Nervenheilkunde 2010; 29(07/08): 431-435
DOI: 10.1055/s-0038-1628788
Übersichtsarbeit
Schattauer GmbH

Wie gefährlich sind Jugendliche, die Massenmord in ihren Schulen androhen?

Ein Risikoprofil aus jugendpsychiatrischer SichtHow dangerous are youths who threaten to mass murder in their schoolsRisk assessment from an adolescent psychiatric viewpoint
R. du Bois
1   Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Zentrum für seelische Gesundheit, Klinikum Stuttgart
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Publication History

Eingegangen am: 28 January 2010

angenommen am: 19 March 2010

Publication Date:
24 January 2018 (online)

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Zusammenfassung

Gegenstand und Ziel: Das kriminologische Täterprofil bei Massenmorden an Schulen reicht nicht aus, um zu verstehen, warum einzelne Jugendliche zu Tätern werden. Es sollen zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden, die geeignet erscheinen, eine Risikopopulation zu definieren und einzuengen. Material und Methoden:Die kriminologische und forensisch psychiatrische Literatur wird ausgewertet und mit klinischen Erfahrungen verglichen. Die klinischen Erfahrungen werden in Anlehnung an die OPD-KJ-Strukturachse operationalisiert. Sowohl das kriminologische wie das psychiatrische Risiko wird in einem Score abgebildet und zusammengeführt. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Die Hinweise, dass alle Täter psychisch stark belastet sind, verdichten sich. Vor ihrer Tat befinden sie sich in einem Prozess der kognitiven Einengung, in dem sie über ihre Fantasie nicht mehr frei verfügen können und Entlastung suchen, indem sie sich eine reale Tat vorstellen. Dieser psychische Zustand bildet sich strukturell im emotionalen Rapport, in der Mitteilungsbereitschaft und Realitätskontrolle ab. Klinische Relevanz: Die allgemein erhöhte Wachsamkeit, die Zuweisung von Nachahmungstätern sowie klinische Verdachtsfälle verlangen nach möglichst praktikablen Verfahren zur Risikoeinschätzung.

Summary

Objective: Criminological evidence about mass murder in schools remains insufficient for understanding fully, why individual youths become perpetrators. Additional insights need to be gained, in order to define and narrow down suitable risk populations. Material and methods: The criminological and forensic psychiatric literature is explored and juxtaposed to personal clinical experience. Clinical findings are operationalized by roughly following the OPD-CA axis for psychic structure. Criminological and psychiatric scores can be established and combined in a single risk score. Results and conclusions: There is converging evidence that all perpetrators of school mass murders are decidedly mentally disturbed. Before their offence they are in a process of cognitive narrowing, in which they lose their liberty to fantasize aggressive acts and seek relief by plotting a real crime. This state of mind ought to be reflected structurally in terms of emotional rapport, readiness to communicate, and reality control. Clinical relevance: Generally raised vigilance, referrals of copycat perpetrators as well as conspicuous clinical cases require practicable methods of risk assessment.