Einleitung
Die arterielle Hypertonie gehört weltweit zu den häufigsten chronischen Erkrankungen
und ist ein Hauptrisikofaktor für kardiovaskuläre Morbidität und Sterblichkeit [1]. Die nachfolgende Übersicht diskutiert neue Studienergebnisse aus der Hypertonieforschung
der letzten beiden Jahre. Zu Beginn der Arbeit werden neue Erkenntnisse zu Blutdruckzielwerten
vorgestellt, nachfolgend aktuelle Empfehlungen zu Medikamentenregimen sowie neue pharmakologische
Entwicklungen erläutert. Abschließend wird auf aktuelle Erkenntnisse medikamentöser
und nicht medikamentöser Therapieoptionen bei therapieresistenter Hypertonie eingegangen.
Neue Blutdruckzielwerte?
Leitlinie
Die gemeinsame Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) und der European
Society of Hypertension (ESH) empfiehlt allgemein einen Zielblutdruck < 140/90 mmHg
und einen ambulanten 24-Stunden-Zielblutdruck < 130/80 mmHg (Tab. [1]) [2]. Außerdem empfiehlt die Leitlinie:
Tabelle 1
Leitlinien zu empfohlenen Blutdruckzielwerten bei verschiedenen Patientengruppen [2].
Patientengruppe
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SBP-Zielwert
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DBP-Zielwert
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alle Patienten, unabhängig vom Risiko
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< 140 mmHg
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< 90 mmHg
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Patienten > 80 Jahre
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140 – 150 mmHg
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Patienten mit Nephropathie und Proteinurie ≥ 300 mg/d
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< 130 mmHg
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Patienten mit Diabetes mellitus
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< 140 mmHg
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80 – 85 mmHg
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SBP = systolischer Blutdruck, DBP = diastolischer Blutdruck
|
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Für ältere Patienten (> 80 Jahre) gilt ein systolischer Zielblutdruck von 140 – 150 mmHg
bei initialen Blutdruckwerten > 150 mmHg.
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Bei Patienten mit Diabetes mellitus sollte der diastolische Zielblutdruck bei 80 – 85 mmHg
liegen.
-
Bei Patienten mit Proteinurie gilt ein systolischer Zielblutdruck von < 130 mmHg.
Die Diskussion der optimalen Zielblutdruckwerte ist aufgrund der Ende September 2015
vorzeitig beendeten US-amerikanischen SPRINT-Studie (SPRINT = Systolic blood PRessure
Intervention Trial) erneut entfacht [3]. Grundsätzlich werden 2 Therapieprinzipien diskutiert [2]:
SPRINT-Studie
Ziel der SPRINT-Studie war es festzustellen, ob ein systolischer Blutdruck (SBP) unter
120 mmHg im Vergleich zu einem SBP unter 140 mmHg mit einer Reduktion kardiovaskulärer
Ereignisse einhergeht [3]:
-
Die multizentrische, randomisierte Studie umfasste 9361 Patienten im Alter von > 50
Jahren, einem SBP ≥ 130 mmHg und zusätzlich mindestens einem der folgenden Risikofaktoren:
Herz-Kreislauf-Erkrankung, chronische Niereninsuffizienz (glomeruläre Filtrationsrate
[GFR] zwischen 20 und 59 ml/min/1,73 m2), 10-Jahres-Framingham-Risiko-Score ≥ 15 % oder Alter > 75 Jahren.
-
Von der Untersuchung ausgeschlossen wurden Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz
oder linksventrikulärer Pumpfunktion unter 35 %, Zustand nach Schlaganfall, Diabetes
mellitus, polyzystischer Nierenerkrankung, Proteinurie ≥ 1 g/d sowie einer GFR unter
20 ml/min/1,73 m2.
-
Die Studie wurde am 11. September 2015 ca. 2 Jahre vor geplantem Studienende von der
Studienleitung abgebrochen, da sich in einer Zwischenauswertung eine signifikante
Überlegenheit des niedrigeren Zielblutdrucks zeigte [4]: In der intensivierten Behandlungsgruppe gab es 27 % weniger Todesfälle und 25 %
weniger kardiovaskuläre Ereignisse als in der Gruppe mit einem Zielblutdruck unter
140 mmHg. Die Ergebnisse der SPRINT-Studie deuten darauf hin, dass niedrigere SBP-Zielwerte
(< 120 mmHg) für Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko anzustreben sind.
