Einleitung
Jeder Sportinteressierte hat es schon häufiger gesehen: Nach einem Foulspiel liegt
der Spieler am Boden und kann nicht mehr aufstehen. Der Mannschaftsarzt und der Physiotherapeut
rennen auf den Platz, um den verletzten Sportler zu behandeln. Dabei ist meist eine
Tasche voller Utensilien. Der Wunsch, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein
und eine entsprechende Ausrüstung vorzuhalten entspricht hierbei häufig nicht der
Realität. Dennoch gibt es viele hilfreiche Tools, die der Sportarztkoffer beinhalten
kann.
Für viele im Bereich der Sportmedizin Tätige stellt sich bei der medizinischen Betreuung
und Versorgung die Frage: Was gehört eigentlich in den Arztkoffer? Zunächst sollte
bereits an dieser Stelle klargestellt werden, dass der Sportarztkoffer anders zusammengestellt
ist als die Betreuungskoffer für bspw. den Sportphysiotherapeuten oder den Trainer/Betreuer.
Trotzdem gibt es u. a. für die „Erste-Hilfe“-Anforderungen hier auch viele Gemeinsamkeiten.
Der wesentliche Unterschied beim Gebrauch eines Sportarztkoffers ist, dass die Ausgabe
und Verordnung von Medikamenten ausschließlich dem Arzt obliegt.
Verschreibungspflichtige Medikamente können und dürfen nur auf ärztliche Anordnung
gegeben werden. Die Grundlagen hierfür finden sich im deutschen Arzneimittelgesetz
und der Arzneimittelverschreibungsverordnung. Diese regeln den sachgemäßen Umgang
mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Interesse einer ordnungsgemäßen und
sicheren Arzneimittelanwendung. Dem gegenüber steht, dass ein Großteil der benötigten
Utensilien nicht medikamentöser Art ist. Insbesondere sind hier unterschiedliche Verbandsmaterialien,
Tapes, Salben und Eis zu nennen. Untersuchungen oder systematische Reviews über den
notwendigen Inhalt des Sportarztkoffers gibt es verständlicherweise nicht. Im Wesentlichen
handelt es sich somit um die Erfahrung des Einzelnen mit den verschiedenen Inhalten.
Im Folgenden sollen dem Leser einige, hoffentlich hilfreiche, Tipps und Ausführungen
dargestellt werden.
Ein wichtiger Faktor für die Zusammenstellung des Sportarztkoffers ist das „Setting“.
So macht es verständlicherweise einen Unterschied, ob der Arzt ein einzelnes Fußballspiel
oder ein ganzes, ggf. mehrwöchiges Turnier betreut. Ebenfalls gilt es eine Differenzierung
für die verschiedenen Sportarten zu machen. So sollte der Inhalt des Sportarztkoffers
bei Kampfsportarten durchaus unterschiedlich zu einem Betreuungskoffer für eine Ausdauersportart
sein. Nasenbluten, Platzwunden, Luxationen und das Risiko für Halswirbelsäulenverletzungen
spielen im Ausdauersport eine untergeordnete Rolle, können bei einigen Kampfsportarten
aber zum „Tagesgeschäft“ gehören. Zusätzlich muss bedacht werden, dass der Umfang
und Inhalt der Kofferausstattung für die Betreuung einer Trainingsmaßnahme typischerweise
umfangreicher ist als für den Wettkampf. So kann aus dem Sportarztkoffer auch schnell
ein 2. Koffer oder gar eine kleine Sportarztapotheke werden ([Abb. 1] und [2]).
Abb. 1 a und b Beispiel einer Sportarztapotheke für die mehrtätige Mannschaftsversorgung bei einer
Sportgroßveranstaltung. Medikamente und Verbands-Taping-Material.
Abb. 2 Beispiel eines Sportarztkoffers mit Notfallrucksack.
Es gibt nicht den einen Universalkoffer; vielmehr kann man von einer individuellen
und variablen Zusammenstellung mit einigen Grundausstattungsmerkmalen sprechen.
Erfahrungen in der jeweiligen Sportart und die Kenntnis der sportartspezifischen Anforderungsprofile
sind für den betreuenden Arzt unumgänglich und nicht nur für die Zusammenstellung
der Materialauswahl zwingend notwendig.
