Aus populationsbasierten Studien gibt es Hinweise auf eine mögliche genetisch basierte
Suszeptibilität für Lungenkrebs, die für eine familiäre Häufung der Erkrankung bei
Nichtrauchern verantwortlich sein soll. Dem möglichen Zusammenhang zwischen familiärer
Anamnese und dem Lungenkrebsrisiko bei Nichtrauchern sind H. Lin et al. jetzt gezielt
nachgegangen.
Lung Cancer 2015; 89: 94–98
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Die Wissenschaftler führten hierzu eine Fall-Kontroll-Studie mit 309 Patienten mit
Lungenkrebs und 509 Kontrollen durch, ketztere waren Ehepartner von Patienten und
Angehörige, die wie die Patienten selbst angaben, nie geraucht zu haben. Mit Hilfe
eines strukturierten Fragebogens erhoben die Autoren neben demografischen Daten (Alter,
Geschlecht, Abstammung) auch Daten zu Passivrauch-Exposition, Kochgewohnheiten, Belüftung
im Haushalt, beruflicher Exposition und der industriellen Schadstoffbelastung am Wohnort
oder Arbeitsplatz. Zur Identifikation von Assoziationen der familiär bedingten Krebswahrscheinlichkeit
adjustierten sie die multiple logistische Regressionsanalyse um diese Faktoren.
30 % aller Patienten waren Passivraucher. 266 der 318 Patienten litten unter einem
Adenokarzinom. Mehr Fälle als Kontrollen wiesen anamnestisch eine Lungenerkrankung
auf (29 vs. 8 %). Die Schadstoffexposition im Haushalt und bei der Arbeit war in beiden
Gruppen vergleichbar. Die Lungenkarzinom-Patienten hatten aber häufiger einen erstgradigen
Familienangehörigen, der bereits an Krebs erkrankt war, als die Kontrollpersonen (34,6
vs. 22,8 %). Das galt insbesondere für die Mütter der Patienten (adjustierte Odds
Ratio [aOR] 2,64, p < 0,001).
Die familiäre Lungenkrebsanamnese war ein starker Prädiktor für das eigene Krebsrisiko
(aOR 3,21; p < 0,001) wie auch für andere Krebserkrankungen (aOR 1,79; p < 0,001).
Die weitere Analyse anderer von einer Krebserkrankung betroffenen Familienmitglieder
zeigte einen Geschlechtsunterschied: Ein männlicher erstgradiger Verwandter des nicht
rauchenden Lungenkrebspatienten hatte ein um 54 % erhöhtes allgemeines Krebsrisiko
im Vergleich zu Angehörigen von Kontrollen ein. Das Risiko für ein Bronchialkarzinom
für diese Verwandten stieg um den Faktor 2,25 an. Bei erstgradigen weiblichen Verwandten
des Lungenkrebspatienten war das allgemeine Krebsrisiko um den Faktor 2,37 und das
Lungenkrebsrisiko um den Faktor 7,31 erhöht.
Die Fall-Kontroll-Studie fügt der bestehenden Evidenz für genetische Faktoren beim
Bronchialkarzinom von Nichtrauchern weitere Belege hinzu. Besonders ausgeprägt ist
der Einfluss solcher Faktoren bei einer mütterlichen Krebserkrankung. Ob das erhöhte
Krebsrisiko der weiblichen erstgradigen Verwandten auf eine besondere Suszeptibilität
für Karzinogene hinweist, oder auf andere bisher nicht bekannte Risikofaktoren zurückzuführen
ist, ist nach Angaben der Autoren unklar.