Eine kürzlich veröffentliche Metaanalyse, die ca. 50 000 Patienten einschloss, bestätigte
eine kardiovaskuläre Risikoreduktion für niedrigere Blutdruckwerte [5].
Kritisch anzumerken ist jedoch, dass 2 große Patientengruppen mit ebenfalls erhöhtem
kardiovaskulärem Risiko in der SPRINT-Studie per Protokoll ausgeschlossen worden wurden
[3]:
Interessanterweise zeigte die ACCORD-Studie bei Patienten mit Diabetes, dass eine
SBP-Reduktion unter 120 mmHg keinen positiven Effekt auf kardiovaskuläre Ereignisse
hatte [6]. Die bislang durchgeführten Studien zu Blutdruckzielwerten bei Patienten mit stattgehabten
Schlaganfall konnten ebenfalls bislang keinen klaren Zielwert ermitteln [7]
[8]. Bei der Bewertung der Ergebnisse der SPRINT-Studie sollte ebenfalls berücksichtigt
werden, dass:
-
3 konsekutive Blutdruckmessungen mit einem automatischen, programmierten Messgerät
durchgeführt wurden, was einen potenziellen „Weißkittel-Effekt“ nahezu ausschließt
[2]
-
im Gegensatz zur gegenwärtigen Praxis in Europa größtenteils Chlorthalidon anstatt
Hydrochlorothiazid (HCT) als Diuretikum eingesetzt wurde [3].
Die Therapieempfehlungen basierten im Wesentlichen auf dem Behandlungsalgorithmus
der aktuellen Europäischen Leitlinien und einem studienspezifischen empfohlenen Algorithmus,
wurden jedoch in ihrer Ausführung den Prüfärzten überlassen. Zusammenfassend stellt
sich die Frage, ob die Empfehlungen der Leitlinie mit einem allgemeingültigen Zielwert
ausreichend sind, oder ob die Anamnese bzw. Komorbiditäten in einen für jeden Patienten
individuell festgelegten Zielwert zukünftig noch stärker gewichtet werden sollten.
SPRINT: Bei hypertonen Hochrisikopatienten reduziert ein systolischer Zielwert unter
120 mmHg – im Vergleich zu einem Zielwert unter 140 mmHg – kardiovaskuläre Ereignisse
um 25 % und die Sterblichkeit um ein 27 %.
Therapie-Update etablierter Antihypertensiva
Die aktuelle Leitlinie der ESC/ESH empfiehlt einen Therapiealgorithmus, der maßgeblich
auf einer Behandlung mit ACE-Hemmer/Angiotensinrezeptorblocker, Kalziumkanalblocker
und Thiaziddiuretika basiert (Abb. [1]) [2]. Betablocker kommen bei kardialer Komorbidität zum Einsatz.
Abb. 1 Therapiealgorithmus der ESC/ESH-Leitlinie Hypertonie (nach [2]).
Die empfohlene Primärtherapie für Bluthochdruckpatienten mit Diabetes ist ein ACE-Hemmer,
bei Unverträglichkeit sollte ein Angiotensinrezeptorblocker eingesetzt werden [2]. Sollte der Blutdruck unter dieser Medikation noch oberhalb des von den Leitlinien
empfohlenen Zielwerts liegen, ist im nächsten Schritt ein Kalziumantagonist vom Dihydropyridin-Typ
zu ergänzen.
Neubewertung des Einsatzes von Diuretika bei Patienten mit gestörter Glukosetoleranz
Wirkungsmechanismus der Thiaziddiuretika
Diuretika, vor allem Thiaziddiuretika, können eine zusätzliche Störung der Glukosetoleranz
verursachen, sodass ihre Anwendung bei Patienten mit gestörter Glukosetoleranz kontrovers
diskutiert wird. Bei einer Langzzeittherapie mit einem Thiaziddiuretikum allein oder
einer Kombination ist die Inzidenz neuer Hyperglykämien bzw. eines Diabetes mellitus
Typ 2 erhöht. Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit dadurch bedingt, dass die Serumkaliumkonzentration
sinkt und damit die Insulinsekretion gehemmt wird.
