Dialyse aktuell 2015; 19(10): 549-550
DOI: 10.1055/s-0041-104321
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

24. DTG-Jahrestagung – Early Insights – Bioverfügbarkeit und Tacrolimus-Pharmakokinetik im klinischen Alltag

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22 February 2016 (online)

 
 

Potente und verlässliche Immunsuppressiva wie der Calcineurininhibitor (CNI) Tacrolimus sind aus der modernen Transplantationsmedizin nicht mehr wegzudenken: Allerdings gehören der Erhalt von stabilen Zielspiegeln sowie die optimierte Verträglichkeit zu den wichtigsten Herausforderungen der Immunsuppression im klinischen Alltag. Im Rahmen der DTG-Jahrestagung diskutierten Experten beim Chiesi-Industriesymposium, worauf es beim Einsatz von Tacrolimus hinsichtlich Transplantatfunktion und Langzeitüberleben der Organempfänger ankommt.

Nach wie vor gehöre der Calcineurininhibitor (CNI) Tacrolimus zu den am häufigsten eingesetzten Standard-Basis-Therapeutika der initialen Immunsuppression, betonte Prof. Bernhard K. Krämer, Universitätsklinik Mannheim.

Doch auch wenn CNI seit mehr als 2 Dekaden ein etablierter Bestandteil immunsuppressiver Therapieregime sind, stellt die Optimierung der immunsuppressiven Strategie eine individuelle Herausforderung dar: So verfügt Tacrolimus über ein enges therapeutisches Fenster, das einer individuellen Dosistitration und eines Drugmonitorings bedarf, um das bestmögliche Verhältnis aus Wirksamkeit und Toxizität zu erzielen [ 1 ].

In den bislang verfügbaren oralen Standardformulierungen (mit schneller oder retardierter Freisetzung) ist Tacrolimus nur gering wasserlöslich und schlecht bioverfügbar. Die hohe inter- und intraindividuelle Variabilität bei der Resorption dieser Wirksubstanz sowie mögliche Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln oder der Komedikation verkomplizieren nicht nur das Therapiemanagement mit Tacrolimus: Unzureichende Spiegel oder ausgeprägte Spitzenspiegel können das Risiko für einen frühzeitigen Transplantatverlust bzw. unerwünschte therapiebezogene Nebenwirkungen wie z. B. Tremor erhöhen [ 2 ], [ 3 ]].

Verbesserung der Bioverfügbarkeit

Einen vielversprechenden Ansatz bietet die Änderung des pharmakokinetischen Verhaltens einer Substanz z. B. über eine Verbesserung der Bioverfügbarkeit. So ermögliche die Reduktion der Tacrolimus-Partikelgröße auf Molekularmaß und das „Schmelzen“ der Substanz durch die patentierte MeltDose®-Technologie erstmals eine „solid solution“ von Tacrolimus: Durch die vergrößerte Oberfläche der Wirkstoffpartikel resultiere eine verbesserte Bioverfügbarkeit der Substanz, erklärte Krämer. Die alternative Tacrolimus-Formulierung (Envarsus®) wird einmal täglich eingenommen und ist zur Prophylaxe der Transplantatabstoßung bei erwachsenen Nieren- oder Lebertransplantatempfängern sowie zur Behandlung der Transplantatabstoßung indiziert, die sich gegenüber anderen Immunsuppressiva als therapieresistent erwiesen haben [ 4 ].

Bei nierentransplantierten Patienten war Envarsus® im Vergleich zu der gleichen Dosis Tacrolimus in der konventionellen Formulierung, die den Wirkstoff sofort freisetzt, mit einer um etwa 40 % höheren oralen Bioverfügbarkeit assoziiert [ 4 ]. Für Envarsus® liegt mittlerweile ein umfangreiches klinisches Studienprogramm vor, das 17 Phase-I-Studien, 6 Phase-II-Studien und 3 Phase-III-Studien sowie eine laufende Phase-IV-Studie umfasst.

Die Wirksamkeit und Sicherheit der neu entwickelten Formulierung vs. Standardformulierung mit sofortiger Freisetzung wurde in einer randomisierten Phase-III-Studie auch längerfristig über einen Zeitraum von 24 Monaten bei de novo Nierentransplantierten (n = 543) untersucht [ 2 ]: Krämer zufolge hätten sich die beiden Formulierungen in puncto Wirksamkeit und Sicherheitsprofil einander als vergleichbar erwiesen, wobei die Resorption pro mg mit Envarsus® allerdings besser ausgefallen [ 2 ] und die benötigte Tagesgesamtdosis von Tacrolimus nach 2 Jahren um etwa 20–25 % niedriger gewesen sei – bei vergleichbaren Talspiegelwerten [ 5 ].