Bei größeren Maßnahmen, bei denen mehrere Personen an der medizinischen Betreuung
beteiligt sind, empfiehlt es sich, eine zentrale Koordination vorzunehmen, und es
sollte eine Absprache bezüglich der Material- und Medikamentenauswahl mit den zuständigen
Ärzten und Physiotherapeuten erfolgen. Dies gewährleistet eine optimale Ressourcennutzung
und vermeidet Situationen, in denen einige Dinge doppelt und 3-fach, andere hingegen
gar nicht vorhanden sind, da es in der jeweiligen Ausrüstung typischerweise Überschneidungen
gibt.
Es empfiehlt sich, die „Apotheke“ selbst zusammenzustellen und mitzuführen, um bspw.
nicht im Ausland Medikamente kaufen und besorgen zu müssen. Dies hat unterschiedliche
Gründe. Ein relevanter Faktor ist sicherlich die unmittelbare Verfügbarkeit und der
ohne Zeitverzögerung durchführbare Behandlungsbeginn bei der jeweiligen Betreuungsmaßnahme.
Es sollte gewährleistet sein, dass der Arzt und ggf. auch der Athlet auf für ihn bekannte
Medikamente zurückgreifen kann. Dies erhöht die Anwendungssicherheit und reduziert
das Risiko einer Fehlmedikation oder Fehldosierung. Ebenfalls ist das Risiko einer
Medikamentenverunreinigung, die in einigen Ländern nicht ausgeschlossen, vielleicht
sogar wahrscheinlich ist, minimiert.
Die Ausrüstung ist häufig, u. a. aus logistischen Gründen, auf das Notwendige zu beschränken.
Bei allen Medikamenten und dem Sterilgut (Spritzen, Nadeln etc.) ist das Verfallsdatum
zu beachten und vor jedem Einsatz zu kontrollieren.
Packlisten für den Sportarztkoffer sind sinnvoll.
Anti-Doping-Richtlinien
Grundsätzlich sei darauf hingewiesen, dass in der Sportbetreuung selbstverständlich
die Anti-Doping-Richtlinien gelten. Es ist darauf zu achten, dass keine Medikamente
mitgeführt werden, die auf der Verbotsliste der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA)
und der World Anti-Doping Agency (WADA) stehen. Dies verhindert eine versehentliche
Fehlmedikation mit schwerwiegenden Folgen. Ebenfalls ist auf die Art und Menge der
Notfallmedikamente zu achten. So ist bspw. das Mitführen von mehreren Infusionsbestecken
mit einer reinen Notfallversorgung wohl kaum zu erklären.
Der Sportarzt muss sich über die aktuellen Anti-Doping-Richtlinien informieren und
ist inzwischen von den Sportverbänden angewiesen, die Teilnahme an entsprechenden
Fortbildungsmaßnahmen nachzuweisen. Ein hilfreiches und praxisnahes Tool ist die NADA-App,
die auf dem Smartphone oder dem Tablet nutzbar ist. Hier kann sehr einfach geprüft
werden, welche Medikamente sicher zur Anwendung kommen können.
Der Koffer
Da es sich bei der akuten Behandlung mehr oder weniger um eine geplante „Erste Hilfe“
bei einer Sportverletzung handelt, sind ebenfalls Richtlinien und Vorschriften bez.
der Minimalausstattung des Sportarztkoffers zu berücksichtigen. Diese sind in den
DIN-Normen geregelt.
Der Anwendungsbereich kann sehr unterschiedlich sein und ist eben nicht eingeschränkt
auf ein großes Fußballstadion. Für Schulen und Tageseinrichtungen für Kinder sollen,
neben dem klassischen Verbandskasten, auch weitere „geeignete“ Verbandmittelbehältnisse
genutzt werden, sofern sie die gleichen Eigenschaften aufweisen (Verschließbarkeit,
Dichtigkeit, keine scharfen Ecken etc.). Der Sportarzt kann seine Utensilien also
in einem geeigneten Sportarztkoffer mitnehmen und ist nicht auf einen Verbandskasten
oder Verbandskoffer angewiesen.
