Muskelverletzungen stellen die häufigste Sportverletzung dar. Abhängig von der Lokalisation
und Schwere der Verletzung stehen unterschiedliche Therapieoptionen zur Verfügung.
Die 4 großen Muskelgruppen (Hamstrings, Adduktoren, Gastroknemius und die Kniestrecker)
stehen im Mittelpunkt der Behandlung [11]. Meist sind es akute Verletzungen, die durch exzentrische Krafteinwirkungen entstehen,
die 1,9–11,5-mal höher sein können als die konzentrische Krafteinwirkung [19]. Hierdurch entstehen indirekte Muskelverletzungen unterschiedlichen Ausmaßes, vor
allem am Muskel-Sehnen-Übergang. Die meisten Muskelverletzungen sind indirekte Partialrupturen
(Minorrupturen) und heilen ohne Narbenbildung aus. Die höhergradige Muskelverletzung
heilt im Sinne eines reparativen Prozesses mit Ausbildung einer mehr oder weniger
stark ausgebildeten Narbe [19]. Hier werden 3 Phasen unterschieden, die sich auch in den einzelnen Abschnitten
der konservativen Therapiekonzepte wiederfinden ([Abb. 1]).
Abb. 1 Schematische Darstellung der Muskelheilung.
-
Verletzungsphase/Entzündungsphase (1.–5. Tag): Sie ist durch die Ruptur der Muskelzellen
mit darauffolgender Ausbildung eines Hämatoms und der Einleitung einer entzündlichen
Reaktion charakterisiert.
-
Reparationsphase (ca. 5.–14. Tag): Hier steht die Phagozytose mit der Regeneration
der Muskelzellen und der beginnenden Ausbildung eines Narbengewebes im Mittelpunkt.
-
Remodeling-Phase (14.–21. Tag und länger): Ausbildung und Reorganisation der Narbe
mit „kompletter“ Regeneration der ehemaligen Muskelverletzung und Erreichen der funktionellen
Leistungsfähigkeit.
Klinik/Bildgebung und Klassifikation
Klinik/Bildgebung und Klassifikation
Die Diagnose der Muskelverletzung beginnt mit einer genauen Anamneseerhebung des Traumas,
gefolgt von einer exakten klinischen Untersuchung, einschließlich Inspektion und Palpation.
Die Funktionsdiagnostik steht am Ende [19].
Unterschiedliche Klassifikationen sind in der Literatur veröffentlicht. Klinische
Klassifikationen mit 3 Graden sind weit verbreitet. Milde Formen stellen hier Grad-I-Verletzungen
mit nur geringem strukturellem Schaden, geringer Schwellung und wenig Schmerzen, begleitet
von geringem Kraftverlust und Bewegungseinschränkung dar. Grad II sind moderate Verletzungen
mit größerem strukturellem Schaden und deutlichem Funktionsverlust, während eine komplette
Ruptur des Muskels einen drittgradigen Schaden darstellt [19]. Subtypen der Muskelverletzungen und eine genaue Terminologie werden hier nicht
erfasst. Mueller-Wohlfahrt et al. schlagen deshalb ein neues Klassifikationssystem
vor [30]. Unterschieden werden hier akute strukturelle Schäden von der akuten funktionellen
Störung. Symptome, klinische Untersuchung, Lokalisation und Bildgebung sind für die
Unterscheidung der Gruppen notwendig. Die meisten indirekten Muskelverletzungen stellen
Partialrupturen dar, die von dieser Arbeitsgruppe noch in Minor-/moderate Verletzungen
unterteilt werden ([Tab. 1]).
Tab. 1 Aktuelle Klassifikation der Muskelverletzungen nach Mueller-Wohlfahrt et al.: Konsensmeeting
von 15 internationalen Experten.
A. Indirect Muscle Disorders/Injury
|
Functional Muscle Disorders
|
Type 1: Overexertion-related Muscle Disorders
|
Type 1A: Fatique-induced Muscle Disorders
|
Type 1B: Delayed-onset Muscle Sorenesse (DOMS)
|
Type 2: Neuromuscular Muscle Disorders
|
Type 2A: Spine-related Muscle Disorders
|
Type 2B: Muscle-related Muscle Disorders
|
Structural Muscle Injury
|
Type 3: Partial Muscle Tear
|
Type 3A: Minor Partial Tear
|
Type 3B: Moderate Partial Tear
|
Type 4: (Sub)total Tear
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Subtotal or complete Muscle Tear and Tendinous Avulsion
|
B. Direct Muscle Disorders
|
Contusion
|
Laceration
|
Bildgebung
Die Bildgebung mit Sonografie und Kernspintomografie (MRT) stellt einen wichtigen
Baustein in der Diagnostik dar. Der frühe Einsatz der Sonografie kann schnell und
ohne großen Aufwand den möglichen strukturellen Schaden erfassen [35]. Die MRT-Diagnostik bietet den Vorteil der exakten Darstellung mit Lokalisation
und Ausmaß der Verletzung mit Darstellung eines Ödems bzw. des strukturellen Schadens
selbst. In Kombination mit der Klinik lässt sich die Verletzung meist schnell und
sicher erfassen [10]. Ein weiterer Vorteil der Kernspintomografie ist die sichere Erfassung von Differenzialdiagnosen
im Hüftbereich wie Stressfrakturen ([Abb. 2]), Labrumverletzungen, Avulsionsverletzungen, „Greater Trochanter Pain Syndrome“.
