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DOI: 10.1055/s-0041-107734
Gorlin-Goltz-Syndrom mit assoziiertem Hypophysenadenom
Gorlin-Goltz Syndrome with Associated Adenoma of the Pituitary GlandZusammenfassung
Wir berichten über eine 32-jährige Patientin mit seit ca. 10 Jahren entstandenen multiplen, klinisch atypischen, z. T. zystischen Basalzellkarzinomen des Gesichts, Glaukom, kantiger Schädelform mit verbreitertem Nasenrücken und Hypertelorismus. Kieferzysten, Rippenanomalien, palmoplantare Hyperkeratosen oder Gruben und andere bekannte assoziierte Symptome des Syndroms fanden sich nicht. Dagegen wurde in unserem Fall zusätzlich ein Hypophysenadenom ohne vermehrte Somatotropin-Produktion nachgewiesen.
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Abstract
We report on a 32-year-old female patient with multiple clinically unusual in part cystic basal cell carcinomas of her face developing since approximately 10 years, glaucoma, square shaped scull with broad back of the nose and hypertelorism. Mandibular cysts, abnormal ribs and palmoplantar hyperkeratoses or pits and other known associated symptoms of the syndrome were not detected. Our case had an adenoma of the pituitary gland without increased production of somatotropin hormone.
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Einleitung
Das Gorlin-Goltz-Syndrom (GGS), das u. a. auch als Basalzell-Nävus-Syndrom (BCNS) bezeichnet wird, ist eine autosomal-dominant vererbte Krankheit mit einem hohen Maß an Penetranz und variabler Expressivität [1]. Diese Multisystemerkrankung verursacht unterschiedliche Symptome an der Haut, am Skelett, kraniofaziale, neurologische, oropharyngeale Veränderungen, urogenitale Fehlbildungen und Herzfehler [2]. Die wichtigsten klinischen Merkmale sind multiple Basalzellkarzinome, Kieferzysten, palmoplantare Gruben, Verkalkung der Falx cerebri und Medulloblastome [3] [4]. Wir berichten hier über eine Patientin mit GGS, die zusätzlich zu multiplen, klinisch atypischen Basalzellkarzinomen des Gesichtes u. a. ein Hypophysenadenom aufwies.
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Kasuistik
Anamnese, Klinik und Histologie
Die 32-jährige Patientin stellte sich aufgrund eines exzidierten Basalzellkarzinoms mit trichoblastischen Differenzierungszeichen der Nase und zahlreichen auffälligen Hautveränderungen im Bereich des Gesichts bei uns vor. Die Patientin berichtete, dass seit ca. ihrem 20. Lebensjahr multiple Knötchen im Gesicht entstanden seien und dass wiederholt Inzisionen oder/oder Exzisionen von als Hautabszessen diagnostizierten Knoten im Gesicht erfolgt seien, die wohl nicht histologisch untersucht wurden. Ein beidseitiges Glaukom sei vor 1 Jahr diagnostiziert worden. Die Familienanamnese war unauffällig. Die Patientin ist Mutter eines gesunden Kindes. Während der Schwangerschaft hätte sie keinen Einfluss auf die Knoten im Gesichtsbereich bemerkt. Gegenwärtig bestünde der aktuelle Wunsch nach einem weiteren Kind.
Es zeigten sich zentrofazial multiple, zystisch-papulöse, komedonen- und milienartige Hautveränderungen ([Abb. 1]). Am linken lateralen Rand des Nasenrückens, links nasolabial und oberhalb des linken Mundwinkels waren hautfarbene bis rote, etwa 0,3 cm durchmessende Knötchen mit Randbetonung, atrophisch-glänzender Oberfläche und auflichtmikroskopischem Vorhandensein von atypischen Tumorgefäβen zu sehen. Bei der klinischen Untersuchung fiel ein akromegal imponierendes Gesicht mit kantigem Schädel, verbreitertem Nasenrücken, Makrocheilie, einem okulären Hypertelorismus mit einem Pupillenabstand von 8 cm sowie eine Hypertrichosis am Körper auf. Palmoplantare Hyperkeratosen und Grübchen oder Papillarlinienunterbrechungen fanden sich nicht. Wir biopsierten zwei der oben beschriebenen knotigen Tumoren und zwei der milienartigen Hautveränderungen. Die histologische Untersuchung ergab in allen drei Fällen noduläre Basalzellkarzinome, von denen zumindest eines trichoblastische Differenzierungszeichen aufwies. Abgesehen von dem bekannten beidseitigen Glaukom fanden sich bei der augenärztlichen Untersuchung wie auch bei den HNO-ärztlichen, internistischen und gynäkologischen Untersuchungen keine weiteren Auffälligkeiten.


