Deutsche Heilpraktiker-Zeitschrift 2015; 11(05): 18-23
DOI: 10.1055/s-0035-1563583
Praxis
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Der Gelbe Kaiser trifft auf Hahnemann

Harald Kämper

Subject Editor:
Further Information

Publication History

Publication Date:
25 August 2015 (online)

 

Summary

Die Homöosiniatrie bezeichnet die Injektion homöopathischer Einzel- oder Komplexmittel in Akupunkturpunkte.Mithilfe der Injektion lassen sich spezifische Reize auf den Akupunkturpunkt setzen, die man in der klassischen Akupunktur nur über die korrekte Nadelmanipulation bewirken kann.Dabei werden die homöopathischen Mittel nach dem Ähnlichkeitsprinzip, die Akupunkturpunkte gemäß der TCM-Disharmoniemuster ermittelt.


#
Zoom Image
Foto: © Fotolia/Wolfisch

Die HOMÖOSINIATRIE verbindet Akupunktur mit Homöopathie.

Harald Kämper

IM JAHRE 1886 berichtete der deutsche Homöopath August Weihe von der Beobachtung, dass er bei der Untersuchung von Patienten mit Erkrankungen, die bestimmten Arzneimittelbildern entsprachen, häufig identische druckschmerzhafte Körperstellen fand. Auch wenn davon auszugehen ist, dass Weihe keinerlei Kenntnisse von TCM oder Akupunktur hatte, gilt dies als die Geburtsstunde der Homöosiniatrie – stimmen doch 105 der 195 Weihe’schen Punkte mit klassischen Akupunkturpunkten überein.

In der TCM ist es üblich, Akupunkturpunkte nicht nur anhand von Zungenund Pulsdiagnose, sondern auch anhand von Leitsymptomen klassischer Disharmoniemuster auszuwählen. Die dabei festgestellten äußeren und inneren pathogenen Faktoren erinnern durchaus an die Modalitäten und Seelenqualitäten der Arzneimittellehre der Klassischen Homöopathie. Daher verwundert es nicht, dass mit der Etablierung der Injektionstechniken, besonders in den 1950er-Jahren, Therapiekonzepte vorgestellt wurden, die Injektionen von homöopathischen Einzel- und Komplexmitteln an spezifische Akupunkturpunkte empfahlen. Dies fand bei einer Vielzahl der damaligen Naturheilkundigen Zuspruch, da es eine recht einfache Art darbot, Akupunktur und Homöopathie zu praktizieren. Einigen Kollegen jedoch schien die Homöosiniatrie damals wie heute entbehrlich. Ihre Argumentation: Für ein passendes homöopathisches Einzelmittel sei der Ort der Applikation unerheblich. Üblich und völlig ausreichend sei die Gabe des Mittels auf die Zunge. Analog dazu könne man bei klassischer Akupunktur durch sachgerechte Nadelung auf die Beimengung eines Arzneimittels verzichten. Eine Argumentation, die im Grunde genommen richtig ist. Weshalb aber lässt sich die Homöosiniatrie als sinnvolles Therapiekonzept trotzdem befürworten?

Ein Plädoyer für die Homöosiniatrie

Sowohl die Homöopathie als auch die Akupunktur arbeiten einerseits mit einfach anwendbaren Konstanten (bei der Akupunktur der Nadelstich als universeller Reiz, bei der Homöopathie die orale Applikation als übliche Darreichungsform). Andererseits gibt es in beiden Systemen auch Variablen, welche die Individualität der Behandlung ausmachen (bei der Akupunktur der Ort des Einstichs und die Nadelmanipulation, bei der Homöopathie die Wahl des Mittels und seine Potenzierung).

Die für den Behandlungserfolg entscheidende Kunst ist es, für jeden Patienten die idealen Variablen zu finden und gekonnt anzuwenden. Dies erfordert jedoch neben einer sehr guten Ausbildung viel Erfahrung, Empathie und auch Intuition. Gleichzeitig setzen Zeitdruck, das Erstattungsverhalten der Krankenkassen, die finanziellen Möglichkeiten der Patienten sowie Therapieblockaden dem Ideal einer klassischen Behandlung oft Grenzen. Homöopathie und Akupunktur bedürfen im Idealfall keiner Ergänzung oder Vermischung. Im Alltag einer Vollerwerbspraxis findet der Idealfall aber nur selten statt.