Abb. 2 Koronare SE-T1-Aufnahmen von einem Marathonläufer mit beidseitiger Stressfraktur.
Therapiekonzepte
Die vorherrschenden Therapieprinzipien der Muskelverletzungen sind noch nicht vollständig
geprüft und es fehlen z. T. wissenschaftliche Studien zur genauen Evaluation [19], [29]. In dem folgenden Abschnitt sollen „klassische“ Therapieprinzipien auf der Basis
von prinzipiellen Überlegungen zur Muskelheilung bei strukturellen Verletzungsformen
besprochen werden. Da die Hamstring-Gruppe am häufigsten verletzt ist, wird sie hier
etwas genauer betrachtet.
Konservative Therapiemaßnahmen
Konservative Therapiemaßnahmen
Die häufigste Therapieoption in der Behandlung der Muskelverletzung stellt die konservative
Therapie dar und sollte sich, wie oben schon erwähnt, an den 3 Phasen der Muskelheilung
orientieren [19], [42]. Der Sportler muss, unabhängig von der Schwere der Verletzung, genügend „Zeit“ bekommen,
die Akutphase, Subakutphase/Regenerationsphase und funktionelle Phase zu durchlaufen,
um eine ausreichende Regeneration der Verletzung zu erreichen. Das Ziel der einzelnen
Trainingsphasen liegt in der Entwicklung der notwenigen funktionellen Fähigkeiten
für den Sportler, um die erneute Verletzung zu verhindern. Die Ausfallzeiten orientieren
sich an der Schwere und Klassifikation der Muskelverletzung (siehe [Tab. 1]).
Akutphase
Immobilisation/Mobilisation
In den ersten Tagen ist eine kurzzeitige „Ruhigstellung“ der Extremität mithilfe einer
elastokompressiven Wickelung gefolgt von einer Frühmobilisation sinnvoll ([Abb. 3]). Je nach Ausmaß der Verletzung müssen zusätzlich Gehhilfen benutzt werden [18]. Diese Zeit benötigt die erste Ausbildung der Narbe zur Überbrückung der „Lücke“
zwischen den Stümpfen, um der kontraktilen Kraft dann entgegenwirken zu können [18]. Vorsichtige Massage um die verletzte Stelle des Muskels und der Lendenwirbelsäule
sind hilfreich [33]. Ebenso können Infiltrationen von Lokalanästhetikum, Actovegin, Traumeel S und Platelet-rich
Plasma (PRP) adjuvant in dieser Phase angewandt werden. Die Rolle der NSAR ist noch
nicht abschließend geklärt. Insgesamt kann die Gabe kurzzeitig in der Akutphase sinnvoll
sein. Der systematische Einsatz wird aber unter Experten in den letzten Jahren abgelehnt
[34].
Abb. 3 Schaubild der Akutphase.
RICE-Prinzip
Sinnvoll sofort nach Verletzung einzuleiten und bis zu 24 Stunden nach Verletzung
weiterzuführen: Alle 4 RICE-Maßnahmen (Rest/Ice/Compression/Evaluation) haben zum
Ziel, die Retraktion der Muskelstümpfe und die Einblutung an der verletzten Stelle
möglichst gering zu halten, um somit eine Ausbildung einer kleinen Narbe zu erreichen.
