatz der EUS-FNP im Staging gastrointestinaler Tumoren und des nichtkleinzelligen
Lungenkarzinoms entsprechend der TNM-Klassifikation
|
EUS-FNP: Dokumentation von Nadeltyp, Nadeldurchmesser, Anzahl der Nadelpassagen und
Materialverarbeitung
|
postprozedural
|
EUS-FNP solider Läsionen: Häufigkeit der Gewinnung diagnostisch adäquaten Materials
|
EUS-FNP solider Läsionen: Häufigkeit diagnostisch konklusiver Befunde (Kategorien:
maligne, benigne, neoplastisch) bei Gewinnung adäquaten Materials
|
Häufigkeit prozeduraler Komplikationen nach EUS, EUS-FNP und EUS-gestützten therapeutischen
Interventionen
|
Indikationen zur endosonografischen Diagnostik ggf. mit Feinnadelpunktion
-
Staging maligner Tumore des Gastrointestinaltrakts (GI-Trakts), des Pankreas, der
Papille, der Gallenwege und des Mediastinums, sofern eine Fernmetastasierung nicht
bereits durch andere Methoden bewiesen ist.
-
Charakterisierung subepithelialer Tumoren und unklarer Wandverdickungen des GI-Trakts.
-
Charakterisierung von dem GI-Trakt benachbarten Strukturen wie Lymphknoten, Leber-,
Milz und Nebennierenläsionen.
-
Charakterisierung von pathologischen Veränderungen des Pankreas, insbesondere von
soliden Tumoren, zystischen Läsionen und der chronischen Pankreatitis.
-
Diagnostik pathologischer Veränderungen der extrahepatischen Gallenwege (insbesondere
Choledocholithiasis sowie obstruktive Cholestase und Stenosen unklarer Ätiologie).
-
Abklärung der Ursache bei idiopathischer akuter Pankreatitis.
-
Diagnostische Abklärung perianaler und perirektaler Erkrankungen (insbesondere Erkrankungen
des Analsphinkters, Fisteln und Abszesse).
-
Indikationen zur endosonografisch gesteuerten Therapie
-
Drainage symptomatischer Pankreaspseudozysten.
-
Debridement infizierter mediastinaler oder abdomineller (vorwiegend pankreatischer
und peripankreatischer) Nekrosen.
-
Endosonografisch gestützte Neurolyse und Blockade des Plexus coeliacus.
-
Drainage des abflussgestörten Gallen- und Pankreasgangs (bei Versagen bzw. Unmöglichkeit
der Drainage via ERCP) sowie der Gallenblase bei akuter Cholecystitis und Kontraindikationen
gegen die operative Therapie.
-
Drainage perirektaler und periintestinaler Flüssigkeitsverhalte und Abszesse.
-
Endosonografisch gestützte Blutstillung.
Die hier aufgezählten diagnostischen und therapeutischen Indikationen der Endosonografie
lehnen sich an das Positionspapier der American Society of Gastrointestinal Endoscopy
(ASGE) aus dem Jahr 2012 [1558] zum adäquaten Einsatz der gastrointestinalen Endoskopie an und berücksichtigen insbesondere
die Leitlinien deutscher medizinischer Fachgesellschaften [1559]
[1560]
[1561]
[1562]
[1563]. Die dort zusätzlich zu den oben genannten Indikationen erwähnte Untersuchung von
Patienten mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms ist
bisher im klinischen Alltag nicht allgemein akzeptiert und sollte nur im Rahmen kontrollierter
Studien erfolgen [1564]. Ebenso spielt die im Positionspapier der ASGE als Indikation genannte Markierung
von Tumoren innerhalb des GI-Trakts und in dessen Nachbarschaft durch endosonografisch
gestützte Applikation von Markern für die gezielte Bestrahlungstherapie bisher keine
Rolle in der klinischen Praxis in Deutschland. Während die diagnostischen Indikationen
in den letzten Jahren keine wesentliche Änderung erfahren haben, hat sich das Spektrum
sinnvoller therapeutischer Anwendungen im letzten Jahrzehnt erheblich erweitert.
Insgesamt ist festzuhalten, das Effizienz und Sicherheit von endosonografischen (EUS-)
Verfahren für nahezu alle Anwendungsgebiete ganz überwiegend im Rahmen von retrospektiven
oder prospektiven Fallserien, aber nur sehr selten (ca. 2 % aller Literaturstellen)
durch randomisiert-kontrollierte Studien (oder hierauf basierende Metaanalysen) definiert
werden [1557]
[1565]
[1566]
[1567].
4.9.1 Spezielle Kontraindikationen
Empfehlung
Das Vorliegen einer höhergradigen Stenose im Bereich des erforderlichen Passageweges
des Echoendoskops ist eine spezielle Kontraindikation. Daher sollte vor einer EUS
im oberen GI-Trakt bei Patienten mit Dysphagie oder bekannten Stenosen eine konventionelle
ÖGD durchgeführt werden. Hier kann im Einzelfall individuell entschieden werden, ob
eine interventionelle Therapie der Stenose zur Ermöglichung der Passage des EUS-Geräts
sinnvoll ist.
Starker Konsens
Kommentar
Ösophagus- und Duodenalperforationen in Folge einer Endosonografie des oberen Verdauungstraktes
wurden mit einer Inzidenz von 0,009 – 0,15 % bzw. 0,022 – 0,043 % berichtet und treten
aufgrund der Besonderheiten der Konfiguration von Echoendoskopen häufiger als bei
der diagnostischen ÖGD auf [1568]. Ein erhöhtes Risiko besteht für Patienten mit stenosierendem Ösophaguskarzinom
[1569]
[1570]. Mit der 7. Auflage der TNM-Klassifikation werden zöliakale Lymphknotenmetastasen
beim Ösophaguskarzinom nicht mehr als Fernmetastasen gewertet, sondern gelten als
regionäre Lymphknotenmetastasen, die in die N-Klassifikation eingehen [1571]. Damit entfällt ein wichtiges Argument für die Dilatation von stenosierenden Ösophaguskarzinomen,
um die Passage eines (longitudinalen) Echoendoskops zu ermöglichen [1572]
[1573]. Darüber hinaus steht mit dem schmallumigen EBUS-Scope eine Alternative zur Passage
stenosierender Ösophagustumoren zur Verfügung, die aus einer subdiaphragmalen Position
die transgastrale Feinnadelaspiration (FNA) im Bereich des Truncus coeliacus, der
linken Nebenniere und des linken Leberlappens ermöglicht [1574]
[1575]
[1576].
Empfehlung
Die endosonografische Feinnadelbiopsie zystischer Mediastinalläsionen sollte vermieden
werden.
Starker Konsens
Kommentar
In der Literatur wurde bisher über 11 Fälle einer Infektion nach endosonografischer
Feinnadelbiopsie zystischer Mediastinalläsionen berichtet, die teilweise trotz periinterventioneller
Antibiotikaprophylaxe auftraten. In fast allen Fällen entwickelte sich eine Mediastinitis,
die interventionelle oder operative Maßnahmen erforderlich machte [1568]
[1577]
[1578].
Zur AB-Prophylaxe und EUS unter Gerinnungshemmern siehe Kapitel 3.3 und Kapitel 3.2.3.
4.9.2 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Die Vorbereitung zur diagnostischen Endosonografie am oberen GI-Trakt soll der Vorbereitung
zur Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) entsprechen, die Vorbereitung zur Endosonografie
im Kolon denen zur Koloskopie sowie die Vorbereitung zur rektalen Endosonografie mit
starrem Gerät denen zur Rektoskopie.
Starker Konsens
Kommentar
Während der EUS am oberen GI-Trakt nur einen nüchternen Patienten voraussetzt, kann
für die Endosonografie des Rektums (zum Tumorstaging) eine Klysmavorbereitung ausreichend
sein. Die ausschließliche Beurteilung des Analkanals (Sphinkteren, Fistelnachweis)
ist auch am unvorbereiteten Patienten möglich. Eine Wasserfüllung des Rektums kann
von Vorteil sein. Die Vorbereitung zur Endosonografie des Kolons sollte in Analogie
zur Koloskopie mittels Lavage erfolgen (siehe Kapitel Koloskopie).
4.9.3 Durchführung
4.9.3.1 Echoendoskope/Instrumente
Empfehlung
Die Verwendung von Radial- und Longitudinalscanner bzw. Minisonde sollte von der jeweiligen
Indikation und von der lokalen Expertise und Verfügbarkeit abhängig gemacht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Vergleichende größere Studien zur Verwendung von Echoendoskopen verschiedener Hersteller
oder zum Vergleich von Longitudinal- und Radialscanner bei bestimmten Indikationen
liegen nicht vor. Drei prospektiv-randomisierte Vergleichsstudien und eine retrospektive
Vergleichsstudie mit limitierter Fallzahl haben für die Detektion und das Staging
maligner Pankreastumoren und für das Staging von Karzinomen des oberen Verdauungstrakts
keine signifikanten Unterschiede zwischen radialen und longitudinalen Echoendoskopen
nachweisen können [1579]
[1580]
[1581]
[1582].
Zum Einsatz kommen elektronische und mechanische Radialscanner (mit 270 – 360 Grad-Bildausschnitt,
US-Frequenzen von 5 – 20 MHz) mit prograder oder Seitblickoptik, Longitudinalscanner
(5 – 15 MHz, Ultraschallsektor der Mikrokonvex-Transducer von 100 – 180 Grad) mit
Seitblickoptik und Arbeits-/Punktionskanal (2,2 – 3,8 mm Diameter) zum Teil mit Albarran-Hebel,
ein therapeutisches Echoendoskop mit prograder Ausrichtung gleichermaßen von 90 Grad-Transducer
und Optik sowie US-Minisonden (als mechanische oder elektronische Scanner mit Frequenzen
von 10 – 30 MHz mit einem Diameter um 6 – 8 French) [1583]
[1584]
[1585]
[1586]
[1587]. Mehrere Studien haben die Überlegenheit der Bildqualität elektronischer radialer
Echoendoskope im Vergleich zu traditionellen mechanischen Systemen zeigen können [1588]
[1589]
[1590]. Moderne Ultraschalltechnologien wie Real-time-Elastografie und kontrastverstärkte
Endosonografie sind nur mit elektronischen longitudinalen und radialen Echoendoskopen
möglich [1583]
[1591]. Die Minisonden werden über den Arbeitskanal konventioneller Gastro-, Duodeno- und
Koloskope appliziert, Minisonden zum Einsatz via Ballonenteroskopie stehen noch nicht
kommerziell zur Verfügung. Die hochfrequenten Minisonden zeichnen sich neben ihrem
geringen Durchmesser, der sie insbesondere für den intraduktalen und intrastenotischen
Einsatz qualifiziert, durch eine sehr hohe Ortsauflösung aus, haben aber eine deutlich
limitierte Eindringtiefe. Endosonografisch gestützte Biopsien und therapeutische Interventionen
erfordern grundsätzlich den Einsatz von longitudinalen bzw. prograden Echoendoskopen.
Die zunehmende Bedeutung der EUS-FNP und EUS-gestützter Interventionen hat an zahlreichen
Zentren dazu geführt, dass radiale Echoendoskope primär für das Staging gastrointestinaler
Malignome, longitudinale Echoendoskope jedoch überwiegend für pankreatobiliäre und
mediastinale Indikationen genutzt werden [1592]. Für den rektalen EUS werden vorwiegend starre US-Sonden (meist elektronische Radiärscanner
mit 5 – 15 MHz) ohne Optik verwendet. Als Ultraschallprozessoren kommen entweder spezielle,
in Endoskopietürme integrierte EUS-Prozessoren oder aber multifunktional verwendbare,
mit allen modernen Ultraschalltechnologien ausgestattete Ultraschallgeräte zur Anwendung,
die den Anschluss sowohl von Echoendoskopen als auch von perkutaner Sonden erlauben.
4.9.3.2 Endosonografische Feinnadelpunktion (EUS-FNP)
Der Begriff endosonografische Feinnadelpunktion (EUS-FNP) bezeichnet alle Methoden
der endosonografischen Materialgewinnung mit primär für zytologische Präparationen
entwickelten Standardaspirationsnadeln (Feinnadelaspiration = EUS-FNA; Nadeldurchmesser
19 – 25 Gauge, verschiedene Hersteller) sowie mit speziellen „Histologienadeln“. Zu
diesen zur Gewinnung histologisch untersuchbarer kleiner Gewebezylinder entwickelten
Nadeln gehören eine Trucut-Nadel mit einem Nadeldurchmesser von 19 G (EUS-TCB; Quick-Core®, Cook Medical), Aspirationsnadeln mit einer invers zur Einstichrichtung angeschliffenen
Seitöffnung (Nadeldurchmesser von 25 G, 22 G und 19 G; EchoTip® ProCoreTM, Cook Medical) sowie neuerdings eine Aspirationsnadel mit schnabelartig
geformter Spitze (SharkCoreTM, Covidien) [1593]
[1594]
[1595].
Empfehlung
Die endosonografische Feinnadelpunktion sollte zur feingeweblichen Diagnose pathologischer
Befunde des Verdauungssystems, umgebender Organe und benachbarter Lymphknoten immer
dann zum Einsatz kommen, wenn:
-
zu erwarten ist, dass das Ergebnis das diagnostische oder therapeutische Management
des Patienten beeinflusst,
-
die Läsion endosonografisch gestützt mit vertretbarem Risiko erreichbar ist und
-
weniger invasive Methode zur Materialgewinnung nicht verfügbar oder ohne Ergebnis
geblieben sind.
Starker Konsens
Kommentar
Die EUS-FNP ist als eine effektive und sichere Methode für die Primärdiagnostik unklarer
Läsionen, das Staging maligner Erkrankungen und die Differenzialdiagnose zahlreicher
benigner Erkrankungen etabliert [1567]
[1594]
[1595]
[1596]
[1597].
Primärdiagnostik
In der Gastroenterologie ist die EUS-FNP Methode der Wahl für die Materialgewinnung
aus soliden Pankreasneoplasien, wenn die artdiagnostische Differenzierung Voraussetzung
für das therapeutische Vorgehen ist [1559]
[1567]
[1596]. Eine Metaanalyse von 33 Studien mit insgesamt 4984 Patienten (davon 21 prospektiv)
ergab eine sehr hohe diagnostische Genauigkeit der EUS-FNP für die zytologische Differenzierung
maligner und benigner solider Pankreasläsionen. Die Sensitivität betrug 85 %, die
Spezifität 98 %, der positive Prädiktivwert 99 %, die positive Wahrscheinlichkeitsrate
war 21, während der negative prädiktive Wert nur bei 65 % und die negative Wahrscheinlichkeitsrate
bei 0,17 lagen [1598]. Eine zweite aktuelle Metaanalyse mit etwas anderen Einschlusskriterien (4766 Patienten
aus 41 Studien) kam auf ähnliche Ergebnisse (Sensitivität 86,8 %, Spezifität 95,8 %,
positive Wahrscheinlichkeitsrate 15,2, negative Wahrscheinlichkeitsrate 0,17) [1599].
Für die Differenzierung zwischen muzinösen und non-muzinösen zystischen Pankreasneoplasien
stehen die biochemische Analyse der Zystenflüssigkeit (CEA) und die Zytologie zur
Verfügung. Eine prospektive multizentrische Studie, die 341 Patienten mit zystischen
Pankreasläsionen einschloss, konnte durch Bestimmung von CEA in der Zystenflüssigkeit
(cut-off-Wert 192 ng/ml) muzinöse von non-muzinösen zystischen Pankreasläsionen mit
höherer Genauigkeit (79 %) differenzieren als durch die zytologische Untersuchung
(79 vs. 59 %) [1600]. Eine Metaanalyse (18 Studien mit 1438 Patienten) ergab für die CEA-Bestimmung eine
gepoolte Sensitivität und Spezifität von 63 bzw. 88 %, für die Zytologie von 54 bzw.
93 % [1601]. Die Cut-off-Werte variieren zwischen den Studien teilweise erheblich [1601]
[1602].
Die EUS-FNP hat einen sehr hohen Stellenwert für die Primärdiagnostik des ösophagusnahen
zentralen Bronchialkarzinoms, solider Raumforderungen des hinteren Mediastinums und
des Retroperitonealraums einschließlich der linken Nebenniere sowie ätiologisch unklarer
abdomineller und mediastinaler Lymphknoten [1567]
[1594]
[1603]
[1604]. Für die feingewebliche Diagnose subepithelialer Tumoren des Gastrointestinaltrakts
ist die EUS-FNP eine sinnvolle Option, hat aber nur einen moderaten diagnostischen
Ertrag. Sie ist nur sinnvoll, wenn immunhistochemisch untersuchbares Material gewonnen
werden kann, um GIST von anderen mesenchymalen Tumoren differenzieren zu können [1594]
[1596]
[1605]
[1606].
Nodales Staging
Die EUS-FNP eignet sich zur Abklärung des lokoregionären Lymphknotenstatus zahlreicher
maligner Tumoren, wenn der Befund das weitere therapeutische Vorgehen beeinflusst.
In 18 meta-analytisch bewerteten Studien mit insgesamt 1201 Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) konnten durch EUS-FNP 83 % der Patienten mit metastatisch befallenen mediastinalen
Lymphknoten (gepoolte Sensitivität) und 97 % der Patienten ohne metastatischen Lymphknotenbefall
(gepoolte Spezifität) korrekt identifiziert werden [1607]. In den Studien mit CT-positiven Mediastinallymphknoten lag die gepoolte Sensitivität
höher als in Studien ohne CT-Kriterien für einen mediastinalen Lymphknotenbefall (90
vs. 58 %) [1607]. Durch Kombination von EUS-FNP und von endobronchialer ultraschallgestützter transbronchialer
Feinadelaspiration (EBUS-TBNA) wird nach den Ergebnissen einer Metaanalyse sogar eine
Sensitivität von 86 % und eine Spezifität von 100 % für das nodale Staging des NSCLC
erreicht [1608]. EUS-FNP und vor allem das kombinierte endosonografische Mediastinalstaging reduzieren
die Anzahl erforderlicher chirurgischer Stagingprozeduren und unnötiger Thorakotomien
signifikant [1609]
[1610]
[1611]. In einer aktuellen prospektiven Studie erwies sich das kombinierte endosonografische
Mediastinalstaging im Vergleich zum alleinigen PET-CT als signifikant genauer (90,0
vs. 73,6 %) [1612]. Eine randomisierte prospektive Studie, die zwei unterschiedliche Algorithmen des
kombinierten endosonografischen Stagings (endobronchialer Ultraschall (EBUS) vor EUS
vs. EUS vor EBUS) miteinander verglich, unterschieden sich diagnostische Effizienz
und Sicherheit nicht zwischen beiden Patientengruppen. Allerdings war EBUS-TBNA die
ertragreichere Primärprozedur [1613]. Das kombinierte endosonografische Staging wird daher in der aktuellen deutschen
S3-Leitlinie als Alternative zum primär chirurgischen Staging des NSCLC empfohlen
[1560].
Die EUS-FNP hat einen Stellenwert auch für das nodale Staging des cholangiozellulären Karzinoms (Transplantationsindikation) [1614]. Keine Relevanz hat der lokoregionäre Lymphknotenbefall dagegen beim Pankreaskarzinom, wo die Operationsindikation nicht vom N-Stadium abhängt und neoadjuvante Therapien
in Deutschland derzeit nicht etabliert sind [1559].
Beim Magen- und Rektumkarzinom wird trotz hoher prognostischer Bedeutung einer Metastasierung in regionale Lymphknoten
die EUS-FNP nicht empfohlen, weil deren Ergebnisse beim Magenkarzinom keinen Einfluss
auf Therapieentscheidungen haben [1615] und durch Nadelpassage des Primärtumors oder Tumorzellkontamination der intraluminalen
Flüssigkeit falsch positive Befunde verursacht werden können [1596]
[1616]. Für das Ösophaguskarzinom erwies sich die EUS-FNP (Sensitivität 83 %, Spezifität 93 %) in einer prospektiven
geblindeten Studie im Vergleich mit Endosonografie (Sensitivität 71 %, Spezifität
79 %) und Spiral-CT (Sensitivität 29 %, Spezifität 89 %) als signifikant überlegen
[1617]. Eine Metaanalyse, die 49 Studien mit 2558 Patienten einschließen konnte, zeigte
ebenfalls einen substanziellen Zuwachs der Genauigkeit der Diagnose von Lymphknotenmetastasen
des Ösophaguskarzinoms durch EUS-FNP gegenüber der alleinigen Endosonografie (Sensitivität:
96,7 versus 84,7 %; Spezifität 95,5 vs. 84,6 %) [1618]. In differenzialtherapeutisch entscheidenden Einzelfällen kann daher beim Ösophaguskarzinom
die Einbeziehung der EUS-FNP in das nodale Staging sinnvoll sein [1596].
M-Staging
Durch EUS-FNP können bei bis zu 7 – 15 % der Patienten mit Ösophagus-, Magen-, Rektum-
und Pankreaskarzinom im perkutanen Ultraschall und CT nicht erfasste („okkulte“) Fernmetastasen
verifiziert werden, die zu einer Veränderung der Prognosebewertung und des Therapieplans
führen (insbesondere nicht regionäre Lymphknotenmetastasen, kleine Lebermetastasen,
maligne Ergüsse) [1596]
[1619]
[1620]
[1621]
[1622]
[1623]. Einen hohen Stellenwert hat die EUS-FNP auch für den Nachweis von Fernmetastasen
des Bronchialkarzinoms in den Nebennieren, in abdominellen Lymphknoten und in anderen
erreichbaren subdiaphragmalen Lokalisationen [1596] sowie von Pankreasmetastasen verschiedener Primärtumoren [1624]
[1625]
[1626]
[1627].
Diagnose von Rezidiven nach kurativer Behandlung von Karzinomen
Die EUS-FNP ist eine geeignete Methode für die Diagnose extraluminaler Rezidive insbesondere
des Rektumkarzinoms [1596]
[1620]
[1628]
[1629]
[1630]
[1631]
[1632]
[1633].
Statement
Für die Nadelwahl zur diagnostischen Punktion von Lymphknoten und anderen Läsionen
mit Ausnahme solider Pankreasläsionen können keine evidenzbasierten Empfehlungen gegeben
werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei der diagnostischen Punktion von soliden Pankreasläsionen sollte die Nadelwahl
(vorrangig) von der Zielläsion abhängig gemacht werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Für solide und zystische Pankreasläsionen sowie für Lymphknoten können 22 G-Nadeln
alternativ zu 25 G-Nadeln Verwendung finden.
Starker Konsens
Empfehlung
Für drahtgestützte therapeutische Interventionen sollen 19 G-Aspirationsnadeln genutzt
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Nadeltypen
Zur Punktion unter Einsatz von Longitudinalscannern finden standardmäßig Aspirationsnadeln
verschiedener Anbieter mit Durchmessern von 25 G, 22 G oder 19 G Verwendung. Mit diesen
Nadeln können konventionelle zytologische Ausstriche, flüssigkeitsbasierte zytologische
Dünnschichtpräparationen (Cytospin, ThinPrep), aber auch histologisch untersuchbare
Zellblockpräparationen und kleine Gewebezylinder gewonnen werden. Darüber hinaus stehen
drei verschiedene Nadeltypen zur Verfügung, die auf die Gewinnung histologisch untersuchbarer
kleiner Gewebezylinder ausgerichtet sind: Trucut-Nadeln mit einem Durchmesser von
19 G (Quick-Core®, Cook Medical), Aspirationsnadeln mit einer seitlichen, invers zur Stichrichtung
angeschliffenen Seitöffnung mit Durchmessern von 25 G, 22 G und 19 G (EchoTip® ProCoreTM, Cook Medical) sowie neuerdings Aspirationsnadeln mit einer schnabelartigen Spitzenkonfiguration
mit Durchmessern von 25 G, 22 G und 19 G (SharkCoreTM, Covidien) [1593]
[1594]
[1595]. In Deutschland werden 22 G-Aspirationsnadeln am häufigsten eingesetzt und gelten
auch europaweit als Standard der EUS-FNP [1548].
Aspirations- und Trucut-Nadeln mit einem Durchmesser von 19 G sind aufgrund ihrer
mechanischen Eigenschaften für die Biopsie von Läsionen, die nur mit starker Angulation
der Gerätespitze oder des Albarranhebels erreicht werden können ungeeignet [1634]. Die diagnostische Genauigkeit für die feingewebliche Diagnose von Läsionen im Processus
uncinatus des Pankreas mit 19 G-Trucut-Nadeln war im Vergleich mit 25 G- und 22 G-Aspirationsnadeln
signifikant unterlegen [1635]. Auch 19 G-Histologienadeln mit revers angeschliffenem Seitloch (Pro Core TM) wiesen bei transduodenaler Biopsie signifikant mehr technische Probleme bei Ausfahren
der Nadel und beim Entfernen des Mandrins auf als bei anderen Zugangswegen [1636]. Der Einsatz von wenig flexiblen 19 G-Nadeln kann daher für die transduodenale Biopsie
von Pankreaskopfläsionen nicht empfohlen werden [1595]. Neue hochflexible 19 G-Aspirationsnadeln aus Nitinol ermöglichen dagegen auch die
transduodenale EUS-FNP von Pankreasläsionen und transduodenale therapeutische Interventionen
[1637]
[1638]
[1639].
Vergleichende Untersuchungen: Standardaspirationsnadeln verschiedener Durchmesser
Sieben randomisierte und prospektiv-kontrollierte Studien haben die diagnostische
Ergiebigkeit und Genauigkeit sowie die Sicherheit verschiedener Nadeltypen verglichen,
darunter 4 für solide Pankreasläsionen [1639]
[1640]
[1642], 1 für solide und zystische Pankreasläsionen [1643] und 2 für solide Läsionen unterschiedlicher Lokalisation [1644]
[1645]. Weitere prospektive kontrollierte Untersuchungen untersuchten vergleichend die
Ergebnisse der sequenziellen Punktion mit verschiedenen Nadeltypen bei einem Patienten
[1635]
[1646]
[1647]
[1648].
Eine aktuelle Metaanalyse von 8 Studien (darunter 3 prospektiv-randomisierte) mit
insgesamt 1292 Patienten verglich die diagnostische Genauigkeit von 22 G- und 25 G-Aspirationsnadeln in der Diagnose solider
Pankreasläsionen. Während in keiner einzelnen Studie die Überlegenheit eines Nadeltyps gezeigt werden
konnte, war die gepoolte diagnostische Sensitivität für die 22 G-Nadel in der Metaanalyse
mit 85 % signifikant geringer als für die 25 G-Nadel (93 %), während sich die gepoolten
Spezifitäten (22 G-Nadel: 100 %, 25 G-Nadel 97 %) nicht signifikant unterschieden
[1649]. Eine zweite Metaanalyse wies nur eine signifikant höhere Ausbeute adäquaten Materials
mit der 25 G-Aspirationsnadel im Vergleich zur 22 G-Aspirationsnadel nach, während
die diagnostische Genauigkeit der 25 G-Nadel keine statistische Signifikanz erreichte
[1650]. Nur eine randomisierte und prospektiv-kontrollierte Studie fand eine mit der 25
G-Aspirationsnadel im Vergleich zur 22 G-Aspirationsnadel geringere Komplikationsrate
der EUS-FNP von soliden und zystischen Pankreasraumforderungen [1643]. In drei prospektiven vergleichenden Studien war die 25 G-Nadel leichter zu handhaben
als die 22 G-Nadel [1635]
[1643]
[1651]. In einer multizentrischen Studie empfanden die Untersucher die Sichtbarkeit und
das Handling der 22 G-Aspirationsnadel im Vergleich zur 25 G-Aspirationsnadel als
überlegen, ohne dass daraus signifikante Unterschiede von Ausbeute oder diagnostischer
Genauigkeit resultierten [1645]. Die Vorteile der 25G-Nadel gegenüber der 22 G-Nadel scheinen sich auf Läsionen
im Processus uncinatus und besonders harte Tumoren zu beschränken [1635]
[1644].
Für die Punktion von Lymphknoten erwiesen sich 22 G- und 25 G-Nadeln in einer randomisiert-kontrollierten prospektiven Studie als gleichwertig, während
sich für subepitheliale Läsionen bei kleiner Fallzahl ein deutlicher Trend zugunsten
der 22 G-Nadel ergab [1644].
Eine prospektive randomisiert-kontrollierte Studie verglich die Ergebnisse der EUS-FNP
solider pankreatischer und peripankreatischer Läsionen mit 19 G- und 22 G-Aspirationsnadeln und konnte in der Intention-to-treat-Analyse keinen statistisch signifikanten Vorteil
der 19 G-Nadel aufzeigen. Signifikante Vorteile der 19 G-Nadel ergaben sich allerdings
für Läsionen im Pankreaskorpus und -schwanz sowie für technisch erfolgreiche Biopsien
[1642]. Weitere vergleichende Studien zwischen 19 G- und 22 G-Aspirationsnadeln sind nicht
publiziert. Eine aktuelle randomisiert-kontrollierte Studie fand für solide Pankreasläsionen
keine signifikanten Unterschiede zwischen der diagnostischen Effektivität und Sicherheit
von flexiblen 19 G-Nadeln und 25 G-Standardaspirationsnadeln. Allerdings waren mit
der dickeren Nadel signifikant häufiger histologische Gewebezylinder zu gewinnen [1639].
Ein von der Lokalisation der Zielläsion abhängiger Algorithmus für den Einsatz von
Aspirationsnadeln unterschiedlichen Durchmessers (diagnostisch: transduodenal – 25
G, alle anderen Zugänge – 22 G; therapeutisch: transduodenal – 19 G hochflexibel,
alle anderen Zugänge 19 G Standard) hatte bei gleicher diagnostischer Effektivität
und bei gleicher Sicherheit in einer prospektiven unizentrischen Beobachtung eine
signifikant geringere Häufigkeit technischen Versagens als das retrospektiv ausgewertete
nicht lokalisationsabhängige Vorgehen [1638].
Stellenwert von histologisch untersuchbarem Material und „Histologienadeln“
Die Ergebnisse der meisten publizierten Studien zur EUS-FNP beziehen sich auf die
Untersuchung des gewonnenen Materials mit zytologischen Techniken. In den letzten
Jahren hat sich mit der Erweiterung des Indikationsspektrums der EUS-FNP, komplexen
differenzialdiagnostischen Fragestellungen und der Etablierung personalisierter onkologischer
Therapieansätze ein zunehmendes klinisches Bedürfnis nach der Gewinnung histologisch
untersuchbaren Materials entwickelt. Dem wurde mit der Entwicklung modifizierter Aspirationstechniken
und neuer Nadeltypen Rechnung getragen. Zum Stellenwert von Nadeltypen, die primär
auf die Gewinnung histologisch untersuchbaren Materials ausgerichtet sind, kann keine
evidenzbasierte Empfehlung gegeben werden.
Aspirationsnadeln mit invers angeschliffener Seitöffnung (ProCoreTM)
In einer multizentrischen prospektiven Studie ohne Kontrollarm konnte mit einer 19G-
Aspirationsnadel mit invers angeschliffener Seitöffnung (ProCoreTM) für verschiedene pankreatische und nonpankreatische Läsionen eine hohe diagnostische
Genauigkeit von 86 % erreicht werden, für die Diagnose maligner Raumforderungen von
92,9 % [1636]. Histologisch untersuchbares Material wurde in 88 – 89,5 % der Fälle mit der 19G-ProCore-Nadel
gewonnen [1636]
[1652], in 53 – 100 % der Fälle mit der 22 G-ProCore-Nadel [1641]
[1653]
[1654]
[1655] und in 32 % der Fälle mit der 25 G-ProCore-Nadel [1656]. Inzwischen sind mehrere Vergleichsstudien zu Standardnadeln publiziert worden,
die für die EUS-FNP solider Pankreasläsionen insgesamt keine diagnostische Überlegenheit
des neuen Nadeltyps aufzeigen konnten [1638]
[1657]
[1658]
[1659]
[1660]
[1661]. Nur eine randomisierte prospektiv-kontrollierte Studie fand für die EUS-FNP von
subepithelialen Tumoren des GI-Trakts einen Vorteil der 22 G-ProCore-Nadel gegenüber
der 22 G-Standardaspirationsnadel in Bezug auf die Häufigkeit histologisch untersuchbarer
Gewebefragmente und damit diagnostisch suffizienter Biopsien [1662]. Eine bisher nur als Abstract vorliegende Metaanalyse schloss 21 Studien und Abstracts
ein, die die diagnostische Effektivität von ProCore-Nadeln und Standardaspirationsnadeln
an insgesamt 1617 Patienten (darunter 641 Fälle mit Pankreastumoren) verglichen. Die
Autoren fanden keine signifikanten Vorteile eines der beiden Nadeltypen in Bezug auf
diagnostischen Ertrag, diagnostische Genauigkeit, Gewinnung histologisch untersuchbarer
Gewebefragmente oder mittlere Anzahl von Punktionsvorgängen. Dies galt für Nadeln
aller 3 Durchmesser (19 G, 22 G, 25 G) [1663].
19G-Trucut-Nadeln (QuickCoreTM)
Mit 19 G-Trucut-Nadeln können histologisch untersuchbare Gewebezylinder in 74 – 100 %
der Fälle gewonnen werden [1593]
[1594]
[1595]. Die Nadel ist sehr steif und weist insbesondere bei abgewinkelter Spitze des Echoendoskops
erhebliche technische Probleme auf. Transduodenale Biopsien waren daher in den meisten
Studien primär ausgeschlossen und in anderen Studien nur in 9 – 40 % der Fälle erfolgreich.
Vergleichende Studien ergaben keinen diagnostischen Vorteil der 19 G-Trucut-Nadel
gegenüber der EUS-FNP mit einer 22 G-Aspirationsnadel [1593]
[1594]
[1595]. Wegen des Fehlens überzeugender Vorteile und der technischen Probleme hat sich
dieser Nadeltyp in der klinischen Praxis nicht durchsetzen können.
Standardaspirationsnadeln
Die Gewinnung von histologisch untersuchbaren Gewebezylindern gelingt auch mit Standardaspirationsnadeln
in einem hohen Prozentsatz: mit 25 G-Aspirationsnadeln in 44 – 90 % der Fälle [1556]
[1639]
[1664]
[1665], mit 22 G-Nadeln in 28 – 96 % der Fälle [1635]
[1666]
[1667]
[1668]
[1669]
[1670]
[1671]
[1672]
[1673] und mit 19 G-Nadeln in 79 – 100 % der Fälle [1637]
[1639]
[1674]
[1675]
[1676]
[1677]
[1678]. Daten für eine neu speziell für die Gewinnung histologisch untersuchbarer Aspirate
entwickelte Nadel mit schnabelartiger Spitzenkonfiguration (SharkCoreTM) sind bisher nicht publiziert.
Größe histologisch untersuchbarer Gewebezylinder
Für 19 G-Trucut-Nadeln wurde eine mittlere Länge der Gewebezylinder von 10 mm (2 – 18 mm)
berichtet [1679], für 19 G-Standardaspirationsnadeln von median 15,7 mm (untere Quartile 6,8 mm,
obere Quartile 25,1 mm) [1675] bzw. median 8 mm (4 – 12 mm) [1680], und für die 22 G-Standardaspirationsnadel von 6,5 ± 5,3 mm (1 – 22 mm) [1671]. Eine kürzlich publizierte Studie fand, dass bei einer Fragmentlänge von ≥ 4 mm
in 89 % der Fälle das mit einer 19 G-Standardaspirationsnadel gewonnene Material tatsächlich
histologisch untersuchbar war [1680]. Für die Aspirationsnadeln mit invers angeschliffener Seitöffnung (ProCoreTM) sowie die Aspirationsnadeln mit schnabelartiger Spitzenkonfiguration (SharkCoreTM) sind bisher keine Angaben zur Größe des gewonnen Gewebezylinders publiziert.
Empfehlung
Bei Indikation für erweiterte pathologische Untersuchungen sollten EUS-Punktionsnadeln
und/oder Punktionstechniken verwendet werden, die die Möglichkeit bieten Gewebezylinder
zu gewinnen.
Starker Konsens
Kommentar
Die zur Ausstrichzytologie ergänzend durchgeführte Asservierung und histologische
Verarbeitung von kleinen Gewebezylindern verbesserte in einer großen retrospektiven
multizentrischen Studie tendenziell die Charakterisierungsmöglichkeit von Pankreasneoplasien
[1672]. In einer anderen retrospektiven Studie, die für mit 22 G-Aspirationsnadeln gewonnenes
Material eine rein zytologische Aufarbeitung (Ausstrichzytologie und Zellblock, n = 130)
mit einer histologischen Standardaufarbeitung (Formalinfixierung, Paraffineinbettung
und serielle Schnitte, n = 130) verglich, standen in der Histologiegruppe in 67,9 %,
in der Zytologiegruppe dagegen nur in 27,6 % der Fälle mit definitiver Diagnose Mikrozylinder
mit in Stroma eingebetteten Tumorzellverbänden und erhaltener Gewebearchitektur zur
Verfügung. In den Fällen mit einer benignen Diagnose fand sich nach histologischer
Aufarbeitung ein adäquater Mikrozylinder in 76,7 % der Fälle, nach zytologischer Aufarbeitung
jedoch nur in 22,2 % der Fälle. Daraus ergaben sich diagnostische Vorteile insbesondere
in Fällen mit chronischer Pankreatitis, wo eine erhaltene lobuläre Architektur in
der Abgrenzung hilfreich in der Differenzialdiagnose zu einem gut differenzierten
Adenokarzinom war. Die Mikrozylinder erlaubten darüber hinaus zahlreiche immunhistochemische
Untersuchungen sowie nach Lasermikrodissektion molekularbiologische Untersuchungen
[1668].
Aus mediastinalen und abdominellen Lymphknoten konnten in zwei Studien einer japanischen
Arbeitsgruppe mit einer 19 G-Aspirationsnadel für histologische Methoden geeignete
Gewebezylinder gewonnen werden, die in 88 bzw. 89 % der Fälle mit der Diagnose eines
malignen Lyphoms durchflusszytometrische Untersuchungen und die immunhistochemische
Subtypisierung erlaubten [1676]
[1677]. Auch bei weiteren zytologisch schwierig zu diagnostizierenden Erkrankungen wurde
von verschiedenen Arbeitsgruppen über den Einsatz von 19 G-Aspirationsnadeln und 19
G-Trucut-Nadeln mit dem Ziel der Gewinnung histologisch und immunhistochemisch untersuchbarer
Gewebezylinder berichtet, insbesondere bei Autoimmunpankreatitis [1680]
[1681]
[1682]
[1683], subepithelialen Tumoren und unklaren Wandverdickungen des GI-Trakts [1684]
[1685]
[1686]
[1687]
[1688]
[1689], granulomatösen Lymphknotenerkrankungen [1690]
[1691]
[1692], Leberparenchymerkrankungen [1693]
[1694]
[1695] und seltenen Pankreasneoplasien [1696].
