Zusammenfassung
Die Hämophilie ist die häufigste genetisch bedingte Form einer schweren Blutungsneigung.
Ursächlich für die Erkrankung sind Defekte im Faktor-VIII-Gen, die zu verminderter
Faktor-VIII-Aktivität mit einer vom Ausmaß der Störung abhängigen Blutungsneigung
führen. Die ursächlichen Gendefekte können inzwischen routinemäßig identifiziert werden.
Trotz der Vielfalt der Mutationen lassen sich mehrere Hotspots feststellen, z.B. Inversion
im Intron 22, kleine Deletionen/Insertionen an Poly-A und Punktmutationen an CpG-Dinukleotiden.
Bereiche geringer Mutationshäufigkeit sind z.B. im mittleren Abschnitt des Exons 14,
der für die funktionell wenig bedeutende B-Domäne kodiert und praktisch keine Missense-Mutationen
enthält. Die Mutationsdiagnostik verbesserte die Diagnostik und das Verständnis der
Pathogenese der Hämophilie-A-Erkrankung. Nach Identifizierung des Gendefekts in einer
Familie ist eine schnelle und sichere Konduktorinnendiagnostik möglich. Die Korrelation
zwischen Gendefekt und klinischem Verlauf zeigte, dass die Art der Mutation einen
wichtigen genetischen Prädispositionsfaktor für die zurzeit schwerste therapeutische
Komplikation bei Hämophilie, die Hemmkörperbildung, darstellt. Ein relativ leichter
Verlauf bei eigentlich schwerer Hämophilie A lässt sich mit speziellen Mutationen
oder gleichzeitig vorliegenden thrombophiliefördernden Mutationen erklären. Molekulare
Modelle des Faktor-VIII-Moleküls erlauben gezielt Auswirkungen von Mutationen zu untersuchen
und so neue Struktur/ Funktionsbeziehungen zu erkennen. Dies könnte die Entwicklung
zukünftiger rekombinanter Gerinnungspräparate mit veränderten Eigenschaften (z.B.
höherer Wirkungsgrad, verlängerte Halbwertszeit, geringere Immunogenität) anstoßen.
Summary
Haemophilia A represents the most frequent hereditary bleeding disorder in humans.
The disease is caused by mutations within the factor VIII gene leading to decreased
or absent factor VIII activities with a bleeding tendency depending on the degree
of factor VIII deficiency. Nowadays, the causative mutations can be routinely detected
and have substantially improved diagnostic and understanding of the pathophysiology
of haemophilia A. Identification of the gene defects in haemophilic families have
enabled fast and save carrier diagnosis. The correlation of the genetic defects with
the clinical course revealed that the type of mutation represents the most important
genetic predisposing factor for inhibitor formation, the most severe complication
of treatment with factor VIII concentrates. Mitigated clinical courses of haemophilia
A were shown to be due to special types of mutations or the presence of concomitant
thrombophilic mutations. Molecular models of the factor VIII protein allowed to investigate
the effects of specific mutations thus giving new insights in the structure/function
relationship of the factor VIII molecule. These findings might promote the development
of novel recombinant factor VIII concentrates with higher efficacy, longer half life
and reduced immunogenicity.
Schlüsselwörter
Faktor VIII - Hämophilie A
Keywords
FVIII - haemophilia A