PATHWAY-3-Studie
Vor dem Hintergrund der Auswahl eines geeigneten Diuretikums bei Patienten mit gestörter
Glukosetoleranz wurde die PATHWAY-3-Studie (PATHWAY = Prevention And Treatment of
Hypertension With Algorithm based therapY) konzipiert, deren Ergebnisse auf dem ESC-Kongress
2015 in London vorgestellt wurden [9]. Die Studie untersuchte die Effekte von HCT, Amilorid und deren Kombination bei
Patienten mit Hypertonie in Bezug auf die Glukosetoleranz und Blutdruckreduktion.
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Die Studie war dreiarmig, randomisiert und doppelblind angelegt und untersuchte 441
Patienten mit einem unkontrollierten Blutdruck (Praxis-SBP ≥ 140 mmHg und häuslicher
SBP ≥ 130 mmHg), die mindestens einen charakteristischen Faktor des metabolischen
Syndroms aufwiesen [9]. Der Studienzeitraum betrug 24 Wochen, eine bereits initiierte blutdrucksenkende
Therapie spielte keine Rolle.
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Die Patienten wurden nach Einnahme eines Placebos für 4 Wochen in eine der 3 Behandlungsgruppen
randomisiert und erhielten als Studienmedikation entweder Amilorid (10 mg), HCT (25 mg)
oder eine Kombination beider Präparate in halber Dosis. Nach 12 Wochen wurde die Dosis
verdoppelt.
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Patienten in der HCT-Behandlungsgruppe wiesen signifikant höhere Blutzuckerwerte in
oralen Glukosetoleranztests (OGTT) auf als Patienten in der Amilorid- oder in der
Amilorid-HCT-Kombinationsgruppe [10]. Der Unterschied zum Untersuchungsbeginn zwischen Amilorid und HCT nach 12 bzw.
24 Wochen lag bei – 0,55 mmol/l. Das Kombinationspräparat unterschied sich von HCT
nach 12 und 24 Wochen im OGTT-Ergebnis um – 0,42 mmol/l.
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Beide Monotherapien reduzierten den häuslichen SBP vergleichbar gut (HCT – 12,2 mmHg,
Amilorid – 12,9 mmHg), die Reduktion unter der Kombinationstherapie war jedoch signifikant
größer (– 15,6 mmHg).
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Der Plasmakaliumspiegel erhöhte sich unter Amilorid-Therapie, verringerte sich unter
Medikation mit HCT und blieb unter Medikation mit dem Kombinationspräparat unverändert.
Zusammenfassend erzielte also die Kombination von HCT und Amilorid die größte Blutdrucksenkung
im Vergleich zu einer Therapie mit den jeweiligen Einzelsubstanzen ohne signifikante
Veränderungen des Kaliumspiegels und der Glukosekonzentration [10].
Die Kombination von Amilorid und HCT ist eine sichere und effektive Therapieoption
für hypertone Patienten mit Glukoseintoleranz.
ARB-induzierte Änderungen von Biomarkern – ATTEMPT-CVD-Studie
Eine langjährige Hypertonie mit linksventrikulärer Hypertrophie ist mit einem Anstieg
kardialer Biomarker assoziiert [2]. Eine erhöhte Albuminausscheidung im Urin ist ein früher Marker einer Nierenschädigung.
Die ATTEMPT-CVD-Studie untersuchte den Effekt auf kardiovaskuläre Biomarker und auf
kardiovaskuläre Ereignisse, den eine Bluthochdrucktherapie mit dem Angiotensinrezeptorblocker
(ARB) Telmisartan im Vergleich zu einer Standardtherapie ohne Angiotensinrezeptorblocker
hat [11].
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Die multizentrische, offene Studie randomisierte insgesamt 1228 Patienten (615 Patienten
in einer Therapie mit Telmisartan, 613 Patienten in einer Standard-Bluthochdrucktherapie
ohne Angiotensinrezeptorblocker) mit Bluthochdruck (Praxis-SBP > 140 mmHg) im Alter
zwischen 40 und 80 Jahren, die einen oder mehrere kardiovaskuläre Risikofaktoren aufwiesen.