Verbandskästen mit den Maßen 25,5 × 16,6 × 8 cm (L × B × H) tragen die Bezeichnung
„Verbandskasten DIN 13157-C“, andere Behälter die Bezeichnung „Inhalt DIN 13157“.
Beides ist vom Gesetzgeber zur Anwendung freigegeben.
Die DIN 13164 regelt die gesetzliche Anforderung für Fahrten zu Training und Spiel
und entspricht lediglich dem Kfz-Verbandskasten, der ohnehin vorhanden sein sollte.
Die DIN 13157 beschreibt die notwendige Ausstattung nach Arbeitsschutzrichtlinien
(ggf. auch Betriebssport). Die Verantwortlichen in Vereinen und im Betriebssport weisen
mit diesem Kofferinhalt nach, dass alle Verbandmaterialanforderungen zum Schutz von
Trainern, Betreuern, Spielern und Mitarbeitern zur Verfügung stehen. In den meisten
Fällen sind hierfür der Veranstalter und der Sportstättenbetreiber und nicht der Arzt
verantwortlich. Bei einigen Trainingslagern in durchaus abgelegenen Regionen, wie
bspw. beim Wildwasserkanu, kann eine einfache Notfallversorgung allerdings schnell
zur logistischen Herausforderung werden, und der Sportarzt ist gut beraten, eine eigene
Grundausstattung mitzuführen ([Abb. 2]).
Ausstattung
Bezüglich der Erste-Hilfe-Ausstattung gibt es für Sportvereine keine spezifischen
Vorschriften. Weder die Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (GUV-V
A 1, insbesondere §§ 24–28) noch die Arbeitsstättenverordnung bestimmen, welches und
wie viel Erste-Hilfe-Material im Einzelnen bereitzustellen ist. Gleiches gilt für
den Sportarztkoffer. Hinzu kommt, dass der Arzt den Koffer meist ohnehin individuell
zusammenstellt.
Von folgenden Richtwerten kann ausgegangen werden (Erste-Hilfe-Minimalausstattung):
-
bis 50 Personen: kleiner Verbandskasten nach DIN 13157
-
bis 300 Personen: großer Verbandskasten nach DIN 13169
-
für je weitere 300 Personen: großer Verbandskasten nach DIN 13169
Der Inhalt des Verbandskastens nach DIN 13157 ist insgesamt 65-teilig und besteht aus folgenden Einzelkomponenten:
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Augenkompressen
-
Fingerverbände
-
Schere
-
Dreiecktücher
-
Heftpflaster
-
Verbandpäckchen
-
Einmalhandschuhe
-
Verbandtücher
-
Kältesofortkompresse
-
Vliesstofftücher
-
Kompressen
-
Wundschnellverbände
-
Fixierbinden
-
Pflasterstrips
-
Fingerkuppenverbände
-
Rettungsdecke
-
Folienbeutel
-
Erste-Hilfe-Broschüre
-
Inhaltsverzeichnis
Der Verbandskasten nach DIN 13169 unterscheidet sich vom Inhalt eines Verbandskastens
nach DIN 13157 lediglich in der Menge der Produkte.
Packliste für den Sportarztkoffer
Packliste für den Sportarztkoffer
-
Box mit Eiswasser und Schwämmen
-
Kühlbox mit Eiswasser/Crush-Eis
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Kältespray, Chloräthyl-Spray
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Schwämme, ggf. Kompressionssystem
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entzündungshemmendes Gel, z. B. Voltaren Emulgel
-
Heparinsalbe
-
Wärmesalbe
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Mittel gegen Sonnenbrand, Allergie (z. B. Soventol®-/Fenistil®-Gel)
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Arnikasalbe: bei anhaltenden Muskelbeschwerden, Nachbehandlung von Zerrungen (z. B.