Die Eisanwendung erfolgt mit einer Dauer von 15–20 Minuten mit Intervallen von 30–60
Minuten, gefolgt von einer elastokompressiven Wickelung mit Kurzzugbinden [2]. Die Gabe von NSAR kann in der Akutphase sinnvoll sein. Zusätzlich können Tauchbäder
für 10 Minuten bei 25 °C in dieser Phase angewandt werden. Der hydrostatische Wasserdruck
unterstützt hier die RICE-Anwendung. Die Tauchbäder sind in Ruhe ohne aktive und passive
Bewegung 2-mal/Tag bis auf Beckenhöhe in den ersten 2 Tage nach der Verletzung möglich
[45]. Neben den o. g. Maßnahmen erwähnen einige Autoren auch noch die Manipulation des
Iliosakralgelenks (ISG) mit einzubeziehen. Das ISG stellt ein wichtiges Bindeglied
zwischen der Wirbelsäule und den Beinen dar. Dysfunktionen können zu Veränderung der
Hamstring-Aktivität führen [27]. Insbesondere auch bei funktionellen Störungen (Typ 2A) können hier, neben der Lendenwirbelsäule,
die Ursachen liegen [33]. Passive Maßnahmen wie Elektrotherapie, Iontophorese, Lymphdrainage sowie klassische
Massage der gesamten Kette werden zusätzlich durchgeführt. Des Weiteren wird die krankengymnastische
Übungsbehandlung mit Schwerpunkt propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF).
Persistieren die Schmerzen über den 3.–5. Tag hinaus, sollte eine erneute Evaluation
der Verletzungsschwere erfolgen. Bei deutlicher Beschwerdebesserung kann der Sportler
in die 2. Phase (Regenerationsphase) übergeleitet werden ([Abb. 4]).
Abb. 4 Schaubild der Regenerationsphase.
Funktionale Phase
Die trainingstherapeutischen Ziele sind in der letzten Phase:
-
Vergrößern der „optimalen“ Länge der Hamstrings,
-
Verringerung der Beinasymmetrie bez. der „optimalen“ Länge der Hüftmuskulatur, der
horizontalen Kraftentwicklung während des Laufens und
-
Verbesserung der Torsionsfähigkeit des Rumpfes [29].
Allgemein kann in dieser Phase mit vorsichtigem Laufbandtraining, Koordinationsschulung,
Lauftraining auf dem Rasen und am Ende mit schrittweiser Wiedereingliederung in das
sportartspezifische Training begonnen werden [31]. Physiotherapeutisches Ziel ist es vor allem, die Eigenschaften der sich ausbildenden
Narbe auf die Anforderungen möglichst gut anzupassen ([Abb. 8]).
Abb. 8 Schaubild der funktionalen Phase.
Jede Skelettmuskulatur besitzt eine optimale Länge für die Entwicklung einer maximalen
Kraft, die nach einer Verletzung verkürzt ist. Verletzungen entstehen wahrscheinlich,
wenn der aktivierte Muskel über diese optimale Länge gedehnt wird [6]. Isokinetische Messungen zeigen valide Daten bez. Drehmoment, Geschwindigkeit, Winkelposition.
Durch exzentrisches Krafttraining ist es möglich, diese optimale Länge der Muskulatur
zu erreichen [7]. Für die Hamstring-Muskulatur bedeutet dies die Einbeziehung der Hüftbeugung bzw.
Kniestreckung in der geschlossenen Kette bzw. sog. Multigelenkübungen [8]. Ein weiterer Risikofaktor für Hamstring-Verletzungen ist die nicht ausreichende
Muskelkraft während exzentrischer oder konzentrischer Krafteinleitung. Insbesondere
das exzentrische Spitzendrehmoment bei Knieflexion ist nach einer Hamstring-Verletzung
reduziert [41]. Die reduzierte Kraft der Hüftstrecker (M. glutaeus maximus) kann ebenfalls einen
Risikofaktor darstellen. Da die meisten Hamstring-Verletzungen proximal auftreten,
ist die Erfassung der Hüftstrecker essenziell. Unterschiedliche einfache exzentrische
Übungen [20] können zur Verbesserung der Kraft genutzt werden.
Fußballspieler können nach einer Verletzung der Hamstrings zusätzlich eine Beinasymmetrie
der horizontalen Kraftentwicklung während des Laufens entwickeln. Als Gründe werden
hier ein vermehrter „Becken-Tilt“ und eine veränderte Kraftübertragung von proximal
nach distal in der Standphase angenommen. Die Überprüfung ist auf nicht motorisierten
Laufbändern möglich. Zur Verbesserung werden uni- und bilaterale Übungen empfohlen,
die dem Sportler die Möglichkeit geben, die Kraft in der horizontalen Ebene zu verbessern
[9]. Die Verbesserung der Torsionsfähigkeit des Rumpfes im Hinblick auf die „Core Stability“
stellt ein weiteres wichtiges Merkmal dar. Einen sehr guten Test stellt der „Active
Straight Leg Raise Test“ (ASLR) dar [26]. Gute Kontrolle ohne eine vermehrte Beckenkippung ist hier Voraussetzung.
