Fragestellung:
Das Mammakarzinom des Mannes ist im Vergleich zur Frau eine seltene Entität. Wenige
Daten existieren bisher zur Versorgungsrealität, d.h. bei welchen Beschwerden, in
welcher zeitlichen Latenz und über welche Zuweiser ein betroffener Mann den Weg zur
spezialisierten Versorgung in ein Brustzentrum findet.
Methodik:
Alle virilen Mammakarzinom-Primärfälle, welche am Brustzentrum Heidelberg zwischen
01/2003 und 12/2016 behandelt worden sind, wurden anhand der digitalisierten Patientenakten
retrospektiv bezüglich Zuweisung, Diagnostik, Therapie und histopathologischen Tumoreigenschaften
analysiert.
Ergebnisse:
Insgesamt wurden n = 54 Männer mit einem Durchschnittsalter von 62,0 Jahren im Untersuchungszeitraum
behandelt. Der überwiegende Teil stellte sich aufgrund eines Tastbefundes (59,3%)
oder einer einseitigen serösen Sekretion (13,0%) bzw. -blutung (5,6%) aus der Mamille
vor. Ebenfalls relevant war ein Zufallsbefund bzw. R1-Situation im Z.n. PE (13,0%),
z.B. bei Gynäkomastie. Primärer Zuweiser war der Hausarzt (64,1%). Bei 35,2% bestanden
die Symptome mehr als halbes Jahr bis Diagnosestellung. 87% waren invasive Karzinome,
13% in-situ. Bei 85,2% erfolgte operativ eine Mastektomie, wobei 8,4% der Tumore sich
bereits im Stadium pT4 befanden. Bei 25,1% waren axilläre Lymphknoten befallen. Alle
Karzinome waren Hormonrezeptor-positiv (ER +/- PR-pos.), der überwiegende Teil HER2-negativ
(93,6%).
Zusammenfassung:
Im Vergleich zur Frau weisen Männer mit Brustkrebs ein höheres Lebensalter bei Erstdiagnose
auf. Zudem wird das Mammakarzinom des Mannes oft in einem höheren Tumorstadium diagnostiziert,
wobei auch hier neben dem Tastbefund häufig eine Sekretion zur Abklärung führt. Wichtigster
Zuweiser der männlichen Patienten war dabei der Hausarzt. Zukünftige Forschungsanstrengungen
sollten vermehrt die versorgungswissenschaftlichen Spezifika des virilen Mammakarzinoms
in den Blick nehmen, um etwaige Versorgungslücken aufzudecken.