#

Komplexmittel statt Nadel-manipulation

An diesem Punkt setzt die Homöosiniatrie an. Denn kombiniert man die Therapiekonstanten beider Methoden sinnvoll, entsteht ein synergistischer Effekt, der die harten Kriterien für die Auswahl der individuellen Variablen etwas aufweichen kann. Wie funktioniert das? In der klassischen Akupunktur kann man gezielte Effekte über einen Akupunkturpunkt durch korrekte Manipulationen erzielen. Ein Beispiel zur Erläuterung: Der Akupunkturpunkt MP 2 ist der Feuerpunkt auf dem Milz/Pankreas-Meridian. Je nach Manipulation der Nadel kann man über ihn das Organ Milz/Pankreas erwärmen (sanfte, tonisierende Manipulation) oder kühlen (starke, ableitende Manipulation). Die auf die Reizintensität folgende Reizantwort des Patienten bestimmt also die Wirkrichtung von MP 2. Anstelle der manuellen Nadelmanipulation kann man aber auch mithilfe einer Injektion einen spezifischen Reiz auf den Akupunkturpunkt setzen. Dazu gibt es 2 Möglichkeiten.

KURZ GEFASST
  1. Die Homöosiniatrie bezeichnet die Injektion homöopathischer Einzel- oder Komplexmittel in Akupunkturpunkte.

  2. Mithilfe der Injektion lassen sich spezifische Reize auf den Akupunkturpunkt setzen, die man in der klassischen Akupunktur nur über die korrekte Nadelmanipulation bewirken kann.

  3. Dabei werden die homöopathischen Mittel nach dem Ähnlichkeitsprinzip, die Akupunkturpunkte gemäß der TCM-Disharmoniemuster ermittelt.

Unspezifischer Reizstoff in Zielstruktur

Man injiziert einen unspezifischen Reizstoff wie Acidum formicicum (z. B. Heweformica Amp. [Fa. Hevert]) an die Zielstruktur des Akupunkturpunkts. Die Reizstärke wird hier durch die Menge des injizierten Präparats bestimmt. Kleine Volumina (0,1–0,3 ml) wirken tonisierend, große Volumina (> 0,3 ml) setzen schon durch den Druckaufbau im Gewebe einen stärkeren Reiz, der eine ableitende Wirkung hat.


#

Organotropes Komplexmittel in den Akupunkturpunkt

Man infiltriert in den Akupunkturpunkt ein organotropes Komplexmittel, das entweder

  • eine durchblutungsfördernde, entstauende und anregende Wirkung hat (das entspricht in der Summe dem TCM-Bild des Erwärmens und Tonisierens) wie Pankreaticum-Hevert® Injekt N (s. Praxisbeispiel: Die Milz erwärmen, S. 23)

  • oder eine entzündungswidrige, motilitäts- und sekretionsreduzierende Wirkung (das entspricht einem kühlenden Effekt) wie Obatri-Injektopas ® SL (Fa. Pascoe).

Die Auswahl des passenden Komplexmittels ersetzt in beiden Fällen die zeitraubende und nicht ganz einfache Technik der Nadelstimulation.

Auch kann die Injektion eines Komplexmittels in einen Akupunkturpunkt dessen Wirkung steigern: Rücken-Transport- Punkte (Shu-Punkte) und Alarm-Punkte (Mu-Punkte) z. B. stärken das ihnen zugeordnete Organ. Diese Punkte liegen am Rumpf – meist in Head-Zonen –, die Effekte werden überwiegend durch intrakutane kutiviszerale Reflexe vermittelt. So stärken z. B. Bl 15 und KG 14 das Herz. Eine i.c.-Injektion von Weißdorn in diese Punkte würde den herzstärkenden Effekt verbessern (s. Praxisbeispiel: Das Herz stärken, S. 23).