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Weniger Fluktuationen, niedrigere Tagesgesamtdosen

In einer Head-to-Head-Studie (ASTCOFF[ 1 ]-Studie) wurde das pharmakokinetische Verhalten von Envarsus® bei stabilen Nierentransplantatempfängern (n = 31) mit den auf dem Markt verfügbaren oralen Tacrolimus-Formulierungen unter Steady-State-Bedingungen verglichen [ 6 ]. Im Ergebnis wurden mit Envarsus® geringere Fluktuationen zwischen Spitzen- und Talspiegeln sowie eine längere Zeitdauer bis zum Auftreten des höchsten Plasmaspiegels nachgewiesen (Abb. [ 1 ]) – sowohl im Vergleich zur Tacrolimus-Formulierung mit sofortiger Freisetzung (2-mal tägliche Gabe) als auch zur konventionellen, retardierten Tacrolimus-Formulierung (einmal tägliche Gabe).

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Abb. 1 ASTCOFF. Differentes PK-Profil von Envarsus® konventionelle Tacrolimus-Präparate unter Steady-State-Bedingungen.
nach 7

Während Transplantatpatienten, die von der konventionellen 2-mal täglichen Tacrolimus-Formulierung auf das konventionelle, retardierte einmal tägliche Präparat umgestellt wurden, auf eine Dosiserhöhung um 8 % angewiesen waren, lagen die Konversionsraten für die empfohlenen Tagesgesamtdosen bei einer Umstellung auf einmal täglich Envarsus® bei –30 % bzw. –36 % [ 6 ].


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„Schnelle Metabolisierer“ frühzeitig erkennen

Auf die Relevanz des pharmakokinetischen Profils von Tacrolimus im klinischen Alltag wies Prof. Stefan Reuter, Universitätsklinikum Münster, hin: Seiner Erfahrung nach falle die Exposition von Tacrolimus selbst bei ähnlichen Talspiegeln von Patient zu Patient unterschiedlich aus. Prinzipiell ließen sich dabei „langsame“ und „schnelle“ Tacrolimus-Metabolisierer unterscheiden: Da die Metabolisierung von systemisch verfügbarem Tacrolimus über das Enzym CYP3A4 in der Leber erfolge, könnten unterschiedliche genetische Polymorphismen des Cytochrom-(CYP-)P450-Systems eine entscheidende Rolle spielen. Schnelle Metabolisierer würden dabei ein erhöhtes Risiko für eine Überexposition haben und verstärkt zu vorübergehend erhöhten Spitzenspiegeln neigen, gab Reuter zu bedenken.

Die Münsteraner Arbeitsgruppe untersuchte daher einen Parameter, der schnelle und langsame Tacrolimus-Metabolisierer einfach und praktikabel identifiziert: Mithilfe der sogenannten „C/D-Ratio“ (Tacrolimus-Serumtalspiegel in ng/ml dividiert durch Tacrolimus-Tagesdosis in mg) können schnelle (C/D-Ratio < 1) von langsamen Metabolisierern (CD-Ratio > 1) unterschieden werden [ 7 ]. Bei einer Analyse von 311 nierentransplantierten Patienten, die mit konventionellem Tacrolimus in Kombination mit Prednisolon behandelt wurden, wiesen schnelle Metabolisierer im Vergleich zu den langsamen Metabolisierern über 24 Monaten hinweg signifikant niedrigere geschätzte glomeruläre Filtrationsraten auf. Sie wurden auch häufiger nierenbiopsiert (p = 0,006) – bei einer höheren Inzidenz von CNI-Nephrotoxizität (p = 0,015) sowie BK-Virus-assoziierter Nephropathie (p = 0,024) [ 7 ].

Vor diesem Hintergrund sei es sinnvoll, vulnerable Transplantatempfänger mit schnellem Tacrolimus-Metabolismus frühzeitig anhand der C/D-Ratio zu erkennen und auf ein Tacrolimus-Präparat einzustellen, unter dem keine ausgeprägten Spitzenspiegel zu erwarten seien, betonte Reuter. Unerwünschte Spitzenspiegel seien zudem auch im Hinblick auf andere CNI-assoziierte, z. B. neurotoxische Nebenwirkungen wie Tremor zu vermeiden.


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Verbesserung des Tremors

Dass sich der Einsatz der alternativen Tacrolimus-Formulierung mit verbesserter Bioverfügbarkeit und einmal täglicher Dosierung in der klinischen Praxis lohnt, konnte Dr. Lutz Liefeldt, Charité Berlin, bestätigen: Er berichtete über erste praktische Erfahrungen mit AB0-inkompatiblen Lebendnierenempfängern, die ent-weder de novo oder infolge von CNI-assoziierten Nebenwirkungen auf Envarsus® eingestellt wurden. Da AB0-inkompatible Transplantatempfänger auf intensivierte immunsuppressive Therapieprotokolle mit oftmals hohen Steroiddosen angewiesen sind und die Einstellung der Tacrolimus-Zielspiegel erschwert sein kann, sollten Liefeldt zufolge keine initial abrupten Dosisreduktionen in diesem Patientenkollektiv vorgenommen werden.