Empfehlung
Die EUS-FNP mit Standardaspirationsnadeln kann auch ohne Verwendung eines Mandrins
durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Alle kommerziell angebotenen Aspirationsnadeln sind mit einem Innenmandrin armiert,
der nach erfolgter Punktion zur Gewebsaspiration entfernt wird. Traditionell wird
vor jeder neuen Nadelpassage der Mandrin erneut in die Nadel eingeführt, um eine Kontamination
oder Verlegung des Nadellumens mit Fremdgewebe aus dem Punktionsweg zu vermeiden.
Mehrere Untersuchungen aus den letzten Jahren stellen dieses Vorgehen jedoch infrage
und haben keinen Nachteil einer Punktion ohne Mandrin beweisen können [1697]
[1698]
[1699]
[1700]
[1701]. Eine prospektive, nicht randomisierte Studie berichtete unter primärer Punktion
ohne Mandrin eine erhöhte Materialausbeute und geringere Blutkontamination [1701]. Zwei randomisierte, prospektiv-kontrollierte Studien mit Verblindung des Zytopathologen
gegenüber der Punktionstechnik ergaben zwischen der EUS-FNP mit bzw. ohne Verwendung
eines Mandrins keine signifikanten Differenzen bezüglich der diagnostischen Ausbeute,
des Anteils an inadäquaten Proben, ihrer Zellularität, Fremdzellkontamination oder
Blutkontamination [1698]
[1699]. In einer weiteren randomisierten prospektiv-kontrollierten multizentrischen Cross-over-Studie
wurde auch für die Gewinnung histologisch untersuchbarer Gewebefragmente aus verschiedenen
Zielläsionen (55,5 vs. 55,0 %) kein Vorteil für die EUS-FNP ohne Mandrin gegenüber
dem Vorgehen mit Mandrin ermittelt [1874].
Empfehlungen:
Die EUS-FNP solider Läsionen kann mit oder ohne Ausübung von Sog durchgeführt werden.
Solide Pankreasläsionen sollten im Regelfall mit Sog (Unterdruck mittels Aspirationsspritze
oder Slow-pull-Technik) aspiriert werden.
Starker Konsens
Bei der EUS-FNP von Lymphknoten und anderen hypervaskulären Läsionen kann die EUS-FNP
ohne Sog eine die zytologische Diagnose beeinträchtigende Blutkontamination verhindern.
Starker Konsens
Zysten, Ergüsse und andere liquide Läsionen sollen unter kontinuierlichem Sog aspiriert
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Traditionell wird während der EUS-FNP mit einer auf die Nadel aufgesetzten Spritze
(5 – 20 ml) ein Unterdruck in der Nadel hergestellt, um die Aspiration von Material
zu erleichtern. Alternativ kann die Materialaufnahme in Aspirationsnadeln ohne Sog
alleine durch die Nadelbewegungen in der Läsion in Verbindung mit den Kapillarkräfte
des schmalen Nadellumens [1702] oder durch Erzeugung eines minimalen Soges durch langsamen Rückzug des Mandrins
(„slow pull“-Technik) erreicht werden [1655]. Eine frühe experimentelle Studie an Autopsiematerial aus einem mediastinalen Lymphknoten
konnte zeigen, dass ein kontinuierlich mit einer 10 ml-Spritze applizierter Sog zu
zellreicheren und qualitativ besseren Aspiraten führt als intermittierender Sog oder
Aspiration mit Spritzenvolumina von 20 ml oder 30 ml [1703]. Nachteil der Aspiration mit Unterdruck ist, dass es bei der Punktion stark vaskularisierter
Läsionen zu einer ausgeprägten Blutkontamination des Aspirates mit Beeinträchtigung
der zytologischen Diagnosefindung kommen kann [1704]. Eine experimentelle Studie verglich die an der Spitze traditioneller Aspirationsnadeln
und von Nadeln mit invers angeschliffenem Seitloch wirkenden Aspirationskräfte für
alle drei verfügbaren Nadeldurchmesser mit Sogvolumina von 50 und 20 ml sowie mit
der „Slow-pull“-Technik. Die an der Nadelspitze gemessenen Aspirationskräfte nahmen
sowohl mit dem Nadeldurchmesser als mit dem anliegenden Sogvolumen zu. Die “Slow-pull”-Technik
erzeugte im Vergleich zur Aspiration mit einer 20 ml-Spritze nur einen sehr geringen
negativen Aspirationsdruck (1,4 – 4,8 % abhängig vom Nadeldurchmesser). Mit dickeren
Nadeln wurde die maximale Aspirationskraft deutlich schneller erreicht als mit dünneren
Nadeln (z. B. mit 20 ml Sog: 19G: 4 s, 22G: 11s; 25G: 80 s) [1705].
Lymphknoten
Eine randomisierte prospektiv-kontrollierte Studie bei Patienten mit Lymphadenopathie
konnte zeigen, dass die Applikation von Unterdruck während der EUS-FNP zwar die Zellularität
der Aspirate verbesserte, nicht jedoch die Wahrscheinlichkeit, eine korrekte Diagnose
zu erhalten. Mit Sog aspirierte Präparate waren deutlich blutiger und von schlechterer
diagnostischer Qualität [1706]. Andere Studien zeigten für die EUS-FNP und EBUS-TBNA mit und ohne Sog von Lymphknoten
keine signifikanten Unterschiede von Aspiratqualität und diagnostischer Genauigkeit
[1702]
[1707].
Solide Pankreasläsionen
In einer kleinen randomisierten prospektiv-kontrollierten Studie verbesserte die Aspiration
mit einer 10ml-Spritze im Vergleich zur Punktion ohne Sog bei der EUS-FNP solider
Raumforderungen (vorwiegend des Pankreas) signifikant Materialausbeute, Sensitivität
und negativ prädiktiven Wert, ohne dass gleichzeitig die Blutkontamination zunahm
[1708]. Übereinstimmend zeigte eine prospektiv-vergleichende Studie, dass die Präparate
der EUS-FNP solider Pankreasraumforderungen bei Applikation von Unterdruck zwar geringfügig
blutiger waren, aber andererseits diagnostische Ausbeute, Zellularität, diagnostische
Sensitivität und Genauigkeit durch die Applikation von Sog im Vergleich zur EUS-FNP
ohne Unterdruck signifikant verbessert wurden [1709]. In einer multizentrischen randomisiert-kontrollierten Studie zur EUS-FNP solider
Pankreasläsionen mit 22 G-Aspirationsnadeln waren mit 20 ml Sog die Aspirate signifikant
häufiger adäquat und die diagnostische Genauigkeit höher (87,5 bzw. 86,2 %) als bei
Aspiration mit 10 ml Sog (76,1 bzw. 69,0 %) oder ohne Sog (45,4 bzw. 49,4 %) [1710]. In einer retrospektiven Studie zur EUS-FNP solider Pankreasläsionen mit “Slow-pull”-Technik
oder Aspiration unterschieden sich bei Nutzung von 22 G-Nadeln diagnostische Sensitivität
und Blutkontamination nicht. Für die Untergruppe von Punktionen mit der 25G-Nadel
wurde mit “slow pull” eine geringere Blutkontamination und signifikant höhere diagnostische
Sensitivität berichtet [1711].
Zystische Pankreasläsionen
Um Infektionen vorzubeugen, sollte der Inhalt zystischer Läsionen nach Möglichkeit
komplett entleert werden. Der visköse Inhalt muzinöser Neoplasien lässt sich oft nur
mit höheren Sogvolumina absaugen.
Empfehlung
Das bei der EUS-FNP gewonnene Material kann sowohl mit einem Mandrin als auch durch
Aussprühen mit Luft aus der Nadel entfernt werden.
Alternativ kann in Abhängigkeit von der zytopathologischen Weiterverarbeitung mit
NaCl 0,9 % oder Cytolyt ausgespült werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Technik der Materialentfernung aus der Aspirationsnadel liegen kaum publizierte
Daten vor. In einer prospektiv-vergleichenden Studie bestanden zwischen mit dem Mandrin
aus der Nadel entfernten bzw. mit einer luftgefüllten Spritze auf den Objektträger
ausgeblasenen Material keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf diagnostische
Ausbeute, Zellularität, diagnostische Sensitivität, Spezifität und Genauigkeit. Die
Blutkontamination des mit dem Mandrin aus der Nadel entfernten Material war gering,
aber signifikant deutlicher ausgeprägt als die des ausgeblasenen Materials [1709].
Empfehlung
In Zentren, in denen die Ausbeute an diagnostisch adäquatem Material bei der EUS-FNP
unbefriedigend ist, sollten der gesamte Prozess der EUS-FNP (Materialgewinnung, Materialverarbeitung,
zytopathologische Befundung) analysiert und Maßnahmen zur Verbesserung der diagnostischen
Effizienz geprüft werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Steuerung der Anzahl der für eine zuverlässige diagnostische Aussage erforderlichen
Nadelpassagen bei der EUS-FNP ist entweder durch Vor-Ort-Zytologie durch Zytopathologen,
Zytotechniker oder zytologisch geschulte Endosonografiker, durch makroskopisch-visuelle
Beurteilung des gewonnenen Materials oder durch Orientierung an Literaturangaben über
die für verschiedene Zielläsionen optimale Anzahl von Punktionsvorgängen möglich.
Makroskopisch-visuelle Beurteilung
Ob die makroskopisch-visuelle Beurteilung des Aspirates durch den Endosonografiker
oder einen Zytologieassistenten hinreichend ist, um die Anzahl der Nadelpassagen zu
steuern, ist unzureichend geklärt. In einer randomisierten, prospektiv-kontrollierten
und doppelt verblindeten Studie kam es in 27 % der Fälle zu falsch positiven Einschätzungen
der diagnostischen Aussagefähigkeit der bei der EUS-FNP solider Pankreasläsionen gewonnenen
Ausstriche durch Zytologie- oder Endoskopieassistenten [1712]. Eine multizentrische retrospektive Studie beschrieb dagegen, dass die von erfahrenen
Endosonografikern zur Steuerung der Anzahl der Nadelpassagen bei der EUS-FNP solider
Pankreasläsionen vorgenommene makroskopische Einschätzung der diagnostischen Ergiebigkeit
des Materials für zytologische Ausstriche nur in 7,3 % und für histologisch untersuchbares
Material nur in 13,5 % der Fälle falsch positiv war [1672]. Ebenfalls in einer multizentrischen Studie gelang mehreren Pathologen mit hoher
Zuverlässigkeit die makroskopisch-visuelle Differenzierung zwischen diagnostisch unergiebigem
und für eine zytologische Diagnose ausreichendem FNP-Material [1713].
Vor-Ort-Zytologie
Vor-Ort-Zytologie ist logistisch, materiell und zeitlich aufwändig und nur unter bestimmten
Voraussetzungen diagnostisch und kosteneffektiv [1714]
[1715]. Im Gegensatz zum nahezu flächendeckenden Einsatz an US-amerikanischen Zentren [1716]
[1717] ist sie in Europa und insbesondere in Deutschland auch aufgrund der zunehmenden
Konzentration und Dezentralisierung der zytopathologischen Labore nur an wenigen Zentren
etabliert [1718]. Für ROSE werden ausgewählte Ausstriche luftgetrocknet, eine Schnellfärbung durchgeführt
und durch einen vor Ort anwesenden Zytopathologen, einen Zytologieassistenten oder
einen zytologisch trainierten Untersucher selbst beurteilt. Die EUS-FNP wird so lange
fortgesetzt, bis adäquates Material gewonnen worden ist. Das Ziel der Vor-Ort-Zytologie
geht über die Sofortbeurteilung der Qualität und Adäquatheit der gewonnenen Aspirate
im Untersuchungsraum hinaus. Sie ermöglicht darüber hinaus eine – gemessen an der
endgültigen zytopathologischen Diagnose – sehr verlässliche vorläufige Diagnose. In
vier großen Studien differierte die vorläufige Vor-Ort-Diagnose nur in 5,8, 8,4, 9,6
bzw. 11,5 % von der endgültigen Diagnose [1719]
[1720]
[1721]
[1722].
Ausreichend trainierte Endosonografiker können in der Beurteilung von diagnostischer
Aussagefähigkeit des gewonnenen Materials und Dignität eine mit Zytopathologen vergleichbare
Effektivität erreichen [1721]
[1722]
[1723]
[1724]
[1725]. Ein 2-tägiges strukturiertes zytopathologisches Training von Endosonografikern
hat das Potenzial, die Ergebnisse der EUS-FNP zu verbessern [1726].
Mehrere retrospektive Vergleichsstudien legen nahe, dass eine telezytopathologisch
gestützte Befundung während der EUS-FNP solider Pankreasläsionen eine mit ROSE vergleichbare
Genauigkeit aufweist [1727]
[1728]
[1729]
[1730]
[1731].
Die Annahmen, dass ROSE den Zeitbedarf der EUS-FNP vermindert, deren diagnostische
Genauigkeit und Effizienz erhöht, sowie kosteneffizient ist, beruhen allerdings auf
einer wenig verlässlichen Datenlage. Retrospektive Studien und mathematische Modelle
geben Hinweise darauf, dass ROSE die Anzahl für die Diagnose erforderlicher Nadelpassagen
reduziert und den diagnostischen Ertrag der EUS-FNP um 10 – 15 % verbessert [1724]
[1732]
[1733]
[1734]
[1735]
[1736]
[1737]. In einer großen multizentrischen Studie war nur der negative prädiktive Wert der
EUS-FNP extraintestinaler Raumforderungen in den 2 Zentren mit Vor-Ort-Zytologie signifikant
höher als in den beiden anderen Zentren ohne verfügbare Vor-Ort-Zytologie. Sensitivität,
Spezifität, Genauigkeit und positiver prädiktiver Wert der EUS-FNP extraintestinaler
Raumforderungen unterschieden sich dagegen nicht, für Lymphknoten und gastrointestinale
Wandläsionen bestanden überhaupt keine Unterschiede zwischen Zentren mit bzw. ohne
ROSE [1738]. Ein Vorteil nicht nur für Materialausbeute und Anzahl erforderlicher Nadelpassagen,
sondern auch für die diagnostische Sensitivität und Genauigkeit der EUS-FNP solider
Pankreasläsionen wurde bisher nur in einer großen unizentrischen retrospektiven Studie
aus Spanien berichtet, die weder randomisiert noch verblindet war [1739]. In einem systematischen Review und Metaanalyse unter Einschluss der 5 Studien,
die EUS-FNP mit und ohne vorläufige zytologische Sofortbewertung des gewonnenen Materials
im Untersuchungsraum verglichen haben, wurde eine signifikante Verbesserung des Anteils
adäquaten Materials (um durchschnittlich 10 %) nachgewiesen, jedoch kein Vorteil für
die diagnostische Genauigkeit oder die Anzahl der Nadelpassagen. Dieser Vorteil bestand
nur an Zentren, an denen ohne ROSE der Ertrag der EUS-FNP an diagnostisch verwertbarem
Material niedrig war (< 90 %) [1740]. Drei Metaanalysen, die Ergebnisse prospektiver und retrospektiver Fallserien mit
und ohne Vor-Ort-Zytologie miteinander verglichen, kamen zu widersprüchlichen Schlussfolgerungen
[1737]
[1741]
[1742]. In nur einer Metaanalyse erwies sich die Vor-Ort-Zytologie als signifikanter Einflussfaktor
auf die Genauigkeit der Diagnose duktaler Adenokarzinome des Pankreas [1741]. In einer zweiten ähnlich angelegten Metaanalyse blieb der Einfluss der Vor-Ort-Zytologie
auf die diagnostische Genauigkeit ohne statistische Signifikanz [1742], und in einer dritten Metaanalyse wurde die Erhöhung des Anteils adäquater Nadelpassagen
um 2,3 %, nicht jedoch eine Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit berichtet
[1740]. Zahlreiche Europäische und Japanische Zentren haben belegen können, dass auch ohne
Vor-Ort-Zytologie in weit über 90 % der Fälle diagnostisch relevantes Material gewonnen
werden kann [1672]
[1743]
[1744]
[1745].
Anzahl der Nadelpassagen
Die Literaturangaben über die zur Erzielung eines optimalen diagnostischen Ergebnisses
erforderliche Anzahl von einzelnen Punktionsvorgängen (Nadelpassagen) sind nicht konsistent.
Von den meisten Autoren wird für Lymphknoten, Leberherde und Läsionen der linken Nebenniere
eine geringere Anzahl von Nadelpassagen (2 – 3) angegeben als für solide Pankreasläsionen
(4 – 7 Nadelpassagen) [1593]
[1594]
[1595]. Eine prospektive Studie ermittelte für alle Läsionstypen eine noch höhere Anzahl
erforderlicher Nadelpassagen (Pankreas und verschiedene andere Läsionen: mindestens
7 und Lymphknoten mindestens 5) [1746]. Andere Autoren konnten dagegen an großen Patientenkollektiven zeigen, dass unter
bestimmten Bedingungen 1 – 2 [1672] bzw. 2 – 3 [1734] Nadelpassagen ausreichen können, um eine hohe diagnostische Effizienz der EUS-FNP
solider Pankreasraumforderungen zu gewährleisten. Eine prospektive randomisiert-kontrollierte
Studie zeigte kürzlich, dass mit einer fächerförmigen Punktionstechnik, bei der die
Nadel in unterschiedlichen Einstichwinkeln mehrfach unterschiedliche Anteile der Läsion
passiert, die Anzahl von Nadelpassagen reduziert werden kann [1747]. Als Faktoren, die mit einer verminderten Sensitivität für die Diagnose solider
Pankreasneoplasien einhergehen, wurden in verschiedenen Untersuchungen eine geringe
Größe der Läsion [1711]
[1735]
[1748], ein hoher Differenzierungsgrad [1749] und das Vorliegen einer chronischen Pankreatitis [1750]
[1751]
[1752] identifiziert.
Zytopathologische Verarbeitung
Die Kombination der Ausstrichzytologie mit der Verarbeitung und Untersuchung von Zellblöcken
bzw. kleinen Gewebefragmenten nach histologischen Kriterien hat sich in verschiedenen
Untersuchungen als geeignet erwiesen, gegenüber der alleinigen Ausstrichzytologie
einen signifikanten Zuwachses an diagnostischer Sensitivität zu erreichen [1593]
[1594]
[1595]. In einer großen deutschen retrospektiven 3-Zentren-Studie erhöhte die Kombination
der zytologischen Untersuchung der in 92,7 % der Fälle adäquaten Ausstrichzytologie
mit der histologischen Untersuchung von in 86,5 % der Fälle mit der gleichen 22 G-Nadel
gewonnenen kleinen Gewebezylindern die Sensitivität für die Diagnose einer malignen
Pankreasraumforderung (82,9 %) sowohl im Vergleich zur alleinigen Ausstrichzytologie
(68,1 %) als auch zur alleinigen histologischen Beurteilung (60 %) hochsignifikant
[1672]. An 22 G-EUS-FNP-Präparaten aus soliden Pankreasläsionen konnten mit einer rein
histologischen Aufarbeitung des Materials (Formalinfixierung, Paraffineinbettung und
serielle Schnitte) bei identischer diagnostischer Genauigkeit eine im Vergleich zur
zytologischer Verarbeitung (Ausstriche und Zellblock) verkürzte Diagnosezeit und geringere
Kosten erreicht werden [1668]. In einer großen japanischen Serie wurde belegt, dass die Kombination von Ausstrichzytologie
und Zellblock signifikant bessere diagnostische Aussagen ermöglichte als die alleinige
Ausstrichzytologie [1735]. Übereinstimmend ergaben die Ergebnisse einer internationalen Umfrage bei Endosonografikern,
dass neben der Fallzahl des Zentrums und der Nutzung von ROSE zur Bestimmung der optimalen
Anzahl von Nadelpassagen oder alternativ der routinemäßigen Durchführung von mindestens
7 Nadelpassagen die regelhafte Asservierung von kleinen Gewebezylindern zur histologischen
Aufarbeitung unabhängig mit einer Sensitivität der EUS-FNP > 80 % assoziiert war [1718]. Für die meisten Indikationen der EUS-FNP sind zytologische und histologische Methoden
komplementär. Während die Ausstrichzytologie für die Beurteilung zellulärer und nukleärer
Malignitätscharakteristika überlegen ist, bietet die histologische Aufarbeitung von
Zellblockmaterial oder kleinen Gewebefragmenten Vorteile, wenn beispielsweise bei
selteneren Pankreastumoren, subepithelialen Tumoren, unklaren Lymphadenopathien und
seltenen benignen Erkrankungen immunhistochemische Färbungen oder molekularbiologische
Verfahren differenzialdiagnostisch bedeutsam sind [1668]
[1671]
[1672]
[1676]
[1677]
[1681]
[1683]
[1685]
[1689]
[1692]
[1696]
[1735]
[1753]
[1754]
[1755]
[1756]
[1757]
[1758]
[1759]
[1760].
Expertise des Endosonografikers/Zytopathologen
Erfahrungen, Fertigkeiten und Kenntnisse sowohl des Endosonografikers als auch des
Zytopathologen haben eine Schlüsselrolle für die Ergebnisse der EUS-FNP. Eine große
multizentrische Studie zeigte, dass die Genauigkeit der EUS-FNP in der zweiten Phase
der Untersuchung (Januar 1994 bis Februar 1995, n = 226) mit 92 % signifikant höher
war als in der ersten Periode (Januar 1991 bis Dezember 1993, n = 193: 80 %) [1738]. Die publizierte Lernkurve eines Endosonografikers mit initial geringer Erfahrung
zeigt, dass die Durchführung von mindestens 50 EUS-FNP erforderlich ist, um konstant
eine diagnostische Sensitivität > 90 % für die Diagnose duktaler Adenokarzinome des
Pankreas zu erreichen [1761]. In einer anderen Analyse setzte sich nach 45 supervidierten pankreatischen EUS-FNP
die Lernkurve bei Durchführung von 300 weiteren EUS-FNP mit Abnahme der Anzahl erforderlicher
Nadelpasssagen und der Komplikationsrate fort [1762].
Auch die Expertise des Zytopathologen ist für die diagnostische Effektivität der EUS-FNP
entscheidend. Eine Studie demonstrierte überzeugend, dass nach einer kurzen intensiven
Trainingsperiode erfahrene Allgemeinpathologen mit nur geringer Erfahrung mit der
EUS-FNP in einer steilen Lernkurve die Reproduzierbarkeit ihrer zytologischen Diagnosen
an Aspiraten aus mediastinalen Lymphknoten signifikant verbessern konnten [1763]. Die Erfahrung eines großen US-amerikanischen akademischen Endosonografiezentrums
zeigt eine Abhängigkeit der gemeinsamen Lernkurve von Endosonografikern und Zytopathologen
mit der EUS-FNP sowohl von der Zielläsion als auch von der Vorerfahrung des Zytopathologen.
Eine akzeptable Kumulativrate diagnostisch unklarer oder fehlerhafter Befunde von
jeweils < 10 % wurde bereits nach Durchführung von 48 EUS-FNP bei Lymphadenopathie
erreicht, aber erst nach 171 (diagnostisch unklare Befunde < 10 %) bzw. 186 (Fehldiagnosen
< 10 %) EUS-FNP von Pankreasläsionen. Ein bereits in der EUS-FNP erfahrener gastroenterologischer
Pathologe unterschritt die kritische Fehlergrenze von 10 % bereits nach 50 EUS-FNP,
zwei weniger erfahrene Pathologen erst nach 88 bzw. 113 EUS-FNP [1764].
4.9.3.3 Adjuvante Techniken
In den letzten Jahren sind mehrere adjuvante EUS-Technologien zur non-invasiven Gewebecharakterisierung
entwickelt worden, Die digitale Textur- und Grauwertanalyse nativer EUS-Bilder und
die EUS-Spektroskopie haben sich bisher trotz einer in Studien berichteten sehr hohen
Genauigkeit in der Differenzialdiagnose solider Pankreasparenchymläsionen und vergrößerter
Lymphknoten [1765]
[1766]
[1767]
[1768] in der klinischen Praxis nicht durchsetzen können. Dagegen sind die endosonografische
Real-time-Elastografie und die kontrastverstärkte Endosonografie inzwischen kommerziell
verfügbar und werden bei verschiedenen Indikationen eingesetzt [1591]
[1769]
[1770]
[1771]
[1772].
Real-time-Elastografie
Entzündliche und fibrotische Veränderungen sowie neoplastische Infiltrationen verändern
Struktur und Elastizität von Geweben. Verschiedene elastografische Techniken sind
geeignet, relative Veränderungen der Gewebeelastizität zu visualisieren und zu messen.
Endosonografisch ist bisher das Verfahren der Strain-Elastografie verfügbar, bei dem
die durch Kompression verursachte Deformation („Strain“) von Geweben innerhalb einer
„Elastizitätsbox“ ermittelt und durch eine dem Grauwertbild überlagerte transparente
Farbskala real-time visualisiert wird. Mit hoher Ortsauflösung wird so die relative
Beurteilung der Härte bzw. Elastizität von Geweben durch Farbkodierung auf einer Skala
von blau (= hart) über grün und gelb bis rot (= weich) ermöglicht. Die Gewebekompression
wird durch physiologische Pulsationen benachbarter vaskulärer Strukturen verursacht,
kann aber auch durch geringe Bewegungen des Transducers erzeugt werden. Die Elastizitätsbox
muss hinreichend groß eingestellt werden, um sowohl die Läsion als auch umgebendes
Referenzgewebe zu umfassen. Die Beurteilung kann rein visuell-qualitativ ggf. unter
Nutzung von Scoresystemen erfolgen. Der Vergleich zwischen zwei verschiedenen Messbereichen
(regions of interest, ROI) innerhalb der Elastizitätsbox (z. B. einer Pankreasraumforderung
und dem angrenzenden Pankreasparenchym) erlaubt die quantitative Ermittlung der Strain
Ratio. Eine weitere Quantifizierungsmethode ist die Mittlung der in einzelnen Bildpunkten
innerhalb der ROI gemessenen Gewebeelastizitäten mit einem computeranalysierten Farbhistogramm
[1591]
[1769]
[1773]. Die endosonografische Elastografie kann sowohl mit radialen als auch mit longitudinalen
Echoendoskopen durchgeführt werden und wird bisher klinisch vor allem zur Charakterisierung
solider Pankreasläsionen, von Lymphknoten, von Läsionen der gastrointestinalen Wand
und des analen Sphinkterapparates eingesetzt [1769]
[1772].
Empfehlung
Die endosonografische Elastografie kann als komplementäre Methode zur Charakterisierung
fokaler Pankreasläsionen eingesetzt werden.
Konsens
Kommentar
Das gesunde Pankreasparenchym einschließlich der echoarmen ventralen Pankreasanlage
stellt sich elastografisch mit einer relativ homogenen mittleren Gewebehärte dar.
Maligne Tumoren, einige benigne Tumoren (mikrozystisches seröses Zystadenom, neuroendokrine
Tumoren), aber auch ein Teil chronisch entzündlicher Veränderungen grenzen sich gegenüber
dem umgebenden Parenchym durch ihre höhere Gewebehärte deutlich ab. Zwei multizentrische
Studien haben für die Differenzialdiagnose zwischen malignen und benignen soliden
Pankreasraumforderungen unter Nutzung einer computergestützten neuronalen Netzwerkanalyse
der Farbhistogrammwerte eine sehr hohe Sensitivität (93,4 bzw. 87,6 %) und einen sehr
hohen positiven prädiktiven Wert (PPV, 92,5 bzw. 96,3 %) ermitteln können, während
Spezifität (66 bzw. 82,9 %) und negativer prädiktiver Wert (NPV, 68,9 bzw. 57,2 %)
geringer waren [1774]
[1775]. Die in 3 Studien ermittelte Interobservervariabilität erwies sich mit Kappa-Werten
von 0,72 – 0,785 als gut [1774]
[1776]
[1777]. Fünf Metaanalysen, die teilweise auch bisher nicht voll publizierte Abstracts in
die Analyse einbezogen haben, errechneten übereinstimmend eine gepoolte Sensitivität
der endosonografischen Elastografie in der Differenzialdiagnose solider Pankreasläsionen
von 95 – 97 % (qualitative Elastografie 98 – 99 %; quantitative Elastografie 85 – 96 %),
während die gepoolte Spezifität zwischen 67 und 76 % (qualitative Elastografie 69 – 74 %;
quantitative Elastografie: 64 – 76 %) angegeben wurde [1778]
[1779]
[1780]
[1781]
[1782]. In Studien, in denen die Beurteilung auf der Grundlage einer Farbhistogrammanalyse
erfolgte, wurden keine besseren Ergebnisse erzielt als in Studien, die qualitative
Kriterien oder die Strain-Ratio zur Klassifikation einsetzten [1781]. Eine weitere Metaanalyse bewertete den Stellenwert der EUS-Elastografie für die
Differenzierung zwischen duktalem Pakreaskarzinom und inflammatorischen Raumforderungen
und fand erneut hohe diagnostische Sensitivitäten (qualitative Elastografie 99 %,
quantitative Elastografie 92 %) und diagnostische Odds ratios (130 und 24,7), jedoch
nur mäßig gute Spezifitäten (qualitative Elastografie 76 %, quantitative Elastografie
68 %) [1783].
Übereinstimmend schlussfolgern die Autoren der Metaanalysen und einer Leitlinie der
European Federation of Societies for Ultrasound in Medicine (EFSUMB), dass die endosonografische
Elastografie eine wertvolle komplementäre Methode zur Charaktersierung von Pankreasraumforderungen
ist. Sie ersetzt nicht die zytopathologische Diagnostik durch EUS-FNP, sondern ist
eine sinnvolle Ergänzung und kann die Indikation zur EUS-FNP insbesondere bei für
ein duktales Adenokarzinom atypischen soliden Pankreasläsionen unterstützen [1772]
[1778]
[1779]
[1780]
[1781]
[1782]
[1783]. Ist umgekehrt eine solide Pankreasläsion aufgrund klinischer, bildgebender und
endosonografischer Kriterien verdächtig auf das Vorliegen eines Pankreaskarzinoms,
die EUS-FNP vermag jedoch Malignität nicht zu beweisen, sollte ein malignitätstypischer
Elastografiebefund insbesondere auch im Zusammenhang mit einem typischen Befund der
kontrastverstärkten Endosonografie klinische Managemententscheidungen dahingehend
beeinflussen, dass entweder die EUS-FNP wiederholt wird oder aber eine operative Therapie
erfolgt [1769]
[1772]
[1778]
[1779].
Empfehlung
In Ergänzung zu den etablierten B-Bild-Kriterien kann die endosonografische Elastografie
zur Charakterisierung von Lymphknoten (beispielsweise im Rahmen des Stagings gastrointestinaler
Tumoren) eingesetzt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Durch Identifikation von durch ihre hohe Gewebehärte für eine maligne Infiltration
suspekten Lymphknoten oder Lymphknotenarealen kann die endosonografische Elastografie
den zielgerichteten Einsatz der EUS-FNP unterstützen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine verlässliche endosonografische Lymphknotencharakterisierung ist Grundlage des
nodalen Stagings gastrointestinaler und anderer maligner Tumoren. Sie beruht primär
auf den klassischen B-Bild-Kriterien Größe, Echogenität, Echotextur, Form und Abgrenzbarkeit,
deren Genauigkeit allerdings begrenzt ist. Der komplette maligne Umbau von Lymphknoten
resultiert in einem Verlust der Lymphknotenelastizität, während fokale Infiltrationen
zu lokalisierten Gewebeverhärtungen innerhalb eines Lymphknotens führen [1769]. Eine Metaanalyse, die Ergebnisse von 7 Studien zusammenführte, kalkulierte eine
Sensitivität von 88 % und eine Spezifität von 85 % der endosonografischen Elastografie
für die Differenzierung zwischen benignen und malignen Lymphknoten [1784]. In zwei kürzlich publizierten Studien konnte gezeigt werden, dass die Nutzung der
Elastografie zur Verbesserung der Genauigkeit, insbesondere der Spezifität des endosonografischen
Nodalstagings von Patienten mit Ösophaguskarzinom führt [1785]
[1786], während in einer weiteren histologisch kontrollierten Untersuchung bei Patienten
mit Ösophagus- und Magenkarzinomen der durch endosonografische Elastografie gegenüber
der Charakterisierung anhand von B-Bild-Kriterien erzielte Zugewinn an Spezifität
nicht signifikant war [1787].
Die Interobservervariabilität der elastografischen Lymphknotenklassifikation wurde
mit unterschiedlichem Ergebnis in 3 Studien bewertet, deren Goldstandard die Ergebnisse
der EUS-FNP waren. Eine multizentrische Studie fand eine gute (Kappa 0,657) [1776], eine unizentrische Studie sogar eine exzellente (Kappa 0,84) [1788] Untersucherübereinstimmung. In einer weiteren Studie erwies sich die Untersucherübereinstimmung
für ein definiertes Scoringsystem als deutlich geringer (Kappa 0,35) als für die qualitative
Bewertung anhand des elastografischen Bildeindrucks (Kappa 0,58) und für die Nutzung
der Strain Ratio (Kappa 0,59) [1789].
Kontrastverstärkte Endosonografie (CE-EUS)
CE-EUS kann in zwei verschiedenen Techniken durchgeführt werden: unter Nutzung des
Power- oder Farbdopplers mit hohem mechanischem Index (contrast-enhanced high mechanical
index-EUS, CEHMI-EUS) [1790] und unter Erzeugung harmonischer Schwingungen der Kontrastverstärkerbläschen mit
niedrigem mechanischem Index (contrast-enhanced low mechanical index-EUS, CELMI-EUS
oder contrast-enhanced harmonic-EUS CEH-EUS) [1791]
[1792]. Beide Verfahren ergänzen einander in der Beurteilung der Vaskularisation von normalem,
entzündlich verändertem und neoplastischem Gewebe: während CELMI-EUS die Perfusion
in der Endstrombahn darstellt (Mikrovaskularität), wird mit CEHMI-EUS die Gefäßdarstellung
in kleinen Arterien und Venen gegenüber dem nativen Powerdoppler oder Farbdoppler
deutlich verbessert (Makrovaskularität) [1793]
[1794]. CE-EUS kann sowohl mit longitudinalen als auch mit radialen elektronischen Echoendoskopen
durchgeführt werden.
Bei CEHMI-EUS sollte das Dopplerfenster nach Möglichkeit die gesamte zu beurteilende
Läsion umfassen. Dopplerfrequenz und Gain sollten so hoch wie ohne Artefaktinduktion
möglich eingestellt werden. Es reicht die Injektion geringer Dosen (ca. 1 ml) des
Ultraschallkontrastverstärkers SonoVue® (Bracco) aus, um eine ausreichende Kontrastverstärkung im Powerdoppler oder Farbdopplermodus
zu erreichen. Neben einer qualitativen Perfusionsbeurteilung der Läsion im Vergleich
zu Nachbargewebe kann der pw-Doppler zur Differenzierung zwischen arteriellen und
venösen Gefäßen und zur Ermittlung des Widerstandsindex nach Pourcelot (Resistive
Index, RI) eingesetzt werden.
Bei CELMI-EUS wird geräteabhängig mit einem mechanischen Index von 0,08 – 0,3 gearbeitet.
Aufgrund der relativ hohen Schallkopffrequenz (5 MHz oder höher) ist bei den aktuell
zur Verfügung stehenden Geräten und Ultraschallkontrastmittel stets die intravenöse
Injektion der vollen Dosis (5 ml SonoVue®) erforderlich, während für die intrakavitäre Anwendung nur wenige Tropfen ausreichen.
Neben einer qualitativen Beurteilung der relativen Vaskularität bzw. des Enhancement
in der arteriellen und Spätphase im Vergleich zu Nachbargewebe (avaskulär, hypovaskulär,
isovaskulär, hypervaskulär bzw. fehlendes Enhancement, Hypoenhancement, Isoenhancement,
Hyperenhancement) sowie eines Gefäßmusters kann mit spezieller Software eine quantitative
Beurteilung durch Analyse der Zeit-Intensitäts-Kurven erfolgen (Time-intensity curves,
TIC) [1770]
[1771]. Publizierte Daten liegen zur Charakterisierung solider und zystischer Pankreasläsionen,
von Lymphknoten und von Läsionen der gastrointestinalen Wand vor [1771].