#
#

Hinweise zur Anwendung

Die Homöosiniatrie ist keineswegs – wie böse Zungen behaupten – nur ein fauler Kompromiss, der allenfalls den Behandelnden dient, die weder Homöopathie noch TCM richtig beherrschen. Sie ist ein verlässliches Instrument, mit dem man schnell und bei richtiger Anwendung risikofrei erstaunliche Therapieeffekte erzielen kann. Dabei hängt der Erfolg der Therapie wie bei allen anderen Heilverfahren maßgeblich von der fachgerechten Durchführung ab. Hierzu einige Hinweise.

Die Auswahl des Akupunkturpunkts

Bei der Auswahl des Akupunkturpunkts sind folgende Aspekte zu beachten:

  1. Der Punkt sollte gut lokalisierbar sein.

  2. Er sollte gefahrlos punktiert und infiltriert werden können.

  3. Seine Wirkung im Sinne der TCM sollte eine klare Richtung aufweisen und nicht zu speziell sein.

  4. Er sollte nach Gesichtspunkten der Wandlungsphasen, dem Organverständnis der TCM sowie der Energieund Meridianlehre ausgewählt werden.

  5. Druckschmerzhafte oder morphologisch veränderte Punkte sind diagnostisch und therapeutisch von besonderer Wichtigkeit.

  6. Die Lokalisation der Akupunkturpunkte erfolgt in cun. Dabei entspricht 1 cun der Daumenbreite des Patienten. 1,5 cun entsprechen der Breite von aneinandergelegtem Zeige- und Mittelfinger, 2 cun der Breite von Zeige-, Mittel, und Ringfinger, 3 cun der Breite von Zeige-, Mittel-, Ring- und kleinem Finger.


#

Die Auswahl des Arzneistoffs

Bei der Wahl des Arzneimittels ist zu beachten:

  1. Es sollte ein Einzelmittel oder ein Komplexmittel sein, das für i.c.-, s.c.- und i.m.-Injektionen zugelassen ist.

  2. Es sollte organotrop sein oder eine eindeutige Wirkrichtung haben, z. B. entzündungswidrig oder krampflösend.

  3. Es sollte Substanzen von ähnlicher Modalität enthalten.

  4. Potenzakkorde sind möglich, aber im Sinne der Injektionswiederholung mit besonderer Vorsicht einzusetzen. Günstiger sind Mittel mit einheitlichem Potenzspektrum, i. d. R. niedrige bis mittlere Potenzen.

  5. Die Mischung unterschiedlicher Präparate verändert den Charakter der Injektionslösung und ist daher zu vermeiden.

Sowohl für die Auswahl der Akupunkturpunkte als auch der homöopathischen Mittel gilt: Sie werden jeweils nach ihrer eigenständigen Systematik hergeleitet: die homöopathischen Mittel nach dem Ähnlichkeitsprinzip, die Akupunkturpunkte gemäß der TCM-Disharmoniemuster. Die von Arzneimittelkompendien vorgeschlagenen Akupunkturpunkte können allenfalls als grobe Empfehlung Berücksichtigung finden.


#

Die Injektionstechnik

Bezüglich der Injektionstechnik sind folgende Aspekte zu beachten:

  1. Zur Stimulation der Oberflächensensibilität bei Schmerztherapie erfolgt zunächst eine i.c.-Quaddelung über dem ausgewählten Punkt (Nadelgröße: 18 oder 20).

  2. Zur Stimulation der Tiefensensibilität schiebt man die Kanüle durch die Quaddel in die Tiefe zur Zielstruktur, z. B. Muskel oder Sehne, und appliziert dort ca. 0,3–0,5 ml der Injektionslösung.

  3. Die Regeln der Antisepsis für Injektionen sind streng einzuhalten (Händedesinfektion, Desinfektionslösung etc.).

  4. Die Injektion ist am liegenden Patienten vorzunehmen. Die Muskulatur des Patienten muss mithilfe richtiger Lagerung, z. B. Knierolle, entspannt werden.

  5. Kontraindikationen für Arzneimittel, z. B. Korbblütler-Allergie oder Autoimmunerkrankungen, sind sorgfältig zu erfragen.

Es gelten auch in der Homöosiniatrie die allgemeinen Kontraindikationen bei Blutgerinnungsstörungen (Hämophilie, Marcumar- Therapie): i.c.- und s.c.-Applikationen sind zulässig, i.m. verboten.


