? Kennen sich Orthopäden und Unfallchirurgen überhaupt mit der GOÄ aus oder ist das
eh ein Buch mit 7 Siegeln?
Auch wenn der Paragraphenteil eine wesentliche Relevanz für den Abrechnenden hat,
so konzentriert der Abrechnende sich, wenn der Paragraphenteil erst einmal definiert
ist, auf den Ziffernteil. Da liegt aber momentan auch das Problem der neuen GOÄ, der
Paragraphenteil ist bei der Generierung der Legendierung nicht hinlänglich bekannt.
? Legendierung, alias der Ziffernteil? Für die Orthopädie und Chirurgie stehen die
Ziffern in Kapitel L.
Die wenigsten Ärzte werden das genau wissen. Die meisten werden daher entweder eine
privatärztliche Abrechnungsstelle beauftragen oder sie haben eine Sekretärin, die
Schulungen gemacht hat, für die Rechnungsstellung. So lange Sie als Arzt alles akribisch
dokumentieren, kann ein Experte die Ziffern für Sie daraus generieren. Allerdings
erfordert das durchaus Erfahrung. So sind gewisse Kombinationen an GOÄ-Ziffern verboten.
Andererseits haben wir schon seit Jahren einen Trend zum Zielleistungsprinzip.
? Was ist das?
Die Hauptleistung steht im Vordergrund und nur sie darf im Regelfall abgerechnet werden.
Nehmen wir die Implantation einer Hüftprothese. Das ist heute primär eine einzige
Ziffer 2151, in der viele Teilleistungen gleich mitgerechnet sind, die wir früher
einzeln abrechnen konnten. Teilschritte wie Schenkelhalsresektion, Entfernung der
Schleimhaut, eventuell die Lockerung von Muskeln. Bei der heutigen Zielleistung Hüfte
können wir diese Eingriffe nur dann noch extra mit eigener Ziffer abrechnen, wenn
sie als eigene Leistung dazu kommen.
? Dafür wurde der monetäre Wert für die Zielleistung Hüfte entsprechend angehoben?
Nein, es gab nach Einführung des Zielleistungsprinzips keine Anhebung. Bedenken Sie,
dass die GOÄ seit 30 Jahren noch nicht mal einen Inflationsausgleich hatte.
? Andererseits haben Sie bislang ja die Möglichkeit, für ein und die gleiche Behandlung
mehr zu verlangen. Sie können ja den einfachen Wert steigern, bis zum 3,5 fachen Satz.
Richtig. Aber das ist keine Lösung für einen fehlenden Inflationsausgleich, Sie dürfen
ja auch nur steigern, wenn sie echten Mehraufwand hatten.
? Wie viele Ziffern bilden die Orthopädie aktuell ab?
Es sind an die 500.
? Das wirkt trotzdem alles durchaus noch überschaubar. Sie sind einer, wenn nicht
der Sprecher für O&U bei den Verhandlungen zu einer neuen GOÄ. Sehen Sie die Notwendigkeit
einer Reform?
Ja, die sehe ich. Aber der Prozess läuft nicht so, wie ich mir das wünschen würde.
? Was sollte anders sein?
An den Anfang jeder Reform der GOÄ gehört, dass wir Ärzte 30 % Inflationsausgleich
erhalten. Damit wir zumindest wieder das finanzielle Niveau erreichen, das 1982 bestand,
als die GOÄ in ihrer heutigen Fassung konzipiert wurde.
? Das wäre aber keine Reform, da müsste man nur den Multiplikatorwert in Euro und
Cent entsprechend anheben?
Richtig. Und das hat die Bundesärztekammer auch mehrfach beantragt, es ist aber leider
vom Bundesgesundheitsministerium immer wieder abgelehnt worden.
? Bei anderen freien Berufen geht das offenbar besser. Rechtsanwälten verschaffte
ein überarbeitetes Vergütungsgesetz 2013 um 19 % erhöhte Sätze. Geht das bei Ärzten
nicht?