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Die Medikation wurde intensiviert bzw. erweitert, bis die von den Leitlinien vorgegebenen
Zielblutdruckwerte (SBP < 140 mmHg, DBP < 90 mmHg) erreicht wurden.
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Die Telmisartan-Gruppe verzeichnete – unabhängig vom blutdrucksenkenden Effekt – eine
geringfügige Erhöhung der BNP-Konzentration (BNP = B-Typ natriuretisches Peptid) und
eine stärkere Senkung des Albumin/Kreatinin-Quotienten im Urin. Ein signifikanter
Unterschied zwischen den Gruppen in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse konnte nicht
festgestellt werden.
Die ATTEMPT-CVD-Studie dokumentierte somit die positiven Effekte einer Angiotensinrezeptorblocker-Therapie
auf Plasma-BNP-Konzentration und den Urin-Albumin/Kreatinin-Quotienten, zeigte jedoch
keinen zusätzlichen protektiven Einfluss auf kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich
zu einer Therapie mit ACE-Hemmern, Kalziumantagonisten oder Diuretika.
Therapie-Innovationen – die Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitoren
Wirkmechanismen
Die neuroendokrine Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) bei arterieller
Hypertonie ist gut charakterisiert und Ansatzpunkt einer Reihe von antihypertensiven
Substanzen [2]. Gegenregulatorische Systeme sind die sog. natriuretischen Peptide (atriales natriuretisches
Peptid [ANP], B-Typ natriuretisches Peptid [BNP] und C-Typ natriuretisches Peptid
[CNP]), die neben einer klinisch relevanten Vasodilatation und vermehrten Natriumausscheidung
auch eine Kardioprotektion an isolierten Kardiomyozyten bewirken [12]. Die pathophysiologischen Wirkmechanismen sind in Abb. [2] zusammengefasst.
Abb. 2 Therapiekonzept des ARNI; ACE = Angiotensin konvertierendes Enzym, ANP = atriales
natriuretisches Peptid, ARNI = Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitor, BNP = B-Typ
natriuretisches Peptid, CNP = C-Typ natriuretisches Peptid, NEP = Neprilysin.
Hybridmolekül LCZ696
Die Kopplung des Angiotensinrezeptorblockers Valsartan mit dem Neprilysininhibitor
Sacubitril führt über eine synergistische Wirkung mit Hemmung des RAS auch zu einem
verminderten Abbau der natriuretischen Peptide. Das Hybridmolekül LCZ696 (Angiotensinrezeptorblocker
und Neprilysininhibitor Sacubitril; „ARNI“) wird in der Darmmukosa in beide Komponenten
gespalten, was zu einer stabilen Stöchiometrie beider Substanzen im Plasma führt [13]. Bei Patienten mit leicht bis moderat erhöhtem Blutdruck senkte eine Therapie mit
LCZ696 den Blutdruck effektiver als Valsartan in der Monotherapie [13]. Damit stellte sich die Frage, ob LCZ696 auch einen besseren Schutz vor kardiovaskulären
Komplikationen bei Patienten mit isoliert systolischer Hypertonie und arterieller
Steifheit bieten könnte.
Misserfolge und Meilensteine der Neprilysininhibitior-Forschung
-
Eine isolierte Neprilysininhibition mit Candoxatril führte bei Patienten mit essenzieller
Hypertonie nicht zu einer signifikanten Blutdrucksenkung [14].
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Eine gleichzeitige Hemmung des Angiotensin konvertierenden Enzyms und des Neprilysins
mit Omapatrilat zeigte bei Patienten mit Bluthochdruck (OVERTURE-Studie) [15] und bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz (OCTAVE-Studie) [16] Vorteile verglichen mit Enalapril, verursachte jedoch schwere Angioödeme.
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Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und einer reduzierten Pumpfunktion
war Valsartan/Sacubitril in der Reduktion von Todesfällen und Hospitalisierungen einer
Therapie mit Enalapril überlegen (PARADIGM-HF-Studie) [17].
