Gesundheitswesen 2017; 79(04): 299-374
DOI: 10.1055/s-0037-1602015
4. Mai 2017
Postersession „Infektionsschutz“
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Konzept zum Tuberkulosescreening bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMFs) – Ein allgorithmisches Vorgehen?

JP Fobiwe
1   Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis, Gesundheitsamt, Villingen-Schwenningen
,
J Früh
1   Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis, Gesundheitsamt, Villingen-Schwenningen
,
I Kunerth
1   Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis, Gesundheitsamt, Villingen-Schwenningen
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Publication History

Publication Date:
02 May 2017 (online)

 
 

    Zielsetzung::

    Die Diagnosen der aktiven Tuberkulose bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMFs) haben in den letzten Monaten nicht nur innerhalb der öffentlichen Gesundheitsdienste zu enormer Diskussion geführt sondern auch zunehmend Beachtung in den Medien gewonnen. Ebenfalls ist das Screening auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes für sogenannte UMAs nicht umfassend im IfSG geregelt. Aus diesen Gründen entschlossen wir uns zur Erweiterung des gesetzlichen Tuberkuloseausschlusses nach §36 Abs. 4 IfSG und §62 AsylVfG für ein algorithmisches Vorgehen mittels TB-Sprachprogramm der Eidgenossenschaft und dem TB-Risikoabschätzungsprogramm (sog. TST/IGRA-Interpreter) von Menzies et al.

    Methode::

    Bei allen Flüchtlingen konnten wir unsere TB-spezifische muttersprachliche Anamnese mit dem TB-Sprachprogramm durchführen. Über 3676 Asylbewerber unterzogen sich dem erweiterten TB-Screening (Daten werden analysiert). Insgesamt wurden seit Januar 2016 über 76 „UMFs“ mittels TB-Sprachprogramm untersucht. Neben der aktiven Fallfindung durch Röntgenreihenuntersuchung wurde entweder mittels Tuberkulin- und/oder Quantiferontest auf latente TBC untersucht. Literaturrecherchen weisen bereits in den 50er Jahren auf eine Koinfektion zwischen TB und Darmparasiten. Diese Problematik wird in mehreren Publikationen und zuletzt von Babu et al (Helminth-Tuberculosis Co-infection: Trends in Immunology, Volume 37, p597 – 607, September 2016) bestätigt. Bei einer Eosinophile ab 5% wurde die entsprechende parasitäre Diagnostik durch das Landesgesundheitsamt durchgeführt.

    Ergebnis::

    Bei den insgesamt 76 in diesem Jahr hier untergekommenen UMFs wurde eine aktive Lungentuberkulose gesichert. 11 Patienten hatten eine LTBI; entsprechend 14%. Eine TB-Risikoabschätzung für das Lebenszeitsrisiko einer aktiven Tuberkulose wurde annähernd dem oben genannten „TST-IGRA-Interpreter“ geschätzt und eine Therapieempfehlung ausgesprochen. 9 Personen hatten eine Eosinophilie; entsprechend 11,8%, davon hatten 4 Personen eine kombinierte Eosinophilie und LTBI. Da die Behandlung der LTBI evidenzbasiert aber auch nach den aktuellsten Empfehlungen (JAMA 2016 Sep 6; 316:970) als zentraler Bestandteil der Tuberkulosebekämpfung beschrieben wird, schlagen wir ein risiko-adaptiertes Screening vor. Trotz unseres kleinen Kollektivs, deutet auch eine Tuberkulose-/Parasitenkoinfektion auf eine mögliche Konsequenz in Rahmen des TB-Managements.


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    No conflict of interest has been declared by the author(s).