Dialyse aktuell 2015; 19(06): 330-331
DOI: 10.1055/s-0035-1558705
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

39. Nephrologisches Seminar Heidelberg – Phosphatmanagement in der klinischen Praxis: Kalzifizierungen vorbeugen, Alterungsprozess verlangsamen

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10 August 2015 (online)

 
 

Phosphor ist ein essenzieller Nährstoff für den Organismus und wird als Phosphat (PO4 2-) meist über Nahrungsmittel wie Fleisch, Fisch, Milch, Milchprodukte, Kartoffel-, Brot- und Mehlprodukte aufgenommen und dann – bei normaler Nierenfunktion – zu über 95 % renal ausgeschieden. Bei Niereninsuffizienz, erhöhter Phosphatzufuhr oder hormoneller Dysbalance kann es jedoch zu einer erhöhten Phosphatlast bzw. Hyperphosphatämie kommen, die eine relevante Rolle bei vaskulären Kalzifikationen spielt und entscheidend zur Komorbidität bei chronischer Nierenkrankheit (CKD) beiträgt.

Wie Dr. Kai Hahn, Dortmund, auf dem 39. Nephrologischen Seminar im März in Heidelberg vorstellte, ist es inzwischen gesichert, dass erhöhte Phosphatwerte das kardiovaskuläre Risiko und die Mortalität von Dialysepatienten und Patienten mit progredienter Niereninsuffizienz erhöhen [ 1 ]. Aber auch bei Patienten mit bzgl. der Laborwerte gesunden Nieren korrelieren erhöhte Phosphatwerte mit der Gesamtmortalität, der kardiovaskulären Ereignisrate, der linksventrikulären Hypertrophie sowie dem terminalen Nierenversagen [ 2 ].

Rationale für Phosphatrestriktion

Phosphat wird über spezifische Transportmechanismen aktiv in die glatten Gefäßmuskelzellen transportiert und verursacht dort einen osteogenen Phänotypwechel zu osteochondrogenen Vorläuferzellen, die hydroxyapatithaltige Matrixvesikeln sezernieren und die vaskuläre Kalzifizierung induzieren [ 3 ]. Darüber hinaus verschlechtert Phosphat die Nierenfunktion und beschleunigt den Nierenfunktionsverlust. Zoccali und Mitarbeiter beobachteten in der prospektiven REIN[ 1 ]-Studie einen direkten Zusammenhang zwischen Phosphatspiegel und kardiovaskulärer sowie renaler Ereignisrate [ 4 ]. Eine frühzeitige Restriktion der Phosphatzufuhr kann dagegen die Fibrose- und Glomeruloseentwicklung sowie die Mortalität verringern, wie zumindest im Tiermodell bereits belegt ist [ 5 ]. Mit Phosphatbindern behandelte bzw. phosphatarm ernährte Tiere zeigten eine geringere Mortalität als phosphatreich ernährte Tiere.


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PO4 2--Protein-Ratio und Nahrungsmitteladditive beachten

Allerdings besteht bei einer Phosphatrestriktion auch die Gefahr einer möglichen Proteinunterversorgung. Laut einer Analyse von Shinaberger und Kollegen sollten Hämodialysepatienten eine Proteinzufuhr von 1,2–1,5 g Protein/kg Körpergewicht anstreben [ 6 ]. Um dabei einen erhöhten Phosphatkonsum zu vermeiden, ist eine günstige Phosphat-Protein-Ratio erforderlich. Beispielsweise enthalten Hülsenfrüchte, Birnen, Cerealien und Nüsse organisches Phosphat meist in Form von Phytinsäure oder Phytat, das vom Menschen aufgrund des fehlenden Enzyms Phytase nur unzureichend (< 50 %) gastrointestinal resorbiert werden kann. So kann der Wechsel von tierischen auf pflanzliche Eiweißquellen die Phosphatlast vermindern, ohne dass eine Malnutrition zu befürchten ist [ 7 ].

Noch fühlt sich aber ein Großteil der Patienten nur unzureichend über den Phosphatgehalt ihrer Nahrungsmittel und die damit verbundenen Risiken für Nierenerkrankungen informiert [ 8 ]. Erschwert wird dies zusätzlich dadurch, dass viele Nahrungsmittel, insbesondere Schinken, Wurst, Fischkonserven, Schmelzkäse, Cola-Getränke und andere Softdrinks, Phosphatzusätze u. a. zur Konservierung und Geschmacksverstärkung enthalten (wie E322, E338–341, E343, E450a–c, E540 oder E543–544). Der Phosphatgehalt ist jedoch meist nicht ausreichend auf den Verpackungen deklariert und kann laut Messungen an verschiedenen Produkten bis zu 1000 mg zusätzliche Phosphatlast pro Tag ausmachen – und damit eine Verdopplung der empfohlenen Tagesmenge, so Hahn. Die diätetische Führung der Patienten wird zusätzlich dadurch erschwert, dass diese Zusätze zu fast 90 % resorbiert werden und bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz eine deutlich messbare Erhöhung der Phosphat-Serum-Spiegel bedingen.