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Verglichen mit Valsartan zeigte Valsartan/Sacubitril bei Patienten mit Hypertonie
eine größere und komplementäre Blutdrucksenkung [13] und bei Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Pumpfunktion eine positive
Änderung des NT-proBNP, der NYHA-Klasse, der GFR und der Dimension des rechten Vorhofs
(PARAMOUNT-Studie) [18].
PARAMETER-Studie
Ziel der PARAMETER-Studie (PARAMETER = Prospective Comparison of ARNI with ARB Measuring
Arterial Stiffness in the Elderly) war es, die Wirkung von LCZ696 auf die zentrale
Aortenhämodynamik und arterielle Steifheit, im Vergleich zu Olmesartan, zu untersuchen
[19]:
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Die multizentrische, randomisierte, doppelblinde Studie untersuchte 454 Patienten
im Alter über 60 Jahre mit einem SBP ≥ 150 mmHg und einem Pulsdruck > 60 mmHg über
52 Wochen.
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Die Interventionsgruppe wurde auf LCZ696 400 mg und die Kontrollgruppe auf Olmesartan
40 mg täglich titriert. Um einen Blutdruck < 140/90 mmHg zu erreichen, konnten im
Anschluss an die ersten 12 Wochen Amlodipin und HCT zur Medikation ergänzt werden.
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Eine 12-wöchige Therapie mit LCZ696 führte im Vergleich zur Olmesartan-Monotherapie
zu einer signifikant größeren Reduktion des Aorten-SBP (– 3,7 mmHg), des zentralen
Pulsdrucks (– 2,4 mmHg), des brachialen SBP (– 3,8 mmHg), des brachialen Pulsdrucks
(– 2,8 mmHg) und des zentralen (– 3,35 mmHg) und brachialen (– 4,10 mmHg) 24-Stunden-Blutdrucks,
besonders in der nächtlichen Periode [20].
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Beide Medikamente senkten die NT-proBNP-Konzentration – LCZ696 signifikant mehr (34 %)
als Olmesartan (20 %).
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Die LCZ696-Gruppe benötigte außerdem eine geringere Anzahl an zusätzlicher Begleitmedikation,
um den prädefinierten Zielblutdruckwert zu erreichen. Das Nebenwirkungsprofil beider
Testsubstanzen war vergleichbar.
LCZ696 reduzierte bei Hochrisikopatienten mit isoliert systolischer Hypertonie und
einem erhöhten Pulsdruck den zentralen Blutdruck sowie den zentralen Pulsdruck effektiver
als eine Monotherapie mit einem Angiotensinrezeptorblocker.
Behandlungsoptionen bei therapieresistenter Hypertonie
Etwa 5 – 15 % aller Patienten mit Bluthochdruck weisen eine therapieresistente arterielle
Hypertonie auf, die mit einem deutlich erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert
ist [1]
[2]. Die therapieresistente arterielle Hypertonie ist definiert als eine nicht leitliniengerechte
Blutdruckeinstellung (> 140 /90 mmHg allgemein) trotz der kontinuierlichen Einnahme
einer Antihypertonika-Dreifachtherapie unter Einbeziehung eines Diuretikums in geeigneter
Kombination [2]. Grundsätzlich sind neben einer medikamentösen Therapie lebensstilmodifizierende
Maßnahmen die Basis einer jeden antihypertensiven Behandlung (Abb. [3]). In der Pathophysiologie der Erkrankung kommt der Überaktivität des vegetativen
Nervensystems mit einer Dysbalance aus sympathischer und parasympathischer Aktivität
eine besondere Bedeutung zu [21]. Eine Zunahme der efferenten sympathischen Aktivität in der Niere führt zu einer
vermehrten Reninausschüttung, vermehrter Natriumretention (proximaler Tubulus) und
verminderter renaler Perfusion.
Abb. 3 Systematische Behandlung von Patienten mit resistenter Hypertonie (nach [2]
[25]).
Spironolacton – PATHWAY-2-Studie
Der blutdrucksenkende Effekt von Aldosteronantagonisten bei Patienten mit therapieresistenter
Hypertonie wurde in den letzten Jahren in 2 randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten
Studien dokumentiert [22]
[23]. PATHWAY-2 ist die erste Studie, bei der Spironolacton mit anderen Antihypertonika
im direkten Vergleich auf seine Wirksamkeit und Verträglichkeit untersucht wurde.