Über eine deutliche Besserung des zuvor ausgeprägten Tremors berichtete Liefeldt bei einer nierentransplantierten, AB0-inkompatiblen Lebendnieren-Empfängerin, die er bei ihrer Konversion auf Envarsus® beobachtete: Der Tremor sei unter der konventionellen Tacrolimus-Formulierung (sofortige Freisetzung) mit 2-mal täglicher Dosierung eingetreten. Die Erfahrung stand in Einklang mit den Ergebnissen einer kürzlich publizierten offenen Phase-IIIb-Studie (STRATO[ 2 ]), der zufolge stabile nierentransplantierte Patienten (n = 38) schon 7 Tage ab der Konversion auf Envarsus® mehrheitlich (78,9 %) eine klinisch signifikante Verbesserung des Tremors vs. Baseline berichteten (p < 0,0005) [ 9 ].

Dr. Yuri Sankawa, Stuttgart

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Chiesi GmbH, Hamburg (Envarsus® Pflichttext siehe Seite 513).
Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium „Envarsus® Early Insights – Aktuelle Kasuistiken“, 23.10.2015, veranstaltet von der Chiesi GmbH, Hamburg, auf der 24. Jahrestagung der DTG, Dresden.
Die Autorin ist freie Journalistin.


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1 A STeady-state pharmacokinetic COmparison Of all FK-506 Formulations


2 Switching STudy of Kidney Transplant PAtients with Tremor to LCP-TacrO


  • Literatur

  • 1 Ekberg H, Tedesco-Silva H, Demirbas A et al. ELITE-Symphony Study. Reduced exposure to calcineurin inhibitors in renal transplantation. N Engl J Med 2007; 357: 2562-2575
  • 2 Draft Guidance on Tacrolimus. Im Internet: http://www.fda.gov/downloads/Drugs/GuidanceComplianceRegulatoryInformation/Guidances/UCM181006.pdf Stand: 11.11.2015
  • 3 Budde K, Bunnapradist S, Grinyo JM et al. Envarsus study group. Novel once-daily extended-release tacrolimus (LCPT) versus twice-daily tacrolimus in de novo kidney transplants: one-year results of Phase III, double-blind, randomized trial. Am J Transplant 2014; 14: 2796-2906
  • 4 Eidelman BH, Abu-Elmagd K, Wilson J et al. Neurologic complications of FK 506. Transplant Proc 1991; 23: 3175-3178
  • 5 Fachinformation Envarsus®; Stand: Dezember 2014
  • 6 Rostaing L et al. WTC 2014, Poster A2978
  • 7 Tremblay S et al. ESOT 2015, BO416
  • 8 Thölking G, Fortmann C, Koch R et al. The tacrolimus metabolism rate influences renal function after kidney transplantation. PLOS One 2014; 9: e111128
  • 9 Langone A, Steinberg SM, Gedaly R et al.; STRATO Investigators. Switching STudy of Kidney TRansplant PAtients with Tremor to LCP-TacrO (STRATO): an open-label, multicenter, prospective phase 3b study. Clin Transplant 2015; 29: 796-805

  • Literatur

  • 1 Ekberg H, Tedesco-Silva H, Demirbas A et al. ELITE-Symphony Study. Reduced exposure to calcineurin inhibitors in renal transplantation. N Engl J Med 2007; 357: 2562-2575
  • 2 Draft Guidance on Tacrolimus. Im Internet: http://www.fda.gov/downloads/Drugs/GuidanceComplianceRegulatoryInformation/Guidances/UCM181006.pdf Stand: 11.11.2015
  • 3 Budde K, Bunnapradist S, Grinyo JM et al. Envarsus study group. Novel once-daily extended-release tacrolimus (LCPT) versus twice-daily tacrolimus in de novo kidney transplants: one-year results of Phase III, double-blind, randomized trial. Am J Transplant 2014; 14: 2796-2906
  • 4 Eidelman BH, Abu-Elmagd K, Wilson J et al. Neurologic complications of FK 506. Transplant Proc 1991; 23: 3175-3178
  • 5 Fachinformation Envarsus®; Stand: Dezember 2014
  • 6 Rostaing L et al. WTC 2014, Poster A2978
  • 7 Tremblay S et al. ESOT 2015, BO416
  • 8 Thölking G, Fortmann C, Koch R et al. The tacrolimus metabolism rate influences renal function after kidney transplantation. PLOS One 2014; 9: e111128
  • 9 Langone A, Steinberg SM, Gedaly R et al.; STRATO Investigators. Switching STudy of Kidney TRansplant PAtients with Tremor to LCP-TacrO (STRATO): an open-label, multicenter, prospective phase 3b study. Clin Transplant 2015; 29: 796-805

 
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Abb. 1 ASTCOFF. Differentes PK-Profil von Envarsus® konventionelle Tacrolimus-Präparate unter Steady-State-Bedingungen.
nach 7