Deutsche Heilpraktiker-Zeitschrift 2015; 11(06): 38-43
DOI: 10.1055/s-0035-1564991
Praxis
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Menschen lesen

Erika Rau

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Publikationsdatum:
01. Oktober 2015 (online)

 

Summary

In der Psycho-Physiognomik nach Carl Huter betrachtet man Körperbau, Gesicht und Kopf, um etwas über die Grundkraft eines Menschen, seinen Willen und seine körperliche Einsatz-bereitschaft zu erfahren.Anhand der Betrachtung des Körperbaus lassen sich Menschen sog. Naturell-Typen zuordnen, die unterschiedliche Bedürfnisse haben.Den jeweiligen Naturellen können typische Beschwerdebilder bzw. Schwachstellen zugeordnet werden und Therapien, auf die sie besonders gut ansprechen.


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Das Lesen der KÖRPERSPRACHE und von Gesichtern kann helfen, die Bedürfnisse eines Menschen besser zu verstehen.

Erika Rau

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Foto: © Fotolia / Giuseppe Porzani (nachgestellte Szenen)

EIN ERFAHRENER Naturheilkundiger und Menschenkenner hat einmal gesagt: „Bis der Patient sitzt, steht die Diagnose“. Wie wichtig die Deutung der Körpersprache und das Lesen in Gesichtern für die tägliche Arbeit in der naturheilkundlichen Praxis sind, wird in diesem klugen Satz deutlich. Denn je geübter ein Behandelnder darin ist, umso besser kann er die tiefen charakterlichen Grundstrukturen seiner Patienten, deren organische Stärken aber auch Schwachstellen und Belastungen erkennen und mit der Kenntnis darum individuell begleiten und beraten.

Ein geeignetes Verfahren für das Deuten der Körpersprache und Lesen in Gesichtern ist die Psycho-Physiognomik nach Carl Huter. Es ist ein strukturiertes System, das ein tiefes Verständnis der Charakteranlagen vermittelt. Man betrachtet dabei zunächst die großen Strukturen, den Körperbau, und anschließend die feinen Formstrukturen von Kopf und Gesicht. Der Körperbau sagt dabei etwas über die Grundkraft aus, die zur Verwirklichung drängt. Die Nase eines Menschen spiegelt seinen Willen und sein Kinn die körperliche Einsatzbereitschaft. Diese Formelemente verbindet man schließlich mit einer Ausstrahlungskraft, die Carl Huter sehr differenziert aufgefächert hat. Denn neben der Beobachtung der Form und ihrer Proportion kommt es in der Psycho- Physiognomik v. a. auf die aktuelle Ausstrahlung dieser Form an. Ein freudiges Ereignis lässt einen Menschen beispielsweise erstrahlen. Das Strahlen ist wörtlich zu nehmen und nicht nur als Synonym für heitere Mimik. Die Leuchtkraft und Lebendigkeit besonders in den Augen, aber auch die Hautstrahlung ist bei einem fröhlichen Menschen klar zu sehen.

Entsprechen die Anlagen von Körper, Kopf und Gesicht alle demselben Naturell, ist die Analyse einfach. Komplexer wird es, wenn beispielsweise ein Mensch mit dem Körperbau eines Ruhenaturells den Kopf eines Bewegungsnaturells trägt und zarte Ohren hat. Dann möchte der Körper Ruhe leben, aber eine andere Seite in diesem Menschen treibt ihn ständig an, treibt ihn zu Bewegung, Veränderung und aufgrund der verfeinerten Ohren auch noch zu einer differenzierteren Auseinandersetzung mit dem Leben. Es entsteht dadurch eine Innenspannung, die vom Behandelnden wahrgenommen und individuell begleitet werden muss.

Eine solche differenzierte Auffächerung zu jedem Naturell würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, weshalb die Beschreibung der Naturelle sich rein auf die Körperbauform bezieht.

Huter hat empirisch erforscht, welche Beschwerdebilder bzw. Schwachstellen für die jeweiligen Naturelle typisch sind und auf welche Therapien sie besonders gut ansprechen. Therapien bzw. ihre Wirkungen lassen sich schon vorab einschätzen, was die Psycho-Physiognomik zu einem wichtigen Instrument für die Behandlung macht. Allein die Betrachtung des Körperbaus lässt daher wichtige und nützliche Rückschlüsse für die Behandlung zu.