Anwälte, auch Architekten oder Steuerberater haben ihre Pendants zur GOÄ und machen
das irgendwie ein bisschen klüger, kennen eine Inflationsanpassung in regelmäßigen
Abständen. Wir Ärzte haben seit 1996 keine Steigerung mehr gehabt und die damalige
war nicht adäquat.Was der Grund dafür ist, weiß ich nicht. Vielleicht erachtet man
das Einkommensniveau der Ärzte als zu hoch? Das BMG hat das zuletzt 2013 abgelehnt
mit dem Hinweis: Einigt euch erst mal, wir heben vorher überhaupt nichts an.
? Sie meinen die seither laufenden Verhandlungen zwischen BÄK und dem Verband der
Privaten Krankenversicherungen, dem PKV-Verband.
Ja. Und bedenken Sie, dass heute auch noch die Beihilfe bei den Verhandlungen mit
am Tisch sitzt – und damit natürlich eine staatliche Institution, die vermutlich kein
großes Interesse an Ausgabensteigerungen hat. Wir Ärzte sollen jetzt unser Honorar
mit denen verhandeln, die am Ende die Rechnungen bezahlen.
? Und das finden Sie...?
Schlecht. Ich bin sicher, dass es das so bei anderen Berufsgruppen nicht gibt. Ich
kann mir nicht vorstellen, dass Anwälte einen Reformvorschlag für ihre Gebührensätze
erst mit den Rechtsschutzversicherungen konsentieren.
? Wie sollte es stattdessen sein?
Es wäre besser, die Bundesärztekammer könnte und dürfte ihren eigenen fairen Wert
für Anhebungen der GOÄ aufstellen und fordern. Und nur sie. Zuständig wäre natürlich
dann das Ministerium. Das BMG sollte anschließend entscheiden, geht oder geht nicht.
Aber – das Ministerium berücksichtigt, dass der Staat ja eine Beihilfe hat. Und der
Staat möchte nicht unbedingt mehr Geld für Gesundheit ausgeben. Da ist es ja praktisch,
wenn man sagt, ihr müsst euch erst mit der Beihilfe einigen.
? Am Ende machen Sie bei etwas mit, was Sie nicht richtig finden.
Ich unterstütze die BÄK gerne. Aber den derzeit praktizierten Weg zu einer neuen GOÄ
finde ich nicht richtig. Dass sich BÄK, PKV-Verband und Beihilfe nur bei Konsens an
das BMG mit einem Vorschlag wenden dürfen, das finde ich falsch. Eine Reform der GOÄ
an sich ist meiner Meinung nach fällig.
? Wo?
Wir haben großen Reformbedarf, weil die GOÄ auf dem Stand der 80er Jahre ist und moderne
OP-Techniken nicht abbildet. Über 30 Jahre – da ist viel passiert. Deshalb müssen
wir ja aktuell oft mit den Analogziffern arbeiten, dass man sagt, naja, welche andere
medizinische Leistung könnte jetzt vom Aufwand her meiner neuen OP-Technik entsprechen,
für die es aber keine GOÄ-Ziffer gibt? Das führt in der Praxis immer mal wieder auf
ein leidiges Setting. Die Versicherung diskutiert dann gerne mit dem Patienten- da
dieser Ansprechpartner der Versicherung ist- warum nimmt ihr Arzt denn da diese komische
Ziffer. Am Ende heißt es: Ihr Arzt betrügt, der rechnet falsch ab.
? Und dann kommt der Patient zu Ihnen?
Der kommt zu mir und sagt, ach ist mir das peinlich, Sie haben mich betrogen (lacht).
Aber im Ernst, es kommen tatsächlich Patienten und erklären mir: Herr Doktor, Sie
haben falsch abgerechnet und deswegen hat die Versicherung nicht bezahlt. Das sind
Diskussionen, die sind unschön und bilden die Realität natürlich nicht ab.
? Und hilft der vorliegende, von Ihnen mitverhandelte Entwurf für eine Reform der
GOÄ weiter?
Absolut – zumindest für die Orthopädie und Unfallchirurgie, da leistet der Entwurf
gute Arbeit. Ich halte die Neuordnung der Ziffern für richtig, das ergibt eine moderne
GOÄ auf Höhe des aktuellen Standes der Medizin.
? Es sollen in der ganzen GOÄ angeblich 4000 statt bislang rund 3000 Ziffern werden?