Empfehlung
Die kontrastverstärkte Endosonografie kann als komplementäre Methode zur Charakterisierung
solider und zystischer fokaler Pankreasläsionen eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Charakterisierung solider Pankreasläsionen
Die Sensitivität der Endosonografie für die Detektion von Pankreasläsionen ist sehr
hoch [1795]
[1796]
[1797] und im Vergleich zur Computertomografie vor allem bei kleineren Läsionen höher [1798]. Dagegen ist die Spezifität der B-Bild-Kriterien zur Differenzierung insbesondere
zwischen duktalem Adenokarzinom und pseudotumoröser chronischer Pankreatitis und Autoimmunpankreatitis,
aber auch zwischen verschiedenen Tumorentitäten relativ gering [1793]. Wie aus der radiologischen Bildgebung und der perkutanen kontrastverstärkten Sonografie
bekannt, ist das duktale Adenokarzinom des Pankreas typischerweise eine hypovaskuläre
Läsion. Die Mehrzahl inflammatorischer Läsionen, neuroendokriner Pankreastumoren,
Pankreasmetastasen und anderer seltener Pankreastumoren (mikrozystisches seröses Zystadenom,
Azinuszellkarzinom) ist dagegen iso- oder hypervaskulär im Vergleich zum umgebenden
Pankreasparenchym [1799]
[1800]. Sowohl mit hohem als auch mit niedrigem mechanischem Index kann endosonografisch
die Vaskularität fokaler Pankreasläsionen beurteilt werden. Die Untersuchung mit hohem
mechanischem Index erlaubt zusätzlich noch eine Differenzierung zwischen arteriellen
und venösen Gefäßen und die Messung des RI [1770]
[1771]
[1794]. Mehrere Untersuchungen im CEHMI-EUS haben zeigen können, dass sich das duktale
Adenokarzinom des Pankreas neben seiner Hypovaskularität durch wenige irreguläre Arterien
und die fehlende Detektion venöser Gefäße im kontrastverstärkten pw-Doppler und einen
hohen RI (> 0,7) in den arteriellen Gefäßen auszeichnet und dadurch mit einer hohen
diagnostischen Genauigkeit von der fokalen chronischen Pankreatitis angrenzen lässt
[1793]
[1801]
[1802]
[1803]
[1804]. Im CELMI-EUS erweist sich das duktale Pankreaskarzinom als hypovaskulär im Vergleich
sowohl zum umgebenden Pankreasparenchym als auch zu fast allen anderen Entitäten fokaler
Pankreasläsionen [1793]
[1800]
[1805]
[1806]
[1807]
[1808]
[1809]
[1810]
[1811]
[1812]
[1813]
[1814]
[1815]. Quantitative Analysen zeigen für das duktale Adenokarzinom des Pankreas eine signifikant
verzögertes und geringeres Enhancement nach Injektion von SonoVue® sowohl im Vergleich zur pseudotumorösen chronischen Pankreatitis [1809] als auch zur Autoimmunpankreatitis [1810]. Eine Metaanalyse unter Einschluss von 12 Studien (7 CELMI-EUS, 5 CEHMI-EUS) fand
für die Differenzierung des duktalen Adenokarzinoms des Pankreas von anderen fokalen
Pankreasläsionen eine Sensitivität von 94 % und eine Spezifität von 89 % [1816]. Nur eine Studie verglich beide Verfahren miteinander und fand eine bessere Spezifität
von CEHMI-EUS im Vergleich zu CELMI-EUS in der Differenzierung des Pankreaskarzinoms
von der fokalen chronischen Pankreatitis [1793]. Die Reproduzierbarkeit der Differenzierung fokaler solider Pankreasläsionen durch
CEHMI-EUS erwies sich in drei Studien als gut bis exzellent [1806]
[1814]
[1817]. Diese Daten legen nahe, bei Patienten mit iso- oder hypervaskulären soliden Pankreasläsionen
unter dem Verdacht, dass es sich um eine zum duktalen Adenokarzinom alternative Läsion
handelt, vor einer Entscheidung zur chirurgischen Therapie eine EUS-FNP durchzuführen.
Umgekehrt können nahezu alle in der EUS-FNP falsch negativen Fälle eines duktalen
Adenokarzinoms mit der kontrastverstärkten Endosonografie korrekt klassifiziert werden
und erforderlichenfalls einer erneuten EUS-FNP unterzogen werden. Darüber hinaus erlaubt
die Methode bei der EUS-FNP eine bessere Abgrenzung der Läsion und die Identifikation
avaskulärer (nekrotischer) Areale, deren Punktion zu falsch negativen Ergebnissen
führen kann [1818]
[1819]
[1820].
Charakterisierung zystischer Pankreasläsionen
Die Datenlage zur Differenzierung zystischer Pankreastumoren mit CE-EUS ist weniger
gut. Murale Noduli gelten als Risikoparameter muzinöser zystischer Pankreastumoren
[1821]
[1822]
[1823]
[1824], die Differenzierung von intraläsionalem Muzin ist aber endosonografisch alleine
nach B-Bild-Kriterien schwierig [1825]. Besonders bedeutsam ist daher die Möglichkeit, mit CE-EUS sicher zwischen intraduktalem
oder intrazystischem Muzin einerseits und soliden echoreichen Wandproliferationen
andererseits unterscheiden und murale Noduli klassifizieren zu können [282 – 285)].
Charakterisierung anderer Läsionen
Erste publizierte Erfahrungen in der Anwendung an Lymphknoten, gastrointestinalen
subepithelialen Tumoren, fokalen und diffusen Gallenblasenwandverdickungen und suspekten
abdominellen Läsionen an kleinen Fallzahlen weisen auf eine verbesserte Differenzierung
zwischen benignen und (potenziell) malignen Läsionen hin, sind aber noch nicht ausreichend
durch große prospektive Studien validiert [1655]
[1830]
[1831]
[1832]
[1833]
[1834]
[1835]
[1836]
[1837]
[1838].
4.9.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Nach rein diagnostischer Endosonografie am oberen bzw. unteren Gastrointestinaltrakt
sollen die gleichen Nachsorgekriterien wie für den Einsatz der oberen bzw. unteren
diagnostischen Endoskopie Anwendung finden. Es sollte, insbesondere nach transduodenaler
Endosonografie, auf das Vorliegen klinischer Zeichen für eine Hohlraumperforation
geachtet werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Nach EUS-FNP solider und zystischer Läsionen sollte in Abhängigkeit von dem individuellen
Risikoprofil des Patienten, den Charakteristika der Zielläsion sowie dem Verlauf des
Eingriffs über eine stationäre Nachsorge entschieden werden.
Konsens
Kommentar
Bezüglich der Nachsorge nach diagnostischer EUS existieren keine relevanten Literaturdaten.
Diese Empfehlung wurde daher ausschließlich vor dem Hintergrund der bekannten Komplikationen
im Konsens getroffen.
Komplikationen
Die Endosonografie des oberen Gastrointestinaltrakts ohne diagnostische oder therapeutische
Intervention hat eine in multizentrischen Umfragen ermittelte Komplikationsrate zwischen 0,034
und 0,05 %, während prospektive Studien eine Morbidität zwischen 0,093 und 0,22 %
angeben [1568]. Im prospektiven Endosonografieregister der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall
in der Medizin (DEGUM) wurde bei 11 889 erfassten Endosonografien ohne Intervention
ein Komplikationsrisiko von 0,14 % ermittelt [1568].
Die kumulative Komplikationsrate der EUS-FNP wurde in einer 2011 publizierten systematischen Analyse von 51 Studien, in die Daten
von insgesamt 10 941 Patienten eingingen, mit 0,98 % angegeben. Realistischer erscheint
die nur aus den 31 in die Auswertung eingegangenen prospektiven Studien gemittelte
Morbidität von 1,71 % [1839]. Aus den Daten des prospektiven Endosonografieregisters der DEGUM für 2099 EUS-FNP
wurde eine Komplikationsrate von 2,1 % ermittelt [1568]. Die häufigsten Komplikationen sind Schmerzen (34 %), akute Pankreatitis (34 %),
Fieber und infektiöse Komplikationen (16 %) sowie extra- und intraluminale Blutungen
(13 %). Perforationen und biliäre Leckagen sind dagegen sehr selten (3 %), Todesfälle
extrem selten [1839]. Berichtet wurde auch über einzelne Fälle von galliger Peritonitis, Cholangitis,
Pankreasleckage, Pneumothorax, Pneumoperitoneum und Tumorzellverschleppung nach EUS-FNP
[1568]. Die EUS-FNP ist eine besonders sichere Methode für mediastinale Läsionen (Komplikationen:
0,38 %), abdominelle Raumforderungen (0,26 %) und für die linke Nebenniere (0 %).
Für Pankreasläsionen hatte die EUS-FNP eine Gesamtmorbidität von 1,03 % (nur prospektive
Studien: 2,64 %), von 2,07 % für perirektale Läsionen, von 2,33 % für Leberläsionen,
und von 3,53 % für Aszites. Das Punktionsrisikos unterscheidet sich zwischen zystischen
und soliden Pankreasläsionen sehr deutlich (solide: 0,82 %; nur prospektive Studien:
2,44 % versus zystisch: 2,75 %; nur prospektive Studien: 5,07 %) [1839].
Eine akute Pankreatitis wurde nach EUS-FNP von fokalen Läsionen in bis zu 2,6 % der
Fälle beschrieben. Risikofaktoren sind insbesondere benigne und zystische Läsionen
[1568]
[1595]. Die Durchführung einer intraduktalen Minsondenendosonografie wurde in einer retrospektiven
Analyse an 2364 Patienten mit ERCP als eigenständiger Risikofaktor (n = 418) für die
Entwicklung einer eine Post-ERCP-Pankreatitis ermittelt (Hazard Ratio 2,41) [1840].
Zur Tumorzellverschleppung liegen nur 9 Einzelfallberichte mit Tumorzellverschleppung in die Ösophaguswand, Magenwand
oder Peritonealhöhle vor [1841]
[1842]
[1843]
[1844]
[1845]
[1846]
[1847]
[1848]
[1849]. Auffällig ist die teilweise lange Latenz zwischen EUS-FNP und klinischer Manifestation
von 6 Monaten bis zu 4 Jahren. In 4 der 6 Pankreasfälle lag eine zystische Neoplasie
vor. In allen berichteten Fällen von Impfmetastasen nach EUS-FNP von Pankreastumoren
bestand unter Berücksichtigung der Tumorformel eine kurative Therapieoption [1548]. Eine peritoneale Tumorzellaussaat wurde intraoperativ in einer retrospektiven Studie
signifikant seltener nach EUS-FNP als nach perkutaner Punktion von Pankreaskarzinomen
nachgewiesen [1850]. Mehrere retrospektive Studien haben für Patientenkohorten mit Pankreaskarzinom,
zystischen Pankreasneoplasien und Cholangiokarzinom, die präoperativ einer EUS-FNP
unterzogen worden sind, im Vergleich zu Patientenkohorten ohne präoperative EUS-FNP
kein erhöhtes Risiko für eine Peritonealkarzinose, Rezidive oder ein verkürztes Überleben
aufzeigen können [1851]
[1852]
[1853]
[1854]
[1855]
[1856]
[1857]. Tendenziell hatten Patienten mit präoperativer EUS-FNP eines Pankreaskarzinoms
eine günstigere Langzeitprognose [1851]
[1852].
Das Risiko falsch positiver Befunde wurde in zwei Studien systematisch untersucht. Es lag für die EUS-FNP solider Pankreastumoren
in zwei retrospektiven Studie mit hoher Fallzahl bei Berücksichtigung nur sicher für
Malignität positiver zytopathologischer FNA-Befunde bei 1,1 % [1616] bzw. 2,2 % [1858], für nonpankreatische EUS-FNP (periösophageale, perigastrische, peripankreatische
und perirektale Lymphknoten) bei 15 % [1616]. Die Diskonkordanz konnte jeweils zu 50 % durch zytopathologische Interpretationsfehler
bzw. durch Tumorzellkontamination oder Fehlpunktion erklärt werden [1616], ([Tab. 50]).
4.9.5 Spezifische Qualitätsindikatoren EUS
2006 und 2014 wurde von einer Arbeitsgruppe der American Society of Gastrointestinal
Endoscopy (ASGE) und des American College of Gastroenterology (ACGE) Qualitätsindikatoren
für die Endosonografie publiziert, die präprozedurale, indikationsbezogene prozedurale
und postprozedurale Kriterien umfassen [1597]
[1859]. Diese Qualitätsindikatoren sind geeignet, die Qualität der Endosonografie und EUS-gestützter
diagnostischer Interventionen zu überwachen und zu vergleichen [1860]
[1861]. Die hier vorgeschlagenen spezifischen Qualitätsindikatoren für EUS und EUS-FNP
([Tab. 51]) lehnen sich an die von der ASGE vorgeschlagenen an [1597] und greifen die im Endosonografieregister der DEGUM erfassten Indikatoren auf [1861]. Nicht dargestellt werden Qualitätsindikatoren, die für alle endoskopischen Untersuchungen
und Eingriffe gelten [1862].
Zu allgemeinen Qualitätsindikatoren endoskopischer Untersuchungen siehe Kapitel 7.
Kommentar
Präprozedurale Qualitätsindikatoren
Zur periinterventionellen Antibiotikaprophylaxe bei der EUS-FNP siehe Kapitel 3.3
dieser Leitlinie.
Intaprozedurale Qualitätsindikatoren – anatomische Strukturen
Der Umfang einer endosonografischen Untersuchung sowie die für die Beantwortung der
klinischen Fragestellung relevanten anatomischen Strukturen sind abhängig von der
konkreten Untersuchungsindikation [1863]. Die indikationsbezogene Vollständigkeit der Untersuchung soll durch Abbildung (Videosequenz
oder Bild) und Beschreibung wesentlicher für die Fragestellung relevanter Strukturen
im Befundtext dokumentiert werden ([Tab. 52]).
Tab. 52
Indikationsbezogene obligatorische Dokumentation anatomischer Strukturen.
Staging von Ösophaguskarzinom und AEG-Tumoren
|
|
Staging des Magenkarzinoms
|
|
Staging des Pankreaskarzinoms
|
|
Staging des Rektum- und Analkarzinoms
|
-
perirektale Lymphknotenstationen
-
mesorektale Faszie
-
Musculus sphincter ani internus
-
Mann: Prostata, Samenbläschen
-
Frau: Uterus, Vagina
|
Staging des Bronchialkarzinoms
|
|
pankreatobiliäre Fragestellungen
|
-
Visualisierung des gesamten Pankreas
-
Verlauf Dc. pancreaticus, maximaler Durchmesser
-
Verlauf Dc. hepatocholedochus, maximaler Durchmesser
|
Intrarprozedurale Qualitätsindikatoren – pathologische Befunde
Die während einer endosonografischen Untersuchung erhobenen und entsprechend der Indikation
relevanten pathologischen Befunde sollen durch Videosequenzen oder Abbildungen und
im Befundtext mit ihren diagnostisch und prognostisch relevanten Merkmalen dokumentiert
werden ([Tab. 53]).
Tab. 53
Indikationsbezogene obligatorische Dokumentation pathologischer Befunde.
extraintestinale Raumforderungen und pathologische Lymphpknoten
|
|
subepitheliale Tumoren
|
-
Diameter in 2 Ebenen
-
Kontur, Echogenität und Echotextur
-
Lokalisation innerhalb des Gastrointestinaltrakts und Schichtenzuordnung
|
Staging gastrointestinaler Tumoren
|
-
maximale Wanddicke
-
Zuordnung der malignen Infiltration zu den Wandschichten
-
Abstand zu:
-
Musculus sphincter internus (Rektum), mesorektaler Faszie (Rektum), Trachealbifurkation
(Ösophagus) bzw. gastroösophagealem Übergang (Ösophagus, Magen, AEG)
-
Detektion (Anzahl) malignitätstypischer lokoregionärer Lymphknoten
-
Detektion malignitätstypischer nicht regionaler Lymphknoten und Leberraumforderungen
|
Staging maligner Pankreasneoplasien
|
-
maximaler Tumordurchmesser
-
Beziehung zu Duodenalwand und Papille
-
Beziehung zur A. mesenterica superior und den Portalgefäßen
-
Detektion malignitätstypischer nicht regionaler Lymphknoten und Leberraumforderungen
|
pankreatobiliäre Fragestellungen
|
-
maximale Pankreasgangweite
-
maximale Gallengangsweite
-
intraduktale Strukturen
-
anatomische Lokalisation von Raumforderungen und/oder Stenosen
|
Die Beschreibung pathologischer Befunde bedarf der Angabe und Dokumentation von anatomischer
Lokalisation, Maßen und sonografischer Strukturmerkmale (Echogenität, Echostruktur,
Kontur, relative Gewebehärte, Vaskularisation), um klinische und differenzialdiagnostische
Interpretation, therapeutische Entscheidungen, Reproduzierbarkeit, Vergleich mit anderen
Bildgebungsverfahren, Beurteilung von Therapieeffekten und Verlaufskontrollen zu ermöglichen.
Soweit vorhanden, sollten international anerkannte und in Leitlinien verankerte Klassifikationssysteme
Verwendung finden. Um die Vergleichbarkeit endosonografischer Befunde zu ermöglichen,
ist für die Beschreibung pathologischer Befunde die Nutzung der Minimalstandardterminologie
(MST 3.0) für gastrointestinale Endoskopie der Organisation Mondiale D’Endoscopie
Digestive (OMED) sinnvoll [1864].
Intraprozedurale Qualitätsindikatoren – EUS-FNP
Die Befundbeschreibung einer EUS-FNP sollten Angaben zur Zielläsion, bei mehreren
Zielläsionen zur Reihenfolge der Punktion, zum Nadelweg (z. B. transösophageal oder
transgastral), zum Nadeltyp und -durchmesser, zur Anzahl der Nadelpassagen, zur Materialqualität
und zur Materialverarbeitung (Ausstriche, Fixierung, Spezialmedien) enthalten. Diese
Angaben sind u. a. wesentlich für die zytopathologische Befundung und für die Einschätzung
der Qualität der technischen Durchführung. Sie erlauben eine Korrelation mit der Ergebnisqualität
[1593]
[1861].
Alle genannten intraprozeduralen Qualitätsindikatoren werden in der ASGE Empfehlung
[1596] mit einem Qualitätsziel von > 98 % bewertet.
Postprozedurale Qualitätsindikatoren – Effektivität der EUS-FNP
Als für ein Benchmarking zwischen Zentren und einzelnen Endosonografikern geeigneter
Surrogatparameter der diagnostischen Genauigkeit wurde in einer US-amerikanischen
multizentrischen Studie der Anteil maligner Diagnosen bei der EUS-FNP solider Pankreasraumforderungen
vorgeschlagen und evaluiert. In den 21 teilnehmenden Zentren betrug die durchschnittliche
Diagnosehäufigkeit maligner Pankreasneoplasien 71 %, die auf den einzelnen Endosonografiker
bezogene mediane Diagnoserate war 75 %. Die Autoren schlugen vor, bei einer zytologischen
Diagnoserate maligner Pankreasneoplasien < 52 % (1. Quartile) in einem Zentrum oder
für einen Endosonografiker nach Ursachen für die niedrige Diagnoserate zu suchen [1716]. Dieser von der ASGE genutzte Qualitätsparameter [1567] ist auf deutsche Verhältnisse nicht übertragbar, da sich die Indikation zur Biopsie
von soliden Pankreastumoren in Deutschland [1559] deutlich von der US-amerikanischen Praxis unterscheidet. Die Ausbeute an diagnostisch
adäquatem Material (akzeptabel: ≥ 85 %), der Anteil konklusiver Befunde (diagnostische
Kategorien: maligne, Neoplasie, benigne), oder auch der Anteil spezifischer Artdiagnosen
an der Gesamtzahl maligner Diagnosen können als Qualitätsparameter genutzt werden
[1593]
[1763]
[1764]. Auf der Grundlage der publizierten Daten zur EUS-FNP werten die Autoren eines US-amerikanischen
Endosonografiezentrums mit sehr hoher Fallzahl eine Rate konklusiver Befunde von > 90 %
als akzeptabel. Die zeitliche Entwicklung der eigenen Ergebnisse (gemeinsame Lernkurve
von Endosonografieteam und Zytopathologen) wurden mithilfe des binominalen Kumulativsummenverfahrens
(CUSUM chart) evaluiert [1764], das als einfach zu handhabendes und gut interpretierbares Verfahren für das kontinuierliche
interne und externe Benchmarking in verschiedenen Bereichen der Medizin etabliert
ist [1865]
[1866]
[1867]
[1868]. Die Anwendung dieser Qualitätskriterien setzt eine standardisierte Nomenklatur
für zytopathologische Befundberichte wie beispielsweise nach den aktuellen Leitlinien
der Papanicolaou Society for Cytopathology oder auf der Grundlage eines Bethesda-Systems
voraus [1869]
[1870]
[1871]
[1872].
Postprozedurale Qualitätsindikatoren
Komplikationen
Zur Frequenz spezifischer Komplikationen siehe Kapitel 4.9.4 und 4.10.
4.10 EUS-gestützte Drainage pankreatitisassoziierter Flüssigkeitsansammlungen
Einleitung und Definitionen: Die aktuelle Revision der Atlanta-Klassifikation (2012)
unterscheidet 4 verschiedene Typen von Flüssigkeitskollektionen, die mit einer akuten
Pankreatitis assoziiert sind (Pancreatic fluid collections, PFC). Diese Klassifikation
unterscheidet PFC nach Ätiologie, morphologischen Kriterien (Kapsel und Inhalt), Lokalisation
und zeitlichem Abstand zum Beginn der akuten Symptomatik ([Tab. 54]) [1875].
Tab. 54
Klassifikation der mit einer akuten Pankreatitis assoziierten Flüssigkeitsansammlungen
nach der revidierten Atlanta-Klassifikation (2012) [1875].
Typ der Flüssigkeitskollektion
|
Ätiologie/Zeitverlauf
|
Kapsel
|
Lokalisation
|
Besonderheiten
|
akute peripankreatische Flüssigkeitsansammlung (acute peripancreatic fluid collection,
APFC)
|
≤ 4 Wochen nach Beginn einer ödematösen Pankreatitis
|
–
|
peripankreatisch
|
homogen, liquide, Infektion ±, meist spontane Rückbildung
|
Pankreaspseudozyste (pancreatic pseudocyst, PPC)
|
> 4 Wochen nach Beginn einer ödematösen Pankreatitis
|
+
|
überwiegend extrapankreatisch
|
rund/ oval, liquide, kein non-liquider Inhalt, persistierend
|
akute nekrotische Kollektion (acute necrotic collection, ANC)
|
akute nekrotisierende Pankreatitis
|
–
|
intra- oder extrapankreatisch
|
heterogen, liquide und Nekrose, meist spontane Rückbildung
|
demarkierte Pankreasnekrose (walled-off pancreatic necrosis, WON)
|
nach nekrotisierender Pankreatitis, meist > 4 Wochen nach Beginn
|
+
|
intra- oder extrapankreatisch
|
heterogen, liquide und Nekrose, Infektion ±
|
Pseudozysten sind eine eher seltene Folge der akuten Pankreatitis (akute Pseudozyste) und entstehen
im Rahmen einer akuten ödematösen Pankreatitis durch Ruptur des Pankreashauptgangs
oder seiner Seitenäste oder im Rahmen einer nekrotisierenden Pankreatitis als Folge
eines „disconnected duct syndrome“ in 6 – 18,5 % der Fälle. Aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit
einer Spontanregression wird die interventionelle Therapie von nicht infizierten akuten
peripankreatischen und nekrotischen Flüssigkeitsansammlungen sowie von asymptomatischen
akuten Pseudozysten von aktuellen Leitlinien nicht empfohlen [1876]
[1877]
[1878]
[1879]. Wesentlich häufiger als bei akuter Pankreatitis entwickeln sich Pseudozysten im
Verlauf einer chronischen Pankreatitis (chronische Pseudozyste, 20 – 40 %), bevorzugt
bei alkoholtoxischer chronischer Pankreatitis (70 – 78 %), seltener bei idiopathischer
chronischer Pankreatitis (6 – 16 %) und bei biliärer Pankreatitis (6 – 8 %) [1880]
[1881]
[1882]. Nekrosen des Pankreasparenchyms oder des peripankreatischen Fettgewebes treten
bei etwa 15 % der Fälle mit akuter Pankreatitis auf. In etwa 30 % der Fälle kommt
es in einer zweiten Phase der Erkrankung (1 – 2 Wochen nach Erkrankungsbeginn) zur
Entwicklung von Infektionen, die ohne Intervention eine sehr hohe Inzidenz von Multiorganversagen
und Mortalität haben [1882]
[1883]
[1884]
[1885]
[1886]
[1887]
[1888]. Die Drainage von Pankreaspseudozysten erfolgt bei Bestehen von Symptomen oder Entwicklung
von Komplikationen. Pseudozysten verursachen vor allem Oberbauchschmerzen, bei Magenausgangsstenose
oder Magenkompression Erbrechen und frühes Sättigungsgefühl sowie Gewichtsverlust.
Die wichtigsten Komplikationen, die zu einer Intervention veranlassen, sind Infektionen,
Verschlussikterus, pankreatopleurale Fisteln und Blutungen. Diese Indikationen zu
einer Drainage von Pankreaspseudozysten sind in den aktuellen Leitlinien internationaler
Fachgesellschaften [1889]
[1890] und der DGVS [1891] allgemein akzeptiert. Innerhalb der ersten 6 Wochen nach akuter Pankreatitis bzw.
akutem Schub einer chronischen Pankreatitis kommt es zur Rückbildung von etwa 40 %
der Pseudozysten. Die Rückbildungsrate ist nach akuter Pankreatitis höher als bei
chronischer Pankreatitis [1884]. Nach 12 Wochen ist nur noch sehr selten eine spontane Rückbildung zu beobachten
und das Risiko von Komplikationen nimmt insbesondere bei einer Größe von mehr als
5 – 6 cm zu [1880]
[1881]
[1882]
[1884]
[1886]
[1891]
[1892]
[1893]
[1894]. Wenn schwere Pankreasgangveränderungen (Strikturen, „disconnected duct syndrom“)
vorliegen, ist die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Rückbildung von Pankreaspseudozysten
sehr gering [1895]. Leitlinien sehen daher auch die Therapie großer asymptomatischer Pseudozysten als
zulässig an, wenn sich diese nicht innerhalb von 12 Wochen zurückbilden [1891].
Pankreatische Pseudozysten können interventionell (endoskopisch, perkutan) oder operativ
behandelt werden [1891]. Eine Metaanalyse analysierte publizierte Serien endoskopischer und chirurgischer
Drainage von Pankreaspseudozysten und verglich Effektivität und Komplikationsrate
bei 787 behandelten Patienten (endoskopische Drainage, n = 466 vs. chirurgische Pseudozystogastrostomie/-enterostomie,
n = 321). Während die Morbidität (13,3 vs. 16 %) und die langfristige Rezidivrate
(10,7 vs. 7,8 %) vergleichbar waren, lag die Mortalität der endoskopischen Drainage
mit 0,2 vs. 2,5 % deutlich unter der der chirurgischen Drainage [1896]. In einer retrospektiven Vergleichsstudie unterschieden sich EUS-gestützte und chirurgische
Pseudozystogastrostomie nicht hinsichtlich Effektivität und Morbidität, das EUS-gestützte
Vorgehen führte aber zu einer signifikant kürzeren Krankenhausverweildauer und geringeren
Behandlungskosten [1897]. Dieses Ergebnis wurde in einer randomisierten kontrollierten Studie zur Drainage
unkomplizierter Pankreaspseudozysten (n = 40) bestätigt. Bei gleicher Effektivität
und Sicherheit beider Therapieverfahren ergaben sich für die endoskopisch therapierten
Patienten im Vergleich zu den operativ behandelten signifikante Vorteile bezüglich
Krankenhausverweildauer, Lebensqualität und Kosten [1898]. Perkutane Drainagetechniken sind bei Pseudozysten primär effektiv und relativ risikoarm,
haben aber eine hohe Rezidivrate und gehen mit dem Risiko einer persistierenden pankreatokutanen
Fistel einher [1880]
[1881]
[1899]
[1900]. In einem retrospektiven Vergleich zwischen perkutaner und chirurgischer Drainage
von Pankreaspseudozyten wurde eine höhere Morbidität und Mortalität des perkutanen
Vorgehens berichtet [1901]. Im Vergleich zum endoskopischen Vorgehen war in einer ebenfalls retrospektiven
Studie das perkutane Vorgehen in Bezug auf technischen und klinischen Erfolg sowie
Sicherheit gleichwertig. Das perkutane Vorgehen erforderte aber signifikant häufiger
erneute Bildgebungen und Re-Interventionen und ging mit einer längeren Krankenhausverweildauer
einher [1902]. Basierend auf dieser Datenlage empfiehlt die aktuelle Leitlinie der ESGE zur endoskopischen
Therapie der chronischen Pankreatitis die primär endoskopische Drainage unkomplizierter
Pankreaspseudozysten [1890]. Die deutsche Leitlinie zur chronischen Pankreatitis empfiehlt die Wahl zwischen
endoskopischen und chirurgischen Drainageverfahren unter Berücksichtigung von Zystenlokalisation
und weiteren pathomorphologischen Kriterien zu treffen und favorisiert das endoskopische
Vorgehen als Initialtherapie [1891]. Bei hämorrhagischen Pseudozysten ist ein primär endoskopisches Verfahren mit einem
hohen Blutungsrisiko verbunden. Vor endoskopischer Drainage sollte nach einem viszeralen
Pseudoaneurysma als Ursache der Einblutung gesucht werden und dieses ggf. angiografisch
embolisiert werden [1903]
[1904]
[1905]
[1906]
[1907]
[1908]
[1909].
4.10.1 Spezielle Vorbereitung
Präinterventionelle Bildgebung
Empfehlung
Vor jeder endoskopischen Drainage einer zystischen Pankreasläsion sollte eine sorgfältige
Anamnese hinsichtlich der aktuellen klinischen Beschwerden und der Vorerkrankungen
erhoben werden und eine suffiziente Bildgebung des Abdomens für Differenzialdiagnose,
Therapieplanung und als Ausgangsbefund des therapeutischen Follow-up erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
In einer prospektiven Studie mit 53 Patienten mit zur transmuralen Drainage vorgesehenen
vermeintlichen Pseudozysten erwiesen sich 3 als muzinöse zystische Neoplasien bzw.
nekrotisch-zystisch zerfallender maligner Tumor [1910]. Vor Intervention einer vermeintlichen Pseudozyste ist es erforderlich, eine zystische
Pankreasneoplasie auszuschließen und die verschiedenen Typen einer PFC voneinander
zu differenzieren. Dazu ist neben anamnestischen und klinischen Kriterien eine qualitativ
gute Bildgebung erforderlich, mit der sowohl strukturelle Veränderungen des Pankreasparenchyms,
des Pankreasgangsystems als auch der zystischen Läsion (Wandung, Inhalt, Septen, perfundierte
solide Anteile, Kommunikation mit dem Gangsystem) erfasst werden [1880]
[1881]
[1911]
[1912]. Die Differenzierung von Pseudozysten und anderen PFC von non-neoplastischen Pankreaszysten
sowie zystischen Pankreasneoplasien kann gerade bei fehlender Pankreatitisanamnese
schwierig sein. Andererseits kann im Kontext einer Pankreatitis die Differenzierung
zwischen einer zystischen Neoplasie als Pankreatitisursache (beispielsweise intraduktal-papilläre
muzinöse Neoplasie vom Seitenast-Typ, BD-IPMN) und einer Pseudozyste als Pankreatitisfolge
anspruchsvoll sein.
In der Detektion und Differenzierung zystischer Pankreasläsionen ist die Endosonografie
vor allem der Computertomografie, weniger der Magnetresonanztomografie überlegen [1913]. Für die Differenzierung der verschiedenen Typen von PFC sind aktuell radiologische
Kriterien publiziert worden [1875]
[1914]. Die Interobserverübereinstimmung für die neuen Kriterien der revidierten Atlanta-Klassifikation
erwies sich im Unterschied zu der auf die traditionellen Atlanta-Kriterien von 1992
bezogenen [1915] in einer internationalen Studie, in der 7 Viszeralchirurgen, 2 Gastroenterologen
und 8 Radiologen 55 Computertomografien bei Patienten mit schwerer akuter Pankreatitis
beurteilten, als gut bis exzellent [1916].
Die konkrete Methodenwahl für die minimalinvasive Intervention von PFC wird stark
von bildgebend darstellbaren Charakteristika wie Lokalisation, Abstand zur Wand des
oberen Gastrointestinaltrakts, Pelottierungseffekt, Inhalt (liquide/non-liquide),
Dicke der Wandung, Interposition von Gefäßen, Kommunikation zum Gangsystem und Kontinuität
des Gangsystems beeinflusst. Neben transabdominellem Ultraschall und/oder Computertomografie
können Magnetresonanztomografie (MRT), Magnetresonanz-Cholangiopankreatografie (MRCP)
und Endosonografie sowie gelegentlich auch die ERCP erforderlich sein, um diese präinterventionellen
Fragestellungen zu beantworten [1917]. Von besonderer Bedeutung ist die Detektion von solidem Debris innerhalb der PFC
sowie von viszeralen Pseudaneurysmen und portosystemische Kollateralen nach portolienaler
Thrombose: Insbesondere endosonografisch oder magnetresonanztomografisch gelingt dies
mit hoher Sicherheit [1918]
[1919]
[1920]
[1921]
[1922].
4.10.2 Durchführung
4.10.2.1 Technik des endoskopischen Vorgehens
Empfehlung
Bei der endoskopischen Drainage von Pseudozysten und anderen pankreatitisassoziierten
Flüssigkeitsansammlungen sollte die Technik des endoskopischen Vorgehens von der Lokalisation
der Pseudozyste/Flüssigkeitsansammlung, der Ganganatomie, dem Nachweis einer Gangassoziation
sowie weiteren patientenbezogenen Kriterien (Infektion, portale Hypertension, Pelottierungseffekt
der Pseudozyste im oberen Verdauungstrakt) abhängig gemacht werden.
Konsens
Empfehlung
Eine transpapilläre Drainage kann erfolgen, wenn die Pseudozyste oder Flüssigkeitsansammlung
mit dem Pankreasgang kommuniziert. Dabei sollte nach Sondierung des Pankreasganges
eine pankreatische Sphinkerotomie, die Dilatation von der Pseudozyste/Flüssigkeitsansammlung
nachgeschalteten Pankreasgangstrikturen und die Einlage einer Kunststoffendoprothese
erfolgen. Bei größeren Pseudozysten oder Flüssigkeitsansammlungen, die über den Pankreasgang
zu sondieren sind, kann die Einlage eines Kunststoffpigtails bis in die Pseudozyste
versucht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Verschiedene Studien geben für 22 – 57 % der Pankreaspseudozysten einen Anschluss
an das Pankreasgangsystem an [1881]. Der Anschluss an das Pankreasgangsystem kann durch MRCP, EUS oder ERP geprüft werden.
Die therapeutische Effektivität der transpapillären Drainage von Pseudozysten mit
Ganganschluss bzw. peripankreatischen Flüssigkeitsansammlungen bei unterbrochener
Kontinuität des Pankreasgangs ist in überwiegend kleinen retrospektiven Fallserien
belegt. Die Langzeitregressionsraten lagen zwischen 65 und 86 % [1923]
[1924]
[1925]. Prädiktive Parameter für ein Ansprechen der transpapillären Drainage sind Lokalisation
der Peudozyste in Pankreaskopf oder -korpus, therapierbare Pankreasgangstrikturen
vor der Zyste, eine Zystengröße über 6 cm und ein Alter der Zyste unter 6 Monaten
[1923]
[1924]. Eine aktuelle retrospektive Studie fand dagegen überraschend, dass die Lokalisation
von Pseudozysten im Pankreaskopf ein negativer Erfolgsprädiktor war [1926]. Die nicht sondierbare Pankreasgangokklusion bei „disconnected duct syndrome“ Typ
III nach Nealon et al. verhindert einen transpapillären Therapieansatz [1895]. Vergleichende Studien zu den für eine transpapilläre Drainage verwendeten Stents
(Kunststoff oder Metall) liegen nicht vor. Die Mehrzahl von Pankreaspseudozysten und
PFC ist einer suffizienten Drainage über den Pankreasgang nicht zugänglich, sodass
bei den betroffenen Patienten nur eine transmurale endoskopische Drainage infrage
kommt. In verschiedenen Studien wurde die Effektivität eines Therapieansatzes geprüft,
der primär die Gangassoziation von Pseudozysten und anderen PFC überprüfte: Bei Nachweis
einer duktalen Kommunikation der Pseudozyste wurde primär transpapillär interveniert,
bei Pseudozysten ohne Ganganschluss oder mit Versagen des transpapillären Vorgehens
wurde eine endoskopische transmurale Drainage durchgeführt. Diese Studien haben hohe
Erfolgsraten der endoskopischen Drainage und eine tendenziell geringere Komplikationsrate
des transpapillären Vorgehens aufzeigen können [1927]
[1928]
[1929]
[1930]. Andere Untersucher waren mit einem Vorgehen erfolgreich, bei dem alle pelottierenden
Pseudozysten transmural drainiert wurden und eine ERCP ggf. mit transpapillärer Drainage
nur bei Patienten mit nicht pelottierenden Pseudozysten durchgeführt wurde [1931]. Eine retrospektive Studie fand bei Patienten mit PFC, bei denen zusätzlich zu einer
EUS-gestützten oder konventionell-endoskopischen transmuralen Drainage ein transpapilläres
Stenting des Pankreasgangs durchgeführt wurde, häufiger eine komplette Rückbildung
von Symptomen und Pseudozyste (97,5 %) als bei Patienten, bei denen ein Stenting nicht
möglich oder auch bei fehlendem Leckagenachweis nicht erforderlich war (80 %) [1932]. In einer sehr großen retrospektiv-analysierten Serie aus dem gleichen Zentrum wurden
34,5 % aller 211 Patienten mit PFCs neben einer endoskopischen transmuralen Drainage
mit einem transpapillären Pankreasgangstent versorgt [1933]. Beide Therapieansätze (transpapilläre versus transmurale Drainage) sind bei Patienten
mit Pankreasleckage und PFC bisher nicht prospektiv miteinander verglichen worden.
Empfehlung
Die transmurale Drainage von Pseudozysten/pankreatitisassoziierten Flüssigkeitsansammlungen
sollte EUS-gestützt erfolgen (DGVS GL CP). Bei deutlicher Impression der Wandung des
Gastrointestinaltrakts, Fehlen einer portalen Hypertension und geringem Blutungsrisiko
kann die Drainage auch nach vorheriger diagnostischer Endosonografie konventionell-endoskopisch
durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die endosonografisch gesteuerte transmurale Drainage von Pseudozysten/PFC ist auch
bei Fehlen einer Wandimpression des oberen Verdauungstrakts durchführbar [1910]
[1934]. Punktionsstelle und Punktionsweg sind endosonografisch beurteilbar, der Abstand
zur Pseudozyste/PFC, solid-nekrotischer Inhalt, vaskuläre Komplikationen sowie interponierende
Gefäßstrukturen können dargestellt werden. Darüber hinaus erlaubt die Endosonografie
die Differenzierung von zystischen Neoplasien [1919]
[1935]. Die EUS-gestützte transmurale Dainage von PFC ist prinzipiell auch ohne Röntgendurchleuchtung
möglich [1936]
[1937]. Die EUS-gesteuerte Drainagetechnik bedingt durch die Konfiguration des longitudinalen
Seitblickechoendoskops im Vergleich zur rein endoskopischen Technik einen mehr tangentialen
und dadurch längeren Punktionsweg. Ein neues Echoendoskop mit prograd ausgerichtetem
Scanner ermöglicht einen kürzeren transmuralen Zugang [1938]. In einer prospektiv-randomisierten multizentrischen Studie konnte allerdings für
die Drainage von PFC keine höhere Effektivität oder Sicherheit des prograden Echoendoskops
im Vergleich zum traditionellen Seitblickechoendoskop gezeigt werden [1939].