KURZ GEFASST
  1. In der Psycho-Physiognomik nach Carl Huter betrachtet man Körperbau, Gesicht und Kopf, um etwas über die Grundkraft eines Menschen, seinen Willen und seine körperliche Einsatzbereitschaft zu erfahren.

  2. Anhand der Betrachtung des Körperbaus lassen sich Menschen sog. Naturell-Typen zuordnen, die unterschiedliche Bedürfnisse haben.

  3. Den jeweiligen Naturellen können typische Beschwerdebilder bzw. Schwachstellen zugeordnet werden und Therapien, auf die sie besonders gut ansprechen.

Körperbau der Naturelle in der Psycho-Physiognomik

Wer mit der Psycho-Physiognomik nach Carl Huter arbeitet, beginnt also zunächst damit, den Menschen vor sich einem Naturell- Typ zuzuordnen – ein Begriff, den Carl Huter geprägt hat. Huter unterschied 3 Grundnaturelle, die er anhand der Keimblattentwicklung wissenschaftlich beschrieb. Je nach Körperbau (groß, zierlich oder rundlich) haben Menschen ein unterschiedliches Bedürfnis danach, sich zu verwirklichen. Diese Grundnaturelle können auch variieren und sog. Misch- oder Dualnaturelle bilden. Und dann gibt es da noch die polaren Naturelle: das integrative und das desintegrative Naturell. Das integrative Naturell ist in sich harmonisch geformt und das desintegrative weist schon im Körperbau viele Ungleichmäßigkeiten auf.

Das Bewegungsnaturell

Stärken: Bewegungsnaturelle sind große, athletische, schlanke und sehnige Menschen, es dominiert der Bewegungsapparat (s. Abb. 1). Sie wollen sich bewegen, sind schnell, praktisch veranlagt, packen an und setzen festgesetzte Ziele auch mit Wagemut in die Tat um. Es sind realistisch und sachlich denkende Menschen. Nervliche Empfindsamkeit und Ruhebedürfnis sind nur gering ausgeprägt. Sie wirken immer angespannt, strahlen dabei aber auch Dynamik aus. Diese Menschen wollen vom Leben gefordert sein, je mehr desto besser. Einfache Aufgaben langweilen sie schnell. Dominiert in ihrem Beruf die Routine, suchen sie Herausforderung in ihrer Freizeit, mitunter in Extremsportarten. Bewegung ist etwas, das sie nach einem langen Arbeitstag unbedingt benötigen.

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Abb. 1

Das Essen spielt für diese Menschen eine untergeordnete Rolle, sodass sie öfter Mahlzeiten auslassen, auch wenn die Energiereserven aufgebraucht sind. Ihr schlanker und sehniger Körper verfügt nicht über Fettdepots, weshalb kontinuierlich die Gefahr besteht, dass sie abmagern. Bewegungsnaturelle achten auch nicht auf Warnzeichen des Körpers. Sie ignorieren Symptome und warten erst einmal ab.

Krank zu sein ist für Bewegungsnaturelle ein massiver Eingriff in die eigene Freiheit. Sie sind undankbare Patienten, die z. B. Bettruhe nur selten einhalten. Sie fügen sich nur ungern Anweisungen und neigen als Kranke zu starkem Zynismus.

Wichtig für die Praxis: Bewegungsnaturellen stellt man in der Anamnese am besten nüchterne Fragen, die sie knapp beantworten können. Sie schätzen es nicht, psychologisch hinterfragt zu werden, denn das ist nicht ihre Welt. Konkrete Untersuchungen schaffen Vertrauen.

In der Behandlung ist es wichtig, ihnen Therapiepläne verständlich zu erläutern, Prognosen zu nennen, Anleitungen zum Nachlesen an die Hand zu geben. Sie vertrauen entschlossenen Behandelnden, die klare Ansagen formulieren. Weichheit deuten sie als Schwäche, weshalb der Behandelnde konsequent und streng sein muss. Wenn es sein muss, sind sie hart im Nehmen und schlucken auch die sprichwörtliche bittere Medizin.