Wie weit ist der Verhandlungsstand?
An die 85 % aller medizinischen Leistungen sind nach meiner Kenntnis in Ziffern gegossen.
Das sind sogenannten Pareto-Leistungen, etwa 400 Ziffern, die rund 85 % aller medizinischen
Leistungen abbilden. Da kommen sicherlich noch viele Ziffern hinzu, aber was das Leistungsvolumen
angeht, machen die nur noch 15 % aus.
? Sie kennen die Details?
Nein. Alle Details kennen nur die Verhandlungsführer der BÄK, des PKV-Verbands und
der Beihilfe. Auch das BMG. Aber nicht Vertreter einzelner Fachgruppen wie ich, die
kennen wenn, dann höchstens Details ihres Fachbereichs. Und sie dürfen darüber kaum
etwas verraten – Geheimhaltungsverpflichtung.
? Aber zumindest für den Bereich O und U wissen Sie doch sicher, welche Ziffern kommen.
Die Ziffern, die den gesamten orthopädischen und unfallchirurgischen Bereich abbilden,
sind komplett. Wir bilden dabei vorrangig so genannte Leistungskomplexe, packen alles
das, was sowieso immer in die Rechnung kommt, zusammen, so die Vorgabe und der Wunsch
der BÄK. Zu Deutsch: Eine Hüftendoprothese nebst Eingriffen am Weichgewebe, Schleimhaut
… all das ergibt eine große Ziffer.
? Das riecht aber stark nach dem Zielleistungsprinzip, das Sie schon als ein Merkmal
der alten GOÄ beschrieben haben? Was ist da neu?
Die neuen Leistungskomplexe bilden die tatsächlichen Gegebenheiten wesentlich besser
ab als das bisherige Sammelsurium. Außerdem sind sie auf dem aktuellen Stand der Medizin.
Analogziffern brauchen Sie damit jetzt zumindest vorerst nicht mehr.
? Und was kostet die neue Hüftendoprothese in Zukunft den Privatpatienten?
Das ist die Crux, das weiß derzeit niemand. Zumindest offiziell nicht. Denn die monetären
Werte für die Ziffern müssen noch verhandelt werden.
? Ich dachte, Sie verhandeln mit und kennen all diese Zusammenhänge?
Längst nicht alles. Wir vom BVOU und VLOU haben mit einer Kollegin von der PKV-Allianz,
die bei diesem Unterthema für die Versicherungsseite zuständig war, die Leistungslegenden
in unserem Fachgebiet festgezurrt. Natürlich habe ich gemeinsam mit der BÄK, basierend
auf OP-Zeiten für jede einzelne Ziffer, die Bewertung generiert. Aber bei den definitiven
Geldwerten sind wir nicht mehr dabei.
? Gibt es schon konkrete Forderungen zum Geld?
Natürlich gibt es Forderungen, die basieren nun auf einem klar definierten Zeitleistungsprinzip.
Diese bedürfen nun aber der Konsentierung durch PKV und Beihilfe. Bei den Verhandlungen
sind wir nicht dabei, und das macht mich ziemlich unruhig.
? Bei Tarifverhandlungen, und eigentlich geht es hier doch auch um eine Art Tarifverhandlung,
ist das anders. Da stellen die Parteien gleich ihre Forderungen auf – und zwar möglichst
öffentlich. Und hier ist das alles hinter geschlossenen Türen?
So ist es. Und ich habe eine ganz große Sorge: Wenn die Geldwerte der Ziffern nicht
adäquat verhandelt werden und man sagt, na, den Geldwert für den neuen Leistungskomplex
Hüfte setzen wir so an wie früher für die primäre Hüfte (Ziffer 2151), dann werden
wir Ärzte da heftige Verluste einfahren.
? Wer wird die Geldwerte eintragen?
Den 1. Vorschlag macht die BÄK, wenn ich das richtig verstanden habe. Sie rechnet
die Werte aus betriebswirtschaftlichen Daten hoch. Dabei gilt ein aus meiner Sicht
zu geringer Stundenlohn für den Arzt als beschlossen. Anhand von Zeitkalkulationen
für die einzelnen Ziffern – wie viel Zeit brauche ich für die Hüfte? – kalkuliert
die BÄK, wie teuer die OP sein wird.