Eine prospektiv-vergleichende Studie zur endoskopischen versus EUS-gesteuerten Technik, in der alle Patienten mit pelottierenden Pseudozysten konventionell-endoskopisch
und jene mit fehlender Wandimpression EUS-gestützt transmural drainiert wurden, zeigte
eine vergleichbare Effektivität und Komplikationsrate beider Verfahren [1934]. In einer weiteren prospektiven Vergleichsstudie stellte sich eine Lokalisation
im Pankreasschwanz als Prädiktor des Versagens einer transmuralen konventionell-endoskopischen
Drainage heraus. Bei gleicher Effektivität und Komplikationsrate beider Verfahren
war der Zeitbedarf für die EUS-gestützte Drainage (median 75 Minuten) signifikant
höher als für die konventionell-endoskopische Drainage (median 40 Minuten) [1910]. Die gleiche Arbeitsgruppe konnte allerdings zeigen, dass der Zeitbedarf von median
70 Minuten für die ersten 25 EUS-gestützten Drainagen auf median 25 Minuten für die
folgenden 29 Interventionen reduziert werden konnte [1940]. Zwei prospektiv-randomisierte Studien [1941]
[1942] wiesen in Bezug auf Komplikationsrate und Langzeiteffektivität ebenfalls keinen
signifikanten Unterschied zwischen konventionell-endoskopischer und EUS-gestützter
transmuraler Drainage auf. Allerdings war der technische Erfolg der konventionell-endoskopischen
Drainage in beiden Studien mit 72 vs. 94 % [1942] bzw. 33 vs. 100 % [1941] signifikant geringer. Eine aktuelle Metaanalyse schloss alle 229 Patienten der genannten
4 prospektiven Studien ein und bestätigte, dass die EUS-gestützte transmurale Drainagetechnik
signifikant häufiger technisch erfolgreich ist als das konventionell-endoskopische
Vorgehen. Alle Patienten mit Pfortaderhochdruck und hohem Blutungsrisiko wurden primär
EUS-gestützt drainiert. Alle Patienten ohne Pelottierung, die primär für ein konventionell-endoskopisches
Vorgehen vorgesehen waren, wurden sekundär erfolgreich mit einer EUS-gestützten Drainage
behandelt. Unter Berücksichtigung dieser Patientenselektion unterschieden sich kurzfristiger
und langfristiger Erfolg sowie die Komplikationsraten beider Verfahren nicht signifikant,
wenngleich die beiden einzigen Todesfälle konventionell-endoskopisch behandelt worden
waren. Die Autoren schlussfolgern, dass für pelottierende Pseudozysten beide Verfahren
eingesetzt werden können, während die EUS-gestützte Pseudozystendrainage die Methode
der Wahl für Pseudozysten ohne Impression und bei Patienten mit Pfortaderhochdruck
oder Koagulopathie ist [1943].
Empfehlung
Die endosonografische Drainage von Pseudozysten/pankreatitisassoziierten Flüssigkeitsansammlungen
sollten abhängig von deren Lokalisation bevorzugt transgastral oder transduodenal
erfolgen.
Konsens
Kommentar
In einer Umfrage unter US-amerikanischen und internationalen Endoskopikern wurde der
transgastrale Zugang als der mit 65 % am häufigsten genutzte angegeben [1944]. Auch in größeren Fallserien dominiert der transgastrale vor dem transduodenalen
Zugang [1940]
[1945]. In mehreren Fällen wurden EUS-gestützte Drainagen von Pseudozysten auch über transenterische
[1946]
[1947] und transösophageale Zugänge [] durchgeführt.
Empfehlung
Die transmurale EUS-gestützte Drainage von Pseudozysten und pankreatitisassoziierten
Flüssigkeitsansammlungen kann in verschiedenen Techniken (Punktion-Dilatations-Technik,
Diathermie) durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei der Punktions-Dilatations-Technik wird nach EUS-gesteuerter Punktion der Pseudozyste/PFC
mit einer 19 Gauge EUS-Nadel über ein longitudinales Echoendoskop mit therapeutischem
Arbeitskanal, Flüssigkeitsaspiration und Kontrastmittelapplikation ein 35 Inch-Führungsdraht
tief in die Pseudozyste/PFC eingelegt. Anschließend werden Nadel und Führungskatheter
entfernt. Über den Führungsdraht erfolgt die Erweiterung des Zugangs mit einem ERCP-Katheter,
Bougies, Dilatationsballons oder aber diathermisch mit einem Zystostom (z. B. Endoflex,
Cook) bzw. Ringschneider (nach Will, MTW) (43). Bei der Diathermie-Technik wird der
Initialzugang z. B. mit einem 22 Gauge Nadelmesser in einem 7-French-Katheter (z. B.
HBAN 22, Cook) oder einem Zystotom mit einem 5-French-Innenkatheter (Cook) geschaffen.
Nach Erreichen der Pseudozyste bzw. PFC wird das Nadelmesser aus dem in die Zyste
vorgeführten Katheter entfernt, über diesen erfolgen dann die Aspiration von Flüssigkeit,
die fluoroskopische Kontrastierung und die Drahteinlage (35 Inch, beschichtet). Die
Erweiterung des Zugangs erfolgt dann wie oben beschrieben [1917]. Für den Diathermiezugang wurde in einer vergleichenden Studie zur Seldingertechnik
bei vergleichbarer Effektivität beider Methoden eine höhere Rate an Blutungskomplikationen
nachgewiesen (15,7 vs. 5,6 %) [1951]. Über den Draht wird dann zunächst ein Plastikstent appliziert. Weitere Plastikstents
werden nach erneuter Sondierung des transmuralen Fisteltrakts entlang der primär eingelegten
Endoprothese appliziert. Bei infizierten Zysten besteht zudem die Möglichkeit zur
Spülung über eine parallel eingelegte nasozystische Spülsonde [1952]
[1953]
[1954]. Zweidrahttechniken erlauben die parallele Applikation von zwei Plastikstents oder
eines Plastikstents und einer nasozystischen Sonde ohne erneute Sondierung des Fisteltraktes
[1953]
[1955]
[1956]
[1957]
[1958]. Ein speziell für EUS-gestützte Drainagen entwickeltes Zugangsinstrumentarium (NavixTM, Xlumina) bietet die Möglichkeit, in einem Arbeitsgang ohne Wechsel des Instrumentariums
den transmuralen Zugang zu schaffen, den Zugang zu dilatieren und zwei parallele Drähte
in die Pseudozyste/PFC einzulegen [1958]
[1959]
[1960].
Empfehlung
Für die transmurale Drainage der pankreatitisassoziierten Flüssigkeitsansammlung können
Kunstoffendoprothesen oder voll gecoverte selbstexpandierende Metallstents verwendet
werden.
Starker Konsens
Kommentar
In den publizierten Serien zur transmuralen endoskopischen Drainage von Pseudozysten
und anderen PFC wurden unterschiedliche Plastikstenttypen und -durchmesser und neuerdings
auch teilweise und komplett gecoverte Metallstents unterschiedlichen Durchmessers
und unterschiedlicher Länge zum Einsatz gebracht [1935]
[1961]
[1962]
[1963]
[1964]. Prospektive Vergleichsstudien zwischen verschiedenen Stenttypen liegen nicht vor.
Das Doppelpigtail-Design sollte wegen der vermutlich niedrigeren Dislokationsrate
geraden Plastikprothesen vorgezogen werden [1917]
[1965]
[1966]. Für unkomplizierte Pseudozysten waren in einer retrospektiven Studie sowohl Durchmesser
(7 FR vs. 10 FR) als auch Anzahl der zur Drainage verwendeten Plastikstents nicht
mit der für den Behandlungserfolg notwendigen Anzahl von Interventionen assoziiert
[1967]. Ähnliche Ergebnisse wurden in einer chinesischen multizentrischen Studie berichtet,
in der klinische Effektivität und Risiko der Sekundärinfektion bei der Drainage von
PFC nicht von Durchmesser und Anzahl der verwendeten Plastikstents abhängig waren
[1961]. Gecoverte Metallstents haben den Vorteil eines dauerhaften und weitlumigen Zugangs
zu PFC und werden daher zunehmend vor allem zur Drainage von infizierten und/oder
Debris enthaltenden PFC eingesetzt. Infektionen der PFC und Stentmigrationen sind
aber ebenfalls beschrieben. Speziell für PFC entwickelte Stentdesigns sollen Komplikationen
und insbesondere die Stentmigration verhindern [1959]
[1963]
[1964]
[1968]
[1969]
[1970]
[1971]
[1972]
[1973]
[1974]
[1975]
[1976]
[1977]
[1978]
[1979]
[1980]. Ein systematischer Review, der 881 Fälle aus 17 Studien einschloss, konnte für
die Drainage von PFC keine Unterschiede von Behandlungserfolg, Risiko und Rezidivrate
zwischen Plastikstents und Metallstents nachweisen [1981]. In einer prospektiven randomisierten Studie fanden sich zwischen Plastikstents
und voll gecoverten Metallstents ebenfalls keine Unterschiede in Bezug auf technische
und klinische Effektivität sowie Sicherheit der Drainage von PFC [1978].
Empfehlung
Die Liegedauer von Kunststoffstents soll mindestens 6 Wochen betragen, um eine gute
Langzeitregression von Pankreaspseudozysten und anderen pankreatischen Flüssigkeitskollektionen
zu gewährleisten. Die Einlage von mehreren Stents kann die Langzeitregressionsrate
ebenfalls positiv beeinflussen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine multivariate Analyse von 92 konsekutiven Patienten mit endoskopischer Pseudozystendrainage
[1965] identifizierte die Zystenlokalisation im Pankreaskopf, die Insertion von mehreren
Stents in die Zyste und eine Stentliegedauer über 6 Wochen als prädiktive Parameter
für eine gute Langzeitregression. In einer randomisierten prospektiven Studie mit
kleiner Fallzahl wurde die Abhängigkeit der Rezidivrate pankreatitisassoziierter Flüssigkeitsansammlungen
nach transmuraler Drainage vom Zeitpunkt der Stententfernung untersucht. Bei Patienten,
bei denen die Stents innerhalb von zwei Wochen nach Rückbildung der Flüssigkeitsansammlung
entfernt wurden (Stentverweildauer im Median 2 Monate), lag die Rezidivrate bei 38,4 %,
während bei Patienten, bei denen die Stents unbegrenzt bzw. bis zu einem eventuellen
Spontanabgang in situ belassen wurden, während des Follow-ups von median 14 Monaten
nach Drainage kein einziges Rezidiv beobachtet wurde [1982]. Die Interpretation dieser Studie ist aufgrund des vorzeitigen Abbruchs der Randomisierung,
der kleinen Fallzahl, des hohen Anteils von Patienten mit Pankreasgangleckage und
des heterogenen Patientengutes allerdings schwierig. Eine aktuelle retrospektive Analyse
zeigte aber übereinstimmend, dass nach EUS-gestützter Drainage von abgekapselten Pankreasnekrosen
das Belassen der Stents im Vergleich zu ihrer Entfernung die Rezidivrate signifikant
reduzierte [1983].
4.10.2.2 Endoskopische Therapie von infizierten Pankreasnekrosen
Empfehlung
Die endoskopische Drainage von peripankreatischen und Pankreasparenchymnekrosen soll
bei Nachweis oder dringendem Verdacht einer Infektion möglichst nach Demarkation der
Nekrose und Kapselbildung erfolgen, dies bedingt einen Zeitabstand von mindestens
4 Wochen zum Beginn der akuten Pankreatitis.
Eine Drainage infizierter nekrotischer Flüssigkeitskollektionen zu einem früheren
Zeitpunkt kann bei instabilen Patienten charakterisiert durch SIRS und Multiorganversagen
mit klinischer Verschlechterung trotz maximaler intensivmedizinischer Therapie erwogen
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Pankreasnekrosen ist die nachgewiesene oder aufgrund einer klinischen Verschlechterung
trotz maximaler konservativer Therapie und laborchemischer Parameter vermutete Infektion die wesentliche Indikation für endoskopische oder andere minimalinvasive
Interventionen. Eine Intervention ist auch indiziert, wenn in einer späteren Phase der Erkrankung
durch eine demarkierte Pankreasnekrose persistierende starke Schmerzen oder eine Obstruktionssymptomatik
(Ikterus, Magenausgangsstenose) verursacht werden [1879]. Patienten mit sterilen Pankreasnekrosen haben einen deutlich günstigeren Verlauf
als solche mit Infektion [1984]. Organversagen und Nekroseninfektion sind Indikatoren eines schweren Verlaufes mit
hoher Mortalität. Die Mortalität verdoppelt sich bei Koinzidenz von Organversagen
und Infektion [1887].
Eine internationale multidisziplinäre Konsensuskonferenz empfiehlt, nach Möglichkeit
nicht früher als 4 Wochen nach Beginn der akuten Pankreatitis zu intervenieren, um
der Nekrose ausreichend Zeit zur Reifung (Demarkierung und Liquedifizierung) zu lassen
[1879]. In einer großen prospektiven Studie aus 21 niederländischen Zentren (n = 639) konnte
eindrucksvoll gezeigt werden, dass die Mortalität mit wachsendem Zeitintervall zwischen
Krankenhausaufnahme und minimalinvasiver Therapie (perkutane Katheterdrainage ± videoassistiertes
retroperitoneales Debridement oder endoskopisch-transmurale Drainage ± direkte endoskopische
Nekrosektomie) signifikant abnahm (0 – 14 Tage: 56 %; 14 – 29 Tage: 26 %; > 29 Tage:
15 %) [1985]. Bei klinisch stabilen Patienten mit infizierter Nekrose kann zunächst auch eine
konservative antibiotische Therapie erfolgreich sein [1986]
[1987]
[1988]. Dies ermöglicht ggf. ein Bridging der Drainagetherapie/Nekrosektomie bis zur Demarkation
der Nekrose. Eine endoskopische Intervention bei Patienten, die in der ersten Phase
der Erkrankung bei noch sterilen Nekrosen ein Multiorganversagen erleiden, gilt aufgrund
der extrem hohen Mortalität als kontraindiziert [1877]
[1879]. Im Falle von kritischen Verläufen einer infizierten Nekrose zu einem frühen Zeitpunkt
nach akuter Pankreatitis, die eine Ableitung erforderlich machen, kann ein möglichst
minimalinvasives Vorgehen in Form eines endoskopischen oder perkutanen Zuganges diskutiert
werden [1879]
[1985].
Prophylaktische Interventionsindikationen für Pankreasnekrosen gibt es nicht. In der
prospektiven niederländischen Multicenterstudie konnten 62 % der Patienten mit akzeptabler
Mortalität (7 %) konservativ behandelt und auf eine endoskopisch-transmurale oder
perkutane minimalinvasive Intervention verzichtet werden. Bei Parenchymnekrosen des
Pankreas traten Organversagen (50 %) und letale Ausgänge (20 %) signifikant häufiger
auf als bei Patienten mit peripankreatischen Nekrosen (24 bzw. 9 %) [1985]. In einer detaillierten retrospektiven Analyse dieses Patientengutes wurde gezeigt,
dass diese Unterschiede offensichtlich mit einer signifikant geringeren Infektionsrate
extrapankreatischer Nekrosen (16 %) im Vergleich zu Parenchymnekrosen (47 %) einhergehen.
Im Falle der Infektion unterscheidet sich die Mortalität zwischen beiden Typen von
Pankreasnekrosen jedoch nicht [1989]. In einer prospektiven Verlaufsbeobachtung einer kleinen Patientengruppe mit primär
konservativem Vorgehen war ein überwiegend liquider im Vergleich zu einem soliden
Inhalt der Nekrose ein signifikanter Prädiktor für interventionspflichtige Komplikationen
[1922].
Empfehlungen
Bei gegebener Indikation für eine endoskopische Therapie von demarkierten Pankreasnekrosen
(WON) soll in einem minimalinvasiven „Step-up“-Protokoll entweder durch transmurale
endoskopische Drainage ggf. gefolgt von einer direkten endoskopischer Nekrosektomie
interveniert werden oder durch perkutane Katheterdrainage ggf. gefolgt von einem minimalinvasiven
videoendoskopisch assistierten retroperitonealen Debridement.
Wird die Nekrose endoskopisch nur partiell erreicht, kann eine Kombination aus endoskopischer
und perkutaner Drainage/Nekrosektomie erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis konnte in zwei aktuellen multizentrischen
randomisierten prospektiven Studien gezeigt werden, dass ein aus einer primären perkutanen
bzw. endoskopischen transmuralen Drainage ggf. mit nachfolgender minimalinvasiver
retroperitonealer Nekrosektomie bzw. direkter endoskopischer Nekrosektomie bestehendes
Vorgehen der primären offen-chirurgischen Nekrosektomie hinsichtlich Mortalität und
schwerer Komplikationen signifikant überlegen war [1985]
[1990]
[1991]. Darüber hinaus hatte ein stufenweises Vorgehen mit primärer perkutaner oder transmuraler
Drainage und – falls klinisch erforderlich – zusätzlicher minimalinvasiver Nekrosektomie
eine geringere Komplikationsrate als die primäre minimalinvasive Nekrosektomie [1985]. In zwei prospektiven multizentrischen Studien erwies sich die alleinige perkutane
Katheterdrainage bei 35 bzw. 23 % der Patienten klinisch als ausreichend [1991]
[1992]. Ein systematischer Review der perkutanen Katheterdrainage als primäre Therapie
der nekrotisierenden Pankreatitis schloss 11 Studien mit 384 Patienten ein. 70,6 %
der Patienten hatten eine nachgewiesene Nekroseninfektion, und es wurden durchschnittlich
zwei perkutane Drainagen appliziert. Bei 55,7 % aller Patienten war keine zusätzliche
Nekrosektomie erforderlich [1993].
In einem retrospektiven Vergleich wies die transgastrale endoskopische Nekrosektomie
im Vergleich zur offenen und zur minimalinvasiven retroperitonealen Nekrosektomie
die geringste Gesamtmortalität auf [1994]. Erste prospektive Daten zeigen ebenfalls einen Benefit für die endoskopische Nekrosektomie.
Eine aktuelle prospektiv-randomisierte Studie verglich bei 20 Patienten erstmals die
endoskopische (n = 10) mit der chirurgischen Nekrosektomie (n = 6 videoendoskopisch
assistierte retroperitoneale Nekrosektomie, n = 4 offen-chirurgisches Debridement).
Primärer Endpunkt war die Messung des postinterventionellen Interleukin-6 Spiegels
als Entzündungsmarker, der sekundäre Endpunkt kombinierte schwere Komplikationen oder
Tod. Nach endoskopischer Nekrosektomie lagen die postinterventionellen IL-6 Spiegel
statistisch signifikant niedriger, ebenso trat der kombinierte sekundäre Endpunkt
schwere Komplikation (z. B. ein erneutes Multiorganversagen) oder Tod signifikant
weniger häufig auf als in der chirurgischen Gruppe (20 vs. 80 %, p = 0,3) [1995]. Von einem internationalen multidisziplinären Expertenkonsens wird unter Berücksichtigung
dieser vorläufigen Ergebnisse derzeit empfohlen, die Wahl des minimalinvasiven Verfahrens
von der lokalen Expertise und von der Lokalisation der Nekrosen in Bezug auf den Gastrointestinaltrakt
abhängig zu machen [1879].
Empfehlung
Bei endoskopischer Therapie von demarkierten Pankreasnekrosen (WON) mit und ohne Infektion
soll die Technik der endoskopisch-transmuralen Drainage deren Inhalt und Größe Rechnung
tragen. Sie kann mit einer Spülbehandlung über einen perkutanen Zugang oder eine nasozystische
Sonde bzw. mit einer direkten endoskopischen Nekrosektomie kombiniert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Transmuraler Zugang
Bei PFC mit Infektion und/oder solidem Debris muss der transmurale Zugang ausreichend
weitlumig und stabil sein, um den langfristig ungehinderten Abfluss infizierten liquiden
Inhalts und ggf. auch wiederholte direkte endoskopische transmurale Nekrosektomien
zu ermöglichen. Die Anzahl erforderlicher Sitzungen korrelierte in einer retrospektiven
Analyse mit der Größe der Kollektion und dem Ausmaß nekrotischen Debris [1920]. In den bisher zur endoskopischen transmuralen Therapie von WON publizierten 13
retrospektiven Serien und einer prospektiv-randomisierten Studie mit insgesamt 455
Patienten waren im Mittel 4 [1875]
[1876]
[1877]
[1878]
[1879]
[1880]
[1881]
[1882]
[1883]
[1884]
[1885]
[1886]
[1887]
[1888]
[1889]
[1890]
[1891]
[1892]
[1893]
[1894]
[1895]
[1896]
[1897] Sitzungen zur direkten endoskopischen Nekrosektomie erforderlich. Nach endosonografisch
gestützter Schaffung eines transmuralen Zugangs erfolgte in den meisten Serien eine
ein- oder mehrschrittige endoskopische Ballondilatation bis zu einem Diameter von
12 – 20 mm und die Sicherung des Zugangs durch Einlage mehrerer Doppelpigtail-Endoprothesen
oder eines gecoverten Metallstents [1996].
In einer retrospektiven Analyse wurde bei Patienten mit symptomatischer WON die direkte
endoskopische transmurale Nekrosektomie mit der alleinigen endoskopischen transmuralen
Drainage verglichen. Eine erfolgreiche Rückbildung der Nekrose konnte signifikant
häufiger durch Nekrosektomie als durch alleinige Drainage (88 vs. 45 %) erreicht werden,
während sich die Anzahl der erforderlichen Interventionen und Komplikationsraten nicht
unterschieden [1997]. Die Nekrosektomie erfolgt nach Schaffung eines für die Passage eines Standardendoskops
ausreichend weiten Zuganges zur Nekrosehöhle unter direkter endoskopischer Sicht unter
Nutzung endoskopischer Schlingen, Greifer oder Netze [1998].
Nasozystische Spüldrainage und multiple transmurale Zugänge
In einer unizentrischen retrospektiven Studie erwies sich in der Therapie von PFC
mit solidem Debris die Kombination aus EUS-gestützter transmuraler Stentdrainage und
nasozystischer Spülsonde der alleinigen transmuralen Stentdrainage in Bezug auf komplette
Rückbildung und Stentokklusion als signifikant überlegen [1954]. Eine ebenfalls retrospektive Studie verglich die Kombination aus transmuraler Drainage
mit zwei Doppelpigtail-Stents und nasozystischer Spülsonde mit einer „multiple transluminal
gateway technique“, bei der abhängig von der Größe der WON EUS-gestützt 2 oder 3 transluminale
Zugänge geschaffen wurden, von denen einer für eine nasozystische Spülsonde genutzt
und 1 oder 2 weitere mit mehreren Doppelpigtail-Stents gesichert wurden. Während es
bei einfacher transmuraler Stentdrainage in Kombination mit nasozystischer Sonde in
23 der 48 Fälle zum Therapieversagen (47,9 %: 3 Todesfälle, 17 × chirurgische Therapie,
3 × endoskopische Nekrosektomie) kam, musste in der „multiple transluminal gateway“-Gruppe
(n = 12) nur 1 Patient einer zusätzlichen endoskopischen Nekrosektomie unterzogen
werden, während chirurgische Maßnahmen nicht erforderlich waren und Todesfälle nicht
auftraten [1952]. Eine weitere retrospektive Analyse der gleichen Gruppe bestätigte den Vorteil multipler
transmuraler Zugänge in der Therapie von WON [1983].
Kombination endoskopischer und perkutaner Drainagetechniken
Auch die Kombination aus endoskopischen und perkutanen Drainagetechniken kann bei
ausgewählten Patienten mit infizierten und organisierten Pankreasnekrosen sinnvoll
sein, um die Behandlungseffektivität vor allem bei großer Ausdehnung bis in die parakolische
Rinne und das Becken zu erhöhen, die Anzahl erforderlicher endoskopischer Nekrosektomien
durch externe Spülung zu verringern und der Entwicklung pankreatokutaner Fisteln vorzubeugen
[1999]
[2000]
[2001]. Eine unizentrische retrospektive Fallkontrollstudie konnte zeigen, dass die kombinierte
endoskopisch-transmurale und perkutane Drainage von symptomatischen und infizierten
WON im Vergleich zur alleinigen perkutanen Katheterdrainage neben der Krankenhausverweildauer
auch die Liegedauer externen Drainagen sowie die Anzahl erforderlicher Bildgebungen
und ERCPs reduziert [2002]. Prospektive Daten aus einem deutschen Zentrum zeigen, dass durch die Kombination
verschiedener Drainagetechniken (endoskopisch-transmural, endoskopisch-transpapillär
und perkutan) bei infizierten Pankreasnekrosen und infizierten PFC (Pankreasabszessen)
ebenso hohe Erfolgsraten erreichbar sind wie bei nicht infizierten Pseudozysten. Während
bei unkomplizierten Pseudozysten ein kombiniertes Vorgehen nur in 31,2 % der Fälle
erforderlich war (definitiver Interventionserfolg 96,6 %), erfolgte die Kombination
verschiedener Drainagetechniken bei Abszessen in 50,6 % (definitiver Interventionserfolg
97,5 %) und bei infizierten Nekrosen in 76,5 % (definitiver Interventionserfolg 94,1 %)
[2003].
Voll gecoverte selbstexpandierende Metallstents
Nasozystische und perkutane Spüldrainagen gehen mit dem Risiko der Okklusion und Dislokation
einher, bedürfen eines konsequenten Spülregimes und beeinträchtigen die Lebensqualität.
Bei Verwendung von Plastikstents besteht das Risiko von Okklusion und Migration. Es
wurden Reinterventionsraten von 17,7 – 27 % berichtet [2004]
[2005]. Auch multiple Kunststoffstents reichen nicht aus, um einen für die endoskopische
Nekrosektomie geschaffenen weitlumigen Zugang dauerhaft offenzuhalten, sodass Nachdilatationen
vor wiederholten endoskopischen Nekrosektomien erforderlich werden können. Erstmals
wurde 2008 über die transmurale EUS-gestützte Applikation von voll gecoverten selbstexpandierenden
biliären Metallstents mit dem Ziel berichtet, stabile weitlumige Zugänge zu etablieren
[1968]. In dieser retrospektiven und in zwei prospektiven Fallserien (n = 58) konnten technische
Durchführbarkeit (100 %) und klinische Effektivität des Verfahrens (88 %) gezeigt
werden, allerdings wurde auch über 9 Fälle von Superinfektion der PFC berichtet. Darüber
hinaus traten teilweise trotz Sicherung durch Doppelpigtail-Endoprothesen innerhalb
des Metallstents 2 Fälle von Stentmigration auf. In einem Falle konnte der voll gecoverte
Stent nach einer Liegedauer von 2 Monaten aufgrund des Einwachsens von entzündlichem
Gewebe endoskopisch nicht mehr entfernt werden (Komplikationen kumulativ in 24 %)
[1963]
[1968]
[1972]. In einer weiteren prospektiven Studie wurde bei 18 Patienten mit teilweise akuten
PFC mit fraglicher Wandadhärenz zum Gastrointestinaltrakt unter Nutzung eines speziellen
Zugangsdevices der transmurale Zugang einschrittig geschaffen und ein vollgecoverter
biliärer SEMS ohne vorherige Dilatation eingelegt. Nach angenommener Reifung und Konsolidierung
des Zugangstraktes (7 – 10 Tage) wurden die Metallstents entfernt, bei Nachweis von
Nekrosen (n = 16) der Zugang auf 12 – 15 mm dilatiert, eine direkte endoskopische
Nekrosektomie durchgeführt und der Zugang mit 2 – 3 Doppeligtail-Stents gesichert
[1959]. Eine echte Alternative zu kombinierten Spül- und Drainageverfahren und häufigen
direkten endoskopischen Nekrosektomiesitzungen stellt die Applikation von gecoverten
Metallstents dar, die einen für die Passage eines Standardvideoendoskops ausreichenden
Durchmesser aufweisen [1969]
[1970]
[1980]. Seit kurzem stehen speziell für die transmurale Drainage von PFCs entwickelte weitlumige,
relativ kurze cSEMS mit weiten Tulpen zur Verfügung (z. B. AxiosTM, XLumena; NAGI-StentTM, TaeWoong). Das spezielle Stentdesign soll das Risiko von Stentmigration, Stent-Ingrowth,
Perforation bzw. Flüssigkeitsleckage auch bei transmuraler Drainage von PFCs ohne
bereits erreichte Adhärenz zur Wand des Gastrointestinaltrakts minimieren und einen
stabilen Zugang für wiederholte endoskopische Nekrosektomien ermöglichen. Erste Fallserien
zeigen die technische Machbarkeit, Effizienz und Sicherheit des neuen Verfahrens [1964]
[1973]
[1975]
[1977]
[1978]
[1979]
[2006]
[2007]
[2008]. Im Vergleich zu multiplen Plastikstents erwies sich in einer randomisierten-kontrollierten
Studie ein speziell designter Metallstent für die Drainage von PFC als technisch und
klinisch gleichwertig, während der Zeitbedarf für die Applikation des Metallstents
signifikant geringer war als für die der Plastikstents [1978]. In einem systematischen Review konnte weder für den Behandlungserfolg von WON noch
für Rezidiv- und Komplikationsrate ein signifikanter Vorteil der transmuralen Applikation
von gecoverten Metallstents über die transmurale Drainage mit Plastikendoprothesen
gezeigt werden [1967].
Empfehlung
Die endoskopische Therapie von demarkierten Pankreasnekrosen (WON) sollte in Kliniken
mit entsprechender lokaler Expertise für endoskopische, EUS-gestützte und perkutane
Interventionen durchgeführt werden (Endoskopie, Interventionelle Radiologie, Chirurgie).
Konsens
Kommentar
Nach Ausschluss von Stentmigration und Rezidiven wurde in einer systematischen Analyse
von 6 prospektiven und 17 retrospektiven Studien (n = 926) eine Komplikationsrate
von 8 % (0 – 26 %) für die EUS-gestützte Drainage von PFC ermittelt, wobei es sich
in 717 Fällen um Pseudozysten, in 161 Fällen um Abszesse und in nur 48 Fällen um Pankreasnekrosen
handelte [2009]. Während die transpapilläre Drainage vor allem das geringe Risiko einer postinterventionellen
Pankreatitis und von Infektionen durch Stentokklusion birgt [1923]
[1924]
[1925]
[1928]
[1929]
[1930], ist die schwerste, potenziell auch letale Komplikation der transmuralen Drainage
von PFC die Blutung. Beschrieben wurden Blutungen aus der Punktionsstelle der Zyste
bei Initialpunktion oder Stentwechsel [1934]
[1941]
[1942]
[1965]
[2010]. Diese konnten zum Teil endoskopisch konservativ gestillt werden. Risikofaktoren
stellen u. a. venöse Umgehungskreisläufe mit kleinen gastrischen Varizen in der Magenwand
dar [1934]
[1941]. Schwerwiegende späte Blutungen nach transmuraler Drainage von PFC mit zum Teil
letalem Ausgang traten infolge einer Erosion der Arteria lienalis [2011], der Arteria gastroduodenalis [1923], oder bei Vorliegen eines rupturierten Pseudoanaeurysma [1929]
[2010] auf. Daher sollte bei allen Patienten vor der endoskopischen Drainage eine Bildgebung
(EUS mit Doppler, CT/MRT mit Kontrastmittel) zum Ausschluss einer vaskulären Pankreatitiskomplikation
erfolgen [2012]. Infektiöse Komplikationen entstehen durch eine Kontamination im Rahmen der transmuralen
oder transpapillären Drainage selbst und können aggraviert werden durch eine insuffiziente
Ableitung bei Stentokklusion oder Dislokation [1928]
[1930]
[1965]
[2004]
[2013]. Dislokationen von transmuralen Kunststoffstents treten mit einer mittleren Häufigkeit
von 5 % auf [2009], wurden aber auch bei speziell für die Drainage von PFC entwickelten voll gecoverten
Metallstents beobachtet [1964]. Retroperitoneale Perforationen können bei fehlender Ausbildung einer Zystenwand
sowie einem Punktionsweg > 10 mm von endoluminal begünstigt werden. Erfolgreiche konservative
Therapieverläufe unter antibiotischer Abdeckung wurden beschrieben [1929]
[2014]. In zwei randomisierten-kontrollierten Studien war die Komplikationsrate der rein
endoskopischen transmuralen Drainage nicht signifikant höher als die der EUS-gestützten
transmuralen Drainage [1941]
[1942].
Die endoskopische Drainage und Therapie von infizierten demarkierten Pankreasnekrosen
(WON) nach akuter Pankreatitis ist technisch komplex, erfordert häufig die Kombination
verschiedener interventioneller endoskopischer und perkutaner Eingriffe in einem „Step-up“-Protokoll
und hat im Vergleich zur Drainage unkomplizierter und infizierter Pseudozysten eine
höhere Morbidität und eine geringere Langzeiteffektivität [1929]
[1933]
[1952]
[1962]
[1985]
[1991]
[1997]
[2011]
[2014]
[2015]
[2016]
[2017]
[2018]
[2019]
[2020]
[2021]
[2022]
[2023]
[2024]
[2025]. In der größten unizentrischen retrospektiven Serie von 211 Patienten mit endoskopischer
(konventioneller und EUS-gestützter) transmuraler Drainage von peripankreatischen
Flüssigkeitsansammlungen war der Therapieerfolg bei Pseudozysten und Abszessen (93,5 %)
signifikant höher als bei Nekrosen (63,2 %), während Komplikationen der transmuralen
Drainage bei Patienten mit Nekrosen (15,8 %) signifikant häufiger auftraten als bei
Patienten mit Pseudozysten und Abszessen (5,2 %) [1933]. Drei große retrospektive multizentrische Serien aus den USA, Deutschland und Japan
berichteten initiale klinische Erfolgsraten der transmuralen endoskopischen Nekrosektomie
von 75 – 91 % und Komplikationsraten von 14 – 33 % [2014]
[2015]
[2025]. In einem systematischen Review, der 13 Fallserien und eine randomisierte-prospektive
Studie mit 455 Patienten einbezog, erreichte die endoskopische transmurale Nekrosektomie
von Pankreasnekrosen nach akuter Pankreatitis eine Erfolgsrate von 81 %. Die Komplikationsrate
lag kumulativ bei 36 %, die Mortalität bei 6 %. Häufigste Komplikation waren Blutungen
(18 %), die in 93 % der Fälle endoskopisch-interventionell beherrscht werden konnten,
in 7 % aber angiografische Interventionen oder eine operative Therapie erforderlich
machten. Perforationen wurden in 4 % beobachtet und in 67 % der Fälle operativ behandelt
[1996]. Ähnliche Ergebnisse wurden in vier weiteren systematischen Reviews berichtet [1962]
[2016]
[2026]
[2027]. Eine besonders schwerwiegende, aber nur in Einzelfällen beschriebene Komplikation
ist die Gasembolie. Es wird daher empfohlen, transmurale endoskopische Nekrosektomien
nur unter CO2-Insufflation vorzunehmen [2014]
[2015]
[2025]
[2028].
Aufgrund der Komplexität und des Risikos der transmuralen endoskopischen Nekrosektomie
empfiehlt ein aktueller multidisziplinärer internationaler Expertenkonsens, die schwerkranken
Patienten mit WON durch multidisziplinäre Teams mit spezieller Expertise im Management
der akuten nekrotisierenden Pankreatitis und ihrer Komplikationen zu behandeln [1879]. [Tab. 55] gibt einen Überblick über die Komplikationen und deren Häufigkeit.
Tab. 55
Transmurale Drainage von PFC: Komplikationen.
Komplikation
|
Häufigkeit
|
Risikofaktoren
|
Blutungen
|
2 % (0 – 9 %)
|
venöse Umgehungskreisläufe mit perigastrischen Kollateralen und Varizen in der Magenwand
Erosion von Arteria lienalis oder Arteria gastroduodenalis
viszerales Pseudoanaeurysma
|
Infektionen
|
4 % (0 – 26 %)
|
Stentdislokation, Stentokklusion, Pankreasnekrose
|
Perforation
|
1,6 % (0 – 6 %)
|
|
Rezidive
|
bis zu 14 %
|
|
4.10.2.3 EUS-gestützte Drainage von nicht mit einer Pankreatitis assoziierten Flüssigkeitsansammlungen
Empfehlung
Die EUS-gestützte Drainage von nicht mit einer akuten oder chronischen Pankreatitis
assoziierten Flüssigkeitsansammlungen (postoperative Verhalte, Abszesse) kann alternativ
zu perkutanen minimalinvasiven und operativen Verfahren eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die für Pankreaspseudozysten und andere pankreatitisassoziierte Flüssigkeitsansammlungen
etablierten EUS-gestützten Drainagetechniken können prinzipiell auch auf andere dem
Gastrointestinaltrakt benachbarte therapiebedürftige Flüssigkeitsansammlungen übertragen
werden. In kleinen Fallserien wurden bisher die erfolgreiche EUS-gestützte Drainage
von Mediastinalabszessen [2029]
[2030]
[2031]
[2032], Leber- und Milzabszessen [2033]
[2034]
[2035]
[2036]
[2037]
[2038], intraabdominellen, perirektalen und perikolischen Abszessen [1950]
[2039]
[2040]
[2041]
[2042]
[2043]
[2044]
[2045]
[2046]
[2047]
[2048]
[2049], obstruierten afferenten Dünndarmschlingen nach Hepatokojejunostomie bzw. Whipple-Operation
[2050]
[2051]
[2052]
[2053], postoperativen Flüssigkeitsverhalten, Biliomen und Hämatomen [1950]
[2040]
[2054]
[2055]
[2056]
[2057]
[2058] sowie malignen Ergüssen [2059] beschrieben.
