Zusammenfassung
Die thrombolytische Therapie des akuten Myokardinfarkts hat sich zu einer etablierten
Behandlungsmethode entwickelt. Wird sie innerhalb der ersten 3 bis 6 Stunden nach
Beginn der Angina pectoris unter Beachtung der Ein- und Ausschlußkriterien eingeleitet,
kann die definitive Infarktgröße begrenzt und eine weitere Einschränkung der Ventrikelfunktion
vermieden werden. Krankenhaus-und 1 -Jahres-Sterblichkeit werden dadurch signifikant
gesenkt.
Von den heute für die Behandlung des akuten Myokardinfarkts verfügbaren Plasminogenaktivatoren
ist zweifelsohne rt-PA die bedeutendste Substanz. Ihre Vorzüge gegenüber herkömmlichen
Fibrinolytika sind neben der fehlenden Antigenität ihre Fibrinspezifität, schnellere
und weitgehend komplette Rekanalisation, gute Steuerbarkeit bei kurzer Halbwertszeit
der fibrinolytischen Aktivität sowie geringerer Einfluß auf die Hämostaseparameter.
Zwar liegen noch keine Ergebnisse großer Studien über den Einfluß von rt-PA auf die
Letalität vor, dennoch kann man aus den Angaben der bisher publizierten Studien auf
eine bedeutende Verminderung der Sterblichkeit schließen. Dies ist auch von einer
Substanz mit der höchsten Rekanalisationsrate innerhalb der ersten 90 Minuten zu erwarten,
da zwischen Myokardreperfusion, Begrenzung der Infarktgröße, Erhalt der Ventrikelfunktion
und Sterblichkeit ein enger Zusammenhang besteht. Die Vermutung, mit der Anwendung
von rt-PA könnte eine höhere Reokklusionsrate verbunden sein, hat sich nicht bestätigen
lassen.
Wegen der großen Effektivität der Substanz ist ihr frühzeitiger Einsatz nach Ableitung
eines infarkttypischen Elektrokardiogramms zu empfehlen, möglichst durch den Hausarzt
oder im Notarztwagen am Ort der Diagnosestellung. Wenn möglich, sollte die früh begonnene
intravenöse, fibrinolytische Therapie mit einer Koronarangiographie kombiniert werden,
insbesondere bei Patienten mit Zeichen der Herzinsuffizienz. Neben der prognostisch
bedeutsamen Bewertung des Schweregrades der koronaren Herzkrankheit wird eine mechanische
Intervention mit PTCA oder Herzchirurgie bei den Thrombolyseversagern möglich. Andererseits
lassen sich durch Fibrinolyse mit rt-PA allein so gute Ergebnisse erzielen, daß man
den weiteren Krankheitsverlauf auch ohne Koronarangiographie beobachten kann. Eine
primäre mechanische Intervention mit PTCA bietet sich bei den Patienten an, bei denen
eine wesentliche Kontraindikation gegen eine Thrombolyse besteht. Diagnostische Interventionen
sollten im akuten Infarktstadium jedoch auch dann durchgeführt werden, wenn die Patienten
durch die fibrinolytische Behandlung nicht beschwerdefrei geworden sind oder erneut
Herzschmerzen entwik-keln. Eine Kontroll-Koronarangiogra-phie vor Entlassung aus stationärer
Behandlung ist indiziert, wenn sich Zeichen der Myokardischämie im Belastungs-EKG
oder Thallium-Myokardszintigramm im Infarktareal nachweisen lassen oder sich nur sehr
kleine Infarkte entwickelt haben.