Fortschr Neurol Psychiatr 2015; 83(09): 485
DOI: 10.1055/s-0035-1564935
Fokussiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kognitive Beeinträchtigung im Alter – Was hält den Geist fit?

Rezensent(en):
Kathrin Strobel
Roberts RO et al.
Neurology 2015;
84: 1854-1861
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
30. September 2015 (online)

 

Über 85-jährige stellen die weltweit am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe dar. Bei ihnen sind kognitive Beeinträchtigungen weit verbreitet. Welche Faktoren das Auftreten einer leichten kognitiven Beeinträchtigung (Mild Cognitive Impairment, MCI) bei Personen im Alter von 85 bis 89 Jahren beeinflussen, haben R. O. Roberts et al. in einer Studie untersucht.
Neurology 2015; 84: 1854–1861

Chronische Erkrankungen erhöhen das Risiko einer MCI bei Personen im Alter von über 85 Jahren, während bestimmte Arten der Lebensführung vorbeugend wirken. Dies haben Rosebud O. Roberts und Kollegen der Mayo-Kliniken in Rochester und Scottsdale/USA gezeigt. In die Studie eingeschlossen waren 301 Probanden, die zum Studienstart zwischen 85 und 89 Jahre alt und als kognitiv normal eingestuft waren.

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Wer schon seit dem mittleren Lebensabschnitt an hohem Blutdruck leidet, hat ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer kognitiven Beeinträchtigung im Alter. (© MEV)

Die Auswahl der Probanden erfolgte randomisiert. In einem mehrstufigen Verfahren wurden die Patientendaten durch Interviews, Fragebögen, neurologische Untersuchungen sowie neuropsychologische Tests erfasst. Die Diagnose einer MCI erfolgte anhand eines publizierten Kriterienkatalogs. Dabei unterschieden die Forscher zwischen einer amnestischen (aMCI) und einer nicht-amnestischen Form (naMCI). Die Diagnose einer Demenz erfolgte nach DSM-IV-Kriterien. Zudem erhoben die Wissenschaftler Daten zu demografischer Information, Gewicht, Größe und Gehgeschwindigkeit der Patienten. Sie erfassten deren Krankheitsgeschichte, eventuell bestehende Komorbiditäten und chronische Erkrankungen. Durch Genotypisierung ermittelten sie das Vorhandensein des Allels APOE ε4. Dieses spielt eine Rolle bei Alzheimer und Beeinträchtigungen der kognitiven Funktion. Ein Follow-up erfolgte alle 15 Monate. 256 Studienteilnehmer nahmen an mindestens einer Follow-up-Erhebung teil. 62 % davon waren Frauen, das mediane Alter betrug 87,3 Jahre.

Nach durchschnittlich 4,1 Jahren entwickelten 121 Probanden eine MCI. Prädiktoren für das Auftreten einer MCI waren das Vorhandensein des APOE ε4 Allels (Hazard Ratio [HR] 1,89; p = 0,008), aktuell bestehende depressive Symptome (HR 1,78; p = 0,02), Bluthochdruck seit dem mittleren Lebensabschnitt (HR 2,43; p = 0,005), verstärktes Auftreten von Gefäßerkrankungen (HR 1,13; p = 0,02) und chronische Erkrankungen nach dem Charlson Comorbidity Index (HR 1,08; p = 0,006).

Mit aktivem Lebensstil vorbeugen

Im Gegensatz hierzu zeigten Patienten, die im mittleren Lebensalter (d.h. um das 50. Lebensjahr) oder in späteren Lebensabschnitten (bis 1 Jahr vor Studienbeginn) künstlerisch-kreativ (HR 0,27; p = 0,03), handwerklich (HR 0,55; p = 0,02) und/oder sozial (HR 0,45; p = 0,005) aktiv waren, ein deutlich verringertes Risiko einer MCI. Auch der Gebrauch eines Computers in späteren Lebensabschnitten zeigte einen vorbeugenden Effekt (HR 0,47; p = 0,008). Depressive Symptome und APOE ε4 waren mit aMCI, Gefäßerkrankungen mit naMCI assoziiert.

Fazit

Vorbeugung und Management chronischer Erkrankungen und Gefäßkrankheiten sind wirksame Strategien zur Verminderung des Risikos einer MCI. Diese nichtpharmakologischen Interventionen zeigen vermutlich den größten Erfolg, wenn sie im frühen Erwachsenenalter oder der Lebensmitte begonnen und bis ins hohe Alter beibehalten werden, so die Autoren.


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Wer schon seit dem mittleren Lebensabschnitt an hohem Blutdruck leidet, hat ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer kognitiven Beeinträchtigung im Alter. (© MEV)