#

Anwendungsdauer

Je nach Krankheitsfall (in der Naturheilpraxis werden wohl eher chronische Erkrankungen, also Leere-Innen-Muster, auftreten) sind 10–15 Sitzungen erforderlich. Zunächst erfolgt die Behandlung wöchentlich, später werden die Abstände bis auf 4 Wochen ausgedehnt.


#
#

Narbenentstörung

In Anlehnung an die Neuraltherapie nach Huneke gelten Narben, z. B. im Verlauf von Meridianen, auch in der Homöosiniatrie als potenzielle Störfelder. Die Lokalisation der Narbe lässt dabei keine pauschalen Rückschlüsse auf die ausgelöste Erkrankung zu. Ein Störfeld auf dem Lungenmeridian z. B. kann mit unterschiedlichsten Beschwerden wie Infektanfälligkeit, Allergien, Ödemen etc. einhergehen. Gleichzeitig muss das Störfeld nicht zwingend Auswirkungen auf das Organ selbst haben. Da auch der Dickdarm zum Funktionskreis der Lunge gehört, können z. B. auch Reizdarmsyndrome auftreten oder Schmerzen im Verlauf des Dickdarm-Meridians, z. B. Schulter-Arm-Syndrom oder Tennisellenbogen. Hierbei ist generell zu beachten, dass jeweils 2 Funktionskreise, also 4 Meridiane, einen energetischen Umlauf bilden. Im Falle einer Narbe auf dem Lungen- Meridian würde dies bedeuten, dass auch z. B. Beschwerden des Magens, der Bauchspeicheldrüse sowie Schmerzen der Knieoder Sprunggelenke davon herrühren können. Von Bedeutung sind oft Narben im Verlauf der antiken Punkte, also von den Fingerspitzen bis zum Ellenbogen und von den Zehenspitzen bis zu den Knien sowie an Bauch und Thorax.

Jeder der 3 energetischen Umläufe (12 Hauptmeridiane) geht vom Brustkorb über die Arme zu den Händen, von dort zum Kopf, weiter zu den Füßen und von den Füßen zurück zum Brustkorb – und dies symmetrisch auf beiden Körperseiten. So erklärt sich das Phänomen, dass bei manchen Patienten Beschwerden bevorzugt auf einer Körperhälfte auftreten, wenn dort – oder auf der gegenüberliegenden Seite – ein Störfeld vorhanden ist.

Ein Verdacht auf Störfeldaktivität könnte gegeben sein, bei

  • Reaktionsstarre trotz geeigneter und handwerklich korrekter Behandlung

  • Beschwerden auf einer Körperseite oder symmetrischer Verlauf

  • Verschlimmerung bei Wetterumschwung, vor Gewitter

  • Verschlimmerung oder auffälliger Besserung durch Genussmittel

  • Auftreten von Beschwerden nach physischen Traumata (Operationen, Unfälle etc.)

Kriterien für die Narbenentstörung

  1. Sofern keine Kontraindikation (Allergie) vorliegt, ist Procain 1–2 % (2 ml) das Mittel der Wahl zur i.c.-Injektion. Bei Allergie gegen Lokalanästhetika vom Ester-Typ (Procain) können alternativ Lokalanästhetika vom Amid-Typ (Lidocain 1 %) i.c. benutzt werden. Die spezifischen Kontraindikationen bei Leberschäden und Herzrhythmusstörungen sind dann zu beachten.

  2. Bei unsicherer Allergielage, bei allgemeiner Unverträglichkeit von Lokalanästhetika oder zur tieferen Infiltration sind homöopathische Komplexmittel geeignet, die Valeriana oder Zincum valerianicum bis zu einer Potenz von D 4 enthalten und die für i.c.-, s.c.- und i.m.-Injektionen zugelassen sind.

  3. Großflächige und langgestreckte Narben können auch durch i.c.-Auffädelung der Narbenpole mittels Akupunkturnadeln und i.c.-Nadeln ca. alle 5 cm im Narbenverlauf entstört werden. Gute Effekte zeigen die Anwendung des Pflaumenblütenhämmerchens und Moxibustion um die Narbe herum.

