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DOI: 10.1055/s-0036-1577368
Von wegen „arme Reha”
Median KlinikenAuthors
Publication History
Publication Date:
08 March 2016 (online)
Mit ihren oft kläglichen Tagessätzen gilt die Rehabilitationssparte als Armenviertel der Gesundheitsbranche. Trotzdem ist die Reha-Kette Median erfolgreicher als viele Krankenhäuser. Weil ihre Unternehmensspitze Biss und eine große Private Equity-Gesellschaft im Rücken hat.


Viele Krankenhausmanager belächeln die Rehabilitation. In ihren Augen ist sie ein Auffangbecken für Leute mit Ruhebedürfnis. Hartmut Hain, ein früherer Rhön-Vorstand, und Ex-Helios-Chef Ralf Michels arbeiten seit einigen Jahren an der Spitze von Median und widerlegen das Vorurteil. Sie sind keine Manager auf Kur. Das verrät allein schon die Grafik auf der Internetseite ihres Reha-Unternehmens. Zu sehen ist eine Bettenkurve, die seit 2010 steil nach oben führt und heute mit 43 Häusern bei der 9.500er Marke liegt. Der Umsatz beträgt fast eine halbe Milliarde Euro. Wie es zu dem plötzlichen Wachstum der gut 40 Jahre alten Reha-Kette gekommen ist, lässt sich leicht erklären: 2009 verkauften Median-Gründer Erich Marx und Axel Steinwarz ihr Unternehmen an die Beteiligungsgesellschaft Advent International und das Londoner Unternehmen Marcol.
Der Finanzinvestor Advent aus Boston (USA) hat seit seiner Gründung 1984 Fondsgelder in Höhe von 32,2 Milliarden US-Dollar verwaltet. Damit ermöglicht das Investmentfirma Akquisitionen, die für die meisten Unternehmen undenkbar sind. „Es hat mich gereizt, auf Basis dieser enormen Investitionsfähigkeit ein Unternehmen zu entwickeln”, sagt Hartmut Hain, der zuvor Chef des Familienunternehmens Medical Park war, das zehn Reha-Kliniken betreibt. Hain hat bei Median im Herbst 2012 den Posten von Martin Siebert übernommen, der wiederum zu Rhön gewechselt ist, um den damaligen Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Pföhler zu ersetzen.
8bis 10 Prozent Privatpatienten
Der neue Median-Chef treibt den Aufbau der Premium-Stationen voran: Fast im Monatstakt
haben in der letzten Zeit an bisher acht Standorten – wie Wiesbaden, Berlin-Hoppegarten
und Bad Nauheim – First-Class-Bereiche für Selbstzahler und Privatpatienten eröffnet.
Insgesamt hat sich der Anteil dieser Patienten seit 2012 von 4 Prozent auf jetzt 8
bis 10 Prozent erhöht. Den Hotelcharakter bekommen auch die Kassenpatienten zu spüren:
im Eingangsbereich, in der Lounge, im Restaurant – und durch eine bis zu einem gewissen
Grad luxuriösere Ausstattung auch in ihrem Bereich. „Außerdem gibt es regelmäßig Inhouse-Schulungen,
in denen die Mitarbeiter lernen, auf Kleinigkeiten zu achten und die Dinge mit den
Augen der Patienten zu sehen. Wir wollen weg vom Speisesaal-Denken und hin zum Restaurant-Denken”,
sagt Hartmut Hain. Zuständig für den Premium-Bereich – und auch für die Ressorts Medizin,
Qualität und Bau – ist der COO Philipp Cremer. Seine Position in der Geschäftsführung
ist erst Anfang dieses Jahres neu geschaffen worden.
Entscheidende Positionen richtig zu besetzen – dies ist für CEO Hain und den Aufsichtsratsvorsitzenden Ralf Michels ein zentrales Thema. So haben sie sich auch an allen Standorten die Klinikdirektoren angeschaut und sie bei Bedarf weiterentwickelt oder ersetzt. Offenbar mit Erfolg: Ein Branchenkenner meint, Median sei es gelungen, ein für die Reha-Branche sehr professionelles Management auf die Beine zu stellen. Schwierigkeiten, neues Personal zu finden, hat das Unternehmen nach Aussagen von Hain nicht: „Wir kommen durch unsere Beziehungen im Markt an viele Leute ran. Außerdem werden wir zunehmend von außen angesprochen – auch, wenn es um die Neubesetzung von Klinikdirektoren- oder Geschäftsbereichsleiterpositionen geht.”