? Sie haben im letzten Jahr mehrfach kritisiert, dass die BÄK zu wenig Leute für die
Verhandlungen hätte. Ist das immer noch so?
Das ist verbessert worden, aber gemessen daran, dass wir geschätzt über ein 6-Milliarden-Projekt
reden, finde ich die Manpower bei der BÄK immer noch zu schwach. Angesichts der Bedeutung
der GOÄ für die Ärzteschaft sollte man erwarten, dass die Ärztekammer da mal 10 Mitarbeiter
nimmt und sagt, Ihr kümmert euch jetzt einmal konzentriert um die GOÄ. Die Versicherungen
liegen in Sachen Manpower vor der BÄK. Das merkt man sehr deutlich bei den Gesprächen.
? Wann rechnen Sie damit, dass dem BMG ein konsentierter Entwurf für eine neue GOÄ
vorgelegt wird?
Wenn überhaupt wird das in diesem Jahr kommen, denn 2017 sind Bundestagswahlen und
da weiß keiner, was danach kommt. Laut offiziellem Zeitplan könnte ein Konsens vielleicht
schon bis Mai verkündet werden.
? Noch ein paar Einzelaspekte. Was halten Sie von der neu einzurichtenden Gemeinsamen
Kommission (GeKo) in der 4 Vertreter der BÄK, 2 der PKV und 2 der Beihilfe sitzen
sollen? Sie soll sich offenbar um einen regelmäßigeren Inflationsausgleich kümmern.
Streng genommen brauche ich dafür keine Kommission. Eine Inflationsanpassung kann
ich auch automatisch machen, da reicht eine Formel, mit der Sie einmal im Jahr die
Werte anpassen. Aber ich kann damit leben, wenn sich die neue Kommission darum kümmert.
Aber sie soll ja auch bestimmen, wann ich als Arzt überhaupt steigern darf, die dürfen
die Positivliste dafür festlegen. Das sehe ich schon kritischer.
? Die entwickeln Vorschläge aber wohl im Konsens und entscheiden muss am Ende ohnehin
immer das BMG?
Mag sein, mag sein. Positiv fände ich, wenn – wie offenbar auch vorgesehen – sich
diese Kommission zeitnah darum kümmert, dass neue Verfahren in der Medizin gleich
in die GOÄ eingearbeitet werden. Aber ein Zugriff auf die Listen, wann der Arzt noch
steigern darf und wann nicht, das sehe ich ganz kritisch. Eine für eine Praxis vielleicht
wichtige Steigerungsmöglichkeit fällt von einem Jahr aufs andere weg, weil die GeKo
das so beschlossen hat.
? Wie soll die Positivliste aussehen?
Ich kenne nur Vorschläge dafür. Vielleicht steht da einmal, dass ich steigern darf,
wenn ich einen übergewichtigen, adipösen Patienten habe.
? Das heißt, alle Disziplinen könnten dann grundsätzlich und immer bei adipösen Patienten
steigern?
Das wäre ein Modell, aber was kommt, weiß ich nicht.
? Auf jeden Fall soll es nur noch erlaubt sein, die Gebühren vom Basissatz maximal
zu verdoppeln? Also eine Steigerung mit dem Faktor 2, nicht mehr bis zu 3,5.
Das ist so, ja. Ein Problem besteht aber darin, dass eine entsprechende Steigerung
die Ziffer verdoppelt, was beim Sprung von 2,3 auf 3,5 nicht der Fall war. Was wohl
weiterhin möglich bleibt, ist, Sie vereinbaren mit dem Patienten einen eigenen Vertrag.
So wie das heute schon möglich ist. Es gibt ja Kollegen, die sind so unglaublich gut,
die nehmen immer den 5-fachen Satz.
? Höre ich da Ironie?
Ich mache so was nicht. Ich habe eine Gebührenordnung und an die halte ich mich.