  4. Narbenentstörungen auf „Außerordentlichen Meridianen“ (besonders auf Dai mai, Du mai, Ren mai) können vegetative Reaktionen auslösen, die 1–3 Tage anhalten.

  5. Narben auf dem zum Erkrankungsmuster gehörenden energetischen Umlauf sind von besonderer Bedeutung.

BEISPIEL

Akupunkturpunkte: Das Herz stärken

Zoom Image
© Peuker ET, Filler TJ, Hecker HU et al. AnatomieAtlasAkupunktur. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005

He 7: Shen men, Geistestor, Straße zur Heiterkeit (s. Abb. 1)


Lokalisation: proximal des Erbsenbeins, medial der Sehne des M. flexor carpi ulnaris auf der Beugefalte des Handgelenks


Zielstruktur: Bindegewebsscheide des ulnaren Gefäß-Nerven-Bündels


Stichtechnik: senkrecht, 0,3–0,5 cun

Zoom Image
© Peuker ET, Filler TJ, Hecker HU et al. AnatomieAtlasAkupunktur. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005

Bl 15: Xin shu, Zustimmungspunkt des Herzens (s. Abb. 2)


Lokalisation: 1,5 cun lateral der Unterkante des Dornfortsatzes des 5. Brustwirbels


Zielstruktur: Muskelsepten zwischen M. longissimus thoracis und M. iliocostalis, dort R. lateralis des R. dorsalis des Spinalnervs


Stichtechnik: i.c.-Quaddel über Zielstruktur, dann durch Quaddel 0,5–1,0 cun tief, Stichrichtung media-kaudal (Cave: Pneumothorax).

Zoom Image
© Peuker ET, Filler TJ, Hecker HU et al. AnatomieAtlasAkupunktur. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005

KG 17: Shan zhong, Mitte der Brust, Altar der Mitte (s. Abb. 3)


Lokalisation: im 4. Interkostalraum, auf der Mitte zwischen den Brustwarzen


Zielstruktur: Lig. sternocostale radiatum


Stichtechnik: Quaddelung über Zielstruktur, dann flacher Einstich nach kaudal, subkutane Infiltration (Cave: Foramen sternale, Perikardtamponade)

Zoom Image
© Hecker HU, Steveling A, Peuker ET et al. Lehrbuch und Repetitorium Akupunktur mit TCM-Modeulen. 2. Aufl. Stuttgart: Hippokrates; 2002

MP 10: Xue hai, Meer des Blutes (s. Abb. 4)


Lokalisation: medialer Oberschenkel, 2 cun schräg kraniomedial des oberen Kniescheibenrands, kleines tastbares Grübchen im M. vastus medialis


Zielstruktur: M. vastus medialis


Stichtechnik: 1–1,5 cun senkrecht


Akupunkturpunkte: Die Milz erwärmen

Zoom Image
© Peuker ET, Filler TJ, Hecker HU et al. AnatomieAtlasAkupunktur. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005

MP 2: Da du, Große Hauptstadt (s. Abb. 5)


Lokalisation: mediale Großzehenseite, Basis der proximalen Phalanx, an der Grenze von weißer und roter Haut


Zielstruktur: Periost der proximalen Phalanx


Stichtechnik: senkrecht oder schräg, nach proximal 0,3–0,5 cun


MP 3: Tai bai, Venus (s.Abb. 5)


Lokalisation: Fußinnenseite, Köpfchen des 1. Mittelfußknochens (MFK), proximal des Metatarsophalangealgelenks an der Grenze von weißer und roter Haut


Zielstruktur: Periost 1. MFK


Stichtechnik: Quaddelung über Zielstruktur, dann 0,3–0,5 cun tief, schräg nach proximal

Zoom Image
© Peuker ET, Filler TJ, Hecker HU et al. AnatomieAtlasAkupunktur. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005

Bl 20: Pi shu, Zustimmungspunkt der Milz (s. Abb. 6)


Lokalisation: 1,5 cun seitlich der hinteren Medianlinie, in Höhe der Dornfortsatzunterkante des 11. Brustwirbels


Zielstruktur: Muskelsepten zwischen M. longissimus und M. iliocostalis, R. lateralis des R. dorsalis des Spinalnervs


