Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49(11/12): 644
DOI: 10.1055/s-0040-100125
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Leserbrief

Reiner Klick
1   Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin, Elisabethkrankenhaus Essen
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Publication Date:
09 January 2015 (online)

Voreiliges Fazit

Leserbrief zum Beitrag der Rubrik Fachwissen von Michael Brinkers, Giselher Pfau, Nico Gerth, Thomas Hachenberg. Subsyndromales Delir – Erfahrungen aus der Psychiatrie – Erwartungen für die postoperative Versorgung. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 436–441

Während ich im Text des Artikels noch vorsichtige Abwägungen über die Sinnhaftigkeit der Diagnose „subsyndromale Störung“ finde, wird im Fazit gefordert, subsyndromale Delire „frühzeitig durch hochpotente Neuroleptika“ zu behandeln. Es ist leider üblich geworden, statistische Korrelationen gleich als kausale Zusammenhänge zu interpretieren: Wenn unter den Patienten mit Delir eine erhöhte Mortalität festgestellt wird, so kann das daran liegen, dass bei ihnen Kreislauf, respiratorische und metabolische Situation schlechter sind als in der Gruppe der Patienten ohne Delir und die Methoden zur Risikoadjustierung dies nicht in ausreichendem Maße erfassen. Es kann aber auch daran liegen, dass Patienten mit Delir häufiger und mehr mit sedierenden Medikamenten behandelt werden. Aus der klinischen Beobachtung heraus – und die sollte man neben richtig interpretierten statistischen Methoden nicht vernachlässigen – glaube ich, dass ein Delir zu schlechterer Kooperation im Bereich von Atemtraining und Weaning führt, Ausdruck einer schlechteren zerebralen Durchblutung oder auch schlechterer metabolischer Situation ist (BZ, Harnstoff, Elektrolytentgleisung, Ammoniak) und diese Patienten häufiger mit sedierenden Medikamenten behandelt werden. Die Kombination aller 3 Effekte könnte zu einer erhöhten Mortalität führen. Plausibel ist mir, dass Patienten mit einem Prädelir durch bessere Ansprache und Betreuung (d. h. auch durch einen besseren Personalschlüssel) zu einer besseren Kooperation bei Atemtraining und Weaning motiviert werden können. Auch kann so die Gabe sedierender Medikamente oft vermieden werden. Ob und ab wann dann zusätzlich Neuroleptika sinnvoll sind, kann erst geklärt werden, wenn man die Mortalität und Langzeitmorbidität von Patienten mit klar definierten Prädelirzuständen mit und ohne Neuroleptikatherapie verglichen hat.

Schließlich weiß zur Zeit wohl niemand, ab welchem Stadium eines Prädelirs Neuroleptika durch Verhinderung eines Delir die Mortalität und Langzeitmorbidität senken und wann sie durch ihre Nebenwirkungen die Mortalität und Langzeitmorbidität erhöhen. Es dürfte sogar wahrscheinlich sein, dass dies dann noch davon abhängt, wie intensiv sich Ärzte und Pflegepersonal auch um die psychischen Bedürfnisse der Patienten kümmern können.