Primäre Präventionsmaßnahmen können das Risiko einer Ruptur des vorderen Kreuzbands
(ACL) kurzfristig effektiv verringern. Dennoch ist die Inzidenz dieser Verletzung
immer noch hoch und damit die Notwendigkeit zur Verbesserung der Präventionsstrategien
sehr wichtig. Benjaminse und Kollegen fassten nun in einem Bericht Erkenntnisse aus
dem Bereich des motorischen Lernens zusammen, die eine Verbesserung der neuromuskulären
Trainingsprogramme bewirken und damit auch die langfristigen Ergebnisse verbessern
könnten.
J Orthop Sports Phys Ther 2015; 45: 170–182
Techniken zur Steigerung des motorischen Lernens
Folgende neue Techniken zur Steigerung des motorischen Lernens haben sich in letzter
Zeit etabliert und waren auch Basis der Erkenntnisse des vorliegenden Berichts:
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Partnertraining ("dyad training")
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Videofeedback
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visuelle Simulation (Überlagerung von Video und Bewegungsmuster)
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Feedback durch Echtzeit-Videoaufnahmen
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inertialsensorbasiertes Echtzeit-Feedback
Externer und interner Fokus
Durch einen externen Aufmerksamkeitsfokus lassen sich die automatische Bewegungskontrolle
und die Gesamtleistung verbessern. Gemäß der „Constrained Action“-Hypothese wird durch
einen Fokus auf den Bewegungseffekt (externer Fokus) die Nutzung unbewusster oder
automatischer Prozesse begünstigt. Der Fokus auf die Bewegung selbst (interner Fokus)
resultiert hingegen in einer bewussteren Form der Kontrolle. Dies hemmt das motorische
System und stört automatische Kontrollmechanismen, da die Aufmerksamkeit des Sportlers
auf die Bewegungen des eigenen Körpers gerichtet ist. Eine Aufforderung an die Sportler,
ihre Aufmerksamkeit und Kniekontrolle während des Stehens, Cuttings, Springens oder
Landens zu verbessern (interner Fokus) kann sich also für das Aneignen schneller und
komplexer Bewegungsabläufe als nicht optimal erweisen. Achtet man auf die korrekte
Anordnung von Hüfte, Knie und Knöchel während des Landens (was in den Präventionsprogrammen
für ACL-Verletzungen häufig der Fall ist)
Externer Fokus führt zu langfristigem Erfolg
Der Einsatz von Anweisungen, die einen externen Fokus bewirken, hat hingegen einen
wichtigen Einfluss auf die Prävention von ACL-Verletzungen aufgrund der hohen Retentions-
und Transferrate des externen Fokus. Eine bessere Landetechnik nach einem Sprung muss
während des Trainings oder Spiels automatisch erfolgen – eine Automatisierung des
Transfers von der Übung zur Anwendung ist somit von hoher Wichtigkeit.
Aufgrund der hohen Inzidenz einer ACL ist eine Verbesserung der Präventionsstrategien
nötig. (Bild: psdesign1 / Fotolia)
Motorisches Lernen mit einem externen Fokus ist effektiv in der Festigung sicherer
Bewegungstechniken. Die Entwicklung dieser neuen Feedback-Techniken zur ACL-Verletzungsprävention
scheint deswegen vielversprechend. Dies kann durch die Verwendung von Echtzeit-Videos
für ein direktes Feedback oder auch durch Partnerübungen mit Betrachten der eigenen
Person oder eines Models erfolgen, während durch positives, extern fokussiertes Feedback
die Sprung- und Landeleistung gesteigert wird.
Auch wenn den Autoren bewusst ist, dass die Nutzung von Überlagerungsvideos oder Sensortechnik
nicht überall möglich ist, so sind sie der Meinung, dass durch eine relativ geringe
Investition von Zeit und Geld in das Präventionsprogramm von ACL-Verletzungen ein
signifikanter und langfristiger Nutzen erzielt werden kann. Ob sich durch Kombination
der neuen Techniken die erzielten Erfolge noch steigern lassen, und welche Technik
am geringsten vom Feedback abhängig macht und die Erfolge so auch langfristig erhalten
bleiben, sollte Gegenstand weiterer Studien sein.