Stichtechnik: Quaddelung über Zielstruktur, dann 0,5–1,0 cun tief, schräg nach medial (Cave: Pneumothorax)

Zoom Image
© Peuker ET, Filler TJ, Hecker HU et al. AnatomieAtlasAkupunktur. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005

KG 4: Guan yuan, Pass zum Ursprung (s. Abb. 7)


Lokalisation: vordere Medianlinie, 2 cun über der Mitte des Symphysenoberrands, 3 cun unterhalb des Nabels


Zielstruktur: Linea alba


Stichtechnik: senkrecht, 0,5–1,0 cun tief, in der Schwangerschaft kontraindiziert

Zoom Image
© Hecker HU, Steveling A, Peuker ET et al. Lehrbuch und Repetitorium Akupunktur mit TCM-Modeulen. 2. Aufl. Stuttgart: Hippokrates; 2002

Ma 40: Feng long, üppige Fülle (s. Abb.8)


Lokalisation: Unterschenkelaußenseite, in der Mitte der Strecke von äußerem Kniegelenkspalt zur Spitze des Außenknöchels, 2 cun seitlich der Tibiavorderkante


Zielstruktur: Septen zwischen M. extensor digitorum longus und M. extensor hallucis longus


Stichtechnik: senkrecht, 1,0–1,5 cun tief


#
#

Praxisbeispiel: Das Herz stärken

Bei organischen Herzschäden nach Entzündungen, bei Hypertonie, koronarer Herzkrankheit, Adipositas und beim Altersherz ist eine herzstärkende Behandlung angezeigt. Symptome wie Herzklopfen, Herzstolpern oder thorakale Beklemmung sind Ausdruck einer organischen Herzerkrankung und verschlimmern sich bei körperlicher Belastung. Die Patienten haben oft kardiale Unterschenkelödeme und neigen zur Zyanose. Als Folge der erforderlichen schulmedizinischen Grundbehandlung (Beta-Blocker, ACE-Hemmer, Diuretika etc.) klagen sie auch gelegentlich über Antriebsschwäche, Schwindel und Schlafstörungen. Narbenblockaden im Thoraxbereich nach Herzklappenoperationen oder aortokoronarem Bypass begünstigen mitunter andere funktionelle Störungen wie Schweißausbrüche oder Wetterfühligkeit. Weitere häufige Störfelder können sein: Narben von axillären Schweißdrüsenabszessen, Narben von Thoraxeingriffen, Venenoperationen und Operation eines CTS (Karpaltunnelsyndrom) sowie Schnittwunden im Kleinfingerbereich.

Für eine homöosiniatrische Behandlung zur Herzstärkung empfiehlt sich z. B. Crataegus Hevert® Injekt Amp. Es enthält Crataegus, ein wichtiges Herzmittel in der Erfahrungsheilkunde.

Akupunkturpunkte:

  • He 7 + Bl 15: Kombination von Quellund Zustimmungspunkt wirkt organstärkend.

  • KG 17: Meisterpunkt der Energie, stärkt die Thoraxorgane Herz und Lunge, Alarmpunkt des Herzhüllen-Meridians, löst organische Stauungszustände am Herz

  • MP 10: verbessert die Durchblutung, löst Blutstau


#

Praxisbeispiel: Die Milz erwärmen

Verdauungsbeschwerden können aus Sicht der TCM u. a. in einer Milzschwäche begründet sein. Dabei entspricht die „chinesische Milz“ nicht dem anatomischen Organ Milz, sondern schließt die gesamte Leistung des Verdauungstrakts, also auch der Bauchspeicheldrüse und des Dünndarms mit ein. Daher wird im Westen i. d. R. vom Organ oder Meridian Milz/Pankreas (MP) gesprochen. Die Milz verbraucht für ihre Verdauungsarbeit viel dynamische (Yang-)Energie, sodass sie auf Wärme angewiesen ist. Wird sie zu kühl, stauen sich feste und flüssige Nahrungsbestandteile, und es fehlt der Kraftgewinn aus der Nahrung. Der Betroffene wird müde, antriebslos und „verstumpft“ auch geistig. Ursache für eine Milzschwäche können u. a. sein: im Sinne der TCM kühle Nahrungsmittel (z. B. Rohkost), Grübeln, sich Sorgen machen. Der typische Patient mit Milzschwäche wirkt träge, aufgedunsen, übergewichtig und neigt zu Krampfadern. Seine Zunge ist blass, ebenfalls aufgedunsen mit Zahnabdrücken an den Rändern. Diäten bleiben – auch wegen wiederkehrender Heißhungerattacken – erfolglos. Nach dem Essen fühlt er sich aufgetrieben, sein Stuhlgang ist unregelmäßig, oft weich mit unverdauten Nahrungsbestandteilen. Konzentriertes, geistiges Arbeiten fällt ihm schwer.

