Z Orthop Unfall 2016; 154(02): 118
DOI: 10.1055/s-0036-1583216
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Knieendoprothetik – Wirksamkeit im Vergleich zu konservativen Therapiemaßnahmen

Rezensent(en):
Stefan Budde
Skou ST, Roos EM, Laursen MB et al.
A Randomized, Controlled Trial of Total Knee Replacement.

N Engl J Med 2015;
373: 1597-1606
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. April 2016 (online)

 

Die Implantation von totalen Knieendoprothesen stellt weltweit einen äußerst häufig durchgeführten Eingriff dar. Überraschend mag klingen, dass bislang noch keine qualitativ hochwertige Evidenz ihrer Wirksamkeit im Vergleich zu rein konservativen Therapiemaßnahmen existierte – bis zu dieser Studie...
Skou ST, Roos EM, Laursen MB et al. A Randomized, Controlled Trial of Total Knee Replacement. N Engl J Med 2015; 373: 1597–1606

In der vorgestellten Studie aus Aalborg / Dänemark konnten Skou et al. anhand eines Kollektivs von 100 Patienten mit radiologisch gesicherter Gonarthrose zeigen, dass die Implantation einer totalen Knieendoprothese zwar mit vermehrt auftretenden schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen vergesellschaftet ist, jedoch im Vergleich zu alleinigen konservativen Therapiemaßnahmen zu größerer Beschwerdelinderung und verbesserter Gelenkfunktion führt.

Methodik

Die prospektive randomisierte kontrollierte Studie vergleicht 50 Patienten, bei denen eine totale Knieendoprothese (Knie-TEP) mit Retropatellarersatz (NexGen® CR-Flex oder LPS-Flex Fixed Bearing Knee, Zimmer Biomet, Warsaw / Indiana, USA) implantiert und anschließend eine 12-wöchige konservative Therapie durchgeführt wurde, mit 50 Patienten, bei denen ausschließlich eine identische konservative Therapie durchgeführt wurde. Die konservative Therapie bestand dabei aus 5 Säulen: 2-mal-wöchentliche, einstündige, gruppenbasierte Krankengymnastik, Patientenschulung zur Eigenbehandlung und Selbsthilfe, Ernährungsberatung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion bei adipösen Patienten mit BMI über 25, Einlagenversorgung und Schmerzmedikation. Nachuntersuchungen fanden nach 3, 6 und 12 Monaten statt, bei denen die Gruppenzugehörigkeit durch Kaschieren der etwaigen Operationsnarbe verschleiert wurde. Primärer Zielparameter war dabei der „Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score“ (KOOS), sekundäre Parameter unter anderem das Auftreten von unerwünschten Ereignissen.

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Die Knie-TEP ist einer der häufigsten endoprothetischen Eingriffe. (Bild: psdesign1 / Fotolia.com)

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Ergebnisse

Von den 50 Patienten der rein konservativen Gruppe erhielten 26 % innerhalb des Beobachtungszeitraums schließlich doch eine Knie-TEP. Die Verbesserung im KOOS lag in der konservativen Gruppe mit 16,0 Punkten signifikant unter der Verbesserung in der Knie-TEP-Gruppe (32,5 Punkte). Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse waren in der Knie-TEP Gruppe signifikant häufiger, sowohl insgesamt (Verhältnis 24:6; p = 0,005) als auch das Indexknie betreffend (8:1, p = 0,05; v. a. tiefe Venenthrombosen und Bewegungseinschränkung mit Folge einer Narkosemobilisation).


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Kommentar

Die Kernaussage dieser Studie, dass eine Knie-TEP-Implantation Verbesserungen bei Schmerz und Gelenkfunktion nach sich zieht, klingt selbstverständlich. Umso überraschender wirkt aber, dass dies die allererste Studie ist, die diesen Behandlungserfolg eines derart etablierten OP-Verfahrens auch im Rahmen einer prospektiven, randomisierten Kontrollstudie bestätigt. Ihre größte Schwäche besteht darin, dass für keinen der beiden Behandlungswege eine Scheinbehandlung durchgeführt und damit kein Placeboeffekt ausgeschlossen wurde. Dieser könnte grundsätzlich die Ergebnisse beider Behandlungsgruppen verfälscht haben, mag bei der Operationsgruppe jedoch einen noch größeren Einfluss besessen haben.

Neben der Überlegenheit der Knie-TEP-Implantation zeigt diese Studie eindeutig, dass auch die rein konservative Behandlung der Gonarthrose gute Behandlungserfolge aufweist. Immerhin kamen 74 % der konservativ behandelten Patienten im Beobachtungszeitraum ohne Knie-TEP-Implantation aus – und waren zudem einem signifikant geringeren Risiko schwerwiegender unerwünschter Ereignisse ausgesetzt. Diese Erkenntnisse sollten bei der Patientenaufklärung über Therapieoptionen berücksichtigt werden und unterstreichen die Bedeutung der gemeinsamen und individuell zu gestaltenden Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patient bei der Wahl des Behandlungswegs.


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Die Knie-TEP ist einer der häufigsten endoprothetischen Eingriffe. (Bild: psdesign1 / Fotolia.com)