Suchttherapie 2015; 16(04): 195
DOI: 10.1055/s-0035-1564113
Buchbesprechung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Motivierende Gesprächsführung

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Publication Date:
18 November 2015 (online)

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Endlich ist die lang erwartete deutsche Übersetzung der dritten Auflage von „Motivational Interviewing“ erschienen, erstmals liegt auch eine vollständige deutsche Übersetzung des Originals vor. Das Buch ist anschaulich und praxisnah geschrieben, Miller und Rollnick haben die Fähigkeit, den gehaltvollen Inhalt mit leichter Hand darzulegen. Es war sicher nicht einfach, den erzählenden Stil ins Deutsche zu übersetzen, ohne den „Spirit“ der amerikanischen Fassung zu verlieren. Das Ergebnis ist ein Text, der sich eng an das Original hält, klar und gut zu lesen ist, wobei zentrale Begriffe von Motivational Interviewing sinnvollerweise nicht übersetzt wurden, da das Resultat nur unbefriedigend sein kann.

Seit der ersten Auflage in 1991 hat das Buch einen starken Wandel durchgemacht. Lag der Schwerpunkt zunächst bei Suchterkrankungen, wurde MI in der zweiten Auflage (2002) für ein breiteres Spektrum von Problemfeldern erweitert. In der aktuellen 3. Auflage sind nun über zwei Drittel des Textes neu, das Buch ist auch erheblich umfangreicher und umfasst 28 Kapitel.

Anstatt wie zuvor in erster Linie auf Phasen und Prinzipien von MI abzuheben, wird in dieser Auflage an vier weit gefassten Prozessen angesetzt, die als Grundelemente zum MI-Ansatz gehören: Beziehungsaufbau, Fokussierung, Evokation und Planung. Dieses Vier-Prozesse-Modell soll darlegen, was MI in der Praxis wirklich bedeutet. Die Autoren führen aus, wie sich die genannten MI-Prozesse während des gesamten Veränderungsverlaufs einsetzen lassen, und zwar nicht nur im Hinblick auf Verhaltensänderungen. Es gibt neue Erkenntnisse zu MI-Basiselementen und zur MI-Ausbildung. Status-quo-Sprache wird nun als das Gegenteil von Veränderungssprache (Change Talk) beschrieben und von Anzeichen für Dissonanz in der Beziehung von Beraterin/Berater und Klientin/Klient abgegrenzt. Damit rücken die Autoren von ihrem früheren Konzept des Widerstands ab.

Die verschiedenen Facetten der therapeutischen Grundhaltung werden ausführlich beschrieben und anhand standardisierter Verfahren zur Analyse von Gesprächen die zentralen Wirkmechanismen identifiziert. Diese Standards sind notwendig, denn die Bedingungen einer erfolgreichen Therapie lassen sich definieren und bilden sich unter anderem in den Kennwerten des Motivational Interviewing Treatment Integrity (MITI) ab.

Das Buch wendet sich an Therapeuten und Praktiker der Sozialen Arbeit. Der deutschen Übersetzung ist zu wünschen, dass dieses Standardwerk der Psychotherapie eine ebenso weite Verbreitung findet wie die Originalausgabe, die in den USA schon jetzt ein Klassiker ist.

K. Junge, Freiburg