Wiedereingliederung in das sportartspezifische Training
Wiedereingliederung in das sportartspezifische Training
Die Wiedereingliederung in das sportartspezifische Training sollte individuell nach
Beendigung der funktionellen Phase getroffen werden. Wichtige allgemeine Kriterien
sind schmerzfreie Palpation, schmerzfreie isometrische Kontraktion, seitengleiche
Beweglichkeit und nahezu gleiche Kraftentwicklung (Delta: 5–10 %) in der isokinetischen
Kraftmessung zur Gegenseite [14]. Weitere spezifische Kriterien für die Hamstring-Muskulatur sind in [Abb. 8] aufgeführt.
Infiltrationstherapie einschließlich PRP
Infiltrationstherapie einschließlich PRP
Die Anwendung von autologen Produkten wie Platelet-rich Plasma (PRP) ist ein ständig
und schnell wachsendes Anwendungsgebiet in der Sportmedizin. Seit 2011 stellt die
Injektion von autologem PRP kein Doping mehr dar [47]. Gegenüber dem normalen Serum ist die Konzentration der Thrombozyten im PRP deutlich
höher (mindestens: 1 000 000 platelets/µl in 5 ml) und die Konzentration von Wachstumsfaktoren
steigt auf das 3- bis 5-Fache. Es wird angenommen, dass die Wachstumsfaktoren die
Muskelregeneration beeinflussen und die Rehabilitationszeit verkürzen können. Obwohl
viele Grundlagen- und Tierstudien hierzu veröffentlicht sind, gibt es noch keine randomisierten
kontrollierten Studien, die die Überlegenheit von PRP bei Muskelverletzungen gegenüber
einer Kontrollgruppe bestätigen. Meist handelt es sich um retrospektive oder Fall-Kontroll-Studien
ohne Randomisierung und Kontrollgruppe [1]. Hammond et al. zeigten im Tiermodell, dass der Einsatz von PRP signifikant die
Heilungszeit von 21 auf 14 Tage reduzierte [15]. Sanchez et al. berichteten 2005 auf dem 2. „World Congress on Regenerative Medicine
2005“ über ähnliche Ergebnisse. Sie zeigten, dass sich die Rehabilitationszeit halbierte
[38]. In einer Arbeit von Wright-Carpenter et al. wurde die „Return-to-Sport-Zeit“ um
30 % (6 Tage) vermindert. In einer Arbeit aus dem Jahre 2013 zeigten Wetzel et al.
in einer retrospektiven Arbeit über 17 Sportler, dass es auf der visuellen Analogskala
zu einer signifikanten Verbesserung kam [44]. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) kommt 2010 zu dem Schluss, dass es
im Moment nur wenig wissenschaftlich belegte Ergebnisse für den Einsatz von PRP bei
Sportverletzungen gibt [12]. In einem systematischen Review aus dem Jahre 2011 zeigen Andia et al. ebenfalls,
dass es keine randomisierten Studien gibt, die den Vorteil von PRP-Injektionen bei
Muskelverletzungen bestätigen [1]. Das einzige uns bekannte randomisierte Studienprotokoll wurde von Hamid et al.
2012 veröffentlicht. Partialrupturen der Hamstrings wurden hier eingeschlossen und
in 2 Gruppen randomisiert. Beide Gruppen erhielten ein standardisiertes Physioprogramm,
eine Gruppe erhält zusätzlich die Injektion von PRP.
Unter Berücksichtigung der genannten Ergebnisse kann die Therapie mit PRP in bestimmten
Fällen und in Kombination mit physikalischen Therapiemaßnahmen eine Option darstellen.
Wir verwenden PRP im Moment bei Grad-III b-Verletzungen. Der Einsatz von PRP sollte
aber nicht für eine Beschleunigung der einzelnen Heilungsphasen, sondern für die optimale
Heilung im zeitlichen Rahmen gesehen werden [21], [33].
Die Injektion erfolgt unter sterilen Bedingungen und Ultraschallkontrolle. Ein geringes
Volumen von Lokalanästhetikum wird proximal und distal der Ruptur injiziert. Ein evtl.
vorhandenes Hämatom wird aspiriert und das PRP-Serum (3 ml) wird injiziert. Eine elastokompressive
Wickelung steht am Schluss der Behandlung und der Sportler wird aufgefordert, für
20–30 Minuten in sitzender oder halb sitzender Haltung zu ruhen.