4.11 Addendum: EUS-gestützte therapeutische Interventionen
4.11.1 EUS-gestützte prätherapeutische Tumormarkierung
Empfehlung
Die EUS-gestützte Platzierung von Edelmetallmarkern kann zur Markierung von Tumoren
und Lymphknoten vor operativer oder stereotaktischer Radiotherapie eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Über 19 G- und 22 G-Aspirationsnadeln können mittels des Mandrins endosonografisch
gestützt kurze Edelmetalldrähte gezielt in Läsionen eingebracht werden, die dem Gastrointestinaltrakt
benachbart und einer EUS-FNP zugänglich sind (Lymphknoten, Pankreastumoren, Prostatatumoren,
mediastinale Raumforderungen). Die konventionellen nicht flexiblen Marker mit einer
Länge von 5 mm und einem Durchmesser von 0,8 mm sind nur mit 19 G-Nadeln applizierbar
[2060]
[2061]
[2062]
[2063]
[2064]
[2065]
[2066]. Neuerdings stehen auch flexible gecoilte Marker mit einer Länge von 10 mm und einem
Durchmesser von 0,28 mm bzw. 0,35 mm zur Verfügung (Gold AnchorTM, Naslund Medical AB; VisicoilTM, Core Oncology), die über 22 G-Nadeln applizierbar sind [2067]
[2068]
[2069]. In mehreren Fallserien wurde darüber berichtet, dass diese Markierungen für stereotaktische
Bestrahlungen [2060]
[2062]
[2063]
[2064]
[2068]
[2070] sowie das Wiederauffinden kleiner neuroendokriner Pankreastumoren [2071] und von Lymphknoten [2066]
[2072] geeignet sind. Traditionelle Marker waren in einer retrospektiven Vergleichsstudie
besser radiologisch darstellbar als die neueren flexiblen Visicoil-Marker, während
sich die Migrationshäufigkeit zwischen beiden Markertypen nicht signifikant unterschied
[2073]. Die EUS-gestützte Markerapplikation ergab zwar seltener als die chirurgische Applikation
eine ideale Markergeometrie, die radiologische Ortung während einer radiochirurgischen
Behandlung unterschied sich aber zwischen beiden Applikationsvarianten nicht [2074].
4.11.2 EUS-gestützte Blockade/Neurolyse des Plexus coeliacus
Die Blockade (d. h. reversible Ausschaltung durch Injektion von Lokalanästhetika und
Glukokortikoiden) bzw. Neurolyse (= irreversible Destruktion durch Injektion beispielsweise
von absolutem Alkohol) des Plexus coeliacus als zentraler Umschaltstation schmerzleitender
sympathischer Nervenfasern aus dem gesamten oberen Bauchraum wurde erstmals 1914 beschrieben
[2075]. Nachdem ursprünglich Lokalanästhetika und/oder hochprozentiger Alkohol über dorsal-paravertebrale,
später über anterior-abdominelle Zugänge unter konventionell-radiologischer Kontrolle
mit einem hohen Risiko vor allem von Paraplegien appliziert worden waren, erhöhte
die Entwicklung der computertomografisch und sonografisch gestützten Plexusinterventionen
Sicherheit und Effektivität des Verfahrens [2076]
[2077]
[2078]
[2079]
[2080]
[2081]
[2082]. Eine Metaanalyse ergab bei 70 – 90 % der 1145 in 24 Studien eingeschlossenen Patienten
mit Pankreaskarzinom und anderen malignen Tumoren des oberen Bauchraums unabhängig
von der konkreten perkutanen Technik eine langfristige Schmerzlinderung [2083]. In vier weiteren Metaanalysen, die 5 bzw. 6 randomisierte kontrollierte Studien
bei Patienten mit irresektablem Pankreaskarzinom einschlossen, konnte die perkutane
Plexusneurolyse im Vergleich zu konventioneller Schmerztherapie und/oder Scheininterventionen
die VAS-Schmerzscores sowie den Opiatverbrauch 2, 4 und 8 Wochen nach Intervention
signifikant reduzieren. Darüber nimmt die Inzidenz einer schweren Obstipation durch
Plexusneurolyse signifikant ab [2084]
[2085]
[2086]
[2087].
Die endosonografisch gestützte Plexusneurolyse (EUS-guided celiac plexus neurolysis,
EUS-CPN) wurde erstmals 1996 bei 30 Patienten mit nachgewiesenem oder vermutetem Karzinom
des oberen Bauchraums beschrieben [2088]. Ebenfalls 1996 wurde der Fallbericht einer erfolgreichen endosonografisch gestützten
Blockade des Plexus coeliacus (EUS-guided celiac plexus block, EUS-CPB) bei einem
Patienten mit chronischer Pankreatitis publiziert [2089].
Empfehlung
Bei Patienten mit Schmerzsyndrom bei irresektablem Pankreaskarzinom und anderen malignen
Erkrankungen des oberen Bauchraums sollte die Einbeziehung der endosonografisch gestützten
Neurolyse des Plexus coeliacus (EUS-CPN) bzw. des Ganglion coeliacus in die multimodale
Schmerztherapie erwogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom leiden sehr häufig an einem schweren,
durch alleinige medikamentöse Therapie oft nicht hinreichend behandelbaren Schmerzsyndrom.
Eine hoch dosierte Opiattherapie kann schwere Nebenwirkungen verursachen und die Lebensqualität
einschränken [2090]
[2091]
[2092]. Ergänzend zur medikamentösen Therapie kommen daher in der Schmerztherapie bei Patienten
mit Pankreaskarzinom und anderen malignen Tumoren des oberen Bauchraums verschiedene
interventionelle Verfahren zum Einsatz, darunter die Durchtrennung/Ablation der thorakalen
Splanchnikusnerven und verschiedene Techniken zur Destruktion der Ganglien des Plexus
coeliacus [2093]
[2094]
[2095]
[2096]
[2097]
[2098]
[2099]
[2100]
[2101].
Die Endosonografie erlaubt einen direkten transgastralen Zugang zum Plexus coeliacus
und die Real-time-Visualisierung der Injektionstherapie. Bei der EUS-CPN werden mit
einer 19 G- oder 22 G-Aspirationsnadel oder einer speziellen 20 G-CPN-Nadel (EchoTip® Ultra Celiac Plexus Neurolysis Needle, Cook Medical) 5 – 20 ml eines Lokalanästhetikums
(z. B. Bupivacain 0,25 – 0,75 %) gefolgt von 10 – 20 ml absoluten Alkohols in den
Bereich des Plexus coeliacus injiziert, nachdem durch Aspiration eine intravasale
Lage der Nadelspitze ausgeschlossen wurde [2102]
[2103]
[2104]
[2105].
In zwei Metaanalysen wurde eine schmerztherapeutische Effektivität der EUS-CPN bei
Patienten mit Pankreaskarzinom in 80,1 % [2106] bzw. 72,5 % der Fälle [2107] beschrieben. Ein aktueller systematischer Review, der auch Patienten mit anderen
malignen Erkrankungen des oberen Bauchraums einschloss, zeigte im Vergleich zur Ausgangssituation
eine Schmerzreduktion 1 – 2 Wochen, 4, 8 und 12 Wochen nach EUS-CPN [2085]. In einer randomisierten, doppeltblinden prospektiv-kontrollierten Studie wurde
bei 96 Patienten mit inoperablem Pankreaskarzinom und Schmerzsyndrom die EUS-CPN unmittelbar
nach Diagnosestellung in Kombination mit medikamentöser analgetischer Therapie mit
einem alleinigen konservativen schmerztherapeutischen Vorgehen verglichen [2108]. Einen Monat nach Intervention war bei zwischen beiden Gruppen nicht signifikant
unterschiedlichem Morphinverbrauch die Reduktion des Schmerzscores in der EUS-CPN-Gruppe
deutlicher ausgeprägt als in der konservativ behandelten Patientengruppe. Dieser Unterschied
war 3 Monate nach Intervention signifikant [2108].
Empfehlung
Bei Patienten mit chronischem Schmerzsyndrom im Rahmen einer chronischen Pankreatitis
kann die Einbeziehung der endosonografisch gestützten Blockade des Plexus coeliacus
(EUS-CPB) in die multimodale Schmerztherapie erwogen werden, wenn eine operative Therapie
nicht gewünscht wird oder aus anderen Gründen nicht infrage kommt.
Starker Konsens
Kommentar
Etwa 85 % der Patienten mit chronischer Pankreatitis leiden zumindest phasenweise
im Verlauf der Erkrankung an Schmerzen [2109]. Das Schmerzsyndrom bei chronischer Pankreatitis wird durch verschiedene pathophysiologische
Mechanismen verursacht, die zu unterschiedlichen therapeutischen Ansätzen führen.
Insbesondere bei Patienten mit fehlender Obstruktion des Pankreashauptgangs hat die
Blockade des Plexus coeliacus einen Stellenwert in der Schmerztherapie bei Patienten
mit chronischer Pankreatitis, wenn die medikamentöse Schmerztherapie ineffektiv bleibt
[2110].
In mehreren retrospektiven und prospektiven Studien hat sich die EUS-CPB mit Injektion
von Lokalanästhetika (z. B. 10 – 20 ml Bupivacain 0,5 – 1 %) eventuell in Kombination
mit lokal wirksamen Glukokortikoiden (z. B. 40 – 80 mg Triamcinolon) bei Patienten
mit chronischer Pankreatitis als effektive Schmerztherapie erwiesen. Der Effekt persistiert
allerdings nur für maximal 12 – 24 Wochen [2111]
[2112]
[2113]. In zwei Metaanalysen wurde gezeigt, dass 51,5 % [2107] bzw. 59,5 % der Patienten mit chronischer Pankreatitis [2106] von der EUS-CPB profitieren. In zwei kleinen prospektiven-randomisierten Studien
wurde die Überlegenheit der EUS-CPB mit Bupivacain und Triamcinolon im Vergleich zur
CT-gestützten [2112] bzw. zur durchleuchtungsgestützten Plexusblockade [2114] mit den gleichen Substanzen gezeigt. In einer unizentrischen prospektiven verblindeten
Vergleichsstudie hatte der Einsatz von Triamcinolon zusätzlich zum Lokalanästhetikum
keinen Einfluss auf die Effektivität und die Zeitdauer der Schmerzreduktion durch
EUS-CPB [2115].
Unter Berücksichtigung der nur auf wenig mehr als die Hälfte der Patienten beschränkten
sowie temporären Effektivität empfiehlt die ESGE die Plexusblockade nur als Zweitlinientherapie
zur Behandlung des Schmerzsyndroms bei chronischer Pankreatitis, wobei die EUS-gestützte
Durchführung der perkutanen vorgezogen werden sollte [2116].
Sicherheit von EUS-CPN und EUS-CPB
Die endosonografisch gestützte Neurolyse und Blockade des Ganglion coeliacus sind
relativ sichere Methoden. Während Minorkomplikationen wie transiente Schmerzverstärkung
(EUS-CPN: 4 %; EUS-CPB 2 %), Diarrhoe (10 bzw. 2 %) und Hypotonie (5 zw. 2 %) relativ
häufig waren, berichtete eine aktuelle systematische Review schwerwiegende Komplikationen
nur in 0,2 % der Fälle von EUS-CPN (vorwiegend Ischämien, Blutungen und Paraplegien)
und in 0,6 % der Fälle von EUS-CPB (nahezu ausschließlich retroperitoneale Abszesse
und Phlegmone) [2117].
Zwei Todesfälle durch schwere mesenteriale Ischämie nach EUS-CPN sind beschrieben
[2118]
[2119].
Empfehlung
Bei endosonografischer Darstellbarkeit sollten endosonografisch gestützte Plexusneurolyse
oder -blockade als direkte Injektionstherapie der Ganglien durchgeführt werden.
Starker Konsens
Alternativ und insbesondere bei fehlender endosonografischer Darstellbarkeit der Ganglien
können endosonografisch gestützte Plexusneurolyse oder -blockade sowohl als bilaterale
oder als zentrale Injektion an der Basis des Truncus coeliacus oder unter Einbeziehung
des Plexus mesentericus superior (broad plexus neurolysis) erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die meisten Ganglien des Plexus coeliacus liegen zwischen den Abgängen von Truncus
coeliacus und Arteria mesenterica superior bzw. zwischen dem thorakolumbalen Übergang
(Th 12/ L1) und dem zweiten Lendenwirbelköper (L2). Im Mittel finden sich auf jeder
Seite 2,7 [2060]
[2061]
[2062]
[2063]
[2064] Ganglien. Sie liegen dem Crus diaphragmaticum und der Aorta abdominalis auf und
sind vor allem links direkt lateral der Nebenniere gelegen. Nach kaudal besteht Kontinuität
zu den mesenterialen Ganglienplexus [2120]
[2121]
[2122]. Endosonografisch wurden die Zöliakalganglien erstmals 2006 beschrieben und durch
EUS-FNP sicher identifiziert [2123]. In weiteren Untersuchungen wurde wenig später gezeigt, dass sie bei vier von fünf
Patienten darstellbar sind und die Darstellung etwas besser mit dem longitudinalen
als mit dem radialen Echoendoskop gelingt. Die bis zu 5 Ganglien wurden ganz überwiegend
links vom Abgang des Truncus coeliacus in enger Nachbarschaft zur linken Nebenniere
als ovale oder mandelförmige Gebilde (10,8 ± 5,5 mm × 4,2 ± 2,5 mm) mit unscharfer
Abgrenzung zur Umgebung und mit der linken Nebenniere vergleichbarer Echogenität dargestellt.
Häufig ist ein zarter echogener Zentralreflex nachweisbar. Anders als bei Lymphknoten
sind die Ganglien durch zarte echoarme bandartige Strukturen kettenartig untereinander
verbunden [2124]
[2125].
Beschrieben sind 4 verschiedene Techniken der EUS-gestützten Injektionstherapie des
Plexus coeliacus: die zentrale Injektion in den Abgangswinkel des Trucus coeliacus
aus der Aorta abdominalis, die bilaterale Injektion links und rechts des Abgangs des
Truncus coeliacus [2113]
[2126], die direkte Infiltration der endosonografisch dargestellten Ganglienstrukturen
[2127]
[2128]
[2129] und die breite Infiltration von Plexus coeliacus und mesentericus (EUS-guided broad
plexus neurolysis, EUS-BPN) in Höhe des Abgangs der Arteria mesenterica superior unter
Nutzung einer 25 G-Aspirationsnadel [2130].
In einer verblindeten randomisierten prospektiven Studie wurde bei Patienten mit Pankreaskarzinom
im Vergleich zwischen zentraler und bilateraler Injektion kein signifikanter Unterschied
der schmerztherapeutischen Effektivität der EUS-CPN registriert [2126]. In einer weiteren prospektiven randomisierten Studie wies die gleiche Arbeitsgruppe
auch für Patienten mit chronischer Pankreatitis eine identische Effektivität von zentraler
und bilateraler EUS-CPB nach [2113]. Demgegenüber berichten die Autoren einer retrospektiven Studie mit 160 Fällen von
EUS-CPN und EUS-CPB eine höhere Effektivität der bilateralen Injektionsmethode [2131].
In einer nicht randomisierten retrospektiven Vergleichsstudie an Patienten mit fortgeschrittenen
abdominellen Krebserkrankungen fanden japanische Autoren 7 und 30 Tage nach EUS-BPN
auf der Ebene des Abgangs der Arteria mesenterica superior eine signifikant stärkere
Reduktion der Schmerz-VAS-Scores im Vergleich zur bilateralen EUS-CPN, die allerdings
nur Patienten mit Krebserkrankungen des unteren Abdomens betraf [2130].
Die wahrscheinlich effektivste Methode ist die direkte Infiltration der endosonografisch
sichtbaren Ganglien. Hinweise darauf ergaben sich aus einer Pilotstudie [2127] und einer retrospektiven Studie [2128], in der bei endosonografischer Darstellbarkeit der Ganglien die EUS-CPN als direkte
intraganglionäre Injektion erfolgte. Die direkte Gangliendarstellbarkeit erwies sich
als der beste Prädiktor der Effektivität [2128]. In einer prospektiven randomisierten multizentrischen japanischen Vergleichsstudie
hatte dieses Verfahren eine signifikant höhere Ansprechrate (73,5 vs. 45,5 %) und
erzielte signifikant häufiger eine komplette Schmerzausschaltung (50,0 vs. 18,2 %)
als die zentrale EUS-CPN [2129].
Zum optimalen Zeitpunkt der endosonografisch gestützten Injektionstherapie des Plexus
coeliacus kann keine evidenzbasierte Empfehlung gegeben werden. Für die perkutane
Technik erwies sich die frühzeitige Injektionstherapie als effektiver als eine erst
im Verlauf nach Abnahme der Effektivität der medikamentösen Schmerztherapie begonnene
[2132]. Auch die Daten einer randomisiert-kontrollierten, doppelblinden Studie, die eine
unmittelbar nach Diagnose eines inoperablen Pankreaskarzinoms durchgeführte EUS-CPN
mit einer Standardschmerztherapie verglich, sprechen für den frühzeitigen Einsatz
der Methode [2108].
4.11.3 EUS-gestützte Gallengangs- und Pankreasgangdrainage
1996 publizierte die Arbeitsgruppe um M. Wiersema die ersten 11 Fälle einer EUS-gestützten
transduodenalen Cholangiopankreatografie nach gescheiterter ERCP, um eine wiederholte
ERCP durch die vorherige Darstellung der Ganganatomie und pathologischer Befunde zu
unterstützen [2133]. 2001 wurde durch M. Giovannini der erste Fall einer zweischrittigen, primär EUS-gestützten
Gallengangsdrainage über einen extrahepatischen (transduodenalen) Zugang publiziert
[2134]. Im Folgejahr erschienen erste Fallberichte über die direkte EUS-gestützte antegrade
Pankreasgangdrainage bei Patienten mit obstruktiver chronischer Pankreatitis [2135] und über ein EUS-gestütztes Rendezvousverfahren zur retrograden Pankreasgandrainage
bei einer Patientin mit rekurrierender akuter Pankreatitis bei proximaler Pankreasgangstenose
[2136]. 2003 berichteten Burmester et al. über die ersten 3 Fälle einer einschrittigen
EUS-gestützten Cholangiodrainage unter Nutzung von Plastikstents über extrahepatische
(transduodenale) und transhepatische Zugänge [2137], wenig später Giovannini et al. über die erste EUS-gestützte Hepatikogastrostomie
unter Nutzung eines gecoverten selbstexpandierenden Metallstents (cSEMS) [2138]. 2004 wurde erstmals ein EUS-gestütztes Rendezvousmanöver zur Ermöglichung der retrograden
transpapillären Gallengangsdrainage bei primär nicht sondierbarer Papille vorgestellt
[2139]. Seither sind in überwiegend kleinen Fallserien verschiedene technische Modifikationen
der endosonografisch gestützten Cholangiopankreatografie (EUS-CP) und -drainage (EUS-CD
und EUS-PD) sowie der endosonografisch gestützten Gallenblasendrainage publiziert
worden [2102]
[2140]
[2141]
[2142]
[2143]
[2144]
[2145].
EUS-gestützte Gallengangsdrainage
Empfehlung
Die EUS-CD als Rendezvousverfahren oder mit transmuraler Stenteinlage kann abhängig
von der konkreten klinischen und anatomischen Situation sowie der lokalen Expertise
und unter Abwägung der möglichen Alternativverfahren (PTCD, operative Verfahren) in
ausgewählten klinischen Einzelfällen in Erwägung gezogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die ERCP ist die interventionelle Methode der Wahl für die Behandlung einer obstruktiven
Cholestase und hat eine hohe Erfolgsrate von über 90 % [2146]. Eine postoperativ veränderte Anatomie (insbesondere nach totaler Gastrektomie und
ROUX-Y-Rekonstruktion sowie bei Hepatikojejunostomie), eine Tumorobstruktion des oberen
GI-Trakts, schwierige anatomische Verhältnisse an der Papille, entzündliche oder neoplastische
Destruktion der Papille/bilioenterischen Anastomose oder komplette Obstruktionen des
Gallengangs sind wesentliche Ursachen für das Scheitern einer endoskopischen retrograden
Gallengangsdrainage in etwa 3 – 10 % der Fälle [2147]
[2148]
[2149]
[2150]. In diesen Fällen kommen bei Patienten mit inkurablen malignen Grundleiden derzeit
die perkutane transhepatische Cholangiodrainage (PTCD) und die palliative operative
Cholangiodrainage zum Einsatz. Mit der PTCD gelingt in mehr als 90 % der Fälle eine
erfolgreiche Galleableitung, allerdings mit im Vergleich zur ERCP (Morbidität 6,85 %,
Mortalität 0,33 % [2151]
[2152]
[2153]) deutlich höheren Komplikationsraten (9 – 33 %) und einer prozedurbedingten Mortalität
bis 2 %. In 5 – 10 % der Fälle ist mit der PTCD nur eine alleinige externe Drainage
mit den Nachteilen eines Galleverlustsyndroms und eingeschränkter Lebensqualität möglich
[2154]
[2155]
[2156]
[2157]
[2158]
[2159]
[2160]
[2161]
[2162].
Die EUS-gestützte Gallengangsdrainage kann abhängig von der konkreten klinischen und
anatomischen Situation nach transintestinal-transhepatischer oder transduodenaler
Cholangiografie als Rendezvousmanöver nach transpapillärer/transanastomotischer Drahtausleitung
bzw. als direkte EUS-gestützte antegrade oder retrograde Gallengangsdrainage über
einen extrahepatischen (transduodenalen) oder transhepatischen Zugang durchgeführt
werden. Die in verschiedenen Studien publizierten technischen Erfolgsraten liegen
bei 67 – 100 % (durchschnittlich bei ca. 90 %), die Komplikationsraten bei durchschnittlich
29 % und die Mortalität bei 3 % [2102]
[2117]
[2140]
[2141]
[2142]
[2143]
[2144]
[2163]. Eine randomisierte prospektive Vergleichsstudie [2164], retrospektive multizentrische Studien [2163]
[2165]
[2166] und die vergleichende Analyse der publizierten Daten [2117]
[2142]
[2143]
[2167] zeigen zwischen transhepatischem und extrahepatischem Zugangsweg keine signifikanten
Unterschiede der Erfolgs- und Komplikationsraten. In den beiden bisher publizierten
multizentrischen Studien war die Erfolgsrate für Patienten mit maligner Ursache der
Gallenwegsobstruktion höher als bei Patienten mit benigner Ursache [2163]
[2165].
Eine prospektive unizentrische Fallserie [2168] und eine retrospektive Studie mit einem selektionierten Patientengut distaler Gallengangsobstruktionen
[2169] haben zeigen können, dass der primäre Einsatz der EUS-gestützten Rendezvoustechnik
nach gescheiterter selektiver Sondierung der Gallenwege erfolgreich und sicher ist
und im Vergleich zu einer historischen Kohorte sogar effektiver war als die Durchführung
einer Precut-Papillotomie [2169]. Die für die Rendezvoustechnik berichteten Komplikationsraten sind geringer als
bei den komplett EUS-gestützten Verfahren [2117].
Dies spricht für einen Interventionsalgorithmus, der primär auf ein Rendezvousverfahren
und sekundär auf eine antegrade transpapilläre/transanastomotische Drainage abzielt.
Die Effektivität und Sicherheit eines solchen Interventionsprotokolls für die EUS-CD
wurde kürzlich in einer prospektiven unizentrischen Studie aufgezeigt [2170]. Die bisher einzige randomisierte, prospektiv-kontrollierte Studie verglich unizentrisch
EUS-gestützte Choledochoduodenostomie (n = 13) und PTCD (n = 12) bei Patienten mit
maligner Gallengangsobstruktion, bei denen eine endoskopisch-retrograde Drainage nicht
möglich war. Zwischen beiden Verfahren konnten keine Unterschiede von technischer
und klinischer Effektivität (jeweils 100 %), Kurzzeitkomplikationen, Kosten und Lebensqualität
der behandelten Patienten nachgewiesen werden. Der Follow-up war mit 7 Tagen allerdings
sehr kurz [2171]. Zwei vergleichende retrospektive Studien zeigen eine vergleichbare klinische Effektivität
von EUS-CD und PTCD, aber höhere Komplikationsraten der PTCD [2172]
[2173]. Bis zum Vorliegen von Langzeit-Daten zur Sicherheit und Effektivität bleibt daher
die EUS-gestützte Gallengangsdrainage ausgewählten klinischen Einzelfällen vorbehalten.
EUS-gestützte Gallenblasendrainage
In mehreren Serien wurde inzwischen auch über die erfolgreiche EUS-gestützte transintestinale
Gallenblasendrainage bei Hochrisikopatienten berichtet [2174]
[2175]
[2176]
[2177]
[2178]
[2179]
[2180]. Für die EUS-gestützte transmurale Gallenblasendrainage stehen voll gecoverte kurze
Metallstents mit breit ausgestellten Tulpen zur Verfügung, die zur sofortigen Apposition
von Gallenblasen- und gastrointestinaler Wand führen und Leckagen vorbeugen sollen
[2181]
[2182]
[2183]. In einer randomisierten Studie erwiesen sich perkutane und endosonografisch gestützte
Gallenblasendrainage als gleichwertige Verfahren zur Behandlung von Hochrisikopatienten
mit akuter Cholecystitis, die auf eine Antibiotikatherapie nicht ansprachen und für
eine notfallmäßige Cholecystektomie nicht geeignet waren [2184]. Ein systematischer Review mit gepoolten Daten von 155 Patienten, die wegen einer
akuten Cholecystitis eine EUS-gestützte Gallenblasendrainage erhalten hatten, berichtete
hohe technische und klinische Erfolgsraten von 97,5 und 99,3 %. Komplikationen traten
in 8 % der Fälle auf [2145].
EUS-gestützte Pankreasgangdrainage
Empfehlung
Die endosonografisch gestützte Pankreasgangdrainage (EUS-PD) kann abhängig von der
konkreten klinischen und anatomischen Situation sowie der lokalen Expertise und unter
Abwägung der möglichen Alternativverfahren (chirurgische Drainageverfahren) in ausgewählten
klinischen Einzelfällen in Erwägung gezogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die Drainage symptomatischer Pankreasgangobstruktionen und „abgehängter“ Anteile
des Pankreasgangsystems stehen die retrograde endoskopische Drainage via ERCP und
chirurgische Verfahren zur Verfügung [2185]
[2186]. Eine aktuelle Leitlinie der ESGE empfiehlt die endoskopische Therapie als primäre
Interventionsmethode bei Patienten mit schmerzhafter unkomplizierter chronischer Pankreatitis
[2116]. Die ERCP kann bei postoperativ veränderter Anatomie, Tumorobstruktion des oberen
GI-Trakts und schwierigen Zugangsbedingungen zum Pankreasgangsystem durch anatomische
Varianten oder pathologische Veränderungen von Papille und Pankreasgangsystem scheitern.
Die Stentdrainage des obstruierten Pankreasganges ist in 85 – 98 % der Fälle technisch
erfolgreich, der klinische Langzeiteffekt ist geringer [2116]. Die endosonografiisch gestützte Pankreasgangdrainage (EUS-PD) ist ein bisher nur
in überwiegend kleineren Fallserien evaluiertes Verfahren, das von der ESGE in ausgewählten
Fällen nach Versagen einer ERCP-gestützten transpapillären Drainage zur Therapie der
symptomatischen Obstruktion des Pankreashauptgangs empfohlen wird [2116]. Die Datenlage ist bisher schlechter als für die EUS-CD. Die EUS-PD kann als transpapilläres/transanastomotisches
Rendezvousverfahren, als antegrade transpapilläre/transanastomotische Stentapplikation
oder als antegrade transmurale Pankreasgangdrainage (Pankreatikoenterostomie, Pankreatikogastrostomie,
Pankreatikoduodenostomie, Pankreatikojejunostomie) durchgeführt werden. Abhängig von
der Drainageroute kommen Plastikstents oder gecoverte SEMS zum Einsatz [2142]
[2187]
[2188]
[2189]
[2190]
[2191]. Technische und klinische Erfolgsraten liegen in den bisher publizierten Fallserien
zwischen 25 und 100 % (gemittelt bei 78 %) bzw. 69 – 88 % (gemittelt bei 75 %), die
Morbidität bei 0 – 43 % (gemittelt 16 %) [2102]
[2116]
[2117]
[2142]
[2144]
[2187]
[2188]
[2189]
[2191]. Die Erfolgsrate der EUS-PD war in retrospektiven vergleichenden Studien geringer
als die der EUS-CD [2192].
Technische Aspekte
Für den EUS-gestützten Zugang zu Gallengang, Gallenblase oder Pankreasgang wurden
in fast allen aktuellen Studien 19 G-Nadeln und nach radiologischer Darstellung hydrophil
beschichtete 25“- oder 35“-Führungsdrähte mit flexibler Spitze für die intraduktale
Manipulation und Stentapplikation genutzt. Zur Dilatation des Zugangs wurde die Nutzung
von für die ERCP etablierten Bougies und Ballonkathetern sowie diathermischen Zystotomen
(Cook Medical, Endoflex) und Ringmessern (z. B. Ringmesser nach Will, MTW) beschrieben.
Zur Drainage werden Plastikstents (bevorzugt gerade) sowie – abhängig vom Drainageweg
– gecoverte oder ungecoverte SEMS eingesetzt. Für transmurale Drainagen sind ungecoverte
SEMS nicht geeignet. Aus dem Vergleich der publizierten Daten lassen sich keine klaren
Vorteile für bestimmte Techniken ableiten [2102]
[2140]
[2141]
[2142]
[2163]
[2187]
[2189]. In einer prospektiven Studie wurde nach Multivarianzanalyse die Nutzung eines diathermischen
Nadelmessers für die Dilatation des bilioenterischen Tranktes zum Gangsystem als einziger
Risikofaktor für postprozedurale Komplikationen ermittelt [2193]. Zu berücksichtigen ist, dass bisher kaum speziell für die EUS-gestützte Drainagen
von Gallen- und Pankreasgang sowie Gallenblase designten Instrumentarien und Stents
zur Verfügung stehen [2140]. Etwa 2/3 aller Fälle von technischem Versagen bei der EUS-CD und EUS-PD waren in
einer multizentrischen Studie auf Probleme mit dem Manövrieren des Führungsdrahtes
zurückzuführen. Mehr als die Hälfte aller Komplikationen der EUS-CD hatten ihre Ursache
in Problemen mit dem bilioenterischen Trakt [2165].
4.11.4 EUS-gestützte Tumortherapie
Empfehlungen:
EUS-gestützte Verfahren zur Tumorablation und Brachytherapie sollen nur innerhalb
von Studien angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bis auf eine Pilotstudie zur EUS-gestützten kryothermischen Ablation bei Patienten
mit lokal fortgeschrittenem Pankreaskarzinom [2194] und einem Fallbericht über die EUS-gestützte RFA eines neuroendokrinen Pankreastumors
und eines Tumors des linken Leberlappens [2195]
[2196] liegen bisher nur experimentelle Daten zum Effekt EUS-gestützter lokal-ablativer
thermischer Verfahren vor [2197]
[2198]
[2199]
[2200]
[2201]
[2202]
[2203]
[2204]
[2205]
[2206]
[2207]. Kasuistisch beschrieben worden sind bisher 15 Fälle einer klinisch erfolgreichen
EUS-gestützten Alkoholablation von neuroendokrinen Pankreastumoren (überwiegend Insulinomen)
bei Patienten mit funktioneller Inoperabilität. In 2 Fällen trat eine milde postinterventionelle
Pankreatitis auf, in einem weiteren Fall ein Hämatom [2208]
[2209]
[2210]
[2211]
[2212]
[2213]
[2214]
[2215].
Die EUS-gestützte Implantation von radioaktiven seeds bei Patienten mit irresektablem
Pankreaskarzinom entweder in den Tumor selbst oder in das Ganglion coeliacum ist im
Rahmen von Pilotstudien zur palliativen Brachytherapie beschrieben worden und ging
mit einem signifikanten schmerztherapeutischen Effekt einher [2216]
[2217]
[2218].
Empfehlung
EUS-gestützte Verfahren zur Injektion antineoplastischer Substanzen sollen außerhalb
von Studien nicht eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Pilotstudien zur EUS-gestützten Applikation antineoplastischer Substanzen wie allogener
Lymphozytenkulturen [2219] oder replikationssensitiver Adenoviren [2220] in fortgeschrittene Pankreaskarzinome sind entweder ohne klinischen Effekt oder
mit erheblichen Nebenwirkungen verlaufen, sodass diese Ansätze nicht weiter verfolgt
worden sind. Die EUS-gestützte Injektion von dendritischen Zellen zur Stimulation
der T-Zell-vermittelten Lyse in fortgeschrittene Pankreaskarzinome erbrachte in einer
sehr kleinen Pilotstudie ermutigende Ergebnisse [2221]. Zur EUS-gestützten Injektion von Paclitaxel-Polymer (OncoGel) liegt bisher nur
eine tierexperimentelle Studie vor [2222]. Nach ermutigenden Ergebnissen von Phase I- und -II-Studien [2223]
[2224] wird derzeit die EUS-gestützte intratumorale Applikation TNFα-produzierender Adenoviren
(TNFerade) als Bestandteil neoadjuvanter Therapiekonzepte bei Patienten mit lokal
fortgeschrittenem Pankreas- und Ösophaguskarzinomen in Phase II- und -III-Studien
weiter verfolgt. Die Ergebnisse einer prospektiven randomisierten Phase III-Studie,
in der bei 304 Patienten mit lokal fortgeschrittenem Pankreaskarzinom eine Radiochemotherapie
mit oder ohne lokale TNFerade-Injektion (perkutan oder EUS-gestützt) verglichen worden
ist, ergab keine Überlebensvorteile für die mit TNFerade behandelten Patienten. Die
EUS-gestützte Applikation von TNFerade war sogar ein Risikofaktor für ein vermindertes
progressionsfreies Überleben [2225].
Empfehlung
Die EUS-gestützte Ablationstherapie zystischer Pankreasneoplasien soll außerhalb von
Studien nicht durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zystische Pankreasläsionen werden zunehmend häufiger bei symptomatischen Patienten,
aber vor allem auch als Zufallsbefunde des abdominellen Ultraschalls und der radiologischen
Schnittbildgebung bei bis zu 13,5 % der untersuchten Populationen entdeckt [2226]. Muzinöse zystische Pankreasneoplasien (muzinöse zystische Neoplasien bzw. muzinöse
Zystadenome, intraduktale papillär-muzinöse Neoplasien vom Hauptgangtyp und Seitenast-Typ)
sind Präkursorläsionen duktaler und muzinöser Adenokarzinome des Pankreas [2227]. Während für die intraduktale papillär-muzinöse Neoplasie vom Hauptgangtyp (MD-IPMN)
und muzinöse zystische Neoplasien (MCN) eine chirurgische Therapie empfohlen wird,
hängt das Vorgehen bei Patienten mit intraduktalen papillär-muzinösen Neoplasien vom
Seitenasttyp (BD-IPMN) von klinischen, morphologischen und zytologischen Risikokriterien
ab (169). BD-IPMN sind die häufigste zystische Pankreasneoplasie und gleichzeitig
die häufigste inzidentell entdeckte Pankreasläsion, haben ein moderates Malignitätsrisiko
und sind in bis zu 64 % multifokal. Die Patienten sind mit einem durchschnittlichen
Lebensalter bei Diagnose von ca. 65 Jahren relativ alt und oft polymorbide [2226]
[2227].
Diese Gesichtspunkte führten zu der Überlegung, ob eine endosonografisch gestützte
Ablationstherapie von BD-IPMN und nicht sicher klassifizierbaren Pankreaszysten durch
Aspiration des Zysteninhalts und Lavage mit konzentriertem Alkohol ggf. in Kombination
mit einer anschließende Instillation von Paclitaxel eine sinnvolle Alternative zur
operativen Therapie sein könnte, die mit einer signifikanten Morbidität und Mortalität
einhergeht [2229]. In einer Pilotstudie an 35 Patienten konnte gezeigt werden, dass die Äthanolinstillation
bei 33 % der Zysten zu einem kompletten Verschwinden der Zysten führte, septierte
Läsionen persistierten und in 5 persistierenden Zysten, bei denen eine operative Therapie
durchgeführt wurde (MCN), das Ausmaß der Ablation des muzinösen Zystenepithels variabel
war [2230]. In einer weiteren Pilotstudie, bei der zusätzlich Paclitaxel instilliert wurde,
kam es zum kompletten Verschwinden von 79 % der Zysten [2231]. In einer randomisierten doppelt verblindeten Studie an 42 Patienten mit zystischen
Pankreasläsionen wurde der Effekt einer Alkoholinstillation mit der Instillation von
physiologischer Kochsalzlösung verglichen. Im Vergleich zu den nur mit physiologischer
Kochsalzlösung behandelten Patientengruppe kam es in der Äthanolgruppe zu einer signifikanten
Größenreduktion, 33 % der äthanolbehandelten Zysten waren im Follow-up nicht mehr
nachweisbar. Bei 4 operierten Patienten (3 BD-IPMN und 1 MCN) konnte eine variable
(50 %ige bis komplette) Epithelablation nachgewiesen werden [2232]. Im langfristigen Follow-up (median 26 Monate) von 9 Patienten mit komplettem radiologischem
Ansprechen trat kein erneutes Zystenwachstum auf [2233]. In einer weiteren Untersuchung wurde bei 62 % der mit Äthanol und Paclitaxel behandelten
Patienten im langfristigen Follow-up (median 22 Monate) eine komplette Zystenresolution
nachgewiesen. 4 Patienten mit der postoperativen histologischen Diagnose einer MCN
(n = 2), eines serösen Zystadenoms (n = 1) und eines zystischen neuroendokrinen Tumors
(n = 1) wurden operiert. Erneut war der Grad der Epithelablation variabel (0 – 100 %)
[2234]. Wiederholte Ablationssitzungen hatten – mit der Ausnahme septierter Zysten – keinen
deutlich besseren Effekt als einzelne Ablationssitzungen [2235]
[2236]. Eine Pankreatitis wurde bei insgesamt 3 von 152 in den genannten Studien behandelten
Patienten induziert (2 %), insgesamt traten bei 11,8 % der Patienten Komplikationen
auf, hauptsächlich postinterventionelle Schmerzen [2229]. In einem weiteren kasuistisch mitgeteilten Fall wurde eine Pfortaderthrombose induziert
[2237]. In Anbetracht der aktuellen Studienergebnisse, nach denen die Methode eine komplette
Ablation bei gleichzeitig relevantem Risiko unerwünschter Ereignisse nicht gewährleistet
sowie dem unsicheren Malignitätspotential der BD-IPMN kann eine lokale Ablation zystischer
Pankreasläsionen außerhalb von Studien derzeit nicht empfohlen werden.
4.12 Perkutane transhepatische Cholangiografie (PTC) und Cholangiodrainage (PTCD)
Einleitung
Die diagnostische perkutane Cholangiografie (PTC) kann zur Gallengangsdarstellung
vor geplanten Operationen bei nicht ausreichender Schnittbildgebung indiziert sein.
Dies kann insbesondere bei zentral sitzenden Gallengangskarzinomen und unzureichender
transpapillärer Erreichbarkeit der Gallenwege der Fall sein.
