kma - Klinik Management aktuell 2014; 19(09): 46-49
DOI: 10.1055/s-0036-1577471
Unternehmen & Märkte
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart

Mit 66.000 Betten um die Welt

Linet Group SE
Kirsten Gaede
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Publication Date:
08 March 2016 (online)

 

    Die Linet Group – alias Wissner-Bosserhoff – schreckt vor sperrigen Märkten in Übersee und Asien nicht zurück. Ihre Abenteuerlust bewährt sich: Seit Jahren verzeichnet der Bettenhersteller aus Wickede an der Ruhr ein jährliches Umsatzplus von zehn Prozent.


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    Michael Rosada, Vorstand Linet Group(Foto: Wollf)

    An deutschen Krankenhäusern verzweifeln zurzeit die Medizintechnikfirmen. Den Kliniken fehlt das Geld für Investitionen, sie schieben Neuanschaffungen hinaus, bestellen vor allem Ersatzteile. In dieser Situation geht manchem Unternehmen die Geduld aus. Nicht aber der Linet Group, hierzulande besser bekannt unter dem Namen Wissner-Bosserhoff. Die deutschen Krankenhäuser behalten ihre Betten oft 20 bis 30 Jahre – trotzdem bemüht sich der größte europäische Hersteller von Krankenhaus- und Pflegebetten fast liebevoll um sie: So nimmt der Linet-Vorstand und Wissner-Bosserhoff-Geschäftsführer Michael Rosada die Eigenart einiger deutschen Kliniken, ihre Betten in einer Waschstraße zu reinigen, sehr ernst. „Hygiene ist ein wichtiges Thema im Klinikalltag, das auch die Betten betrifft. Aber wir kümmern uns darum, indem wir Produkte entwickeln, die besonders gut waschbar sind.“ Die Kundenperspektive ist das, was für die Linet Group ganz offenbar zählt. Von Arroganz und Herablassung ist keine Spur, wenn Rosada, der viele Jahre für Marketing-Beratungen gearbeitet hat, über die deutschen Kunden spricht. Auf die Frage, warum die Linet Group zurzeit so viele Anzeigen schaltet, antwortet er: „Man soll sich nicht vormachen, dass alle einen kennen, nur weil man schon viele Jahre im Markt ist. Es gibt immer wieder Leute, die sagen: ‚Klar, Wissner-Bosserhoff kennen wir – das sind die mit den Papierhandtüchern, nicht wahr?‘ Wir müssen unseren Kunden schon sagen, was wir ihnen anbieten können und wofür wir stehen.“

    Auf US-Markt sonst nur Konzerne
    Es gibt Länder auf dieser Welt, in denen muss die Linet Group bald nicht mehr viel erklären. In Brasilien etwa hat der Bettenhersteller eine Ausschreibung des Erziehungsministeriums gewonnen und stattet 46 Ausbildungskliniken mit mehr als 8.000 Hightech-Krankenhausbetten für die Universal- und Intensivpflege aus. Seit 2006 hat er rund 16.000 Stück verkauft. „Das Gesundheitssystem in Brasilien wird ausgebaut. Auf diesen Wachstumsmarkt können wir uns noch besser einstellen, seit wir dort vor zwei Jahren Linet do Brasil gegründet haben“, sagt Geschäftsführer Rosada.

    In bislang 13 Ländern ist die Linet Group mit eigenen Vertriebstöchtern präsent. Auch in den USA hat der Bettenhersteller in jüngster Zeit Fuß gefasst, was für ein Unternehmen mit einem Umsatz von rund 147 Millionen Euro relativ ungewöhnlich ist. Normalerweise sind es große Medizintechnikkonzerne, die es auf den US-Markt zieht; Mittelständler konzentrieren sich auf die klassischen Wachstumsmärkte wie Lateinamerika und Asien. „Unser Produktportfolio trifft den amerikanischen Geschmack“, meint Michael Rosada. „Unsere Betten sind leichter als amerikanische, sehr funktional und haben – das wird besonders gern gesehen – einen Simplicity-Wins-Effekt: Sie sind von den Schwestern leichter zu handhaben und zu transportieren. Hinzu kommt: Preislich sind wir wettbewerbsfähig, weil wir in unserem Werk im tschechischen Slaný bei Prag günstig und effizient produzieren können.“

    In den USA erzielt die Linet Group, seit sie den Standort Charlotte (North Carolina) aufgebaut hat, mit 50 Mitarbeitern „ein hohes zweistelliges Umsatzwachstum pro Jahr“. Und das bei einem sehr regulierten Markt für Medizinprodukte. „Man muss in Group Purchasing Organizations gelistet sein. Diese sogenannten GPOs vertreten um die 2.000 Krankenhäuser. Wenn man gelistet ist, hat man sehr gute Chancen zu verkaufen. Wir haben glücklicherweise für alle GPOs die Verträge unter Dach und Fach“, berichtet Linet-Vorstand Rosada.