Sind Bewegungsnaturelle krank, benötigen sie regelmäßig frische Luft, Wind und Sonne für die Regeneration. Anspruchslos und einseitig kann ihre Ernährung sein, hoch kalorisch muss sie aber sein, da Bewegungsnaturelle viel Energie verbrauchen. Auf Fleisch verzichten sie ungern.


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Das Ruhenaturell

Stärken: Ruhenaturelle sind mittelgroße, füllige Menschen, die Ruhe, Behaglichkeit, Geselligkeit sowie körperliche Genüsse lieben (s. Abb. 2). Sie sind realistisch, bodenständig, pragmatisch veranlagt, einfach, ausgeglichen und volksnah. Es sind Menschen, die für die nötige materielle Sicherheit im Leben gut sorgen können. Sie sind eher wortkarg, doch alles, was diese Menschen sagen, hat Hand und Fuß. Sie sind konservativ, halten an Traditionen fest, bewahren und erhalten gerne, was ist. Neuem gegenüber sind sie eher vorsichtig bis indifferent. Sie sind zudem schwer zu beeinflussen.

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Abb. 2

Schwachstellen: Ruhenaturelle haben eine gesunde Korpulenz, die ihnen nicht die geringsten Beschwerden bereitet, solange sie aktiv und beweglich sind. Sie haben nicht unbedingt mehr Bauchfett, sondern vielmehr eine dicke Unterhautfettgewebeschicht. In der Regel brauchen sie ihre natürliche Fülle, um seelisch und körperlich gesund zu bleiben.

Essen sie jedoch zu viel und bewegen sie sich zu wenig, neigen Ruhenaturelle zu Übergewicht, Atemnot und Kurzatmigkeit sowie Stoffwechselerkrankungen. Hinzu kommen Schmerzen in Knien und Rücken aufgrund der durch das Übergewicht stark belasteten und abgenutzten Gelenke. Auch die Immunabwehr ist dann reduziert.

Wichtig für die Praxis: Ruhenaturelle verfügen über gute Reserven, und wenn sie krank werden, dann meist heftig. Gerne fragen sie dann nach der Tablette und möchten sich bedienen lassen, die Verantwortung für die Gesundheit ganz an den Behandelnden abgeben. Kräftige Umstimmungsmethoden wie Kneipp- und Schrothkuren sind dann anzeigt, meist auch eine Ernährungsumstellung sowie dezidierte Bewegungsprogramme. Sie neigen dazu, Giftstoffe zu speichern, weshalb Tees hilfreich sind, die Entschlackung und Entgiftung fördern. Sind Ruhenaturelle krank, ist es wichtig, sie langsam wieder zur Bewegung zu bringen. Schwimmen ist dafür ideal. Leichte Hausmannskost ist für Ruhenaturelle genau richtig. Bei ihnen sollte der Harnsäuregehalt im Blut regelmäßig kontrolliert werden, sie neigen zu Gicht.


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Das Empfindungsnaturell

Stärken: Empfindungsnaturelle sind kleine und zierliche Menschen (s. Abb. 3). Man kann sie als Gefühls- und Ideenmenschen bezeichnen. Sie nehmen innerlich großen Anteil, können sich sehr mit anderen Menschen freuen, aber ebenso auch mit ihnen mitleiden. Sie sind anmutig und differenziert, in ihrer verfeinerten Art voll leistungsfähig, denn trotz ihres zarten Körperbaus sind sie weder kränklich noch schwächlich. Tat- und Überzeugungskraft, Lebenspraktisches und Ökonomisches sind für sie nicht so sehr maßgebend. Kälte und Hitze vertragen sie schlecht, v. a. die Kombination von Kälte und Nässe.

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Abb. 3

Schwachstellen: Empfindungsnaturelle sind sinnesbetonte Menschen, entsprechend haben sie sensible Sinnesorgane, ein sensibles Nervensystem und sensible Haut. Sie neigen zu nervösen Störungen, sind ständig latent überfordert und schnell reizüberflutet.