Häufige Störfelder sind Narben im Oberbauchbereich, Kniebereich, im Bereich des inneren Sprunggelenks, bei älteren Patienten besonders Narben nach Magen- Teilresektion.

Mit seiner Indikation als homöopathisches Komplexmittel bei Verdauungsstörungen und seinen wärmenden Inhaltsstoffen ist Pancreaticum Hevert® Injekt N ein geeignetes Mittel für die homöosiniatrische Behandlung.

Akupunkturpunkte:

  • MP 2: Feuerpunkt und Tonisierungspunkt der Milzleitbahn, erwärmt und stärkt die Milz

  • MP 3: Ursprungs-Qi- und Erde-Punkt der Milz, stärkt und harmonisiert die Verdauung, leitet Feuchtigkeit aus, verstärkt die Wirkung von Ma 40

  • Bl 20: Zustimmungspunkt auf segmentaler Ebene, stärkt die Milz und verbessert ihre Durchblutung

  • KG 4: Zugang zum Quellen-Qi, Alarmpunkt des Dünndarms, stärkt die Wärmeenergie des gesamten Organismus, in besonderer Weise auch die des Dünndarms

  • Ma 40: Verbindungspunkt Magen-Milz, löst zähen Schleim, ist angezeigt bei Übergewicht

Dieser Artikel ist online zu finden: http://dx.doi.org/10.1055/s-0035-1563583


#
#

Dr. med. Harald Kämper

Zoom Image

Gesundheitszentrum St. Elisabeth
Pfarrer Wilhelm Schmitz Str. 1a
46282 Dorsten.


Dr. Harald Kämper hat nach seiner Ausbildung als Heilpraktiker Medizin studiert und arbeitet in eigener Praxis als Arzt für Naturheilverfahren in Gelsenkirchen. Sein Interessensschwerpunkt liegt bei der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Seine Ausbildung in der TCM hat er bei Professoren der Hochschule Tianjin VR China am Europäischen Zentrum in Münster absolviert. Er ist als Referent in der Fortbildung von Heilpraktikern und Ärzten aktiv. Als Mitherausgeber der DHZ ist er verantwortlich für das Fachgebiet der Traditionellen Chinesischen Medizin.

Zoom Image
Zoom Image
Foto: © Fotolia/Wolfisch
Zoom Image
© Peuker ET, Filler TJ, Hecker HU et al. AnatomieAtlasAkupunktur. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005
Zoom Image
© Peuker ET, Filler TJ, Hecker HU et al. AnatomieAtlasAkupunktur. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005
Zoom Image
© Peuker ET, Filler TJ, Hecker HU et al. AnatomieAtlasAkupunktur. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005
Zoom Image
© Hecker HU, Steveling A, Peuker ET et al. Lehrbuch und Repetitorium Akupunktur mit TCM-Modeulen. 2. Aufl. Stuttgart: Hippokrates; 2002
Zoom Image
© Peuker ET, Filler TJ, Hecker HU et al. AnatomieAtlasAkupunktur. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005
Zoom Image
© Peuker ET, Filler TJ, Hecker HU et al. AnatomieAtlasAkupunktur. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005
Zoom Image
© Peuker ET, Filler TJ, Hecker HU et al. AnatomieAtlasAkupunktur. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005
Zoom Image
© Hecker HU, Steveling A, Peuker ET et al. Lehrbuch und Repetitorium Akupunktur mit TCM-Modeulen. 2. Aufl. Stuttgart: Hippokrates; 2002