    Red Dot Award für das Niedrigbett
    Dass die Betten von Wissner-Bosserhoff Holzelemente enthalten und auf der Standardstation eine gewisse Hotelatmosphäre verbreiten, mag den US-Amerikanern gefallen, ein entscheidendes Kaufargument ist es für sie nicht. Denn in den USA sehen Krankenhausbetten, die dort vor allem aus Kunststoff gefertigt werden, traditionell recht klinisch aus. In Deutschland aber hat die wohnliche Note dem Unternehmen kürzlich – neben dem Plus X – den unter Architekten und Designern sehr bekannten Red Dot Award für das Niedrigbett Sentida beschert. „Die Verkleidungen in warmen Naturtönen lassen die technischen Funktionen in den Hintergrund treten und schaffen Behaglichkeit“ – so die Begründung. Eine pflegewissenschaftliche Jury hätte es sicherlich etwas anders gewichtet. Denn das bis auf 27 Zentimeter absenkbare Bett mit zweiteiligen und mehrstufig höhenverstellbaren Seitensicherungen bewahrt Patienten vor schweren Stürzen, ohne dass sich Krankenschwestern oder Pfleger mit dem Problem der Freiheitsberaubung konfrontiert sehen.

    Die Sentida-Modelle, mit denen Wissner-Bosserhoff den Preis gewonnen hat, stammen aus dem Nursing Home-Geschäftsbereich. „Allerdings gibt es ein speziell für den Krankenhausbereich konzipiertes Äquivalent, das Image 3 heißt und als ‚2 in 1 Niedrigklinikbett‘ ausgelobt wird, da es neben der innovativen Sturzprävention auch alle herkömmlichen Elemente eines Krankenhausbetts beinhaltet“, erzählt Rosada. Die beiden Geschäftsfelder Nursing Homes und Hospitals bereichern einander mehr und mehr: Auch der Nursing Home-Bereich integriert immer mehr Krankenhauselemente – etwa die eingebaute Waage, die sich auch als Bed-Exit-Assistent nutzen lässt. Sie sendet Impulse aus, wenn das angezeigte Gewicht plötzlich auf null zusteuert, weil der Patient das Bett verlässt.

    Matratzen, die Vitalzeichen messen
    Die Bed-Exit-Lösung gehört natürlich zu den Dingen, die Kunden von einem modernen Klinikbettenhersteller erwarten. Das neueste Projekt aber ist eine echte Geschäftsfelderweiterung: Linet plant eine Matratze, die durch Sensoren die Vitalzeichen der Patienten kontrolliert. „Wir arbeiten in diesem Projekt mit Forschungsinstituten und einem Mathematikprofessor in Tschechien zusammen, der die Algorhythmen entwickelt. Zurzeit testen wir unsere Lösung im Prager Universitätsklinikum Motul“, erzählt Rosada. Das dürfte auch den Chinesen gefallen. Linet arbeitet seit zwei Jahren an einer Zulassung für den dortigen Markt. „Die Verfahren sind sehr langwierig, sehr bürokratisch. Wenn wir es aber schaffen und der Bedarf des Landes zum Tragen kommt, dann schlägt das alles, was wir bisher auf die Beine gestellt haben.“

    Zur Person
    Michael Rosada ist seit 2010 Vorstand der Linet Group, die in Deutschland besser unter dem Namen Wissner-Bosserhoff bekannt ist. Davor war er Geschäftsführer bei einer international tätigen Beratungsfirma. Weitere Stationen seiner Karriere: McKinsey, Mercer Management Consulting, Capgemini, Tengelmann, Gerresheimer Glas und die Terrific AG, die er selbst gegründet hat. Michael Rosada ist hier zu sehen mit dem Multicare – „dem Flagschiff“ von Linet, wie er sagt. Das Multicare bietet unter anderem die Möglichkeit, den Bettrahmen schräg zu stellen (Lateralisierung), was Lagerung und Pflege des Patienten sehr erleichtert.


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    Michael Rosada, Vorstand Linet Group(Foto: Wollf)