Die perkutan-transhepatische Cholangiodrainage (PTCD) ist ein etabliertes therapeutisches Verfahren zur biliären Drainage und Intervention
bei peroral/transpapillär nicht erreichbaren Gallenwegen [2238]. Indikationen ([Tab. 56]) können eine Cholestase/Cholangitis benigner oder maligner Genese bei postoperativ
veränderter Anatomie nach gastroduodenalen Operationen (Billroth-II-Resektion oder
Gastrektomie mit Roux-Y-Rekonstruktion mit langer zuführender Schlinge) oder Anlage
einer biliodigestiven Anastomose (z. B. bei Z. n. Hepaticojejunostomie) sein. Weitere
mögliche Indikationen sind via ERC nicht sondierbare, behandlungsbedürftige benigne
oder maligne Gallengangsstenosen (vor allem im Bereich der Bifurkation) sowie große
Duodenaldivertikel nach fehlgeschlagener Kanülierung der Papilla Vateri. Hier ist
auch ein Rendezvousmanöver über eine perkutane Platzierung eines Führungsdrahtes möglich.
Die diagnostische perkutane Cholangioskopie mit Biopsieentnahme sowie die therapeutische
perkutane Cholangioskopie z. B. zur perkutanen Lithotripsie von sehr großen, impaktierten
oder transpapillär nicht erreichbaren Konkrementen oder zur lokalen Tumortherapie
erfordert nach Erstanlage den Aufbau einer kutanobiliären Fistel von meistens 16 French.
Seltener ist ein perkutanes Vorgehen bei Galleleckage oder vaskulär bedingten Nekrosen
nach hepatobiliären Eingriffen (z. B. Lebertransplantation) indiziert [2238]
[2239].
Tab. 56
Indikationen PTC/PTCD.
Drainage bei Cholestase/Cholangitis aufgrund maligner Gallenwegsobstruktionen, z. B.
bei
|
|
Drainage von Cholestase/Cholangitis aufgrund benigner Erkrankungen wie z. B.
|
|
Therapie von Gallenleckagen nach
Duodenopankreatektomie
Lebertransplantation
|
Aufbau einer kutaneobiliären Fistel zur perkutanen Cholangioskopie (PTCS)
|
Platzierung eines transkutan-transpapillären Führungsdrahtes bei transpapillär retrograd
nicht intubierbarem Gallengang („Rendezvousmanöver“)
|
4.12.1 Spezielle Kontraindikationen
Empfehlung
Relative Kontraindikationen für die Anlage einer PTCD können sein:
-
schwere nicht korrigierbare Gerinnungsstörungen (Quick < 50 %, bzw. INR > 1,6; Thrombozyten
< 50 000/μl)
-
Schwangerschaft
-
ausgeprägter, nicht ausreichend punktierbarer Aszites
-
unsicherer Drainageweg
-
multifokale intrahepatische Segmentstenosen
Starker Konsens
Kommentar
Als relative Kontraindikationen für die PTCD-Anlage werden in der amerikanischen Leitlinie
[2240] schwere nicht korrigierbare Gerinnungsstörungen, ein unsicherer Punktionsweg und
Schwangerschaft (Kap. 4.14) genannt. Das Vorliegen eines ausgeprägten, nicht ausreichend
per Parazentese abzuleitenden oder rasch nachlaufenden Aszites kann eine relative
Kontraindikation darstellen. Die Datenlage dafür ist begrenzt: Eine retrospektive
Studie zur PTCD bei biliärer Obstruktion infolge einer malignen Grunderkrankung analysierte
neben einem eingeschränkten Performancestatus, eine vorangegangene Chemotherapie,
eine undifferenzierte Tumorhistologie, multiple Lebermetastasen und Aszites als Risikofaktoren
für ein schlechtes Outcome [2241]. Die Entwicklung einer bakteriellen Peritonitis in einem Fall mit Aszites wurde
in einer Fallserie beschrieben [2242]. Multifokale intrahepatische Segmentstenosen gelten ebenfalls als relative Kontraindikation.
Hier kann es trotz Reduzierung des Bilirubinspiegels sekundär zu Infektionen der Gallenwege
bis zur Ausbildung von Abszesskomplikationen kommen [2238]
[2243]. Eine ältere retrospektive Analyse wies das Vorliegen von multifokalen Segmentstenosen
als erhöhtes Risiko für die Entwicklung von infektiösen Komplikationen nach PTCD Anlage
bei maligner Cholestase nach [2244].
4.12.2 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung zur AB Prophylaxe siehe Kapitel 3.3. AB Prophylaxe
Empfehlung
Vor der PTC(D) soll eine Bildgebung (Sonografie; MRT mit MRCP, CT) zur Darstellung
der intrahepatischen Gallenwege erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Indikationsstellung, Lokalisation der erweiterten Gallenwege und der Planung des
geeigneten Zugangweges zur PTC und insbesondere PTCD ist die Durchführung einer Bildgebung
sinnvoll [2245]. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der Komplikationsrate der Methode mit 22 %
leichten und 4,7 % schweren Komplikationen (meist Blutungen). Intraduktale Manipulationen
und die PTCD-Neuanlage stellen dabei besondere Risikosituationen dar [2246]. Die Auswahl des abzuleitenden Lebersegmentes für die PTCD-Anlage ist mit einem
unterschiedlichen Risiko für die Katheterdislokation verknüpft [2247]. Bei nicht dilatierten Gallenwegen ist der Schwierigkeitsgrad höher und bedingt
eine präinterventionelle Bildgebung zur Planung der Ableitung. Hier zeigte eine retrospektive
Analyse [2248] an 419 Patienten eine erhöhte Rate schwerer Komplikationen in der Gruppe der nicht
dilatierten Gallenwege (14,5 vs. 6,9 %; p = 0,022) bei vergleichbarer Effektivität
von 97 %. Eine der größten Fallserien zur Komplikationsraten insbesondere zur arteriellen
Gefäßverletzungen im Rahmen der PTCD an über 3110 Patienten beschreibt die Durchführung
einer Bildgebung zur Planung obligat vor jeder Neuanlage [2249]. Prospektive Studien zum Thema Bildgebung vor PTC/PTCD liegen nicht vor (klinische
Praxis).
Empfehlung
Die gesetzlichen Regelungen des Strahlenschutzes sollen sowohl für die Patienten als
auch für das Personal eingehalten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Reduktion der Strahlendosis sollen technische Hilfsmittel möglichst optimal genutzt
werden.
Durch gepulste statt kontinuierliche Strahlung (niedrigst mögliche Pulsrate), Einblendung
auf das Gebiet des Interesses, möglichst wenige Aufnahmen (Nutzung der sogenannten
„Last image hold-Funktion“, bei der das Durchleuchtungsbild gespeichert wird) kann
eine erhebliche Reduktion der Strahlendosis erreicht werden [2250]. Strahlenschutz der Patienten durch Abdeckung, des Personals durch geeignete Bleiglasabdeckungen,
Tragen persönlicher Schutzkleidung (Schürzen/Mäntel, Schilddrüsenschutz, ggf. Schutzbrille)
ist geeignet die Strahlenbelastung zu reduzieren. Während der PTCD befinden sich insbesondere
die Hände sehr nahe an der Strahlenquelle [2251]. Hier sollte auf eine entsprechende Einblendung geachtet werden. Die Verwendung
abschirmender Handschuhe kann die Strahlenbelastung der Hände, insbesondere bei der
PTC/PTCD des linksseitigen Gallengangssystems, reduzieren, dies führt aber zu einer
automatischen Hochregulation der vom Gerät abgegebenen Strahlendosis. Bei der PTCD
werden Durchleuchtungszeiten von 3 min. bis 76 min. angegeben (im Mittel ca. 21 min.);
insbesondere bei der PTCD nicht gestauter Gallenwege liegt die Durchleuchtungszeit
signifikant höher als bei gestauten Gallenwegen, dies konnte in einer retrospektiven
Auswertung belegt werden [2252].
4.12.3 Durchführung
Empfehlung
Die PTC/PTCD sollte in Analgesie, Analgosedierung oder Intubationsnarkose durchgeführt
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Passage von Haut, Peritoneum und Leberkapsel mit einer Nadel ist schmerzhaft.
Auch wenn keine prospektiv-randomisierten Studien zur Verwendung der Analgesie und/oder
Sedierung vorliegen, ist diese geübte Praxis. Neben einer Lokalanästhesie im Bereich
der Punktionsstelle, sollte zumindest eine Analgesie mit Opiaten/Opioiden (z. B. Pethidin)
durchgeführt werden [2238]
[2253]. Diese kann ergänzt werden mit Sedierung in Analogie und unter Beachtung der S3-Leitlinie
Sedierung (www.dgvs.de/leitlinien/leitlinien-der-dgvs) der Endoskopie. Alternativ
zur Analgosedierung kann die PTCD in Intubationsnarkose erfolgen [2254].
Empfehlung
Die PTC/PTCD sollte in Rückenlage durchgeführt werden. Alternativ kann die PTCD-Anlage
bei geplantem Rendezvousmanöver und Zugang von rechts auch primär in Bauchlage erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Durchführung in Rückenlage gewährleistet die anatomisch korrekte fluoroskopische
Darstellung der Gallenwege ohne Überlagerungsartefakte. Auch für die sonografisch
gesteuerte Punktion der Gallenwege mit fluoroskopischer Fortführung der Untersuchung
stellt die Rückenlage die Standardposition dar. Klinische Daten zur optimalen Lagerung
liegen nicht vor. Bei geplantem Rendezvousmanöver und Zugang von rechts kann die PTCD
auch primär in Bauchlage erfolgen.
Empfehlung
Die PTCD und PTC soll unter sterilen Bedingungen erfolgen. Dies soll das sterile Arbeiten
des Untersuchers und das sterile Instrumentieren der Pflegeassistenz sowie eine nicht
sterile Pflegeassistenz als Springer umfassen.
Starker Konsens
Kommentar
Da die PTCD formal die Punktion oder Drainage eines sterilen intrakorporalen Hohlraums
ist, ist das Arbeiten unter sterilen Kautelen geübte und empfohlene Praxis [2255]. Zur Infektionsprophylaxe tragen der Untersucher und die Pflegeassistenz Schutzkittel,
sterile Handschuhe sowie Mundschutz. Neben einer intensiven Hautdesinfektion sollen
sterile Abdecktücher verwendet werden. Zusätzlich ist ein steriler Tisch für das sterile
Instrumentieren erforderlich. Dies beinhaltet auch eine nicht sterile Pflegekraft
als „Springer“ in Reichweite.
Empfehlung
Um einen sicheren Zugangsweg zu gewährleisten, sollte unter sonografischer oder radiografischer
Kontrolle punktiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die PTC/PTCD-Anlage kann unter fluoroskopischer, sonografischer oder CT-Kontrolle
mit Fluoroskopie erfolgen, dies entspricht auch der Empfehlung in der aktuellen amerikanischen
radiologischen Konsensusleitlinie [2239].
Der häufigste Zugang ist der von rechts, meist im 9. oder 10. Interkostalraum, etwas
ventral der mittleren Axillarlinie. Dabei wird die Punktionsnadel zur Schonung der
Interkostalgefäße am Oberrand der tiefer gelegenen Rippe eingeführt. Der Zugang von
links geht von einem subxiphoidal epigastrischen Punktionsort aus. Die Lokalisation
des Nadelverlaufs soll bei der rechtsseitigen Punktion insbesondere die Fehlplatzierung
im Recessus costodiaphragmaticus, bei der linksseitigen Drainage die Fehlplatzierung
durch Magen oder Kolon verhindern.
Die CT-Kontrolle wird in der amerikanischen Leitlinie insbesondere bei schwieriger
Lokalisation bzw. veränderter Anatomie empfohlen. Zum Vergleich der CT-Fluoroskopie
versus Fluoroskopie alleine liegen 2 randomisiert-kontrollierte Studien mit allerdings
sehr kleiner Fallzahl (n = 40 und n = 18) vor [2256]
[2257]. Beide Studien weisen eine signifikant niedrigere Punktionszahl, eine geringere
Untersuchungs- und Durchleuchtungszeit unter CT-Kontrolle nach (Punktionsgänge 1,8 ± 1
vs. 4,8 ± 2,8, Durchleuchtungszeit 3,4 ± 1,5 vs. 11,4 ± 7,4 Minuten; Untersuchungszeit
11 ± 3,6 vs. 16,2 ± 9,3 Minuten) [2257].
Es ist anzunehmen, dass eine ultraschallkontrollierte PTCD-Anlage ebenfalls zu einer
Verringerung der Untersuchungszeit und Durchleuchtungszeit führt, randomisierte Studien
oder größere prospektive Serien mit Untersuchung der Eingriffs- und Durchleuchtungszeiten
liegen hier allerdings nicht vor [2239]
[2258]. Mehrere Fallserien beschreiben die ultraschallgesteuerte PTC und PTCD: In einer
Serie von 49 Patienten mit hilärem Cholangiokarzinom war eine komplette Drainage in
59 % der Fälle möglich. Eine bakterielle Peritonitis trat bei einem Patienten mit
Aszites auf [2242]. Eine Studie zur ultraschallgesteuerten linksseitigen PTCD-Anlage an 208 konsekutiven
Patienten berichtet über eine Erfolgsrate von 70 % [2259]. Bei nicht erweiterten Gallenwegen wurde die kombiniert US- und fluoroskopiegestützte
PTCD–Anlage als hilfreich und sicher beschrieben [2260].
Bei der sonografisch geführten PTCD kann die Anwendung von Ultraschallkontrastmittel
zur intraduktalen Cholangiografie als Alternative zur radiologischen Durchleuchtung
Anwendung finden. Dies wurde bei bisher 156 Patienten mit überzeugenden Daten berichtet
[2261]
[2262]
[2263]. Auch Bildfusionstechniken (z. B. CT und US) erlauben in komplizierten Situationen
eine Steuerung der PTCD [2264].
Empfehlung
Zur perkutanen Cholangiografie sollte eine dünnlumige (21 – 22 G) Hohlnadel verwendet
werden. Die erfolgreiche Initialpunktion kann durch Rückfluss von Galle aus der Nadel
oder durch Injektion von Kontrastmittel unter Röntgendurchleuchtung während des Nadelrückzuges
erfasst werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Technik der PTCD wurde 1962 erstmals von Arner et al. [2265] und Glenn et al. [2266] beschrieben und ist seitdem nur in technischen Modifikationen der Katheter und Drähte
geändert worden. Zur Größe der verwendeten Initialpunktionsnadel findet sich nur eine
ältere vergleichende Arbeit zur Initialpunktion mit der 19 G versus 22 G Nadel bei
80 Prozeduren [2267]. Hier konnte kein signifikanter Unterschied in der Erfolgsrate und Komplikationsrate
zwischen den Nadelgrößen nachgewiesen werden, der Anteil nicht dilatierter Gallengänge
in der Studie war aber gering. Die meisten größeren Fallserien zur Komplikationsrate
geben zur Initialpunktion Nadelgrößen von 21 – 22 Gauge an, sodass dies als der meistverwandte
Standard betrachtet werden kann [2246]
[2248]
[2249].
Die erfolgreiche Initialpunktion zur perkutanen Cholangiografie mit der 21 (oder 22)
Gauge-Chiba-Nadel kann durch Rückfluss von Galle aus der Nadel oder durch Injektion
von Kontrastmittel unter Röntgendurchleuchtung während des Nadelrückzuges erfasst
werden. Alternativ wurde die Kontrolle durch Injektion von US-Kontrastmittel im Rahmen
der sonografiegesteuerten PTC beschrieben [2261]
[2262]
[2263]. Zum Vergleich der Verfahren liegen keine publizierten Daten vor. Bei erfolgloser
Punktion ist ein vollständiges Herausziehen der Nadel zum Schutz vor erneuten Traumata
der Leberkapsel zu vermeiden, und es wird unter Variation der Stichrichtung erneut
versucht, einen intrahepatischen Gallengang zu treffen.
Empfehlung
Die Anlage einer PTC-Drainage sollte nach erfolgreicher Punktion des geeigneten Gallenganges
in Seldinger-Technik erfolgen. Eine Empfehlung zur Verwendung von Dilatatoren oder
Führungsdrähten bestimmter Hersteller kann nicht ausgesprochen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die Anlage einer PTC-Drainage wird nach erfolgreicher Punktion eines geeigneten
Gallenganges ein 0,018 Inch-Draht über die Nadel eingeführt. In Seldinger-Technik
wird daraufhin ein 4 – 6 French (F)-Dilatationskatheter bestehend aus einem inneren
Metalltrokar und einer äußeren Kunststoffhülle in den Gallengang eingelegt. Es gibt
keine vergleichenden Studien zu den Drähten und Dilatatoren verschiedener Spezifikation.
Nach Entfernung des Metalltrokars kann die korrekte Position durch Kontrastmittelapplikation
überprüft werden. Im Folgenden wird der geplante Drainageweg mit einem geeigneten
Draht (Terumo oder steifer Führungsdraht mit flexibler Spitze) sondiert. Die Teflonhülle
oder ein geeigneter Sondierungskatheter werden über den Draht eingebracht. Über diesen
lässt sich ein steiferer 0,035 oder 0,038 Inch Führungsdraht für die anschließende
Dilatation, Einlage einer Drainage oder eines Metallstents einbringen [2255].
Empfehlung
Die Anlage einer intern-externen Drainage in den Dünndarm sollte angestrebt werden.
Ist dies nicht möglich, sollte zur Dekompression zunächst eine externe Ableitung erfolgen.
Art und Größe der initial gewählten Drainage sollen angepasst an das Ausmaß der Gallengangdilatation,
an die Beschaffenheit der Stenose und das Risikoprofil des Patienten gewählt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Sondierung und Drainage sollte möglichst über die Papille oder bei postoperativen
Patienten über die biliodigestive Anastomose bis ins Darmlumen erfolgen. Ist dies
zum Zeitpunkt der Erstanlage nicht möglich, sollte eine externe Ableitung angelegt
werden, da die Füllung der Gallenwege mit Kontrastmittel bei biliären Obstruktionen
ein erhebliches Risiko für eine cholangiogene Sepsis darstellt und eine Drainage erfordert
[2268]. Ein erneuter Versuch der Internalisierung sollte einige Tage nach biliärer Dekompression
wiederholt werden.
Die PTCD-Erstanlage ist im Vergleich zu den nachfolgenden Interventionen mit einem
signifikant höheren Komplikationsrisiko verbunden, dies wurde in einer retrospektiven
Analyse an über 300 Patienten belegt [2246]. Hier erfolgte die PTCD- Erstanlage mit einem Drainagedurchmesser von max. 8,5 F.
Ein Drainagedurchmesser von 8,3 – 8,5 F wurde auch in anderen größeren Fallserien
zur Erstanlage beschrieben [2248]
[2249]
[2269]. Im Rahmen einer prospektiven Studie zum Vergleich von verschiedenen Dilatationsverfahren
nach Etablierung der PTCD erfolgte die Drainage im Rahmen der Erstanlage mit einem
10-F-Katheter [2270]. Unter Zusammenschau der Daten kann keine generelle Empfehlung für eine bestimmte
Drainagegröße gegeben werden, diese ist abhängig von dem Ausmaß der Gallengangs-Dilatation,
der Genese der Cholestase, der Rigidität der vorhandenen Stenosen und dem individuellen
Risikoprofil des Patienten. Etabliert zur PTCD-Erstanlage erscheint anhand der Literatur
die Verwendung von Drainagedurchmessern bis 8,5 F. Vergleichende Studien zu verschiedenen
Drainagefabrikaten und Designs liegen nicht vor.
Empfehlung
Bei bestehender oder vermuteter Cholangitis sollten während der initialen Cholangiografie
Galleproben zur mikrobiologischen Kultivierung entnommen werden.
Starker Konsens
Kommentar
In einer klinischen Serie von 243 konsekutiven Patienten, bei denen während der endoskopisch-retrograden
oder perkutan-transhepatischen Intervention Galleproben entnommen wurden, resultierte
bei 72,5 % eine Anpassung der Antibiose im klinischen Verlauf [2268]
[2271].
Empfehlung
Die erste Traktdilatation zu Erreichung einer ausreichenden PTCD-Größe zu diagnostischen
oder therapeutischen Zwecken sollte erst 2 – 3 Tage nach der PTCD-Erstanlage erfolgen.
Die gewünschte Zielgröße kann in einer Dilatationssitzung oder in mehreren aufeinanderfolgenden
Sitzungen erreicht werden. Dies ist abhängig von der Anatomie der Gallenwege, der
gewünschten Zielgröße und dem Risikoprofil des Patienten.
Starker Konsens
Empfehlung
Eine diagnostische oder therapeutische Cholangioskopie sollte frühestens 5 Tage nach
der Traktdilatation erfolgen, um eine ausreichende Traktreifung zu gewährleisten.
Starker Konsens
Kommentar
Die publizierten größeren Fallserien und Studien beschreiben die Durchführung der
ersten Traktdilatation frühestens 2 – 3 Tage nach der PTCD-Erstanlage. Dies dient
der Heilung und Stabilisation der angelegten hepatobiliären Fistel. Oh und Mitarbeiter
[2246] führten die Traktdilatation 2 – 3 Tage nach Erstanlage in einer Sitzung von 8,5 – 16
oder 18 F durch. Die Cholangioskopie erfolgte nach weiteren 7 – 12 Tagen. In dem Kollektiv
von 353 Patienten bllieb die Erstanlage komplikationsträchtiger als die Folgebehandlungen
der Traktdilatation oder der diagnostischen/therapeutischen Cholangioskopie. Andere
Daten beschreiben die Traktdilatation bis 14 oder 16 French je nach Gallengangs-Situation
in einer oder mehren Sitzungen [2248]
[2270]. Eine prospektive Studie [2270] zum Vergleich von 2 verschiedenen Dilatationssystemen (Kunststoffdilatatoren und
zugehöriger Führungsdraht) an 60 Patienten resultierte für das einstufige System in
einer kürzeren kumulativen Prozedurdauer (20,1 vs. 30,1 Minuten) und geringen Eingriffsanzahl
(1,1 vs. 1,7). Hier lag die mittlere Zahl der nötigen Dilatationssitzungen auch im
konventionellen Therapiearm nur bei 1,7 Minuten.
Zum frühestmöglichen Zeitpunkt einer perkutanen Cholangioskopie liegen ebenfalls keine
vergleichenden Studien vor. In der Komplikationsanalyse von Oh et al. [2246] liegt dieser bei 7 – 8 Tage für die diagnostische und 10 – 12 Tage für die therapeutische
Cholangioskopie (meist elektrohydraulische Lithotripsie von Konkrementen [Stein- EHL]).
Hier traten bei der therapeutischen Cholangioskopie etwas mehr schwere Komplikationen
(1,9 vs. 1 %) auf, darunter Gallengangsverletzungen und Hämobilie. Die Stein-EHL und
die Ballondilatation von Stenosen waren mit einem signifikant erhöhten Komplikationsrisiko
verknüpft. Andere Daten zur perkutanen Cholangioskopie berichten über die Durchführung
nach weniger als 7 Tagen Traktreifung unter Verwendung einer Schleuse [2272]. Im Sinne der allgemeinen klinischen Praxis sollte zur Komplikationsprävention eine
Traktreifung von 5 – 7 Tagen vor einer perkutanen Cholangioskopie eingehalten werden.
Statement
Therapeutische Interventionen über den perkutanen Zugang umfassen die Behandlung von
benignen und malignen Stenosen unter Verwendung von Kunststoffdrainagen, Ballondilatation
und selbstexpandierenden Metallstents sowie die perkutane Cholangioskopie mit Gallensteintherapie
und lokaler Tumortherapie. Hier kommen die im Kapitel ERCP (Kap. 4.8) beschriebenen
Prinzipien zur Anwendung.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Therapie von benignen oder malignen Stenosen, Einlage von SEMS oder perkutanen
diagnostischen oder therapeutischen Cholangioskopie liegen nur wenige prospektive
Studien und Fallserien vor [2272]
[2273]
[2274]
[2275]
[2276]
[2277]
[2278]
[2279]
[2280]
[2281]. Da sich die therapeutischen Prinzipien nicht wesentlich von der ERCP unterscheiden,
wird auf die Prinzipien der ERCP (siehe Kapitel 4.8) verwiesen.
4.12.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Alle Patienten mit PTCD-Neuanlage sollen stationär nachbeobachtet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die periinterventionelle Mortalität der perkutanen transhepatischen Cholangiografie
bzw. Cholangiodrainage liegt bei < 1 % in aktuellen und bis zu 4,9 % laut älteren
Publikationen [2239]
[2269]
[2282].
Auftretende Komplikationen können in periinterventionelle (innerhalb von 24 Stunden
nach Anlage) und postinterventionelle Komplikationen differenziert werden. Die häufigsten
frühen Komplikationen stellen neben postinterventionellen Schmerzen, eine Galleleckage,
eine Hämobilie aus der Drainage, eine Blutung aus Interkostalgefäßen und seltener
eine Leberkapselverletzung dar [2269]. Das Auftreten von schweren Blutungskomplikationen innerhalb der ersten 24 Stunden
rechtfertigt die postinterventionelle Überwachung über mindestens diesen Zeitraum.
Späte Komplikationen umfassen im Wesentlichen infektiöse Komplikationen (Cholangitis,
Sepsis, hepatische und perihepatische Abszesse), Galleaustritt an der Drainage, Drainagedislokation,
Stentokklusion oder Migration und seltener Blutungen in Form einer Hämobilie [2269]. In einer retrospektiven Analyse der frühen und späten Komplikationen in den Jahren
2000 – 2006 versus 2007 – 2011 traten die oben genannten Komplikationen auf, deren
Rate lag allerdings zwischen 2007 und 2011 signifikant niedriger [2269]. Dies wurde mit der Verwendung neuerer Instrumente/Techniken begründet. In einer
retrospektiven Analyse zur PTCD-Neuanlage mit anschließender Trakterweiterung und
-etablierung sowie einer Durchführung einer Cholangioskopie bei 364 Patienten, welche
bei unterschiedlichen Indikationen behandelt wurden, kam es insgesamt in 8,2 % der
Fälle zu Komplikationen. Als signifikante unabhängige Risikofaktoren für eine erhöhte
Komplikationsrate ermittelte die multivariate Analyse die Primärintervention gegenüber
den Folgeinterventionen sowie intraduktale Manipulationen (EHL, Dilatation) [2246]. Ältere Daten beschreiben dabei für Prozeduren zur Therapie benigner Stenosen im
Vergleich zu malignen Stenosen eine höhere Komplikationsrate [2283]
[2284].
Die Inzidenz schwerer Komplikationen (Sepsis, Peritonitis, Hämorrhagie) wird überwiegend
zwischen 3 und 5 % [2246]
[2249]
[2269] bis zu 13 % [2270] angegeben.
Infektionen und Bakterämien werden postinterventionell in bis zu 10 % der Untersuchungen
beschrieben [2268]
[2285]. Das Risiko einer Sepsis ist insbesondere seit Etablierung einer Antibiotikaprophylaxe
[2286] und unter Sicherstellung von aseptischen Arbeitsbedingungen stark gesunken. In einer
retrospektiven Analyse (910 Untersuchungen) lag die Inzidenz für Cholangitis bzw.
Cholangiosepsis bei 2,1 bzw. 0,4 % [2287]. Eine Notfall-PTCD im Rahmen einer akuten, purulenten Cholangitis beinhaltet naturgemäß
ein stark erhöhtes Risiko für eine Septikämie [2287].
Die therapeutisch relevante Hämobilie nach akzidenteller Punktion eines größeren intrahepatischen
Gefäßes tritt nach retrospektiven Daten in etwa 1,5 % der Fälle auf [2288]. Eine schwere Hämobilie infolge der Ausbildung einer arteriobiliären oder portobiliären
Fistel sowie arterielle Pseudoaneurysmata wurden in einer älteren Fallserie bei 13
von 333 Untersuchungen beschrieben. In nahezu allen Fällen konnte eine Blutstillung
mittels lokaler Verödung, Tamponierung durch Einlage einer größeren Endoprothese und
vor allem durch Angiografie und selektive Embolisation bei arteriellen Blutungen erreicht
werden [2289]. In einer kürzlich publizierten radiologischen Analyse von 3110 PTCD-Anlagen war
die linksseitige Punktion der einzige unabhängige Risikofaktor für eine arterielle
Punktion mit Hämobilie bei einer insgesamt niedrigen Inzidenzrate für arterielle Blutungen
von 2 % [2249]. In dieser Serie lag der maximale Drainagedurchmesser bei 8,5 F ohne weitere Dilatation
auf einen größeren Diameter.
Die Ausbildung eines Pneumothorax trat in einer Fallserien an 53 Patienten im Rahmen
einer perkutanen intracorporalen Lithotripsie bei Hepatikolithiasis nur bei einem
Patienten auf [2290]. Die Ausbildung eines Ventilpneumothorax wird als Einzelfall in älteren Studien
beschrieben [2291].
Schmerzen stellen die häufigste Komplikation nach PTCD-Neuanlage dar, die Angaben
zur Inzidenz mit Raten von 0,5 – 55 % in der Literatur sind uneinheitlich [2292]. Katheterdislokation und -okklusionen sind ebenfalls häufigere (bis 20 bzw. bis
10 %), jedoch wenig systematisch beschriebene Komplikationen. Risikofaktoren für eine
Katheterdislokation sind Drainageanlagen über die Lebersegmente III und V [2247].
Empfehlung
Nach PTCD-Anlage soll eine ausreichende Analgetikagabe erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Inzidenz von Schmerzen nach PTCD-Neuanlage in der Literatur ist uneinheitlich,
in Studien werden Raten von 0,5 – 55 % angegeben [2292]. Aus Gründen des Patientenkomforts, aber auch zur Vermeidung einer schmerzbedingten
Hypoventilation mit Erhöhung des Pneumonierisikos ist die individuell adaptierte Analgetikatherapie
klinischer Standard.
Empfehlung
Ein regelmäßiger (z. B. 2-mal wöchentlicher) Verbandswechsel zur frühzeitigen Erkennung
und Vermeidung lokaler Infektionen sowie regelmäßiges Spülen der Prothese sollte gewährleistet
werden.
Bei der Dauertherapie sollte ein regelmäßiger Wechsel der perkutanen Drainagen vorgenommen
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Lokale Hautirritationen nach Galleleckage entlang der einliegenden Endoprothese und
Yamakawaprothesen-Dislokation durch die Atemverschieblichkeit der Leber waren in einer
prospektiven Serie häufige Ursache eines frühzeitigen PTCD-Drainagewechsels [2276]. Ein Prothesenwechsel alle 6 – 8 Wochen zur Vermeidung von Katheterdislokationen
und -okklusionen wurde in dieser Publikation vorgeschlagen.
4.12.5 Spezifische Qualitätsindikatoren PTCD ([Tab. 57])
Tab. 57
Vorschläge für Qualitätsindikatoren PTCD
|
präprozedural
|
Durchführung einer Bildgebung der Gallenwege vor PTC/PTCD
|
intraprozedural
|
PTC-Erfolgsrate für:
|
|
|
PTCD Erfolgsrate für:
|
|
|
|
Kommentar
Die Erfolgsrate der PTC liegt bei dilatierten Gallengängen bei über 90 % der Fälle,
für die Anlage einer perkutane Drainage in dilatierte Gallengänge werden Erfolgsraten
zwischen 90 und 100 % erreicht. Die Kanülierung und Drainage nicht dilatierter Gallengänge
ist schwieriger und ggf. mit geringeren Erfolgsraten um 70 % behaftet [2239]
[2248]. Die Empfehlungen richten sich nach der vorliegenden Literatur und nach den Qualitätsparametern
der amerikanischen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie [2239].
4.13 Flexible Dünndarmendoskopie
Einleitung
Vor etwa einer Dekade (2003) wurde die Doppelballonenteroskopie (DBE) als älteste
Methode der flexiblen Dünndarmendoskopietechniken in Deutschland eingeführt, nachdem
sie in Japan schon seit 2001 eingesetzt wurde [2293]
[2294]. Inzwischen stehen verschiedene Techniken zur Verfügung, die im englischsprachigen
Raum als sogenannte „device assissted enteroscopy“ (DAE) zusammengefasst werden. Für
die tiefe flexible Enteroskopie benötigt man spezielle Enteroskope, spezielle Übertuben
und bei den ballonassistierten Verfahren eine Luftinsufflationseinheit. In Deutschland
werden die ballonassistierten Verfahren (DBE und Single-Ballon-Enteroskopie, SBE)
eingesetzt, nachdem die Spiralübertuben aktuell nicht mehr erhältlich sind ([Tab. 58]).
Tab. 58
Indikationen.
sichere Indikationen
|
|
(Verdacht auf) mittlere gastrointestinale Blutung (MGI)
|
diagnostisch und therapeutisch
|
intestinale Obstruktion
|
diagnostisch und therapeutisch
|
M. Crohn
|
(diagnostisch) therapeutisch
|
Polyposis-Syndrome
|
(diagnostisch)therapeutisch
|
Fremdkörperextraktion
|
therapeutisch
|
potenzielle Indikationen
|
|
therapierefraktäre Zöliakie mit Frage nach Lymphom
|
Diagnostisch
|
unklare Malabsorptionsstörungen
|
diagnostisch
|
Bestimmung des intestinalen Befalls bei bekannten Erkrankungen
|
diagnostisch (therapeutisch)
|
chronische Diarrhoen und/oder Abdominal-schmerz verbunden mit pathologischem Labor
und/oder pathologischer Bildgebung
|
diagnostisch (therapeutisch)
|
Überprüfung pathologischer Dünndarmver-änderungen im Rahmen anderer bildgebender Verfahren
|
diagnostisch
|
4.13.1 Spezielle Kontraindikationen
Vergleichbar den der anderen Endoskopien des oberen und unteren Gastrointestinaltraktes,
d. h. der/die Patient(in) ist für die Durchführung einer endoskopischen Untersuchung
zu instabil (≥ ASA IV) [2295].
Bei Verwendung der Doppelballonenteroskopie und bestehender Latexallergie sollte eine
Vortherapie mittels Steroiden, H1- und H2-Blockern erfolgen – vergleichbar der Prophylaxe
bei Patienten mit Kontrastmittelallergie vor ERCP.
4.13.2 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Bei oralem Zugangsweg sollten die Patienten etwa 10 – 12 Stunden nüchtern sein. Die
Gabe von Abführlösungen kann erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei analem Zugangsweg soll eine besonders effektive Darmlavage erfolgen. Dabei soll
die Vorbereitung prinzipiell wie vor Koloskopie erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Aufgrund der Länge des Dünndarms von etwa 4 – 6 Metern ist eine längere Nüchternphase
als vor der Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) sinnvoll. Nüchtern heißt etwa 10 – 12
Stunden vor der Untersuchung sollten die Patienten die letzte Mahlzeit zu sich genommen
haben; Trinken von klaren Flüssigkeiten kann bis etwa 2 Stunden vor der Untersuchung
erlaubt werden. Unter Motilitätsstörungen fallen z. B. langjähriger Diabetes mellitus
mit Neuropathie, Verwachsungsbauch, Stenosen etc.
Intensivierte Abführmaßnahmen für die anale Route inklusive Splitting bei Patienten
mit bekannter Obstipation sind sehr empfehlenswert. Eine besonders gute Reinigung
sollte generell angestrebt werden, weil die Arbeitskanäle der Enteroskope kleiner
sind und damit die Absaugung limitiert ist. Zudem behindern Stuhlreste die Funktionstüchtigkeit
des Übertubus. Ein Endowasher sollte in Bereitschaft gehalten werden.
Zum Thema Vorbereitung gibt es keine eigenen Studien, sondern es muss auf die Beschreibungen
in den Publikationen erfahrener Zentren zurückgegriffen werden (3 – 6, 7].
4.13.3 Durchführung
Sedierung
Empfehlung
Die Enteroskopie soll in Sedierung, in Einzelfällen auch in Intubationsnarkose, erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Aufgrund der längeren Untersuchungszeit sollte die Enteroskopie nicht ohne Sedierung
durchgeführt werden. Eine prospektive, aber nicht randomisierte Studie hat verschiedene
Applikationsformen der Sedierung bei einer Enteroskopie in Spiraltechnik bei Patienten
mit einem ASA-Score von 1 – 3 (konventionelle Sedierung, tiefe Sedierung und Vollnarkose)
verglichen. Die konventionelle Sedierung wurde durch die Assistenz verabreicht und
durch den Gastroenterologen gesteuert. Die tiefe Sedierung oder Vollnarkose erfolgte
durch einen Anästhesisten. Aufgrund der fehlenden Randomisierung war der ASA-Score
nicht ganz gleich verteilt. Er betrug in der anästhesiegesteuerten Gruppe 2,7, wohingegen
die er in der gastroenterologiegesteuerten mit 2,5 etwas niedriger lag. Insgesamt
konnte kein Unterschied in der enteroskopieassoziierten Komplikationsrate zwischen
den Armen gefunden werden. Die durch die Assistenz verabreichte und durch den Gastroenterologen
gesteuerte konventionelle Sedierung hat die Durchführbarkeit der diagnostischen und
therapeutischen Enteroskopie nicht nachteilig beeinflusst [2300].
Verglichen mit der konventionellen Sedierung weist die Vollnarkose mehr anästhesieassoziierte
Komplikationen wie Hypotension (30 %) und Apnoe (18 %) auf. Die Rate an Hypoxämien
ist mit etwa 20 % vergleichbar. Schlechter Allgemeinzustand und höheres Alter waren
Prädiktoren für diese Komplikationen [2301]
[2302]
[2303]. Bei Propofolsedierungen ist die Hypotension die wichtigste Komplikation. Sie trat
bei jüngeren Patienten in 28 % auf verglichen mit 52 % bei Patienten ≥ 60 Jahre. Die
gesamte sedierungsassoziierte Komplikationsrate war bei den Patienten ≥ 60 Jahre mit
knapp 60 % signifikant höher als mit 39 % bei den jüngeren Patienten. Diese Daten
wurden im Rahmen einer retrospektiven Analyse an 144 Patienten, die sich einer SBE
unterzogen haben, ermittelt [2304].
Röntgendurchleuchtung
Empfehlung
Die Verwendung einer radiologischen Kontrolle kann bei schwierigen anatomischen Verhältnissen,
klinischen Zeichen der Obstruktion oder dem analen Zugang empfehlenswert sein.