Medical Boards für Chefärzte
Zugleich hat die übliche Zentralisierung für Einsparpotenziale gesorgt – der patientenfernen
Bereiche wie Einkauf und IT sowie der Verhandlungen mit den Kassen. „Entscheidend
ist, dass sie gute Ideen schnell vervielfältigt bekommen – es bewährt sich bei der
Integration neuer Kliniken, wenn Sie ein IT- oder Medizincontrolling-System immer
wieder mit den gleichen Leuten einführen”, meint Michels. Die Zentralisierung reicht
wie bei vielen Akutklinik-Verbünden auch in den medizinischen Bereich: So gibt es
Medical Boards für Chefärzte, Besprechungsplattformen und Trainee-Programme. Weil
Hain und Michels die Perspektive der Akutkliniken gut kennen, kümmert sich jetzt auch
eine zwölfköpfige Reservierungszentrale um die Vermittlung von Reha-Plätzen. „Früher
sind die Anrufe in den einzelnen Kliniken eingegangen”, erzählt Michels. „Und es dauerte
oft viel zu lange, bis sie den richtigen Ansprechpartner erreichten.”
Früh-Reha ist die Zukunft
Mit der Orthopädie, Kardiologie und Psychosomatik bietet Median das klassische Reha-Spektrum.
Doch zurzeit kümmert sich die Kette verstärkt um die Neurologie – genauer gesagt:
um die Früh-Rehabilitation mit und ohne Beatmung – auch Phase B genannt. Der Vorteil
der Früh-Reha: Sie ist im Krankenhausplan der Länder aufgenommen und wird mit Sätzen
um 640 Euro sehr gut vergütet für eine Branche, die in manchen Bereichen mit Tagessätzen
um die 120 Euro zurechtkommen muss. So erweitert Median in diesen Tagen die Klinik
Grünheide um einen neuen Trakt für Beatmungspatienten, außerdem baut das Unternehmen
an der Klinik NRZ Magdeburg eine neue Station für Frührehabilitation aus 1,8 Millionen
Euro Eigenmitteln, hinzu kommt eine Förderung von 4 Millionen Euro, die eher unüblich
ist in der Reha.
80 Millionen Euro in den Bestand investiert
„Unser Gewinn ist so ausreichend, dass wir in den letzten drei Jahren mehr als 80
Millionen Euro in den Bestand investieren konnten”, sagt Ralf Michels. Über die genaue
Marge möchte weder der Aufsichtsratschef noch Hain reden. Doch die beiden lassen durchblicken,
dass es Median besser geht als vielen Akutkliniken. Warum aber interessieren sich
dann so wenige Krankenhäuser für das Reha-Geschäft? „Ich glaube, die Reha ist nicht
in der DNA der großen Akutketten verankert, sie ist nicht Teil ihrer Strategie. Sicherlich
ist ihnen auch die Abhängigkeit von den Kostenträgern in der Reha unangenehm”, meint
Hain. In puncto Kostenträger haben sich die Netzwerktalente von Hain und Michels bewährt:
Die beiden haben Norbert Klusen, den ehemaligen Chef der Techniker Krankenkasse, für
den Aufsichtsrat gewinnen können. Mit ihm haben sie jemanden an ihrer Seite, der weiß,
was Kostenträger mögen und mit welchen Angeboten sie zu beeindrucken sind.
Hain und Michels wirken freundlich, offen, gar nicht kühl. Sie ermüden ihr Gegenüber nicht mit Managementvokabular; zeitnah, Optimierungsbedarf, zielführend – Wörter wie diese kommen nicht über ihre Lippen. So vergisst man fast, dass Median einer großen internationalen Private Equity-Gesellschaft gehört, die wie alle Beteiligungsfirmen knallharte Taktzahlen vorgibt und oft strengen Regeln folgt. Eine dieser Regeln lautet: Nach fünf bis sieben Jahren wird das Unternehmen weiterverkauft. Deshalb glauben Branchenkenner, dass Median – seit fünf Jahren in Advent-Hand – demnächst wieder auf den Markt kommt. „Bei Private Equity-Gesellschaften herrscht eine Arbeitsteilung wie bei den Ameisen. Wenn das Unternehmen einen gewissen Umfang erreicht hat, wird es von einer der nächstgrößeren Beteiligungsgesellschaften übernommen”, erzählt ein Experte. Das seien alles Gerüchte, meint Hain. Lieber als über das Thema Verkauf spricht er über die aktuelle Kooperation mit VW: Der Autohersteller hat Median 24 Therapiefahrzeuge ohne Motor zur Verfügung gestellt, die unter anderem mit Lenkhilfen und Schwenksitzen ausgestattet sind. So können etwa Patienten mit Hüft-Implantat das Ein- und Aussteigen üben. Hain berichtet darüber mit leuchtenden Augen – fast glaubt man, ihm sei vieles wichtiger als die Welt der Finanzinvestoren.

