Einleitung:
Die Mikrobiota spielt eine entscheidende Rolle in der Ausreifung des Immunsystems.
Änderungen ihrer Zusammensetzung und Funktion, also eine Dysbiose, beeinflusst die
Immunantwort des Wirtes in Darm und Lunge und ist zumindest mit dem Entstehen und
dem Verlauf von Lungenerkrankungen korreliert. Insbesondere die immunologische Interaktion
zwischen dem Darm und der Lunge, die sogenannte Darm-Lungen-Achse, ist ein aufstrebendes
Forschungsfeld, das neue Erkenntnisse darüber verspricht, mit welchen therapeutischen
Möglichkeiten die Darm-Mikrobiota zur Behandlung von Lungenerkrankungen manipuliert
werden kann.
Relevante Literaturergebnisse:
Es gibt eine gemeinsame mukosale Immunantwort, die maßgeblich zu der postulierten
Darm-Lungen-Achse beiträgt. Der Gastrointestinaltrakt ist hierfür insofern entscheidend,
als er letztlich allen Pathogenen oder Allergenen, die über das respiratorische System
aufgenommen werden, ausgesetzt wird. Störungen der intestinalen Homöostase durch Änderungen
der Darm-Mikrobiota können drastische Effekte auf die systemische bzw. Lungen-Immunantwort
haben. Umgekehrt vermittelt die Lunge Immunantworten an den Darm durch die Wanderung
vorprogrammierter Lymphoidzellen und/oder inflammatorischer Mediatormoleküle. Eine
homeostatische Darm-Mikrobiota wiederum trägt positiv zu einem gesunden Immunsystem
– insbesondere durch die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren – bei, die anti-inflammatorische
Antworten und Immunotoleranz hervorrufen. Dysbiose ausgelöst durch Rauchen, Antibiose
oder Infektion wiederum findet sich häufig im Zusammenhang mit pneumonalen Erkrankungen
wie Asthma oder COPD.
Perspektiven:
Es gibt eine Vielzahl von wichtigen Fragestellungen auf dem skizzierten Forschungsgebiet.
Beispielsweise, ob die orale Antibiotika-Gabe bei Tieren auf indirektem Weg die Zusammensetzung
der Lungen-Mikrobiota beeinflussen kann. Und falls ja, ob eine solche Veränderung
neutral, schädlich oder vorteilhaft für den Wirt ist? Eine andere wichtige Frage ist,
ob eine veränderte Lungen-Mikrobiota aufgrund einer veränderten Funktionsweise zur
Entstehung einer Lungenkrankheit beiträgt, oder ob ein solcher Phänotyp der Mikrobiota
lediglich einen Marker einer Schädigung oder einer Entzündungsreaktion darstellt.
Von besonderer Bedeutung wären auch Antworten auf die Frage, ob die Lungen-Mikrobiota
mittels Probiotika oder Impfung therapeutisch so manipuliert werden kann, dass ein
Krankheitsverlauf abgemildert oder gar rückgängig gemacht wird.