Starker Konsens
Kommentar
Es gibt eine prospektive, randomisierte Studie zur Wertigkeit der Röntgendurchleuchtung
bei der oralen DBE. Bei sehr erfahrenen Untersuchern kann die Röntgendurchleuchtung
die Eindringtiefe nicht wesentlich verbessern. Allerdings am Beginn der Lernkurve,
bei schwierigen anatomischen Verhältnissen, z. B. durch abdominelle Voroperationen,
oder zu erwartenden nicht passierbaren Crohnstenosen ist die Röntgendurchleuchtung
sehr hilfreich [2303]
[2305]
[2306]. Für die SBE gelten vergleichbare Konditionen [2307].
CO2-Insufflation
Empfehlung
Die Ballonenteroskopie soll unter Verwendung von CO2 erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Drei prospektive Studien im humanen und tierexperimentellen Studiendesign haben klare
Vorteile für CO2 hinsichtlich Patientenkomfort, Gasretention und Eindringtiefe erbracht. Zwei Studien
haben 100 und 40 Patienten, die sich einer DBE unterzogen haben entweder in den Raumluft-
oder den CO2-Insufflationsarm randomisiert. Die Patienten wurden vor der Untersuchung und in regelmäßigen
Intervallen nach der Enteroskopie mittels VAS-Skala hinsichtlich ihrer abdominellen
Beschwerden befragt. Zudem erfolgte eine radiologische Quantifizierung des abdominellen
Restgasvolumens. Bezüglich abdomineller Schmerzen und Restgasvolumen schnitt der CO2-Insufflationsarm signifikant besser ab. In der größeren Studie mit 100 Patienten
wurde außerdem eine signifikant bessere Eindringtiefe im CO2-Arm erzielt. Die Sicherheit von CO2 wurde ebenso durch regelmäßige Blutgasanalysen untersucht. Es gab keine Unterschiede
im Sauerstoff- und CO2-Partialdruck und keine unerwünschten Nebenwirkungen [2308]
[2309].
Die Sicherheit und Effektivität von CO2 während der DBE wurde auch im tierexperimentellen Versuch an 20 gesunden Schweinen
untersucht. Keines der Tiere entwickelte hämodynamische, ventilatorische oder arterielle
Blutgasveränderungen. In der CO2-Gruppe wurde ein geringeres Restgasvolumen nach der Enteroskopie dokumentiert. Der
Vorschub in der Dünndarm war in der CO2-Gruppe tiefer, was der rascheren CO2-Absorption geschuldet ist [2310].
Messung der Eindringtiefe
Empfehlung
Die Bestimmung der Eindringtiefe sollte für die ballonassistierten Verfahren auf dem
Hinweg abgeschätzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die erste Messmethode wird für die DBE beschrieben und an einem Ex-vivo-Tiermodell
überprüft. Alle ballonassistierten Methoden folgen dem sogenannten Push-und-pull-Prinzip. Die
Eindringtiefe wird demnach durch die Addition der einzelnen Vorschübe jedes Push-und-pull-Manövers
abgeschätzt. Das bedeutet, der Endoskopiker bestimmt den effektiven Vorschub des Enteroskops
(Push-Manöver) und schätzt den „Verlust“ des eingesehenem bzw. aufgefädeltem Dünndarms
beim Vorschub des Übertubus und Rückzug von Übertubus mit Enteroskop (Pull-Manöver)
ab. Die Differenz wird auf einem Dokumentationsbogen notiert und zum Schluss addiert.
Während des Rückzugs kann anhand der Menge des aufgefädelten Dünndarms, der vom Übertubus
gleitet, kontrolliert werden, ob die Einschätzung während es Vorschubs plausibel war
[2299]
[2311].
Inzwischen wurden alternative Methoden vorgestellt. Während des Rückzugs lässt man
5cm-Dünndarmsegmente vom Übertubus gleiten und zählt die Falten [2312]. Diese Methode ist sehr zeitaufwendig, v. a. wenn der Dünndarm eng auf dem Übertubus
aufgefädelt ist. Im Rahmen von Studien ist dies machbar, aber für die Alltagsroutine
nicht tauglich. Die zweite Alternative bedient sich des Übertubus als Hilfsmittel.
Hier wird jeder 5 cm Vorschub des Übertubus in den Patienten mit 40 cm Enteroskopvorschub
gleichgesetzt [2313]. Diese Methode funktioniert nur, wenn sich der Dünndarm sehr gut auf dem Übertubus
zusammenschieben lässt, sodass 40 cm Dünndarm nicht mehr als 5 cm Platz auf dem Übertubus
verbrauchen. Dies gelingt in der Regel nur bei einfachen Untersuchungen.
Therapeutische Enteroskopie
Empfehlung
Therapeutische Interventionen sollten in der Regel während des Rückzugs erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Therapeutische Interventionen sollten von einem erfahrenen Endoskopiker mit einer
erfahrenen Endoskopieassistenz bzw. unter Supervision eines erfahrenen Enteroskopikers
durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Es gibt keine Studien, die therapeutische Interventionen während des Vorschubs oder
Rückzugs vergleichen. Hier kann man nur der allgemeinen Expertenmeinung folgen. In
einer Langzeitstudie zum Therapieerfolg von blutenden Dünndarmläsionen wurde diese
mittels Argonplasmakoagulation behandelt. Lediglich ganz vereinzelte oder sehr kleine
Läsionen, die durch z. B. eine Kapselendoskopie vorbeschrieben waren, wurden während
des Vorschubs koaguliert. Alle anderen vaskulären Läsionen wurden konsequent während
des Rückwegs therapiert, um Verletzungen der behandelten Areale durch zusätzlich mechanische
Belastung während des Push-und-pull-Manövers zu vermeiden [2314]. Die Tatsache, dass in dieser Studie keinerlei Komplikationen aufgetreten sind,
mag diese Hypothese stützen. In Analogie sind Polypektomien zu werten, weil auch hier
die Resektionsstellen gefährdet für Komplikationen durch mechanische Belastungen sind.
Alle therapeutischen Interventionen, die in der konventionellen Endoskopie eingesetzt
werden, können auch im Rahmen der Dünndarmendoskopie angewandt werden. Allerdings
stellt die Dünndarmendoskopie aufgrund der längeren Endoskope, dünneren Arbeitskanäle,
längeren Instrumentarien, tieferen und teils weniger stabilen Position und längeren
Untersuchungszeiten eine besondere Herausforderung dar. Die meisten Daten mit vielen
tausend Untersuchungen hinsichtlich Komplikationen gibt es für die DBE. Die Komplikationsraten
für die diagnostische und therapeutische Enteroskopie sind mit etwa 1 % bzw. 3 – 4 %
akzeptabel, aber größtenteils höher als bei der konventionellen Endoskopie des oberen
und unteren Gastrointestinaltrakts. Das gleiche gilt für die Mortalitätsrate von 0,05 %
[2315]
[2316]
[2317]
[2318]. Auf der anderen Seiten sind die Morbiditätsraten mit 3 – 42 % und Letalitätsraten
bis zu 5 % der intraoperativen Enteroskopie, die vor Einführung der flexiblen Techniken
den Goldstandard der Dünndarmeendoskopie darstellte, deutlich höher [2319]
[2320].
4.13.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Nach therapeutischer Enteroskopie sollte eine stationäre Überwachung abhängig von
der Intervention und dem individuellen Risikoprofil des Patienten erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Zu diesem Thema gibt es keine Studien und erneut kann man nur der Expertenmeinung
folgen. Bei rein diagnostischen Enteroskopien erscheint eine Nüchternphase von 1 – 2
Stunden empfehlenswert. Aufgrund des potenziell erhöhten Komplikationsrisikos verbunden
mit einem meist längeren Zugangsweg empfiehlt es sich bei therapeutischen Enteroskopien
die Nahrungsaufnahme etwa 4 Stunden nach Beendigung der Untersuchung auf Tee und Wasser
zu beschränken. Am Folgetag sollte in Abhängigkeit der klinischen Untersuchung des
Abdomens und des Ausmaßes des therapeutischen Eingriffs das weitere Prozedere individuell
entschieden werden.
4.14 Kapselendoskopie
Indikationen [2321]
-
mittlere gastrointestinale Blutung
-
begründeter Verdacht auf M. Crohn nach unergiebiger Vordiagnostik
-
bekannter M. Crohn nach Stenose Ausschluss bei therapeutischer Relevanz
-
Komplikationen bei Zöliakie
-
Polyposis-Syndrome (Peutz-Jeghers Syndrom, FAP mit Duodenal-Adenomen)
4.14.1 Spezielle Kontraindikationen
Schwangerschaft: siehe Kapitel 4.15 Endoskopie in der Schwangerschaft.
Schrittmacher/Implantierte Kardioverter (ICDs)
Empfehlung
Patienten mit Schrittmachern/ICDs sollte bei gegebener Indikation eine Kapselendoskopie
nicht vorenthalten werden. Eine explizite Aufklärung soll erfolgen. Eine regelmäßige
Neubewertung unter Einbeziehung von Daten zum aktuell eingesetzten Kapselsystem ist
erforderlich.
Starker Konsens
Kommentar
Herzschrittmacher und implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren gelten aufgrund
der Herstellerangeben als formale Kontraindikation. Allerdings sind bei In-vivo-Untersuchungen
[2322]
[2323] sowie bei der klinischen Anwendung keine Probleme beobachtet worden [2324]
[2325]. Diese Beobachtungen beziehen sich auf die radiofrequenzbasierten Systeme PillCam
SB1 und SB2, Colon1, sowie EndoCapsule1. Für die OMOM Kapsel mit ähnlicher Funktionsweise
sind keine entsprechenden Untersuchungen bekannt. Die Unschädlichkeit von Signalen
von außen zur Kapsel (bei OMOM manuell vom PC möglich und bei PillCam Colon2 routinemäßig
vom Rekorder zur Steuerung der Bildrate) ist bislang noch nicht dokumentiert. Für
MiroCam, welche den menschlichen Körper als elektrischen Leiter verwendet, sind bislang
nur Einzelfälle berichtet, in denen jedoch auch bei je 3 Schrittmacher und Defibrillator
Trägern keine Probleme beobachtet wurden [2326]. Für CapsoCam mit Verwendung eines eingebauten Festspeichers ohne Datenübermittlung
besteht diese Kontraindikation a priori nicht. Die Empfehlung der Europäischen Gesellschaft
für Gastrointestinale Endoskopie (ESGE) hat bereits 2009 die Kontraindikation Schrittmacherträger
generell gestrichen [2327].
Stenosen
Empfehlung
Bei klinischem Verdacht auf eine intestinale Stenose soll die Kapselendoskopie erst
nach Beweis der Durchgängigkeit mittels vorheriger Patency-Kapseluntersuchung erfolgen.
Lediglich bei unergiebiger Vordiagnostik, bestehendem Operationswunsch, OP-Indikation
und OP-Fähigkeit des Patienten im Falle einer Retention kann nach eingehender Aufklärung
eine Kapselendoskopie auch bei Stenoseverdacht erfolgen.
Konsens
Kommentar
Intestinale Stenosen können zur Kapselretention führen und stellen eine Kontraindikation
dar. Bei Verdacht auf Stenose sollte primär eine Bildgebung mit MRT, bzw. Sonografie
oder CT erfolgen. Das endoskopische Verfahren der Wahl ist in diesen Fällen die ballongestützte
Enteroskopie. In Einzelfällen kann auch die chirurgische Exploration zum Einsatz kommen.
Ursachen einer Kapselretention sind Stenosen durch Tumoren, M. Crohn, Anastomosen,
Strahlenenteritis, NSAR Enteropathie [2328]
[2329]. Die Diagnose eines Dünndarmtumors wird in der Regel erst aufgrund der wegen intestinaler
Blutung durchgeführten Kapselendoskopie gestellt. Dünndarmtumoren sind zudem selten
und führen auch nur in einem kleinen Teil zur, in der Regel asymptomatischen, Retention.
In diesen Fällen ist eine Retention eher als diagnostisch hilfreich anzusehen, und
nicht als vorzubeugende Komplikation.
In den anderen Risikogruppen, sollte eine sorgfältige Anamnese, qualifizierte Sonografie
und ggf. Schnittbilddiagnostik erfolgen. Der Einsatz einer selbstauflösenden Testkapsel
bei diesen Patienten wird empfohlen [2330]
[2331].
Schluckstörungen
Empfehlung
Bei Schluckstörungen sollte die endoskopische Einbringung der Kapsel in den Magen
oder das Duodenum erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Schluckstörungen kann die Kapsel endoskopisch mit einem speziellen Applizierer
platziert werden [2332], wobei sogar ein Real-Time-Viewer zur endoskopischen Steuerung unter Verwendung
des kapselendoskopischen Bildes verwandt wurde [2333]. Besonders häufig ist die endoskopische Einbringung der Videokapsel bei Kindern
erforderlich [2333]
[2334]
[2335]. Als Test für die Schluckfähigkeit kann das Probeschlucken eines Bonbons genutzt
werden.
Die Häufigkeit der Aspiration einer Videokapsel wird auf 1 zu 800 – 1000 Untersuchungen
geschätzt [2336]. Durch Einsatz eines Real-time-Viewers nach Schlucken der Kapsel kann eine Aspiration
oder Retention im Ösophagus zeitnah erkannt werden und entsprechende Maßnahmen eingeleitet
werden. Dies kann die Aufforderung zu forciertem Husten oder die Veranlassung einer
bronchoskopischen Extraktion [2337] bei Aspiration, das Trinken von Wasser oder der endoskopische Weitertransport bei
Retention im Ösophagus sein.
4.14.2 Spezielle Vorbereitung
Darmreinigung, Entschäumer
Empfehlung
Eine Darmreinigung sollte vor einer Kapselendoskopie erfolgen, ebenso sollte Simethicon
zur besseren Beurteilbarkeit der Dünndarmmukosa verabreicht werden
Starker Konsens
Kommentar
Die Beurteilbarkeit der Dünndarmmukosa war in einer Metaanalyse besser, wenn eine
Lavage vor der Dünndarmkapselendoskopie durchgeführt wurde (OR 2,1; 95 % CI 1,25 – 3,57;
p = 0,005), ebenso die diagnostische Ausbeute (OR 1,81; 95 % CI 1,25 – 2,63; p = 0,002)
[2338]. In einer Metaanalyse stieg die diagnostische Ausbeute nach Vorbereitung versus
Fasten über Nacht von 33 auf 48 % (OR 1,88; 95 % CI 1,24 – 2,84; p = 0,023) [2339]. Eine Subgruppenanalyse ergab dabei einen Effekt auf die Visualisierbarkeit der
Dünndarmmukosa nur für PEG basierte Lavage (OR 3,11; 95 % CI 1,96 – 4,94; p < 0,0001),
aber nicht für NaP [2339]. Ein „Split dose“-Regime mit zusätzlich morgendlicher Einnahme (in dieser Studie
Mannitol) hatte einen besseren Effekt auf die Visualisierung der Dünndarmmukosa und
der diagnostischen Ausbeute als die alleinige abendliche Gabe [2340]. Eine neuere Metaanalyse bestätigte den positiven Einfluss einer Lavage mit PEG
auf die diagnostische Ausbeute der Dünndarmkapselendoskopie. Allerdings fand sich
eine deutliche Heterogenität der eingeschlossenen Studien und nach Ausschluss einer
einzigen Studie war der Unterschied nicht mehr signifikant [2341]. Daher wird nur die schwächere Empfehlung („sollte“) ausgesprochen.
Eine Metaanalyse von 4 Studien zeigte eine signifikant bessere Beurteilbarkeit des
Dünndarms wenn Simethicon vor der Kapselendoskopie zur Verringerung von Bläschenbildung
gegeben wurde (OR 2;84, 95 % CI 1,74 – 4,65, p = 0,00 [2342]. Die Kombination von Lavage und Simethicon beeinflusste die Visualisierung zusätzlich
günstig [2340]
[2343].
Prokinetika
Empfehlung
Der generelle Einsatz von Prokinetika vor Kapselendoskopie kann nicht empfohlen werden.
Eine gezielte Gabe kann aber sinnvoll sein bei bekannter oder bei mittels Real-time-Viewer
beobachteter Magenentleerungsstörung.
Starker Konsens
Kommentar
In einer Studie wurde eine höhere Rate an kompletten Dünndarmuntersuchungen nach MCP
beobachtet durch eine Reduktion von 48 auf 31 min [2344]. Die Reduktion der Magentransitzeit wurde in anderen Studien bestätigt, nicht aber
die Erhöhung der kompletten Dünndarmabbildung in 8 Stunden [2345]
[2346]. Durch Erythromycin konnte die Magentransitzeit verkürzt, jedoch die Komplettheitsrate
der Dünndarmabbildung nicht signifikant verbessert werden [2347]
[2348]. Domperidon wurde unter anderem in Studienprotokollen zur Kolonkapsel eingesetzt,
aber nicht prospektiv untersucht [2349]. Lubiprostone führte gar zum Verbleib von 2/20 Kapseln über 8 Stunden im Magen [2350].
Ein günstiger Einfluss auf die Magenpassage der Kapsel durch Rechtsseitenlage wurde
ferner berichtet von einer aber nicht bestätigt [2350]
[2351]. Erste Berichte über eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die Kapsel das Zökum nach
Kaugummi Kauen innerhalb von 8 Stunden erreicht [2352] konnten in einer prospektiven, randomisierten Studie nicht bestätigt werden [2353].
Die meisten Studien zu Prokinetika beziehen sich auf Kapsellaufzeiten von 8 Stunden.
Da viele Kapselsysteme derzeit weit längere Funktionsdauern aufweisen, verliert die
Verkürzung des Magentransits um einige Minuten deutlich an Relevanz. Der sinnvolle
Einsatz eines Real-time-Viewers zur Identifikation von einzelnen Patienten mit stark
verlängerter Magentransitzeit wurde für PillCam [2354], EndoCapsule [2355] und OMOM Kapsel [2345] beschrieben. Durch den gezielten Einsatz von Prokinetika bei diesen Patienten konnte
eine höhere Zahl an kompletten Kapselendoskopien des Dünndarms erzielt werden [2356]. Ebenfalls ließ sich die Rate an positiven Befunden damit steigern [2357]
[2358].
4.14.3 Durchführung
Kapselsysteme
Statement:
Anhand der vorliegenden Daten kann keine Empfehlung für oder gegen ein System ausgesprochen
werden
Starker Konsens
Kommentar
Es sind derzeit fünf Kapselendoskopiesysteme zum klinischen Einsatz zugelassen. Systematische,
prospektive, randomisierte Studien zum klinischen Einsatz der Kapselendoskopie des
Dünndarms wurden so gut wie ausschließlich mit der PillCam bzw. dem Vorgänger Model
M2A des israelischen Hersteller Given Imaging (Yoqneam, Israel) durchgeführt. Einzelne
kleinere prospektive Vergleichsstudien zwischen PillCam SB1und EndoCapsule1 (Olympus,
Tokyo, Japan) (39,40), PillCamSB2 und MiroCam (Intromedic, Seoul, Korea) [2361] zwischen MiroCam und EndoCapsule1 [2362], sowie zwischen PillCamSB2 und CapsoCam (Capsovision, Saratoga, CA, USA) [2363] zeigten keine signifikanten Unterschiede in der diagnostischen Ausbeute bei Patienten
mit mittlerer gastrointestinaler Blutung. Für die OMOM Kapsel (Jinshan Science, Chongqing,
China) existieren Machbarkeitsstudien [2364]
[2365]. Für die Kapselendoskopie des Kolons ist derzeit nur die PillCam Colon2 (Given Imaging,
Yoqneam, Israel) verfügbar.
Auswertung
Automatisierte Abspielgeschwindigkeit und Bildselektion
Empfehlung
Die Verwendung von Softwaremodi mit Anpassung der Abspielgeschwindigkeit an die Kapselbewegung
und mit Unterdrückung redundanter Bilder kann die Auswertung einer Kapselendoskopie
beschleunigen. Eine Betrachtung von softwareselektionierten Bildern kann die Diagnosestellung
beschleunigen, soll aber die komplette Durchsicht des Videos nicht ersetzen.
Starker Konsens
Kommentar
Durch automatische Geschwindigkeitsregulierung und Unterdrückung redundanter Bilder,
ließ sich die Auswertezeit verkürzen. Durch Quick View (mit automatisierter Bildauswahl)
konnte die Auswertezeit ebenfalls verkürzt werden, allerdings wurden auch relevante
Befunde verpasst [2366]. Quick View verkürzte die Auswertezeit [2367], es wurden sowohl bei der Standarddurchsicht als auch bei Verwendung des Software
Tools je 7 (verschiedene) Befunde übersehen. Bei den mit Quick View übersehenen Befunden
wurden 4 von7 nicht von der Software präsentiert, entsprechend einer theoretischen
Sensitivität von 93,7 %. Durch Verwendung verschiedener Modi ließ sich im Extremfall
die Auswertezeit von 60 min im manuellen Standardmodus auf 16,3 min im Quick-View-Modus
senken. Dafür nahm die Rate an verpassten Befunden auf 12 % gegenüber dem Standardmodus
zu. Bei Verwendung des automatischen Modus mit Unterdrückung redundanter Bilder konnte
die Auswertezeit verkürzt werden bei einer Missrate von nur 1 % [2368].
Ein Blutindikator Tool älterer Software Versionen hatte eine Sensitivität von nur
60 % für Blutungsquellen [2369]. Auch bei neueren Versionen ist die Funktionsfähigkeit abhängig von Kapselgeschwindigkeit
und Hintergrundfarbe [2370].
Für das EndoCapsule-System wurde in einer retrospektiven Analyse eine Missrate von
8 % bei der automatisierten Bildauswahl (Overview) gefunden. Bei der Unterdrückung
redundanter Bilder (Express select) wurde jedoch nur ein Befund von 40 (auf einem
Bild) verpasst, wie auch bei Verwendung der automatisierten Abspielgeschwindigkeit
[2371].
Farbselektion
Empfehlung
Die Verwendung von Farbselektion kann im Einzelfall bei der Beurteilung von Läsionen
hilfreich sein. Sie sollte derzeit aber nicht zum generellen Einsatz bei der Detektion
empfohlen werden.
Starker Konsens
.
Kommentar
Die Verwendung verschiedener Einstellungen einer bereits im Routinebetrieb verfügbaren
elektronischen Farb- Nachbearbeitung durch Flexible Intelligent Color Enhancement
(FICE) ermöglicht eine verbesserte Darstellung des Gefäßmuster, bzw. der Oberflächenstrukturen
[2372]. Beim Vergleich las ein Untersucher 20 Videos mit FICE und ein zweiter im Standardmodus.
Dabei fand der Untersucher mit FICE mehr Angiektasien (35 vs. 32) und 41 vs. 21 Erosionen
[2373]. In einer anderen Studie konnten Angiektasien mit FICE besser charakterisiert werden,
die Ausbeute an signifikanten Läsionen war mit FICE jedoch nicht besser, lediglich
mehr irrelevante Befunde wurden erhoben im Sinne einer verschlechterten Spezifität
[2374]. Bei einer patientenbezogenen Analyse (6 Gesunde, 18 Patienten) konnte keine Überlegenheit
des FICE Systems festgestellt werden [2375]. Eine höhere Anzahl an Befunden mit FICE, aber keine Erhöhung der patientenbezogenen
Ausbeute fanden [2376]. Die Sensitivität für Angiektasien mittels Quick View konnte mit FICE von 80 auf
91 % erhöht werden, allerdings nahm die Spezifität auf 86 % ab [2377].
Bei der Betrachtung von 167 Kapselendoskopiebildern wurde durch den postprozess Blaufilter
von Given eine Verbesserung in 83 % von 2 Untersuchern angegeben, dies ließ sich mit
3 FICE Modi nicht reproduzieren, hier wurde in der Mehrzahl eine Verschlechterung
empfunden [2378].
Mittels eines Prototyps einer speziellen Kontrast Kapsel mit speziellem LED Licht
mit optischem Narrow Band Imaging (NBI) konnte die Darstellung, aber nicht die Detektion
in Einzelfällen mit Polyposis verbessert werden [2379].
4.14.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Kapseltypen mit Bildübertragung während der Aufzeichnung müssen nicht geborgen werden.
Auf die Ausscheidung der Kapsel soll durch die Patienten geachtet werden. Ist das
Kolon abgebildet, soll eine routinemäßige Röntgenaufnahme auch bei fehlender Beobachtung
der Kapselausscheidung nicht erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Ist das Kolon nicht abgebildet, soll der Patient nach der Kapselausscheidung gefragt
werden. Wurde diese nicht beobachtet, soll der Ausschluss einer Retention erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die CapsoCam muss nach der Ausscheidung geborgen werden, da anderenfalls die in der
Kapsel gespeicherten Daten komplett verloren sind. Bei den anderen Systemen erfolgt
die Datenübertragung bereits während der Untersuchung auf einen externen Rekorder,
sodass eine Bergung zur Auswertung nicht erforderlich ist. Da durch die dokumentierte
Ausscheidung der Kapsel aber eine Retention sicher ausgeschlossen werden kann, sollten
die Patienten darauf achten – beginnend unmittelbar nach der Einnahme (wegen möglicher
sehr schneller Passage).
Als Retention bezeichnet man gemäß eines Konsensus das Verbleiben der Kapsel über
mehr als zwei Wochen im menschlichen Körper [2380]. Bei Patienten, die nach drei Tagen keine Kapselausscheidung bemerkt hatten, konnte
jedoch nur in 21 % diese auch noch radiologisch nachgewiesen werden [2381]. Setzt man eine komplette Koloskopie vor einer Dünndarmkapselendoskopie voraus und
ist im Rahmen der Kapselpassage das Kolon abgebildet, erscheint eine nachfolgende
Retention der Kapsel extrem unwahrscheinlich. Ist die Dünndarmuntersuchung inkomplett,
kann dies durch eine Retention bedingt sein, auch wenn in Einzelfällen die Stenose
selbst nicht abgebildet wurde [2382]. In diesen Fällen sind weitere diagnostische Maßnahmen wie Röntgenaufnahme des Abdomens
erforderlich
Empfehlung
Eine Kernspintomografie soll bei Patienten mit inkorporierter Videokapsel nicht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Vor allem aufgrund theoretischer Überlegungen, dass die Kapsel mit magnetischen Teilen
sich im Feld eines MRT erhitzen oder unkontrolliert bewegen könnte, ist die Kernspintomografie
mit noch im Körper befindlicher Kapsel kontraindiziert (Herstellerempfehlung http://www.givenimaging.com/en-us/Innovative-Solutions/Capsule-Endoscopy/Pillcam-SB/Indications-Risks/Pages/default.aspx).
Allerdings sind Einzelfälle bekannt, bei denen sich Patienten akzidentell mit inkorporierter
Videokapsel einem MR unterzogen haben, ohne dabei zu Schaden zu kommen [2383]. In Zweifelsfällen oder bei erforderlichem MR kurz nach erfolgter Kapselendoskopie
kann in Einzelfällen eine Röntgenaufnahme des Abdomens zum Ausschluss oder Nachweis
des Kapselverbleibs im Körper erfolgen. Wurde die Kapselausscheidung nicht bemerkt
und ist die Dünndarmabbildung inkomplett, so ist in jedem Fall eine weitere Abklärung
zum Ausschluss einer Retention und einer zugrunde liegenden Ursache erforderlich.
Explizite Studien zu diesem Komplex liegen nicht vor.
4.14.5 Spezifische Qualitätsindikatoren Kapselendoskopie – Ergebnisqualität: Vorschläge
für Messparameter nach Evidenz ([Tab. 59])
Tab. 59
Vorschlag Qualitätsindikatoren Kapselendoskopie.
Qualitätsindikatoren
|
präprozedural
|
Vermeidung von Kapselretention
|
intraprozedural
|
Beurteilbarkeit der Dünndarmmukosa adäquat
|
komplette Dünndarmkapselendoskopie (Erreichen des Zökums im Untersuchungszeitraum)
|
Kommentar
Allgemeine Qualitätsindikatoren zu endoskopischen Untersuchungen siehe Kapitel 7.
Die Kapselretention ist eine der wichtigsten Komplikationen (ca. 1 – 2 % [2384]), diese ist definiert als ein Verbleiben der Kapsel im Körper für mehr als 14 Tage,
wobei eine formelle, asymptomatische Kapselretention abzugrenzen ist von einer symptomatischen
Retention mit ggf. konsekutiver endoskopischer oder operativer Intervention, die aufgrund
der Grunderkrankung nicht indiziert gewesen wäre. Kann durch die Retention eine Diagnose
gestellt werden, ist die Retention keine Komplikation, sondern Teil der Diagnostik.
Kapselretentionen treten häufiger im Rahmen spezieller Erkrankungen oder Vorbehandlungen
auf (Morbus Crohn 2 – 3 % in größeren Serien, in Studien teilweise bis 13 % []2, 3],
Dünndarmtumore 10 – 25 % [2387]) Unter Zuhilfenahme von Bildgebung und der Patency-Kapsel können besonders in Risikogruppen
Retentionen vermieden werden [2388].
Die adäquate Beurteilbarkeit der Dünndarmmukosa bei entsprechender Vorbereitung [2389] ist sowohl in der Dünndarm-VKE als auch in der Kapselkoloskopie abhängig von der
Vorbereitung und korreliert mit der diagnostischen Ausbeute. Die Vorbereitungsregime
und Bewertungssysteme einzelner Studien variieren. In Metaanalysen und Studien wird
zumeist zwischen adäquater und inadäquater Beurteilbarkeit unterschieden [2390]
[2391], teilweise aber auch ein 4-stufiges Bewertungssystem (exzellent, gut, moderat, schlecht)
verwandt, ähnlich der Aronchick-Scale [2392].
Die komplette Dünndarmkapselendoskopie ist definiert als Erreichen des Zökums im Untersuchungszeitraum [2389]. Die Rate der inkompletten Untersuchungen liegt bei 10 – 25 % [2393]
[2394]
[2395]. Aufgrund längerer Laufzeiten der aktuellen Kapselgenerationen und in Kombination
mit dem Real-time-viewer ist die Anzahl inkompletter Untersuchungen aktuell und auch
in Zukunft rückläufig [2396]
[2397].
4.15 Diagnostische Laparoskopie
Einleitung: Die diagnostische Laparoskopie, die in ihren Anfängen mit den Namen Georg
Kelling, Christian Jacobaeus und vor allem Heinz Kalk verbunden ist, nahm ihren Ausgangspunkt
bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts [2398]
[2399]
[2400]. Die Indikation zur Untersuchung war von Anfang an vornehmlich hepatologischer oder
onkologischer Natur. Nach Einführung der schnittbildgebenden Verfahren Sonografie
und Computertomografie waren die Untersuchungszahlen in Deutschland deutlich rückläufig.
Mit dem expandierenden Feld der minimalinvasiven laparoskopischen Chirurgie und den
technischen Weiterentwicklungen der letzten Jahre mit Verfügbarkeit miniaturisierter
Laparoskope („Minilaparoskopie“) hat die diagnostische Laparoskopie wieder einen festen
Platz in der internistischen Diagnostik eingenommen [2401].
Die Indikationen zur diagnostischen Laparoskopie sind tabellarisch zusammengestellt
[2402]
[2403].
Indikation ([Tab. 60])
Tab. 60
Indikationen diagnostische Laparoskopie.
Erkrankungen der Leber
|
Staging chronischer Lebererkrankungen (Zirrhosediagnostik, gezielte Biopsie unter
Sicht mit Option der Blutstillung)
|
Abklärung fokaler Lebererkrankungen (Biopsie unter Sicht mit Option der Blutstillung,
insbesondere bei oberflächlichen Herdbildungen)
|
Tumorerkrankungen
|
Staging maligner gastroenterologischer Tumoren (distaler Ösophagus, Magen, Pankreas)
|
weitere Indikationen
|
Aszites unklarer Genese
|
Erkrankungen des Peritoneums (inkl. Biopsieoption unter Sicht)
|
Fieber unklarer Genese
|
Milzbiospie bei Milzläsionen unklarer Dignität
|
4.15.1 Spezielle Kontraindikationen
Empfehlung
Relative Kontraindikation für die diagnostische Laparoskopie können sein:
-
ausgedehnte Verwachsungen durch Voroperationen
-
ein erhöhtes Blutungsrisiko bei fortgeschrittener Leberzirrhose Child-Pugh C, ausgeprägter
portaler Hypertension oder eingeschränkter plasmatischer Gerinnung und/oder Thrombozytopenie
Starker Konsens
Kommentar
Ausgedehnte Verwachsungen durch Voroperationen können die diagnostische Laparoskopie
erschweren oder verhindern. Unter Verwendung der dünnlumigeren diagnostischen Laparoskope
konnten diese in 0,3 % der Fälle aufgetretenen Perforationen konservativ ohne chirurgische
Übernähung behandelt werden [2404].
Bei Vorliegen einer fortgeschrittenen Leberzirrhose Child-Pugh C, einer ausgeprägten
portalen Hypertension und eingeschränkten Gerinnungsparametern steigt das Risiko einer
Bauchwandblutung oder Blutung nach Biopsie [2405]. Hier wird auf das Kapitel 3.2.2; 3.2.4 und 3.2.5 verwiesen. In einer retrospektiven Analyse lag die Rate an schweren transfusionspflichtigen
Blutungskomplikationen bei 0,7 %, 2 davon verliefen letal (Grunderkrankungen: akutes
Leberversagen, Leberzirrhose Std. Child-Pugh C) [2404]. Alle schweren Blutungskomplikationen traten protrahiert innerhalb von 24 Stunden
trotz der Gabe von FFP oder Thrombozyten vor/während der Laparoskopie und trotz stattgehabter
Koagulation der Biopsiestelle auf. Eine Thrombopenie unter 50/nl und vor allem eine
INR > 1,5 wurden in der logistischen Regression als wesentliche Risikofaktoren ermittelt
(p = 0,001; OR 14,1), die bootstrap Analyse identifizierte eine INR > 1,5 als signifikanten
Prädiktor (p = 0,0002). Bei erhöhtem Blutungsrisiko durch eine eingeschränkte plasmatische
Gerinnung und/oder Thrombozytopenie und insbesondere bei fortgeschrittener Leberzirrhose
sollte die Indikation streng gestellt und Risiko versus Nutzen sorgfältig abgewogen
werden. Auch wenn eine weitere retrospektive Analyse kein erhöhtes Blutungsrisiko
bei Vorliegen einer Leberzirrhose und/oder portalen Hypertension im Vergleich zur
nicht zirrhotischen Leber zeigte, ist ein negativer Einfluss einer fortgeschrittenen
Lebererkrankung anzunehmen [2406]
[2407]. Dafür spricht auch, dass eine weitere Fallserie zur Minilaparoskopie mit Leberbiopsie
bei eingeschränkter Gerinnung, die überwiegend nicht zirrhotische thrombopene Patienten
mit hämatologischen Grunderkrankungen untersuchte, konnte kein wesentliches Risiko
für transfusionspflichtige Blutungskomplikationen aufwies [2408].
4.15.2 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung:
Zur Durchführung einer diagnostischen Laparoskopie mit Leberbiopsie kann bei erniedrigten
Thrombozytenzahlen < 50 000/µl bzw. einem INR > 1,6 eine Substitution erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Angabe genauer Referenzwerte für die Blutgerinnung im Rahmen der diagnostischen
Laparoskopie mit meist Leberbiopsie nach Datenlage ist schwierig. Es soll hier auch
auf das Kapitel Hepatische Koagulopathie 3.2.5 verwiesen werden, dort wird das Problem
der Einschätzung des Blutungsrisikos bei chronischen Lebererkrankungen anhand der
messbaren laborchemischen Gerinnungsparameter ausführlich dargestellt. Im Folgenden
soll auf die vorliegenden klinischen Daten eingegangen werden.
Bezieht man sich auf Daten zur Sicherheit der perkutanen Leberbiopsie wurde hier eine
Thrombozytenkonzentration < 60/nl (12) bzw. 50 – 100/nl [2410] als Risikofaktor für ein Blutungsereignis ermittelt. Eine weitere retrospektive
Arbeit analysierte 1500 perkutan durchgeführten Leberbiopsien und ermittelte für einen
INR > 1,5 eine höhere Frequenz an Blutungskomplikationen [2411] (p < 0,003).
Thrombozyten < 60/nl oder ein INR > 1,3 resultierten im Rahmen eines HCV Kollektivs
in einem Blutungsrisiko von 5,3 bzw. 2,4 % [2412].
Ewe und Kollegen untersuchten in ihrer Studie von 200 konsekutiv durchgeführten konventionellen
Laparoskopien mit Leberbiopsie (1,8 mm Menghini-Nadel) eine mögliche Korrelation von
Blutungskomplikationen und eingeschränkter Gerinnungsfunktion. Die Standardabweichung
der durchschnittlichen Blutungszeit post Biopsie betrug 4,37 Minuten ± 3,48 Minuten.
Zehn Fälle, in denen sie länger als zwölf Minuten betrug, wiesen Blutgerinnungsparameter
im physiologischen Bereich auf [2413]. Die Autoren schlussfolgerten, dass Thrombozytenkonzentration, Blutungszeit und
Prothrombinzeit keine verlässlichen Prädiktoren für eventuelle Blutungskomplikationen
nach Leberbiopsie sind und daher nicht als valide Kontraindikation anzusehen sind
[2413].
Lebererkrankungen können sowohl zu pro- als auch antikoagulatorischen Effekten führen.
Lebensbedrohliche Blutungen sind eher Folge von portaler Hypertension als von Störungen
in der Gerinnungskaskade [2414]. Sowohl Veränderungen der Thrombozyten als auch der Gerinnungsfaktoren sind möglich
und können zu Hyperfibrinolyse, Dysfibrinogenämie und Nierenversagen führen [2414]. Konventionelle Gerinnungstest wie der INR könnten daher das wirkliche Blutungsrisiko
unter bzw. überschätzen [2414].
Auch die vorliegenden klinischen Daten zur diagnostischen Laparoskopie mit Leberbiopsie
sprechen für die Berücksichtigung einer fortgeschrittenen Leberzirrhose mit eingeschränkter
Lebersynthese als Risikofaktor [2404]
[2415]. Erniedrigte Thrombozyten und oder eine verlängerte INR wurden als unabhängiger
Risikofaktor für schwere Blutungskomplikationen bei chronischen Lebererkrankungen
ermittelt [2404], sind aber auch im Kontext mit der Schwere der chronischen Lebererkrankung zu sehen.