Das primäre Ziel der PATHWAY-2-Studie war es festzustellen, welche Substanzklasse
bei therapieresistentem Bluthochdruck als Therapie der vierten Reihe am besten zum
Einsatz kommen könnte [24]. Das sekundäre Ziel war es zu untersuchen, inwieweit die Plasmareninkonzentration
einen potenziellen Therapieeffekt vorhersagen kann und ob Spironolacton die effektivste
Therapieoption für Patienten mit einer niedrigen Plasmareninkonzentration darstellt:
-
Die doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte Studie mit einem Cross-over-Design
umfasste 335 Patienten mit therapieresistenter Hypertonie im Alter zwischen 18 und
79 Jahren [24].
-
Zusätzlich zu ihrer dreifach antihypertensiven Basistherapie wurden Patienten nach
einem Zyklus Placebo in eine der 4 folgenden Gruppen randomisiert [24]:
-
Spironolacton (25 – 50 mg/d)
-
Bisoprolol (5 – 10 mg/d)
-
Doxazosin (4 – 8 mg/d)
-
Placebo
Jeder Zyklus dauerte 12 Wochen, wobei die anfängliche Dosis nach 6 Wochen verdoppelt
wurde.
-
Die durchschnittliche Reduktion des SBP im häuslichen Umfeld war unter Therapie mit
Spironolacton größer als die Senkung unter Placebo (– 8,70 mmHg), Doxazosin (– 4,03 mmHg)
und Bisoprolol (– 4,48 mmHg) [24]. Mit Spironolacton als 4. blutdrucksenkender Substanz konnte der Blutdruck bei bis
zu 60 % der Patienten kontrolliert werden.
-
Das Nebenwirkungsprofil der Vergleichssubstanzen über den 3-monatigen Untersuchungszeitraum
war vergleichbar. Der Untersuchungszeitraum war jedoch zu kurz, um eine Gynäkomastie,
eine der Hauptnebenwirkungen und wesentliche Ursache eines Therapieabbruchs unter
Spironolacton, bewerten zu können.
Die Studie weist durch die inverse Beziehung der Plasmareninkonzentration und die
durch Spironolacton verursachte Blutdrucksenkung auf die essenzielle Rolle der Natriumretention
bei therapieresistenter Hypertonie hin [24].
Spironolacton ist eine effektive Therapieoption bei Patienten mit therapieresistenter
Hypertonie. Aufgrund der bekannten Nebenwirkungen in der Langzeittherapie ist jedoch
eine regelmäßige Kontrolle der Elektrolyte und renalen Retentionsparameter obligat.
Renale Denervation
Verfahren
Seit geraumer Zeit besteht die Möglichkeit, die renalen Sympathikusfasern durch ein
minimal-invasives katheterbasiertes Verfahren gezielt zu veröden [25]. Dazu wird über einen femoralen oder radialen Zugang unter Röntgendurchleuchtung
ein Ablationskatheter in die Nierenarterien eingebracht, über den nachfolgend Ablationsenergie
abgegeben werden kann. Der Eingriff dauert je nach Device etwa 30 – 45 Minuten und
ist als risikoarm einzustufen, was sowohl durch die Daten der Symplicity HTN-3 [26] als auch des Global Symplicity Registry [27] bestätigt wurde.
Global Symplicity Registry
In der bislang größten Real-World-Datenbank, dem Global Symplicity Registry [27], zeigte sich bei 1000 Patienten 6 Monate nach der Prozedur eine durchschnittliche
Abnahme des systolischen Praxisblutdrucks von 12 mmHg [27]. Bei Patienten mit einem Praxisblutdruck > 160 mmHg bei Studieneinschluss wurde
der systolische Blutdruck um 21 mmHg reduziert [27].
Symplicity HTN-3
Die Symplicity HTN-3 [26] wurde als US-amerikanische Zulassungsstudie initiiert und schloss erstmals eine
Scheinbehandlung ein.