Auch bei der GeKo ist für mich wieder der zentrale Kritikpunkt, dass man derzeit nicht
genau weiß, was sie überhaupt macht. Im Gespräch ist ja auch, dass sie die Preise
anpassen könnte. Offenbar soll die GeKo in beide Richtungen Vorschläge machen können
– sollten Dinge zu schlecht entlohnt werden, wird man sie vielleicht aufwerten. Ist
man hingegen der Meinung, dass Dinge vielleicht zu gut entlohnt werden, werden sie
abgewertet. Das wären ziemlich massive Eingriffe in die GOÄ.
? Vertreten Sie hier eine Minderheitenposition? Der außerordentliche Ärztetag am
23. Januar hat den Kurs der BÄK bestätigt.
Hat er, ja. Aber das ist auch aus der Not heraus entschieden worden. Und nebenbei,
echte Informationen, etwa zu den wirklich wichtigen Dingen, den Geldwerten bei den
Ziffern, gab es für die Delegierten keine.
Es gibt die große Angst, bei einem Scheitern der Verhandlungen der Politik ein Argument
für die Einführung der Bürgerversicherung zu liefern. Da ist hoher Druck auf uns Ärzten
und der PKV. Motto: Da müssen wir jetzt durch, denn wir haben nur noch in dieser Legislaturperiode
eine Chance und entweder jetzt oder gar nicht. Meine Sorge ist, dass es gegen Ende
aller Verhandlungen heißt schnell, schnell.., und dass wir eine neue GOÄ durchwinken,
die wir eigentlich nicht wollen.
? Aber die Ziffern zumindest für Ihr Fach haben Sie doch für gut befunden?
Ja, aber erst wenn die Geldwerte bei den Ziffern stehen, wissen wir wirklich, was
kommt. Und ich will nicht ausschließen, dass wir Ärzte am Ende weniger verdienen als
bislang. Und sagen wir mal so, bevor ich nur noch die Hälfte kriege von dem, was ich
bislang hatte, dann sollten wir besser sagen: Wir lassen das ganz.
? Wer soll das sagen?
Am Ende könnte das vermutlich nur die BÄK bestimmen.
? Vor allem Facharztverbände geben sich enttäuscht. Der NAV-Virchow-Bund hatte schon
vorher, im November 2015 erklärt, die BÄK habe zumindest für Verhandlungen um den
Paragraphenteil der GOÄ gar kein Mandat. Was ist da gemeint?
Wie das juristisch ist, wer verhandeln darf und wo ein Mandat hat, kann und will ich
nicht beurteilen.
? Wäre es besser, die Berufsverbände führten die Verhandlungen?
Nein, das sehe ich nicht. Überlegen Sie mal, wie viele Berufsverbände Sie haben. Und
manch Diskussion auf Ebene der Berufsverbände erinnert mich (lacht) an die Klingonen
bei Raumschiff Enterprise. Jeder wettert, alle sind unzufrieden und jeder redet nur
für sein Fach. Da brauchen Sie eine übergeordnete Instanz. Ich störe mich nicht daran,
dass die BÄK das macht, überhaupt nicht, aber koordinierter, mit mehr Manpower und
mehr Zeit.
Die kriegt noch genug zu koordinieren zwischen den vielen Berufs- und Fachverbänden,
wenn sich das abzeichnet, was ich befürchte, dass wir finanziell rückwärts fahren
mit der neuen GOÄ.
? Laut Angaben der BÄK soll der neue Geldwert bei den Ziffern gut doppelt so hoch
werden, wie bislang im Durchschnitt der einfache Satz.
Ja, und alle fragen sich jetzt, ob das auch stimmt. Das wissen wir nicht. Dann läge
er aber gerade einmal beim zweifachen Satz, üblicherweise wird 2,3- oder 3,5-fach
abgerechnet und schon liegen Sie deutlich unter dem jetzigen Einkommen! Wo sind die
30 % die alleine aufgrund des Inflationsausgleichs zu fordern sind?
? Sie kennen die Werte...
(Schweigen) ...Ich denke, es ist zumindest die Gefahr da, dass man feststellt, dass
der Leistungskomplex bei weitem nicht da ist, wo ich aktuell noch mit dem 2,3-fachen
oder 3,5-fachen Satz lande.
? Wann werden Sie und wir das alles erfahren?