4.15.3 Durchführung
Empfehlung
Die diagnostische Laparoskopie soll unter sterilen Bedingungen durchgeführt werden.
Dies beinhaltet einen sterilen Untersucher und Assistenten, eine sterile Pflegeassistenz
sowie eine nicht sterile Pflegeassistenz als Springer.
Starker Konsens
Kommentar
Die laparoskopische Untersuchung wird von einem Untersucher und einem Assistenten
unter sterilen Bedingungen durchgeführt, da es sich um einen Eingriff in einem sterilen
Bereich (Abdomen) handelt. Dies beinhaltet Händedesinfektion, Mundschutz, Haube, sterile
Kittel, Handschuhe und Mundschutz für Untersucher und sterile Pflegeassistenz. Das
Instrumentarium soll von einem sterilen Tisch angereicht werden. Der Patient wird
an der Bauchdecke steril abgewaschen und mit sterilen Tüchern abgedeckt. Die zweite
nicht sterile Pflegeassistenz übernimmt die Bedienung der Geräte im Raum (Lichtquelle,
N2O-Insufflator, Videosystem) und fungiert ggf. als Springer.
Empfehlung
Zur Anlage des Pneumoperitoneums sollte bei der diagnostischen Laparoskopie unter
Analgosedierung Lachgas verwendet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei der in Lokalanästhesie durchführbaren und in der Regel in Analgosedierung durchgeführten
diagnostischen Laparoskopie wird das inerte Lachgas verwendet, da es per se keinen
Schmerz induziert [2401]
[2416]. Das in der chirurgischen Laparoskopie bevorzugt eingesetzte CO2 führt intraperitoneal zur Säurebildung und induziert dadurch einen zusätzlichen Schmerzreiz
[2417]
[2418]. Hier haben 2 prospektiv-randomisierte Studien CO2 und N2O bei laparoskopische Eingriffen
verglichen einmal zur diagnostischen Laparoskopie unter Analgosedierung (n = 46) [2417] und einmal im Rahmen der laparoskopischen Cholecystectomie in Intubationsnarkose
(n = 40) [2418]. In beiden Studien zeigte sich ein signifikanter Vorteil für N2O hinsichtlich der
subjektiven und objektiven postoperativen Schmerzeinschätzung durch den Patienten.
Empfehlung
Zur Anlage des Pneumoperitoneums sollte die Veressnadel in der Regel am Kalk-Punkt
eingebracht werden (Minilaparoskopie), alternativ am Monroe-Punkt. Bei Organomegalie
oder Verwachsungen bei Voroperationen kann der Zugangsweg nach sonografischer Orientierung
variiert werden. Zusätzliche Trokare werden im Einzelfall orientiert eingebracht.
Starker Konsens
Kommentar
Während bei der konventionellen Laparoskopie das Pneumoperitoneum am Monroe-Punkt
im linken Unterbauch angelegt wird, hat die Einführung der Minilaparoskopie mit der
Möglichkeit, über einen kleinkalibrigen Trokar (2,75 mm) am Kalk-Punkt (zwei Querfinger
oberhalb und linksseitig vom Nabel) sowohl die Veress-Nadel [2419] als auch die Minioptik vorzuführen, diesen zusätzlichen Zugangsweg überflüssig gemacht
und die Untersuchung etwas verkürzt [2401]
[2403]
[2420]. Es ist aber nicht bewiesen, dass dies zu einer Reduktion der Komplikationsrate
oder einer besseren Patientenakzeptanz führt [2398]
[2416]
[2420]. Bei Organomegalie oder Voroperationen empfiehlt sich vor der Laparoskopie eine
sonografische Untersuchung, um einen alternativen Zugangsweg festzulegen. Nach Einbringen
der Veress-Nadel [2419] sollten vor Gasinsufflation Sicherheitstests durchgeführt werden (z. B. freies Anspülen,
Tropfen verschwindet bei Anheben der Bauchdecke, Leberdämpfung verschwindet bei Luftinsufflation)
um die korrekte Lage zu verifizieren.
Die Punktionsnadel kann ohne oder mit zusätzlichem Trokar eingeführt werden, über
einen Zusatztrokar kann auch das Instrumentarium für eine Blutstillung nach Biopsie
eingebracht werden (Koagulationssonde, Fibrininjektionssonde, APC-Sonde) [2408]. Bei eingeschränkter Gerinnungssituation kann der Zusatztrokar auch prophylaktisch
eingebracht werden, um ohne Zeitverzögerung eine Blutungsprophylaxe oder -therapie
nach Punktion durchführen zu können [2408].
Empfehlung
Die diagnostische Laparoskopie sollte mit dünnkalibrigen Laparoskopen (1,9 – 3,5 mm)
durchgeführt werden. Kaliberstärkere Laparoskope können eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die diagnostische Laparoskopie sind bei Anlage des Pneumoperitoneums am Kalk-Punkt
und Einführen der Optik über den gleichen Trokar 1,9 – 3,5 mm Optiken verfügbar. Das
1,9 mm Minilaparoskop weist eine prograde Fiberglasoptik auf, die übrigen Laparoskope
basieren auf Linsenglastechnologie und weisen eine 25°–30°Optik auf. Für die konventionelle
Laparoskopie mit Anlage des Pneumoperitoneums am Monroe-Punkt und Einbringen eines
weiteren Trokars für die Optik am Kalk-Punkt können auch großkalibrige Optiken bis
10 mm verwendet werden.
Für den Einsatz kleinkalibriger Laparoskope könnte das geringere Trauma beim Zugangsweg
sprechen, dagegen eine ggf. reduzierte diagnostische Präzision.
Eine prospektive randomisierte Studie an 104 Patienten verglich die Minilaparoskopie
mittels 1,9 mm Optik mit einer konventionellen Laparoskopie (11 mm Optik) und zeigte
keinen Unterschied in der laparoskopischen Zirrhosediagnostik [2419]. In einer retrospektiven Untersuchung an 425 Patienten, die mit einer 1,9 mm Optik,
3,3 bzw. 3,5 mm Optik oder einer 11 mm Optik untersucht wurden, zeigte sich ebenfalls
kein Hinweis auf eine verminderte diagnostische Zirrhosedetektion durch die dünnkalibrigeren
Optiken [2421]. Die hohe diagnostische Ausbeute zur Detektion einer peritonealen Tumoraussaat bei
maligner Grunderkrankung konnte in einer prospektiven Vergleichsstudie zur Computertomografie
und Abgleich mit der Histologie bzw. dem Resultat der Laparatomie für die Minilaparoskopie
mit der 1,9 mm Optik gezeigt werden, sodass bei dieser Indikation gleichfalls keine
Reduktion der Sensitivität durch Einsatz der miniaturisierten Laparoskope anzunehmen
ist [2422].
Andererseits fand sich in der prospektiven Vergleichsstudie an 104 Patienten kein
Unterschied in der Komplikationsrate im Vergleich Minilaparoskopie (1,9 mm) zu Standardlaparoskopie
(11 mm), das Gleiche galt für die Bewertung der Untersuchung durch die Patienten [2419]. In einer retrospektiven Auswertung der Komplikationen von 675 Laparoskopien in
der Übergangszeit von der konventionellen zur Minilaparoskopie zeigte sich ebenfalls
kein Unterschied zwischen den konventionell durchgeführten und den Minilaparoskopien
und auch kein Unterschied zwischen den Untersuchungen in Bezug auf den Laparoskopdurchmesser
[2415].
Empfehlung
Bei hepatologischen Fragestellungen soll die Leberoberfläche nach makroskopischen
Gesichtspunkten beurteilt werden. Zur Punktion soll ein makroskopisch auffälliges
Leberareal ausgesucht werden. Eine beidseitige Leberpunktion kann erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Leberoberfläche soll laparoskopisch beurteilt werden. Im Staging sind hier eine
verstärkte Fibrosierung, eine beginnende Kontenbildung oder die Ausbildung einer Leberzirrhose
mit kompletter Knotenbildung zu unterscheiden. Die Beurteilung weiterer Befunde wie
dem Vorhandensein fokaler Läsionen, einer Leberverfettung und die Unterscheidung der
Zirrhoseknoten in fein- mittel- und grobknotig erscheint im Hinblick auf die Ätiologie
der Lebererkrankung sinnvoll [2423]. Die laparoskopische Beurteilung stellt bisher ein subjektives Kriterium dar und
hängt von der Erfahrung des Untersuchers ab.
Auch bei den sog. „diffusen Lebererkrankungen“ sind die entzündlichen und bindegeweblichen
Veränderungen regional unterschiedlich ausgeprägt [2424]. Bei der Leberbiopsie im Rahmen einer Laparoskopie sollte daher ein Areal ausgewählt
werden, das makroskopisch verändert erscheint, um tatsächlich bereits vorhandene Veränderungen
histologisch mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit zu erfassen. Eine Studie, die
die Biopsie laparoskopisch unauffällige versus auffällige Areale vergleicht, wurde
allerdings bisher nicht durchgeführt. In einer prospektiven Studie an 124 Patienten
mit chronischer Hepatitis C, bei denen im Rahmen einer diagnostischen Laparoskopie
sowohl im rechten als auch linken Leberlappen eine Biopsie entnommen wurde, zeigte
zwar in einem Drittel einen Unterschied im Fibrosegrad zwischen dem rechten und linken
Leberlappen, nur bei 2,4 % der Patienten (3 von 124 Patienten) unterschied sich das
histologische Staging um mehr als einen Fibrosegrad (modif. Grading nach Scheuer).
In der Unterscheidung zwischen rechtem und linken Leberlappen trat allerdings bei
9,7 % (12/124) ein Unterschied zwischen dem Staging Grad 0 – 2 vs. 3 – 4 zwischen
beiden Leberlappen auf [2425], was einer klinischen Diskrepanz zwischen früher bis mäßiger Fibrose und fortgeschrittener
Fibrose bis Zirrhose entspricht.
Ein anderes Problem umfasst die Frage des histologischen Samplingerrors bei alleiniger
Betrachtung der Leberhistologie.
Eine retrospektive Studie an 434 Patienten [2426] verglich Leberhistologie und laparoskopische Leberbeurteilung. Bei 32 % der laparoskopisch
als Leberzirrhose diagnostizierten Patienten wurde histologisch lediglich die Diagnose
einer Fibrose gestellt, da die histologischen Kriterien für eine Zirrhose (Vorliegen
eines Regeneratknotens mit perinodulärer Fibrose oder Fibrose mit Einschluss größerer
Gewebebezirke) nicht erfüllt wurden (Histologie: Sensitivität: 68 %; Spezifität: 99 %;
negativer prädiktiver Wert: 83 %; positiver prädiktiver Wert: 98 %). Dahingegen wurde
bei nur 0,8 % der Patienten mit laparoskopischer Diagnose einer Leberfibrose histologisch
eine Leberzirrhose diagnostiziert. Als Gründe für den Stichprobenfehler wurde eine
Child A-Zirrhose, eine inhomogene intrahepatische Verteilung der morphologischen Veränderungen
oder eine makronoduläre Zirrhose diskutiert [2427]. Ein prospektiv-randomisierter Vergleich zur Minilaparoskopie mit Biopsie versus
perkutane Leberbiopsie [2428] ergab bei gleicher Verteilung der klinischen und laborchemischen Charakteristika
zwischen den Gruppen keinen Unterschied zwischen den Leberhistologien (26 [n = 98]
versus 22,3 % [n = 85] [p = 0,27]). Bei zusätzlicher laparoskopischer Beurteilung
stieg der Anteil der erfassten Zirrhosen in Minilaparoskopiegruppe signifikant um
etwa 10 % im (33,8 % [n = 127] vs. 22,3 % [n = 85], p = 0,001).
Empfehlung
Zur laparoskopischen Organbiopsie können Nadeln nach dem Vakuum- und Schneidbiopsieprinzip
verwendet werden. Bei Vorliegen einer Leberzirrhose kann die Verwendung einer Nadel
nach dem Schneidebiopsieprinzip vorteilhaft für die diagnostische Ausbeute sein.
Starker Konsens
Kommentar
Zu den Erfolgskriterien einer Biopsie gehören das Volumen der gesicherten Gewebeprobe,
die zelluläre und histologische Gestalt des Biopsates sowie der Grad der Verletzung
des umliegenden Gewebes [2429]. Für eine adäquate histologische Beurteilung sollte ein Leberstanzzylinder eine
Länge von 1,5 cm und einen Durchmesser von 1,2 – 1,8 mm aufweisen, um die Beurteilung
von mindestens 8 – 10 Portalfeldern auch bei chronischen Lebererkrankungen zu gewährleisten
[2430]
[2431].
Zur Leberbiopsie stehen Nadeln nach dem Vakuum- und Schneidbiopsieprinzip mit einem
Durchmesser zwischen 1,2 und 1,8 mm zur Verfügung. Davon unterscheiden sich die Feinnadeln,
welche bei einem Durchmesser unter 1 mm im wesentlichen Aspirationspunktate erzielen.
Zur Sicherung der Biopsatproben nutzt die Vakuumbiopsie (Menghini-Nadel, Klatskin-Nadel,
Jamshidi-Nadel) einen Unterdruck, bei der Schneidbiopsie (Tru-cut-Nadel, Surecut-Nadel,
Vim-Silvermann-Nadel) wird Gewebe mit einem Stanzzylinder oder einer Biopsienadel,
bestehend aus Stilett und Außenkanüle gewonnen. Schneidbiopsienadeln sind mit einem
Federmechanismus versehen auch automatisiert verfügbar. Bei Vorliegen eines zirrhotischen
Leberumbaus erzielt die Vakuumbiopsie häufiger fragmentierte Proben mit eingeschränkter
diagnostischer Aussagekraft. Hier wurde für Schneidbiopsienadeln eine höhere diagnostische
Genauigkeit bei verbesserter histologische Auswertbarkeit des Biopsates nachgewiesen
[2432]
[2433]
[2434]. Eine Empfehlung zur Verwendung von Nadeln eines bestimmten Herstellers kann aufgrund
der bestehenden Datenlage nicht gegeben werden.
Empfehlung
Tritt nach laparoskopischer Organpunktion eine starke oder lang anhaltende Blutung
aus der Einstichstelle auf, sollen laparoskopische Blutstillungsverfahren (Kompression,
Koagulationsverfahren, Fibrinkleber) zur Anwendung kommen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei starker oder anhaltender leichterer Blutung (> 5 min) nach laparoskopischer Organbiopsie
soll eine Blutungsstillung durch Kompression mit dem Taststab, Koagulationsverfahren
(Argonplasmakoagulation, monopolare Koagulation oder durch Applikation/Injektion von
Fibrinkleber erfolgen. Im Fall eines erwarteten erhöhten Blutungsrisikos (Gerinnungsstörung,
maligne Organinfiltration, portale Hypertension) sollte eine prophylaktische Blutungsstillung
durch Koagulationsverfahren direkt nach der Punktion erfolgen. Vergleichende Studien
zu Blutungsstillungstechniken nach laparoskopischer Organbiopsie (Leber, Milz) liegen
nicht vor. Die Anwendung von Koagulationstechniken ist in Fallserien beschrieben [2404]
[2435]
[2436]
[2437]. Die Leitlinien der SAGES [2438] zur diagnostischen Laparoskopie sprechen sich für die Verwendung von Koagulationsverfahren
nach Organbiopsie aus ohne diese genauer zu spezifizieren.
Alternativ haben einzelne Fallberichte über die erfolgreiche Anwendung von Fibrinkleber
oder Gelatinkartuschen berichtet [2439]
[2440].
Empfehlung
Auffällige Läsionen des Peritoneums sollen biopsiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die diagnostische Laparoskopie ist in der Lage, peritoneale und oberflächliche Lebertumorabsiedlungen
nachzuweisen, wenn die Größe der Läsionen eine Detektion durch die schnittbildgebenden
Verfahren (Sonografie, Computertomografie, Kernspintomografie) noch nicht zulässt
[2422]. Da peritoneale und oberflächliche Leberherde neben einer Metastasierung auch Ausdruck
einer lokalen Tumorbildung (z. B. Mesotheliom) oder entzündlicher (z. B. Tuberkulose)
sowie gutartiger Natur (z. B. von Meyenburg-Komplex) sein können, ist die histologische
Sicherung wegen der erheblichen klinischen Konsequenzen (z. B. Wechsel auf ein palliatives
Therapiekonzept) stets erforderlich [2403]
[2441]
[2442].
Empfehlung
Der Unterbauch sollte bei der diagnostischen Laparoskopie mitbeurteilt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei der diagnostischen Laparoskopie wurde seit ihrer Einführung der gesamte Peritonealraum
beurteilt, d. h. einschließlich des Unterbauchs. Da die Untersuchung des Unterbauchs
bei geringem Zeitbedarf wenig aufwändig ist und es keine Studien gibt, die zeigen,
dass durch einen Verzicht auf die Beurteilung des Unterbauchs kein diagnostischer
Nachteil entsteht, sollte auf diesen Teil der Untersuchung nicht verzichtet werden
[2403].
4.15.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Eine stationäre Überwachung kann in Abhängigkeit von dem individuellen Risikoprofil
des Patienten sowie dem Verlauf der Untersuchung erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Patienten werden nach der Laparoskopie aufgrund der Sedierung entsprechend der S3-Leitlinie
Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie überwacht. Bei unkompliziertem Verlauf
und beschwerdefreiem Patienten kann die Untersuchung, insofern nicht die Grunderkrankung
oder Begleiterkrankungen des Patienten dagegen sprechen, prinzipiell ambulant erfolgen.
Die diagnostische Laparoskopie ist im Katalog für ambulantes Operieren aufgeführt
[2443].
Aktuelle Fallserien geben die Rate schwerer Komplikation im Wesentlichen transfusionspflichtige
Blutungen zwischen 1,0 – 1,5 % an, die Letalität liegt bei 0,02 – 0,13 % [2404]
[2405]
[2406]
[2407]
[2408]
[2409]
[2410]
[2411]
[2412]
[2413]
[2414]
[2415]
[2416]
[2417]
[2418]
[2419]
[2420]
[2421]
[2422]
[2423]
[2424]
[2425]
[2426]
[2427]
[2428]
[2429]
[2430]
[2431]
[2432]
[2433]
[2434]
[2435]
[2436]
[2437]. Weickert und Mitarbeiter [2405] konnten zeigen, dass das Endstadium von Lebererkrankungen, Child-Pugh C, eine Rate
an schwerwiegenden und letalen Komplikation von 15 % aufweist [2406]. Beide letale Komplikationen dieser Studie ereigneten sich bei Patienten mit dekompensierter
Leberzirrhose.
Eine retrospektive Analyse von 2731 diagnostischen Minilaparoskopien (1,9 mm Optik)
mit Leberbiopsie ergab ernste Komplikationen in 1,0 % (n = 27), davon 0,7 % protrahierte
Blutungen (innerhalb von 24 Stunden) aus der Leberpunktionsstelle oder der Bauchdecke
sowie Dünndarmperforation in 0,3 %. Die Mortalität lag bei 0,07 % (n = 2) beide infolge
von Blutungskomplikationen auf dem Boden einer eingeschränkten Lebersynthese. Das
Blutungsrisiko war deutlich erhöht bei Thrombopenie < 50/Nl (OR 6,1), einer INR > 1,5
(OR 8,9), bei Vorliegen einer Leberzirrhose (OR 1,9) und portaler Hypertension (OR
2,1). Die logistische Regression zeigte eine signifikante Korrelation für Thrombopenie
und verlängerte INR (p = 0,001; OR 14,1); die bootstrap Analyse identifizierte eine
INR > 1,5 als signifikanten Prädiktor (p = 0,0002) für eine Blutungskomplikation.
Verwachsungen nach vorangegangenen Op‘s gingen mit einem erhöhten Risiko für intestinale
Perforationen (OR 9,5; p = 0,0002) einher, die aber alle ohne chirurgischen Eingriff
ausheilten. Unter Betrachtung dieser Daten erscheint eine stationäre Überwachung bei
eingeschränkter Gerinnung, dem Vorliegen einer Leberzirrhose sowie einer portalen
Hypertension sinnvoll.
Besteht klinisch der Verdacht auf eine Blutungskomplikation, kann diese in aller Regel
bereits sonografisch gesichert oder ausgeschlossen werden.
4.15.5 Komplikationen der diagnostischen Laparoskopie ([Tab. 61])
Tab. 61
Komplikationen diagnostische Laparoskopie.
diagnostische Laparoskopie
|
Komplikationen (%)
|
Schmerzen
|
0,04[1]; 2,9
[2]
|
kardioresp. Komplikationen
|
0,091; 1,5
2
|
Gasfehlinsufflation
Netzinsufflation
Hautemphysem
Mediastinalemphysem
|
0,6 – 1,261
|
Darmperforation
|
0,07 – 0,251; 0,3
2
|
Blutungskomplikationen
Bauchwandblutung
Post-Biopsieblutung
Hämobilie
|
0,09 – 0,11; 0,7
2
|
gallige Peritonitis
|
0,071
|
Letalität
|
0,13 – 0,071, 2
|
1 Brühl W 1966 [2444], Henning H 1985 [2423], Adamek H 1996 [2435].
2 Minilaparoskopie: Frenzel et al. 2012 [2404].
Die generelle Komplikationsrate der diagnostische Laparoskopie wird in einer retrospektiven
Sammelstatistik von 23 Einzelstatistiken mit insgesamt 204 591 Patienten mit 1,86 %
angegeben [2441]
[2445]. Schwerwiegende Komplikationen, die eine Hospitalisation oder chirurgische Intervention
erforderten, traten in 0,15 % auf.
Eine aktuellere Analyse von 747 konsekutiven diagnostischen Laparoskopien in konventioneller
Technik [2429] gibt die Rate schwerwiegender Komplikationen (Blutungen, Darmperforation) mit immerhin
1,5 % (11/747) an. Letale Komplikationen (Sepsis nach laparoskopischer Metastasenbiopsie)
traten in 0,13 % der Fälle (1/747) auf.
Ob die Minilaparoskopie durch den geringeren Gerätedurchmesser eine niedrigere Komplikationsrate
hat, ist derzeit nicht belegt. Eine prospektiv, randomisierte Studie [2428] zum Vergleich von minilaparoskopisch gesteuerter Leberbiopsie und perkutaner Leberbiopsie
bei chronischen Lebererkrankungen resultierte in 0,2 % (n = 1) schweren Komplikationen
bei der Minilaparoskopie (perkutane Leberbiopsie in 0,9 % (n = 4) (p = 0,88)). Die
Gesamtkomplikationsrate lag in der Minilaparoskopie Gruppe bei 8,2 % (pLB 5,1 %, p = 0,034),
hauptsächlich basierend auf einer höheren Rate an Schmerzen oder Unruhe während und
nach der Untersuchung mit erhöhtem Bedarf an Analgetika oder Sedativa. In dieser Studie
waren Patienten mit Gerinnungseinschränkungen allerdings ausgeschlossen. In einer
aktuellen retrospektive Analyse von 2731 diagnostischen Minilaparoskopien mit der
1,9 mm Optik mit Leberbiopsie [2404] lag die Rate ernster Komplikationen bei 1,0 % (n = 27) (0,7 % protrahierte Blutungskomplikationen
sowie Dünndarmperforation in 0,3 %). Die Mortalität lag bei 0,07 % (n = 2). Ermittelte
Risikofaktoren für schwerwiegende Blutungsereignisse waren eine Thrombopenie < 50/Nl
(OR 6,1), eine INR > 1,5 (OR 8,9), eine Leberzirrhose (OR 1,9) und eine portale Hypertension
(OR 2,1).
4.16 Endoskopie in der Schwangerschaft
Einleitung: Die Endoskopie in der Schwangerschaft stellt besondere Anforderungen an
die Indikationsstellung, Vor- und Nachbereitung, Sedierung und Durchführung. Prinzipiell
gilt eine möglichst enge und sorgfältige Indikationsstellung. Zu endoskopischen Eingriffen
in der Schwangerschaft liegen keine Daten mit hohem Evidenzgrad vor, es handelt sich
überwiegend um Einzelfallberichte und Fallserien.
Empfehlung
Vor jeder elektiven Endoskopie in Sedierung oder geplanten Interventionen in der Schwangerschaft
soll ein Geburtshelfer konsultiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Um eine optimale Betreuung von Mutter und Fetus mit den notwendigen Vor- und Nachuntersuchungen
zu gewährleisten, ist die Hinzuziehung eines Geburtshelfers unerlässlich. Hier kann
z. B. nach klinischer Situation und Gestationsalter eine Überwachung der fetalen Herztöne
vor, während und nach der Endoskopie erforderlich sein, zudem soll eine Rücksprache
bzgl. der Verabreichung von Medikamenten erfolgen[2446].
Verweis: Zur Frage der Sedierung mit Durchführung und Medikation s. S3-LL Sedierung.
Empfehlung
Zur Durchführung einer Endoskopie in der Schwangerschaft soll die Indikation eng gestellt
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Grundsätzlich ist bei allen Indikationen abzuwägen, ob die Dringlichkeit für die Durchführung
während der Schwangerschaft gegeben ist oder eine Verschiebung des Eingriffs bis nach
der Entbindung möglich ist.
Dringliche Indikationen können sein [2446]:
-
signifikante oder anhaltende GI-Blutung
-
schwere therapierefraktäre Übelkeit, Erbrechen oder Oberbauchschmerzen
-
Dysphagie
-
klinischer Verdacht auf einen Kolontumor
-
schwere Diarrhoe nach negativer vorangegangener Diagnostik
-
biliäre Pankreatitis, symptomatische Coledocholithiasis oder Cholangitis
-
Gallengang- oder Pankreasganginsuffizienz
-
infizierte pankreatitisassoziierte Flüssigkeitsansammlungen mit Indikation zur endoskopischen
Drainage.
ÖGD
Die Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) ist die in der Schwangerschaft am häufigsten
durchgeführte endoskopische Untersuchung. Indikationen zur ÖGD können sein die obere
gastrointestinale (GI)-Blutung sowie starke auf Therapie (Antimetika, PPI) nicht ansprechende
Übelkeit, Erbrechen oder Oberbauchmerzen.
Die vorliegenden meist retrospektiven Daten belegen die relative Sicherheit der Methode.
Eine retrospektive ältere Untersuchung untersuchte 83 schwangere Frauen mit folgenden
Indikationen: Akute GI Blutung (37), Übelkeit und Oberbauchschmerzen (17), Erbrechen
(14, Oberbauchschmerzen (11) und andere (4)). Die Patienten waren zum Zeitpunkt der
Endoskopie im Mittel in der 19,8 ± 8,9 Schwangerschaftswoche. Der diagnostische Gewinn
war mit 95 % am höchsten bei akuter GI-Blutung und lag zwischen 50 – 82 % für die
anderen Indikationen. 95 % Patientinnen brachten gesunde Kinder zur Welt. Die komplikationsbehaften
Geburten (Totgeburt und Spontanabort) waren nicht mit der ÖGD zu korrelieren und traten
bei Risikoschwangerschaften auf. Bei den Fällen mit fetaler Herzfrequenzmessung während
der Untersuchung waren keine Veränderungen der Frequenz während der Untersuchung zu
verzeichnen [2447]. Eine neuere Fallserie [2448] untersuchte 60 schwangere Frauen mit starkem Erbrechen mit oder ohne Oberbauchschmerzen
(n = 49) und Erbrechen mit GI-Blutung (n = 11). Endoskopische Befunde waren Ösophagitis
(43 %), Gastritis (17 %), Hiatushernie (17 %) und Normalbefund (28 %).Auch hier lag
die diagnostische und therapeutische Effizienz in den Blutungsfällen höher. Hinsichtlich
der Reifung, des Gewichts und des Apgarscore zeigte sich kein Unterschied zwischen
den Endoskopien bei GI-Blutung und den anderen Indikationen. Fetale Malformen traten
nicht auf. Weitere Fallberichte und kleine Serien beschrieben die erfolgreiche Therapie
von Varizenblutungen bei Schwangeren ohne fetale Missbildungen oder andere Komplikationen
[2449]
[2450]
[2451].
Sigmoideoskopie/Kolonoskopie
Zur Durchführung einer unteren GI-Endoskopie bei Schwangeren liegen die meisten Daten
zur Sigmoideoskopie vor. Indikationen können sein die untere GI-Blutung, der klinische
v. a. einen Kolontumor sowie schwere anhaltende Durchfälle mit negativer nicht invasiver
vorangegangener Diagnostik.
Die größte Fallserie verfolgte 48 Sigmoideoskopien bei 46 Patientinnen und 8 Coloskopien
[2452]. In der Sigmoideoskopiegruppe wurden nach Ausschluss von 4 freiwilligen Schwangerschaftsabbrüchen
und einem unklaren Outcome in 41 Fällen gesunde Kinder geboren. In drei Fällen kam
es zu fetalen Komplikationen nämlich einer Frühgeburt, einer Totgeburt und einer kongenitale
Malformation. Im Vergleich zu einer gematchten Kontrollgruppe ohne Sigmoideoskopie
ergaben sich keine Unterschiede im fetalen Outcome. Die Effektivität der Sigmoideskopie
hinsichtlich einer klinischen Diagnose war in der Gruppe mit der Indikation Hämochezie
am größten. Von den 8 Patientinnen mit Koloskopie wurden 6 gesunde Kinder geboren.
Neben einem freiwilligen Schwangerschaftsabbruch trat eine Fehlgeburt in einem Fall
mit einem schweren Schub einer Colitis ulcerosa auf. Eine weitere neuere Fallserie
untersuchte 20 Schwangere mittels Koloskopie und verglich das Outcome mit einer historischen
Kontrollgruppe ohne Koloskopie [2453]. Indikationen waren überwiegend diagnostische Fragestellungen (Diagnosen: Colitis
ulcerosa, Morbus Crohn, ischämische Kolitis, lymphozytäre Kolitis) sowie eine therapeutische
Kolondekompression bei Pseudoobstruktion. 2 Schwangere entwickelten kurzfristige Hypotonien
während der Untersuchung. In 18 Fällen wurden gesunde Kinder geboren, es kam zu einer
Fehlgeburt und zu einem Ventrikelseptumdefekt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe mit
ähnlicher Indikation ohne Koloskopie war das fetale Outcome nicht unterschiedlich.
Zum Abführen erscheinen PEG-Lösungen auch in der Schwangerschaft sicher. Hier untersuchte eine Studie eine PEG-4000 Lösung (Isocolan 1 – 2 × tgl. 250 ml
für 15 Tage [Golitely/Nulitely in USA]) zur Therapie einer Obstipation bei 40 Schwangeren.
37 der geborenen Kinder wiesen keine fetalen Probleme auf, es kam zu einem 1 Spontanabort
und 2 Frühgeburten ohne sicheren Zusammenhang mit der Einnahme der PEG Lösung [2454].
ERCP
Die häufigste Indikation für eine ERCP in der Schwangerschaft ist die symptomatische
Choledocholithiasis. Daten aus 3 retrospektiven Serien analysierten überwiegend therapeutische
ERCP‘s meist bei Choledocholithiasis bei 119 Schwangeren [2455]
[2456]
[2457]. Die Häufigkeit der Post-ERCP-Pankreatitis lag hier zwischen 5 und 16 %. Es wurde
eine Frühgeburtenrate von 8 % beschrieben, des Weiteren kam es zu einem Spontanabort
3 Monate nach der ERCP und zu einem Kindstod 26 h nach der Geburt. Eine kleine prospektive
Studie zur therapeutischen ERCP bei 10 Schwangeren beschrieb einen unkomplizierten
Verlauf der weiteren Schwangerschaft und Geburt ohne fetale Missbildungen [2458]. Eine weitere Fallserie zur ERCP bei 18 Schwangeren führte eine Nachverfolgung der
Kinder bis zum Alter von 11 Jahren durch ohne Nachweis von Entwicklungsdefekten [2459].
Eine systematische Analyse von 296 publizierten ERCP‘s [2460] in der Schwangerschaft, die die genannten Studien mit einschließt, berichtet über
Spontanaborte oder Todgeburten in nur 5 von 296 Fällen, eine Post ERCP Pankreatitisrate
von 5 – 6 % und eine Postsphinkerotomieblutung in 1 % der Fälle vergleichbar zur Komplikationsrate
in großen ERCP-Serien. Des Weiteren beschrieb eine kleine Serie die sichere Anwendung
der Cholangioskopie mittels Spyglass in der Schwangerschaft [2461].
Zusammenfassend sollte eine ERCP in der Schwangerschaft nur bei gesicherter klinischer
Indikation und dann von einem erfahrenen Untersucher durchgeführt werden.
Dünndarmendoskopie: Kapselballonenteroskopie
Empfehlung
Die Kapselendoskopie soll bei Schwangeren nicht erfolgen
Konsens
Kommentar
Solange Daten zum Einsatz der Kapselendoskopie bei Schwangeren fehlen, sollte sie
hier nicht eingesetzt werden. Die Kapselendoskopie in der Schwangerschaft wird von
Herstellern als Kontraindikation aufgeführt, da keine Zulassungsstudien vorliegen
und eine Kapselretardierung durch die Dünndarmkompression bei fortgeschrittener Schwangerschaft
befürchtet wird.
Zur Durchführung einer unkomplizierten Kapselendoskopie im ersten Schwangerschaftstrimester
mit der Indikation Blutung bei jejunalem NET liegt ein Fallbericht ohne Komplikationen
vor [2462]. Bei notfälliger Indikation z. B. rezidivierender symptomatischer Dünndarmblutung
in der Schwangerschaft kann die Kapselendoskopie nach ausführlicher Aufklärung als
das minimalinvasivste diagnostische Verfahren erwogen werden.
Zur Ballonenteroskopie existieren keine Daten zur Sicherheit und Indikationen. Bei
fortgeschrittener Gravidität kann der vergrößerte Uterus eine Dünndarmendoskopie mit
Verlagerung des Darms erschweren.
Empfehlung
Die Endoskopie bei schwangeren Patientinnen im 2 und 3. Trimenon soll in Linksseitenlage
erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Linksseitenlage vermeidet bei fortgeschrittener Gravidität eine Kompression der
V. cava inferior und der Aorta abdominalis [2446]. Die Rückenlage kann durch die Kompression zu Blutdruckabfällen bei der Schwangeren
und zur Minderdurchblutung der Placenta führen.
Empfehlung
Die Endoskopie bei Schwangeren sollte – falls möglich – im 2. Schwangerschaftstrimenon
erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Im ersten Trimester mit der Organogenese besteht theoretisch eine höhere Gefahr der
fetalen Schädigung durch Medikation oder Manipulation als im 2. Trimenon [2446]. Dies gilt in jedem Fall für eine Strahlenbelastung in diesem Zeitraum [2463]. Endoskopische Eingriffe sollten möglichst in das 2. Trimenon hinein prolongiert
werden. Im dritten Trimenon erschwert der vergrößerte Uterus mit mechanischer Kompression
des Magen-Darm-Traktes ggf. den Eingriff und kann damit ein erhöhtes Verletzungsrisiko
bergen.
Empfehlung
Bei der Stromapplikation soll die Neutralelektrode so angebracht werden, dass der
Uterus sich nicht zwischen dem elektrischen Instrumentarium und der Neutralelektrode
befindet. Bipolarer Strom sollte verwendet werden, um eine Stromapplikation auf den
Fetus zu vermeiden.
Starker Konsens
Kommentar
Das Fruchtwasser kann elektrischen Strom leiten mit einer potenziellen Gefährdung
des Fetus. Daher sollte die Neutralelektrode bei der Anwendung von HF-Geräten so platziert
werden, dass eine Stromexposition des Uterus vermieden wird. Zusätzlich sollte statt
monopolarem Strom bipolarer Strom verwandet werden.
Eine Studie verfolgte 31 Schwangere, die während der Schwangerschaft einen akzidentiellen
Stromschlag erlitten hatten (110 V: n = 26, 220 V: n = 2, höhere Spannungen: n = 2,
12 V: n = 1). 28 der Frauen gebaren gesunde Kinder, ein Kind hatte einen Ventrikelseptumdefekt,
und es traten 2 Spontanaborte auf. In der Kontrollgruppe kam es in einem Fall zu einem
Spontanabort, die Unterschiede waren nicht statistisch signifikant. Dennoch scheint
es sinnvoll Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten [2464].
Empfehlung
Die Strahlenbelastung bei endoskopischen Eingriffen (ERCP/PTCD) soll möglichst gering
gehalten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Ist eine therapeutische ERCP oder PTCD erforderlich, sollte diese bei elektiven Situationen
möglichst im 2. Trimenon erfolgen, da das fetale Risiko im ersten Trimenon besonders
hoch ist und sich das Kind im dritten Trimenon bereits sehr nahe am biliopankreatischen
System und damit im Strahlenfeld befindet [2465]. Eine retrospektive Analyse untersuchte die ERCP mit Sphinkterotomie bei 35 Schwangeren
(14 im 1. Trimenon, 11 im 2. Trimenon und 10 im 3. Trimenon). Das mittlere Gestationsalter
lag bei 18,9 Wochen (4 – 35 Wochen), die mittlere Durchleuchtungszeit bei 0,15 min
(0 – 1 min). Unter Einhaltung bestimmter Schutzvorkehrungen (Abdeckung des Uterusbereichs,
niedrige Strahlendosis) lag die mittels Dosimeter ermittelte fetale Strahlenexposition
insgesamt eher im niedrigen Bereich. Bei 23 Schwangeren war die mittels Dosimeter
geschätzte fetale Strahlenexposition sehr gering (< 0,0001 Gray), bei 8 Frauen lag
diese zwischen 0,0001 – 0,0002 Gray, bei 3 Schwangeren zwischen 0,0002 und 0,0005
Gray und in einem Fall über 0,0005 Gray. Fetale Missbildungen wurden nicht beobachtet
[2466].
Die Untersuchung sollte bei Schwangeren nur durch erfahrene Untersucher erfolgen,
um die Untersuchungszeit und die Strahlenbelastung möglichst niedrig zu halten und
die Risiken der Untersuchungen zu minimieren. Hier zeigte eine Fallanalyse von 269
ERCP‘s eine signifikant kürzere Durchleuchtungszeit erfahrener Untersucher im Vergleich
zu weniger Erfahrenen unabhängig von der Fallschwere [2467]. Die mittlere Durchleuchtungszeit sank nach Durchführung von mindestens 50 Untersuchungen
um 2,73 min (p = 0,039). Des Weiteren sind die gesetzlichen Regelungen der Strahlenschutzverordnung
und Röntgenverordnung (Bundesamt für Strahlenschutz) zu beachten.