Ergebnisse. Nach 6 Monaten zeigte sich eine Reduktion des systolischen Praxisblutdrucks von 14 mmHg
bei den Patienten, die renal denerviert worden waren (RDN-Gruppe), und eine Abnahme
von 12 mmHg in der Scheinbehandlungsgruppe. Die Blutdruckunterschiede im Vergleich
zum Ausgangsblutdruck waren jeweils signifikant, die Unterschiede zwischen den Gruppen
nicht. Für den ambulanten Langzeitblutdruck zeigten sich ähnliche Ergebnisse.
Diskussionspunkte. Trotz des gut konzipierten Studiendesigns gibt es eine Reihe an Diskussionspunkten,
die mittlerweile auch von den Autoren selbst eingeräumt wurden:
-
So wurden 364 Patienten der RDN-Gruppe von 111 Untersuchern behandelt, die nur wenig
bis keine Erfahrung mit der Prozedur hatten. Weiterführende Analysen deuten darauf
hin, dass die technische Qualität der Interventionen einen relevanten Einfluss auf
die Blutdruckreduktion hatte [28].
-
Die Medikation wurde – trotz der Empfehlung im Studienprotokoll, die blutdrucksenkende
Medikation in den ersten 6 Monaten konstant zu halten – bei 38 % der Patienten in
der RDN-Gruppe und bei 40 % der Patienten in der Scheinbehandlungsgruppe geändert.
-
Des Weiteren wird ein Unterschied in den untersuchten Patientengruppen im Vergleich
zu den in Europa behandelten Patienten diskutiert: In der prädefinierten Subgruppe
der Kaukasier (Nicht-Afroamerikaner) wurde der primäre Endpunkt einer signifikanten
Blutdrucksenkung nach RDN erreicht (– 15 vs. – 9 mmHg, p = 0,012). Bei den Afroamerikanern
zeigte sich dagegen keine unterschiedliche Blutdruckabnahme nach renaler Denervation
(– 16 mmHg), jedoch eine besonders starke Blutdruckabnahme in der Scheinbehandlungsgruppe
(– 18 mmHg), was mit der Medikamentenadhärenz zusammenhängen könnte.
DENER-HTN-Studie
Die multizentrische, randomisierte, kontrollierte DENER-HTN-Studie [29] konnte nachweisen, dass die renale Denervation in Kombination mit einer optimierten
medikamentösen Therapie einer alleinigen optimierten medikamentösen Therapie überlegen
war.
PRAGUE-15-Studie
Die prospektive, randomisierte PRAGUE-15-Studie untersuchte den Effekt einer renalen
Denervation gegenüber einer intensiven pharmakologischen Therapie mit Spironolacton
[30]. Beide Therapien führten nach 6 Monaten zu signifikanten (im Vergleich zum Untersuchungsbeginn),
aber zwischen den Gruppen vergleichbaren Blutdrucksenkungen. Die Patienten in der
pharmakologischen Gruppe mussten allerdings mehr Medikamente einnehmen und erlitten
mehr schwere unerwünschte Ereignisse, wie beispielsweise eine Verschlechterung der
Nierenfunktion, die eine langfristige Therapie mit Spironolacton verkompliziert.
SPYRAL-HTN-Studien
Um sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche Bedeutung die renale Denervation als
antihypertensive Therapie hat, wurden in jüngster Zeit eine Reihe neuer Studienprogramme
aufgelegt [31]. Die SPYRAL-HTN-Studien untersuchen dabei den Effekt einer renalen Denervation bei
Patienten mit unkontrolliertem Bluthochdruck. Eingeschlossen werden lediglich Patienten
mit einer kombinierten (> 140/> 90 mmHg) Hypertonie mit einem systolischen Praxisblutdruck
von 150 – 180 mmHg und einem systolischen 24-Stunden-Blutdruck von 140 – 170 mmHg.
Gruppen. Die SPYRAL-HTN-Studien sind prospektiv, randomisiert und doppelblind angelegt und
werden mit einer Scheinbehandlung kontrolliert. Die Patienten gehören einer von 2
Gruppen an:
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In der Antihypertensiva-naiven OFF-MED-Gruppe (NCT02439749) wird bis mindestens 3
Monate nach dem Eingriff auf eine antihypertensive Medikation verzichtet.
-
In der ON-MED-Gruppe (NCT02439775) werden Patienten mit therapieresistentem Bluthochdruck
mit einer antihypertensiven Dreifachtherapie als Fixkombination (Thiaziddiuretikum,
Dihydropiridintyp-Kalziumantagonist und ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptorblocker)
behandelt (Abb. [4]).