Wichtig für die Praxis: Sind Empfindungsnaturelle krank, benötigen sie viel Ruhe, lichte, warme Räume und leichtes, abwechslungsreiches sowie fein gewürztes Essen. Man sollte jedoch nie versuchen, mit zu viel Essen aufzupäppeln, das macht sie chronisch müde, schlapp und krank. Sie benötigen bei Krankheit viel Zuwendung, die sie dankbar annehmen.

Empfindungsnaturelle reagieren auf Arzneistoffe sehr sensibel, sie sollten daher nie zu viele auf einmal und in zu hoher Dosierung erhalten. Auch grobe Therapien bekommen ihnen nicht. Auf feinstoffliche wie Homöopathie, sanfte Massagen, energetische Behandlungen und Meditation sprechen sie sehr gut an. Sanfte osteopathische Behandlungen und Kraniosakrale Therapie wirken bei ihnen besser als Chiropraktik. Behandlungen an Wirbelsäule und Knochen sollten nur vorsichtig und nicht ruckartig erfolgen.

Für Behandelnde ist es wichtig, dass sie Empfindungsnaturellen helfen, aus dem Gedankenkarussell herauszukommen und die Spannung abzubauen, die durch die ständige Anteilnahme entsteht.


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Das Ruhe-Bewegungsnaturell

Stärken: Ruhe-Bewegungsnaturelle sind sehr robust, kräftig und zäh, Körper- und Gesicht sind fest und straff (s. Abb. 4). Es ist das Naturell mit der meisten Kraft. Es strebt mit der meisten Willensstärke von allen nach der Verwirklichung seiner ökonomischen Anlagen. Tatkräftig schafft es im Leben Realitäten, die Entwicklung bringen. Ruhe-Bewegungsnaturelle leben im Hier und Jetzt und strahlen Beständigkeit aus. Sie kommen mit wenig Schlaf aus, können unermüdlich arbeiten, ohne dabei in ein Burn-out-Syndrom zu geraten. Auch Ernährungssünden können sie über einen langen Zeitraum kompensieren. Ihrer inneren Härte und dem geringen Feingefühl wegen, man könnte von „Gefühlsabstinenz“ sprechen, sind Ruhe-Bewegungsnaturelle außergewöhnlich stressresistent.

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Abb. 4

Schwachstellen: Bewegungsmangel und fehlende Ruhepausen sind für Ruhe-Bewegungsnaturelle große Gefahren. Herz- Kreislauf-Erkrankungen, erhöhter Blutdruck sowie Darmerkrankungen können dadurch entstehen und ihre Lebensqualität massiv beeinträchtigen.

Wichtig für die Praxis: Weil die Bewegungs- und Ruheanteile überwiegen, sollten die Empfindungsanteile im Krankheitsfall angeregt werden, also alle Sinne: Ergotherapie, Musiktherapie, Kunsttherapie, Tanztherapie. Die Arbeit in Garten und Natur eignen sich dafür besonders. Wichtig ist, dass Ruhe-Bewegungsnaturelle dann auch mit anderen Menschen in einer Gruppe etwas unternehmen. Es besteht sonst die Gefahr, dass sie sich komplett zurückziehen. Nicht mehr zu funktionieren, ist das Schlimmste, was Ruhe-Bewegungsnaturellen passieren kann.

Für die Behandlung sind Checklisten notwendig: Was ist wann und wie genau zu machen, worauf ist zu achten? Sie sollten alles nachlesen und viel dokumentieren können, das trägt zur Genesung der Ruhe-Bewegungsnaturelle bei. Sie benötigen genaue Anweisungen für die Einnahme eins Mittels, sonst nehmen sie lieber mehr auf einmal als regelmäßig etwas ein.


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Das Bewegungs-Empfindungsnaturell

Stärken: Bewegungs-Empfindungsnaturelle sind dynamische und sensible Naturelle, sie sind willensstark und aktiv, ständig auf der Suche nach Abwechslung und benötigen immer wieder neue Anregungen (s. Abb. 5).

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Abb. 5

Schwachstellen: Durch die ständige Suche vernachlässigen Bewegungs-Empfindungsnaturelle die Ruhe. Die Überaktivität führt sie schnell in die Erschöpfung, was sie anfällig macht für ein Burn-out- Syndrom. Sie haben ein anfälliges Magen- Darm-System. Durch ihre große Sensibilität sind sie nervlich oft stark belastet, was zu emotionaler Unausgeglichenheit und Schlafstörungen führt. Bewegungs-Empfindungsnaturelle bewegen sich gerne und treiben viel Sport, können durch ihre stürmische Art aber rasch kleinere Unfälle auslösen und haben daher öfter Blessuren.