Varicylum® S Salbe)
-
Transpulmin® Balsam: Einreiben der Brust zum besseren Atmen, gerade im Winter
-
Augen- und Nasensalbe: Läsionen der Augenbindehaut oder Nasenschleimhaut
-
Fettcreme, Massageöl
-
Desinfektionsmittel (zugelassen für Injektion/Wundversorgung, Schleimhaut, Händedesinfektion)
-
Pflaster, Blasenpflaster, Pflastersprühverband
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Kompressen steril, Tupfer, Wattestäbchen
-
einmalelastische Binden: 6, 8, 12 cm für z. B. Druckverbände
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antiadhäsive Wundauflagen für nässende Wunden (z. B. UrgoTül®, Allevyn®)
-
Schere, Pinzette, Fremdkörperpinzette, Einmalskalpell
-
Einmalhandschuhe (steril und unsteril)
-
Dextrosetäfelchen (bei Hypoglykämie)
-
Tape in unterschiedlichen Breiten (z. B. OSG, Finger)
-
Sicherheitsnadeln
Sinnvolle Zusatzausrüstung
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Merkblatt Erste-Hilfe-Maßnahmen
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Liste des Kofferinhalts
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Dokumentationsbogen für Verletzungen (wichtig nicht nur für evtl. Versicherungsansprüche)
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Set mit kindgerechten Pflastern (ggf. bei Kinder- und Jugendbetreuung)
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Fieberthermometer, Blutzuckermessgerät, Blutdruckmessgerät
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Kugelschreiber
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Taschenlampe
-
Papiertaschentücher
-
Plastiktüte
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Getränk (z. B. Flasche Mineralwasser)
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Rettungsdecke
-
Taschenmesser
-
Zahnbox (z. B. Dento-Safe®)
-
Sonnenschutzcreme
-
Set zur Wundversorgung inkl. Abdeckung (ggf. als steriles Einmalset, SUSI®)
-
Wundverschlussstreifen (z. B. Steri-Strips®), Hautklammergerät
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Gewebekleber (z. B. Histoacryl®)
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Beatmungsmaske/-beutel und Guedel-Tubus
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Immobilisationssysteme für die Extremitäten in verschiedenen Größen und für verschiedene
Gelenke (z. B. SAM Splint®, Delta-Cast®)
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Halswirbelsäulenimmobilisationskragen (z. B. Stifneck®)
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unterschiedliche Injektionsnadeln und Spritzengrößen
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Lokalanästhetikum, NaCl-Ampullen
-
Entsorgungsbehälter für Injektionsnadeln etc.
-
ggf. Minimalset mit Notfallmedikamenten (z. B. für anaphylaktische Reaktion, Epilepsie)
Eventuell ist die Mitnahme der unten aufgeführten Medikamente sinnvoll. Für Betreuung
längerfristiger Einsätze (z. B. Trainingslager) sollte eine entsprechende Mengenanpassung
erfolgen.
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Medikamente gegen Übelkeit/Erbrechen (z. B. Ondansetron, Dimenhydrinat)
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Medikamente gegen Durchfallerkrankungen (z. B. Imodium®)
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Medikamente zum Ausgleich von Salz- und Wasserverlusten (z. B. Elotrans®)
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Medikamente gegen Magenbeschwerden/Sodbrennen (z. B. Magaldrat, Pantoprazol)
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Nasentropfen (z. B. Xylometazolin, NaCl-Lösung/-Spülung)
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Medikamente bei Erkältungskrankheiten (z. B. Halspastillen, Inhalationslösung/-tropfen,
Vitamin-C-Brausetabletten)
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Medikamente gegen Asthma (z. B. Salbutamol Dosieraerosol)
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fiebersenkendes Mittel, Schmerzmittel (z. B. Paracetamol, Ibuprofen)
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Medikament gegen Halsschmerzen (z. B. Dolo-Dobendan®)
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Ohrentropfen (z. B. Otalgan®)
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Salbe gegen Lippenherpes (z. B. Aciclovir)
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Salbe gegen Pilzerkrankungen (z. B. Clotrimazol)
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Mittel zur Beruhigung (z. B. Baldrian)
Fazit
Der Sportarztkoffer wird i. d. R. individuell zusammengestellt. Von größter Wichtigkeit
ist das jeweilige „Betreuungs-Setting“. Eine Packliste sollte als eine Art „living
document“ angesehen werden. Kenntnisse der Sportart und sportartspezifischen Anforderungsprofile
sind für den Sportarzt unabdingbar.