Ich denke, sobald die Einigung mit dem PKV-Verband und der Beihilfe da ist. Ich erwarte
und so hat es auch die Bundesärztekammer erklärt, dass es dann eine Sitzung der BÄK
gibt, auf der die Fachgesellschaften bzw. Berufsverbände informiert werden.
? Und wenn Sie dann nicht zufrieden sind, was können Sie tun?
Vermutlich kann man dann nicht mehr viel ändern. Denn machen wir uns nichts vor, es
wird ja irgendwo einen Gesamttopf geben, wo man sagt, der darf nicht überschritten
werden und der liegt sicher nicht 30 % über dem momentanen Gesamtvolumen.
? Wie bitte? Ich dachte, es gibt in der Privaten Krankenversicherung keine Budgetierung?
Nein, es wird keine Budgetierung geben, aber die Versicherungen können ja rechnen
und kalkulieren, was kostet uns das jetzt. Dann kommt vermutlich demnächst der Tag,
an dem wir aufgefordert werden – Leute, guckt mal auf die neuen Gebührensätze und
sagt, gefällt euch das. Sobald dann der 1. Berufsverband sagt, Nein, das gefällt mir
nicht. Glauben Sie, da sagt der andere Verband, gut ich gebe was ab?
? Warum sollte er abgeben, es gibt doch kein Budget?
Sicher, theoretisch haben Sie da vollkommen Recht. Und trotzdem wird doch eine Kasse
und eine Beihilfe versuchen, Mehr für die eine Ziffer durch ein Weniger für die andere
zu kompensieren. Deren Ressourcen sind ja auch begrenzt.
? Also intern verhandeln, wir geben den Orthopäden nur dann mehr, wenn die Internisten
dafür etwas abgeben?
Das ist rein fiktiv, aber so würde ich mir das vorstellen, natürlich unabhängig von
den Internisten. Die lassen das nach oben nicht unbegrenzt. Und daher halte ich die
Chancen für gering, dass wir noch erfolgreich nachverhandeln können, sobald erst mal
die konkreten Geldbeträge im neuen Entwurf für die GOÄ stehen. Es ist diese Intransparenz,
die mich so unzufrieden macht. Wenn die neue Verordnung draußen ist und dann nicht
so ist, wie wir es haben wollen, bleibt uns vielleicht nur die Möglichkeit zu sagen:
Wir bleiben lieber bei der alten GOÄ.
? Täuscht der Eindruck oder kommt der Protest mal wieder recht spät? Es gibt eine
1. Vereinbarung zwischen BÄK und PKV-Verband vom 11.11.2013, die Rahmenvereinbarung
zur Novellierung, Damals war der Aufschrei nicht groß …
Je mehr bekannt wird, desto höher kocht bekanntlich der Streit. Protest gab es damals
schon.
? Aber es war damals sicher schon klar, wer die Verhandlungen führt und dass wichtige
Fakten erst mal unter der Decke gehalten werden.
Naja, die Beihilfe ist nochmal on top gekommen und sie ist ja nun ein ganz anderer
Partner, dass sie 2013 noch dazu kam, das ist für mich ein herber Rückschritt gewesen.
? Sehen Sie noch die Chance, dass eine sinnvolle Novelle kommt?
Ja klar. Eine moderne Gebührenordnung wird das auf jeden Fall was den Ziffernteil
an sich angeht. Aber diese schönen Ziffern können uns fürchterlich auf die Füße fallen,
wenn die monetären Werte dazu nicht passen sollten. Andererseits können wir momentan
unter Berücksichtigung des oben Genannten nur abwarten, was da kommt.
? Wenn etliche Fachärzteverbände dann kurz vor Ende, so wie Sie es hier skizziert
haben, sagen, Nein, wir sind nicht einverstanden. Was passiert dann?
Keine Ahnung. Ob die BÄK es trotzdem durchzieht oder die Geschichte am Ende abbläst?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die BÄK gegen die Mehrzahl der Fachärzteverbände
stellt. Das wäre politisch sehr unklug. Auf dem Ärztetag wählen die Delegierten der
Landesärztekammer und nicht die Facharztverbände. Das wird noch interessant.
Das Interview führte Bernhard Epping