Wichtig für die Praxis: Bewegungs-Empfindungsnaturelle reagieren sehr aufgeregt auf Erkrankungsverdacht. Gleichzeitig neigen sie dazu, sich im Internet zu informieren und selbst entsprechend den Anweisungen zu therapieren, die sie dort lesen. Sind sie krank, besteht die Gefahr, dass sie nicht geduldig genug sind, um sich völlig auszukurieren. Sie vergessen die regelmäßige Medikamenteneinnahme, sobald es ihnen besser geht.

Man sollte Bewegungs-Empfindungsnaturelle ermutigen und anleiten, langsam und bewusst zu essen, auf regelmäßige Nahrungsaufnahme zu achten und überhaupt mehr Rhythmus in ihr Leben zu bringen. Durch Ruhe und Entspannung erholt sich ihr Nervensystem, und ihre kreativen Kräfte werden wieder angeregt.


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Das Ruhe-Empfindungsnaturell

Stärken: Ruhe-Empfindungsnaturelle zeichnen sensible Anlagen, eine freundliche, den Menschen zugewandte Art und eine soziale Einstellung aus (s. Abb. 6). Die praktischen Dinge des Lebens stehen dabei im Vordergrund.

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Abb. 6

Schwachstellen: Ruhe-Empfindungsnaturelle vernachlässigen die Bewegung, denn sie mögen es am liebsten ruhig und bequem. Das kann zu Kreislaufproblemen führen. Durch ihre weiche, sensitive Energie haben sie jedoch auch weniger Widerstandskraft und benötigen auch immer wieder genügend Ruhe. Sie sind anfällig für jegliche Art von Stress und geraten dadurch schnell aus dem Gleichgewicht. Sie nehmen die Atmosphäre ihrer Umwelt besonders sensibel wahr und leiden gesundheitlich darunter. Elektrosmog, Staub, Lärm, disharmonische Einrichtungen etc. können sie nervlich belasten, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Immunschwäche, Verdauungsstörungen oder immunologische Reaktionen bis hin zu neurologischen oder psychischen Störungen auslösen.

Wichtig für die Praxis: Ruhe-Empfindungsnaturelle bemerken gesundheitliche Beschwerden frühzeitig, sodass beizeiten sanft und regulativ gegengesteuert werden kann. Sie brauchen ein wenig, bis sie mit anderen Menschen warm werden. In freundlicher, harmonischer Atmosphäre öffnen sie sich am ehesten. Wenn sie in die Praxis kommen, sollte man ihnen daher ein bisschen Anlaufzeit geben und sich mit ihnen zunächst über Heim, Familie etc. unterhalten. Sie fühlen sich dann angenommen.

Ruhe-Empfindungsnaturelle sind sehr häuslich, ein stabiles familiäres Umfeld ist für sie besonders wichtig. Wenn möglich, sollten sie daher immer ambulant behandelt werden. Sie lieben gutes und feines Essen, am liebsten im Kreise der Familie eingenommen. Singen, lachen und Geselligkeit sind für sie besonders wohltuend.


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Das harmonische, integrative Naturell

Stärken: Harmonische, integrative Naturelle sind Menschen mit einer ausgeglichenen körperlichen Konstitution und einer angenehmen Ausstrahlung (s. Abb. 7). Sie leben sehr ausgewogen und neigen zu keinen Extremen. Sie haben kaum gesundheitliche Probleme, leiden selten unter Stress und neigen nicht zu falscher Ernährung.

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Abb. 7

Wichtig für die Praxis: Werden harmonische, integrative Naturelle krank, sind sie bereit, ihre Lebensgewohnheiten soweit erforderlich zu verändern: Sie passen ihre Ernährung an, bewegen sich mehr, richten sich geistig neu aus.