Abb. 4 Design der SPYRAL-HTN-OFF-MED (links) und der SPYRAL-HTN-ON-MED (rechts); ARB = Angiotensinrezeptorblocker,
SBP = systolischer Blutdruck, DBP = diastolischer Blutdruck (nach [31]).
Änderungen zur SYMPLICITY-HTN-Studie. Das Studiendesign von SPYRAL-HTN beinhaltet einige relevante Änderungen im Vergleich
zu den SYMPLICITY-HTN-Protokollen:
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Erstmals wird ein Multielektrodenkatheter eingesetzt, der aufgrund seines prädefinierten
Designs eine zirkumferenzielle 4-Quadranten-Ablation ermöglicht.
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Sowohl der Hauptstamm der Nierenarterie, die distalen Segmentarterien der Nieren sowie
akzessorische Nierenarterien werden ebenfalls mittels Ablationskatheter behandelt
und in die Therapieplanung eingeschlossen.
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Der Eingriff wird an Zentren durchgeführt, die Erfahrung mit der renalen Denervation
haben. Pro Zentrum nimmt den Eingriff immer der gleiche Operateur vor.
Primärer Endpunkt der Studien ist die systolische 24-Stunden-Blutdruckreduktion nach
3 Monaten. Eine vergleichbare Untersuchung unter Einsatz eines ballonbasierten Ablationskatheters
(Vessix Reduce Renal Denervation System [Boston Scientific]) erfolgt in den USA unter
dem Namen REDUCE-HTN (NCT02392351). Die Ergebnisse der neuen Studien werden wichtige
Erkenntnisse liefern.
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Die aktuelle Leitlinie empfiehlt einen Zielblutdruckwert von < 140 /90 mmHg. Die Ergebnisse
der SPRINT-Studie zeigen, dass ein SBP unter 120 mmHg – im Vergleich zu einem SBP
unter 140 mmHg – die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse bei Hochrisikopatienten
um ungefähr ein Drittel und die Mortalität um ungefähr ein Viertel reduzieren kann.
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Hypokaliämie und Glukoseintoleranz sind Nebenwirkungen unter Therapie mit einem Thiaziddiuretikum.
Die PATHWAY-3-Studie ergab, dass eine Kombination von HCT und Amilorid eine effektive
Blutdrucksenkung ohne Kalium- und Glukoseveränderungen ermöglicht.
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LCZ696 führt zu einer kombinierten Hemmung des RAS und einer Steigerung natriuretischer
Peptide. Hierdurch werden Natriumausscheidung, Vasodilatation und Kardioprotektion
vermittelt. In der PARAMETER-Studie war eine 12-wöchige Therapie mit LCZ696 bei Hochrisikopatienten
mit isoliert systolischer Hypertonie mit einer effektiven Senkung des zentralen Blutdrucks
und Pulsdrucks, des 24-Stunden-Blutdrucks sowie der NT-pro-BNP-Level assoziiert. Diese
Abnahme war deutlicher als unter einer Therapie mit einem Angiotensinrezeptorblocker
allein.
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Spironolacton ist eine effektive Therapieoption bei Patienten mit therapieresistenter
Hypertonie und senkt als Antihypertensivum der vierten Reihe den Blutdruck stärker
als Doxazosin oder Bisoprolol. Das Nebenwirkungsprofil der Substanzen war bei 12-wöchiger
Therapie vergleichbar.
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Die renale Denervation wird in aktuellen Studien bei Patienten mit unkontrollierter
Hypertonie erneut evaluiert. Gemäß den ESC/ESH-Leitlinien ist sie für ausgewählte
Patienten mit therapieresistenter Hypertonie unter optimierter medikamentöser Therapie
eine mögliche Behandlungsoption.
Die folgenden Fragen beziehen sich auf den vorangehenden Beitrag. Bitte schicken Sie
uns die entsprechenden Lösungsbuchstaben. Jeweils eine Antwort ist richtig. Die Vergabe
von CME-Punkten ist an die korrekte Beantwortung der Multiple-Choice-Fragen gebunden.