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Bildgebung
Die Patientin zeigte im Röntgen keine Kieferzysten, Rippen- oder Skelett-Anomalien. Eine CT-Untersuchung von Thorax und Abdomen zeigte eine Hepatosplenomegalie, eine Leberzyste sowie eine Ovarialzyste links mit exzentrisch ventral verdickter Wand. Im MRT des Schädels zeigte sich ein Hypophysenadenom mit einer Größe von ca. 0,4 × 0,4 cm ([Abb. 2]). Sonst fanden sich keine intrakraniellen Auffälligkeiten, insbesondere ein regelrecht konfigurierter Balken und keine Verkalkung der Falx cerebri.


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Labor
Die Blutwerte des Serum-Somatotropins (STH) und des Insulin-like Growth Factor 1 sowie des Serum-Albumins waren im Normbereich, der STH-Supressions-Test, das Blutzuckertagesprofil und der orale Glukose-Intoleranztest waren ebenso unauffällig wie die restlichen Laborwerte.
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Verlauf
Wegen dem aktuell noch bestehenden Kinderwunsch empfahlen wir eine humangenetische Beratung bezüglich des autosomal-dominant vererbten GGS. Sollte die Patientin sich gleichwohl für eine erneute Schwangerschaft entscheiden, sollte sie sich erst nach dem Abstillen wieder hier vorstellen, um eine Systemtherapie mit Vismodegib oder Isotretionin zu initiieren, da beide Medikamente obligat teratogenen sind, da eine Operabilität sämtlicher Herde aus unserer Sicht gegenwärtig nicht gegeben ist. Eine konsequente doppelt wirksame Antikonzeption wäre dann erforderlich. Auch eine topische Therapie mit Imiquimod, das allerdings nur für kleine superfizielle Basaliome zugelassen ist, könnte dann alternativ erwogen werden [5].
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Diskussion
Das GGS ist eine seltene Erkrankung und die Prävalenz variiert von 1/57 000 bis 1/256 000. Die Inzidenz ist bei Personen, die jünger als 20 Jahre sind, deutlich höher [6]. Es wird vor allem durch Mutationen im PTCH-Tumorsuppressor-Gen, das für die Steuerung des Wachstums und die Entwicklung von normalem Gewebe verantwortlich ist, verursacht [7]. Das Syndrom wurde vor 50 Jahren von Robert J. Gorlin und Robert W. Goltz (Professoren für Oralpathologie bzw. Dermatologie an der Universität in Minnesota, USA) erstmals beschrieben [8].
Diese Multisystemerkrankung verursacht unterschiedliche Symptome an der Haut und am Skelett sowie kraniofaziale, neurologische, oropharyngeale Veränderungen, Harnleiter- und Herzfehler [2]. Die wichtigsten klinischen Merkmale sind multiple Basalzellkarzinome, Kieferzysten, palmoplantare Gruben, Verkalkung der Falx cerebri, Entstehung eines Medulloblastoms [9]. Diese fünf Merkmale sowie das Vorhandensein von Verwandten ersten Grades mit GGS gelten als die wichtigsten klinischen Kriterien für die Diagnosestellung ([Tab. 1]) und wurden ursprünglich von Evans et al. im Jahr 1993 definiert und später von Kimonis et al. 1997 und Bree et al. 2011 geändert [3] [4]. Ca. 2 – 5 % der Patienten können einen Gehirntumor, in den meisten Fällen ein Medulloblastom, entwickeln, der auch Ursache eines frühen Todes sein kann [10].
Im vorliegenden Falle wurde die Diagnose GGS bei Vorliegen eines diagnostischen Hauptkriteriums (multiple Basalzellkarzinome bei einer jungen Patientin ohne besondere UV-Belastung), und zweier Nebenkriterien (Makrozephalie, Augenanomalien) gestellt. Für differenzialdiagnostisch infrage kommenden Syndrome wie das McCune-Albright-Syndrom, das Carney-Syndrom, die multiple endokrine Neoplasie Typ 1 und die familiäre Akromegalie fanden sich keine ausreichenden Hinweise.
Das Hypophysenadenom ist eine relativ häufige Erkrankung und gehört zu der Gruppe der gutartigen Tumoren. Kleine Adenome können an Größe zunehmen, aber nur 5 % davon wachsen über 10 mm hinaus [11] . Die klinische Symptomatik bestimmt die Indikation zur Behandlung des Tumors, eine Behandlung kann je nach Adenomtyp, aber auch nach Art der Überfunktion operativ, medikamentös oder radiotherapeutisch erfolgen [12].
