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DOI: 10.1055/s-0036-1576734
Das Siegel bleibt
Neue EU-VerordnungPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
08. März 2016 (online)
Die Europäische Kommission reagiert auf den Skandal um minderwertige Brustimplantate: Sie will die Regeln für Medizinprodukte vereinheitlichen. Doch die Industrie hat nicht viel zu befürchten. Die umstrittene CE-Zulassung bleibt unangetastet, dafür soll künftig ein bisschen strenger kontrolliert werden.


Die EU plant eine Verordnung, die künftig den Marktzugang, die Kontrolle und Überwachung von Medizinprodukten in Europa regelt. Eine Verordnung ist im Gegensatz zu den bisherigen Richtlinien unmittelbar Gesetz und würde die bisher unterschiedliche Umsetzung der Richtlinien in den Mitgliedstaaten vereinheitlichen und ersetzen. Die EU-Kommission will so unterschiedliche Sicherheitsstandards in der EU beseitigen. Der Entwurf kam früher als erwartet – wohl auch, weil der Patientenschutz Anfang des Jahres in den Mittelpunkt gerückt ist, nachdem minderwertige Silikon-Brustimplantate eines französischen Herstellers für einen internationalen Gesundheitsskandal mit vielen geschädigten Frauen gesorgt haben. Die Brustimplantate wurden ursprünglich von einer deutschen Prüfstelle zugelassen.
Kein Systemwechsel bei der Zulassung
An der Zulassung, die seit 25 Jahren in der EU praktiziert wird, soll sich jedoch
kaum etwas ändern. Nach diesem Zulassungsverfahren dürfen Medizinprodukte nur in Verkehr
gebracht werden, wenn sie ein CE-Kennzeichen haben. Ziert das Zeichen erst einmal
ein Produkt, steht dem Unternehmen der europäische Markt offen. Hersteller können
sich dabei frei für eines der rund 80 privatwirtschaftlichen Zertifizierungsinstitute
in Europa – im Fachjargon „Benannte Stellen” – wie den TÜV oder die Dekra entscheiden.
Das Prüfsiegel ist kein Garant für die Produktsicherheit, erklären Kritiker. Denn
die Zertifizierung erfolgt offenbar nicht überall mit der gleichen Sorgfalt. Die Zeitspanne
für eine Zertifizierung kann dabei wenige Wochen bis hin zu anderthalb Jahre betragen.
Osteuropäische Stellen sind bei den Herstellern beliebt, da die Bestimmungen dort
häufig weniger bürokratisch sind als beispielsweise in Deutschland. Hinzu kommt, dass
Zertifizierung in Ländern wie Ungarn, Tschechien oder Polen deutlich weniger kosten
als bei uns. Vor allem Kassen kritisieren diese Diskrepanz. „Für Hochrisikoprodukte
wie zum Beispiel Herzschrittmacher brauchen wir auf europäischer Ebene ein unabhängiges,
zentrales behördliches Zulassungsverfahren”, fordert Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands.
Die Kommission lehnt das ebenso ab wie eine Nutzenbewertung für Medizinprodukte. Stattdessen
will sie die Überwachung zugelassener Produkte durch Stichproben intensivieren (siehe
auch Interview auf den folgenden Seiten). Außerdem soll die Veröffentlichung von Studien
und Fehlermeldungen dank des Ausbaus der europäischen Datenbank Eudamed transparenter
werden. Derzeit ist es schwierig, fehlerhafte Produkte nachzuverfolgen, weil ein brauchbares
Datenregister fehlt.
Aufbereiter wird zum Hersteller
Das Gesetz regelt auch die Aufbereitung von Medizinprodukten. Demnach soll ein Wiederaufbereiter
alle Pflichten und Garantien eines Herstellers übernehmen, quasi selbst zum Hersteller
werden. Es komme dabei nicht darauf an, ob ein Produkt ursprünglich als Einwegprodukt
vermarktet wird, sondern auf die sachgerechte Wiederaufbereitung. Festgezurrt ist
aber noch nichts: Nun beginnt die heiße Phase für die Lobbyisten in Brüssel. Mit dem
EU-Gesetz ist frühestens 2014 zu rechnen.