Die Anamnese mit ihnen ist einfach, harmonische, integrative Naturelle sind bereit, sich zu reflektieren, eigene Versäumnisse wahrzunehmen. Sie beobachten sich selbst gut, können ihre Wahrnehmungen ohne zu übertreiben und sehr differenziert mitteilen. Sie sind offen für Beratung, folgen gerne Empfehlungen. Es ist deshalb wichtig, sie umfassend über ihre Erkrankung zu informieren, alle Schritte der Behandlung detailliert zu schildern, sie zu integrieren. Unter diesen Voraussetzungen sind harmonische, integrative Naturelle gewissenhafte, an ihrer Genesung mitarbeitende Patienten. Sie sind offen und interessiert an der Auseinandersetzung mit sich selbst und den eigenen Themen. Daran wollen sie reifen. Meist regenerieren sie sich rasch.


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Das desintegrative Naturell mit Innenspannungen

Schwachstellen: Die inneren Spannungen des desintegrativen Naturells zeigen sich in der Unausgewogenheit von Körper- und Gesichtsbau (s. Abb. 8). Sie führen zu Fehlhaltungen, Rückenschmerzen und Bandscheibenproblemen. Die gesamte Muskulatur des Körpers ist schlecht durchblutet, es kommt zu Schmerzen im Körper und Kopf. Seelische Spannungen stören den Schlaf, steigern die Stressanfälligkeit und mindern die Regenerationsfähigkeit.

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Abb. 8

Wichtig für die Praxis: Desintegrative Naturelle sind Menschen, die unablässig Veränderungen in Gang bringen, alles Bestehende infrage stellen, unbequem sind, auch in der Behandlung. Sie wollen alles genau wissen, können sehr fordernd sein, stellen maßlose Anforderungen an den Behandelnden. Häufig müssen therapeutische Entscheidungen mit ihnen diskutiert werden, oft leisten sie Behandlungsanweisungen nicht Folge oder brechen die Behandlung einfach ab. Sie neigen zu unüberlegten und spontanen Handlungen. Die Körperhygiene können sie vernachlässigen. Häufig haben sie hypochondrische Züge.

Desintegrativen Naturellen tut gut, was harmonisiert und entspannt, z. B. Akupunktur, Yoga, Taiji, Qigong o. Ä. Sie sind meist übersäuert, weshalb sie Fußbäder mit Basensalz, Salzwickel, Bürstenmassagen, Bäder etc. zum Entsäuern anwenden sollten. Am liebsten essen sie Fleisch. Sie benötigen jedoch auch entsäuernde Nahrungsmittel, weshalb sie an basische Ernährung herangeführt werden sollten.

Desintegrative Naturelle benötigen viel Verständnis und eine klare Führung. Häufig finden sich Bindungsschwierigkeiten im frühen Kindesalter. Es ist deshalb ein Behandelnder wichtig, der sich in Übertragung und Gegenübertragung auskennt.


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So-Sein lassen

Die Qualität der Beziehung zwischen Behandelndem und Patient hat großen Einfluss auf den Krankheitsverlauf und den Behandlungserfolg. Gegenseitiges Vertrauen ist die Grundlage für eine gute Beziehung zwischen beiden, in die der Behandelnde seine fachliche Kompetenz einbringt und der Patient die Bereitschaft zur Mitarbeit an seiner Gesundung. Für den Behandelnden kann es dabei eine große Hilfe sein, wenn er seinen Patienten in seinem So-Sein verstehen kann und jeden Menschen individuell berät. Damit erreicht er die größtmögliche Compliance und damit Erfolg in der Behandlung.

Alle Bilder mit Ausnahme des Titelbilds stammen aus: Castrian W. Lehrbuch Psycho- Physiognomik. 4. Aufl. Stuttgart: Haug; 2010

Dieser Artikel ist online zu finden: http://dx.doi.org/10.1055/s-0035-1564860


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HP Erika Rau

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Saalburgstr. 13
81375 München
Internet:
www.homoeocampus.de


Erika Rau ist Heilpraktikerin mit den Schwerpunkten Klassische Homöopathie, Atemtherapie als Körperpsychotherapie und Psycho-Physiognomik. Sie ist Gründerin des Ausbildungsinstituts HomöoCampus und leitet es gemeinsam mit ihrer Tochter.

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Foto: © Fotolia / Giuseppe Porzani (nachgestellte Szenen)
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