Das Hypophysenadenom im hier präsentierten Fall wies keine erhöhte Produktion von STH auf und erklärt den akromegalen Habitus der Patientin nicht. Eine Therapienotwendigkeit wurde seitens unserer Neurochirurgen gegenwärtig nicht gesehen. Erst in wenigen publizierten Fällen wurde bisher über Auffälligkeiten im Bereich der Sella turcica bzw. der Hypophyse bei Patienten mit GGS berichtet. Iwanga et al. schildern einen Fall mit ungewöhnlich runder Hypophyse mit Fehlen des üblichen hellen Flecks im hinteren Lappen sowie einer zystischen Struktur in der hinteren Grube des Organs bei konvexer Absenkung des Bodens der Sella turcica [13]. Eine andere japanische Arbeitsgruppe [14] fand bei 3 von 5 Kindern mit GGS eine „leere“ Sella turcica bei normalen STH-Werten. Diese Autoren gehen so weit, MRTs der Sella als Screening-Maßnahme für GGS bei Kindern zu erwägen. Die hier unseres Wissens erstmals beschriebene Assoziation von seltenem GGS und häufigerem Hypophysenadenom könnte eine zufällige Koinzidenz darstellen oder, angesichts anderer beschriebener Veränderungen im Sella-Bereich bei GGS, ein selteneres fakultatives Symptom. Hierfür könnten nur weitere Fallberichte Hinweise erbringen.
Das GGS erfordert einen multidisziplinären Ansatz, da dabei multiple Organe betroffen sein können. Die Diagnose kann durch die Variabilität der Merkmalexpressivität und durch das unterschiedliche Alter der Patienten bei der Erstdiagnose erschwert sein [15]. Der vorliegende Fall zeigt das Gorlin-Goltz-Syndrom als eine seltene Multisystemerkrankung, die über ein Jahrzehnt nicht ausreichend und rechtzeitig diagnostiziert wurde. Es ist deshalb wichtig, dass Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen einige Grundkenntnisse über die wichtigsten Merkmale dieses Syndroms besitzen. Da diese Erkrankung vererbbar ist, sollte allen Patienten eine genetische Beratung empfohlen werden. Die Morbidität kann reduziert werden, wenn die Basalzellkarzinome rechtzeitig operativ und/oder systemisch therapiert werden.
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Ergänzung bei Korrektur
Eine Mutation des PTCH1-Gens konnte in unserem Fall nicht nachgewiesen werden.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Jawa DS, Sircar K, Somani R et al. Gorlin-Goltz syndrome. J Oral Maxillofac Pathol 2009; 13: 89-92
- 2 Majdoub S, Zaghouani H, Ben Cheikh Y et al. Nevoid basal cell carcinoma syndrome (Gorlin-Goltz syndrome). Indian J Dermatol Venereol Leprol 2015; 81: 414-416
- 3 Bree AF, Shah MR. BCNS Colloquium Group. Consensus statement from the first colloquium on basal cell nevus syndrome (BCNS). Am J Med Genet A 2011; 155A: 2091-20974
- 4 Patankar AP, Kshirsagar RA, Dugal A et al. Gorlin-Goltz syndrome: A series of three cases. Natl J Maxillofac Surg 2014; 5: 209-212
- 5 Stockfleth E, Ulrich C, Hauschild A et al. Successful treatment of basal cell carcinomas in a nevoid basal cell carcinoma syndrome with topical 5 % Imiquimod. Eur J Dermatol 2002; 12: 569-672
- 6 Pino LC, Balassiano LK, Sessim M et al. Basal cell nevus syndrome: clinical and molecular review and case report. Int J Dermatol 2015; Sep 10;
- 7 Anchlia S, Vyas S, Bahl S et al. Gorlin-Goltz syndrome in twin brothers: an unusual occurrence with review of the literature. BMJ Case Rep 2015; Aug 21; pii: bcr2015211608
- 8 Larsen AK, Mikkelsen DB, Hertz JM et al. Manifestations of Gorlin-Goltz syndrome. Dan Med J 2014; 61: 23-27
- 9 Reyes MA, Eisen DB. Inherited syndromes. Dermatol Ther 2010; 23: 606-642
- 10 Lo Muzio L. Nevoid basal cell carcinoma syndrome (Gorlin syndrome). Orphanet J Rare Dis 2008; 3: 32
- 11 Galland F, Vantyghem MC, Cazabat L et al. Management of nonfunctioning pituitary incidentaloma. Ann Endocrinol (Paris) 2015; 76: 191-200
- 12 Miller BA, Ioachimescu AG, Oyesiku NM. Contemporary indications for transsphenoidal pituitary surgery. World Neurosurg 2014; 82 (Suppl. 06) S147-151
- 13 Iwanaga S, Shimoura H, Shimuzu M et al. Gorlin syndrome: unusual manifestations in the sella turcica and the spenoidal sinus. AM J Neuroradiol 1998; 19: 956-958
- 14 Takanashi J, Suzuki H, Nagasawa K et al. Empty sella in children as a key for diagnosis. Brain Dev 2001; 23: 422-423
- 15 Bala Subramanyam S, Naga Sujata D, Sridhar K et al. Nevoid Basal cell carcinoma syndrome: a case report and review. J Maxillofac Oral Surg 2015; 14 (Suppl. 01) 11-15
Korrespondenzadresse
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Literatur
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