Die Infiltrationstherapie nach Müller-Wohlfahrt [31] ist in der sportmedizinischen Praxis in Deutschland weit verbreitet [48]. Insbesondere bei funktionellen Störungen vom Typ 1 und 2 ([Tab. 1]) können sie adjuvant eingesetzt werden. Das Standardregime besteht, je nach Ausmaß
der Muskelverletzung, aus Injektion von Lokalanästhekium, Actovegin und Traumeel S
an den Tagen 0, 2 und 4 nach der Verletzung. Injektionen erfolgen an die verletzte
Stelle selbst, in einer vertikalen Linie entlang des verletzten Muskels und im Bereich
der Lendenwirbelsäule bei neurogen bedingten Störungen (Typ 2A). Wie bei dem Einsatz
von PRP fehlt auch hier der wissenschaftliche Beweis. Es bestehen aber Parallelen
zwischen dem Verständnis der Muskelheilung durch Müller-Wohlfahrt und der Grundlagenforschung,
die einen Nutzen in einer gewissen Kontrolle der Entzündungsphase sehen [5]. Weltweit anerkannte Sportmediziner kommen deshalb auf einem sportmedizinischen
Expertenmeeting 2007 in London zu dem Schluss, dass die genannte Infiltrationstherapie
eine gute Therapieoption darstellen kann.
Operative Therapie
Die operative Versorgung von Muskelverletzungen ist seltenen Indikationen vorbehalten:
-
großes Hämatom
-
komplette/subtotale Ruptur ([Abb. 9])
-
Verletzungen mit mehr als 50 % des Durchmessers/der Fläche
-
schmerzhafte ausgeprägte Narbenbildung mit deutlichem Extensionsdefizit
-
schmerzhafte Myositis ossificans
-
evtl. großzügiger, falls keine Synergisten [23], [24]
Abb. 9 Koronare FS-Aufnahme mit komplettem Abriss der Hamstring-Muskulatur. Teile des Bizepsmuskels
stehen noch.
Die Operation sollte möglichst schnell nach der akuten Verletzung erfolgen. Der Vorteil
ist zusätzlich in der Frühmobilisation zu sehen. Hämatom und nekrotisches Gewebe sollten
sorgfältig entfernt werden. Alternativ kann das Hämatom, wenn möglich, durch Punktion
entlastet werden [36]. Die Muskelnähte erfolgen mit resorbierbarem Material optimalerweise in einer modifizierten
Technik nach Kragh [23]. Die verletzte Stelle wird hier in 4 Quadranten eingeteilt. Unter Fassen des Epimysiums
erfolgen vorsichtige umgreifende Nähte. Danach erfolgt die adaptierende Naht in modifizierter
Mason-Allen-Naht. Die umgreifenden Nähte sollten hier nicht zu fest gezogen werden,
um das darunter liegende Muskelgewebe nicht noch zusätzlich zu schädigen. Sind mehrere
Muskelfaszien betroffen, sollten sie einzeln rekonstruiert werden. Die operative Therapie
am muskulotendinösen Übergang ergibt bessere Ergebnisse.
Wie oben schon erwähnt, sind die Hamstrings die häufigste verletzte Muskelgruppe.
Mehrere Studien zeigten, dass durch frühzeitige Operation von kompletten proximalen
Abrissverletzungen gute funktionelle Ergebnisse und eine hohe Rückkehrrate zum Sport
erreicht werden kann [46]. Ebenso verhält es sich bei Verletzungen der proximalen Anteile des M. rectus femoris
[40]. Fadenankerrefixationen stellen hier eine gute Operationsmethode dar. Die postoperative
Lagerung erfolgt in „Neutralposition“ mithilfe einer Orthese. Die Zeitdauer der Immobilisation
hängt von der Größe der Verletzung und dem Rekonstruktionsergebnis ab. In der Regel
erfolgt eine Teilbelastung für 4–6 Wochen mit vorsichtigen passiven Dehnübungen. Hier
ist anfänglich auf eine spannungsfreie Hüftflexion von 30–60° bei gleichzeitiger Knieflexion
zu achten. Mit dem Beginn der 4. Woche kann die Hüftflexion auf 60–90° gesteigert
werden. Die Vollbelastung und Mobilisation kann ab der 7. Woche erreicht werden.
Schmerzhafte Ossifikationen als Folge einer Metaplasie bei großem Hämatom können im
chronischen Fall eine Operation notwendig machen ([Abb. 10]). Bei chronischen Verletzungen stehen meist die Mobilisation der Narbe und die Wiederherstellung
der Muskelkontinuität im Vordergrund. Die Ergebnisse sind im Vergleich zur Akutversorgung
aber schlechter [37].
Abb. 10 a und b Ausbildung einer ausgeprägten Ossifikation nach Hamstring-Verletzung: a Röntgenbild, b Operatives Korrelat.