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Phosphathomöostase frühzeitig stabilisieren

Erhöhte Phosphat-Serum-Werte werden jedoch meist erst in späten Stadien der Niereninsuffizienz (CKD Stadium 4–5) ab einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von weniger als 30 ml/min und meist erst nach Dialysebeginn auffällig (Abb. [ 1 ]). Bereits davor kommt es bei Nierenpatienten mit steigender Einschränkung der GFR (< 75 ml/min) zu einem Anstieg des phosphaturischen Hormons Fibroblast Growth Factor 23 (FGF-23), der mit einem erhöhten Risiko für linksventrikuläre Hypertrophie, kardiovaskuläre Ereignisse und erhöhter Mortalität der Patienten verbunden ist [ 1 ], [ 9 ].

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Abb. 1 Ein GFR-Wert von weniger als 75 ml/min korreliert invers mit dem FGF-23-Wert. nach [ 9 ]

Eine Phosphatrestriktion sollte daher bei niereninsuffizienten Patienten bereits sehr früh im Krankheitsverlauf initiiert werden, um ein günstiges Therapieergebnis zu erzielen, forderte Hahn. Die KDIGO-Leitlinien (KDIGO: Kidney Disease: Improving Global Outcomes) empfehlen für Prädialysepatienten eine Senkung des Serumphosphats in den Normalbereich (0,84–1,45 mmol/l) und für Dialysepatienten eine Senkung in Richtung der Normalwerte [ 10 ]. Phosphatbinder senken den Serum-Phosphat-Spiegel, sind jedoch erst ab einem SerumPhosphat-Wert von mehr als 1,78 mmol/l zugelassen. Damit steht der behandelnde Nephrologe jedoch vor einem Dilemma. „Wer deletäre Folgen einer gestörten Phosphathomöostase frühzeitig medikamentös verhindern will, muss bislang „off label“ therapieren. Es fehlt eine Indikationserweiterung für PO4 2--Bindertherapie bei CKD 3–4“, monierte Hahn.


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Therapieadhärenz verbessern

Ein Problem bei der Therapie mit Phosphatbindern stellt jedoch die Nonadhärenz dar, die insbesondere mit der erheblichen Tablettenlast assoziiert ist. Im Durchschnitt nimmt jeder Dialysepatient 19 Tabletten/Tag ein, davon mehr als 8 Phosphatbindertabletten (Abb. [ 2 ]) [ 11 ]. Die Lebensqualität der Dialysepatienten, die generell bereits erniedrigt ist, wird hierdurch noch weiter verschlechtert, erklärte Hahn. Das reflektieren auch die Adhärenzraten: Vermutlich nimmt nur etwa ein Drittel der Patienten (38 %) ihre Phosphatbinder wie verordnet ein [ 12 ]. Die dadurch erzielten schlechteren Phosphatwerte führen oft zu einer erhöhten Verordnung oder Kombination mehrerer Phosphatbinder und damit zu einer weiteren Zunahme der Tablettenlast [ 11 ].

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Abb. 2 Phosphatbinder und Tablettenlast.

Für ein gutes Phosphatmanagement und Behandlungsergebnis sind daher Maßnahmen entscheidend, die die Tablettenlast senken. Neben der Auswahl möglichst effektiver kalziumfreier Phosphatbinder in geringer Tablettenzahl sind auch Schulungsmaßnahmen zum Zweck und Nutzen der Therapie entscheidend, in die möglichst auch Familienangehörige eingeschlossen werden sollten, um die Patienten zu unterstützen. Beispielsweise lernen die Patienten mit dem PEM-Programm (PEM: Phosphate Education Management), den Phosphatgehalt ihrer Lebensmittel abzuschätzen und die Phosphatbinderdosis anzupassen [ 13 ].


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Fazit für die Praxis

  • Nur eine frühzeitige Phosphatrestriktion (diätetisch und medikamentös) verzögert die CKD-Progression und das kardiovaskuläre Risiko.

  • Ärzte und Patienten sind oft nicht ausreichend für das Gesundheitsrisiko durch Phosphate sensibilisiert.

  • Eine Malnutrition kann man durch eine gute PO4 2--Ratio und Phosphatquellenreduktion vermeiden.

  • Schulungsmaßnahmen und Empowerment verbessern die Krankheitseinsicht und Therapieadhärenz.

  • Nicht nur die qualitative, sondern auch eine quantitative Deklarierung von Phosphatadditiven ist notwendig (Forderung an Nahrungsmittelindustrie und Politik).

Dr. Katrin Wolf, Eitorf

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
Die Beitragsinhalte stammen vom Vortrag „Phosphatmanagement in der klinischen Praxis“, gehalten von Dr. Kai Hahn auf dem 39. Nephrologischen Seminar, Heidelberg, 19.03.2015.
Die Autorin ist freie Journalistin.


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1 Ramipril Efficacy In Nephropathy


  • Literatur

  • 1 Kestenbaum B, Sampson JN, Rudser KD et al. Serum phosphate levels and mortality risk among people with chronic kidney disease. J Am Soc Nephrol 2005; 16: 520-528
  • 2 McGovern AP, de Lusignan S, van Vlymen J et al. Serum phosphate as a risk factor for cardiovascular events in people with and without chronic kidney disease: a large community based cohort study. PLoS One 2013; 8: e74996
  • 3 Lau WL, Festing MH, Giachelli CM. Phosphate and vascular calcification: Emerging role of the sodium-dependent phosphate co-transporter PiT-1. Thromb Haemost 2010; 104: 464-470
  • 4 Zoccali C, Ruggenenti P, Perna A et al. Phosphate may promote CKD progression and attenuate renoprotective effect of ACE inhibition. J Am Soc Nephrol 2011; 22: 1923-1930
  • 5 Finch JL, Lee DH, Liapis H et al. Phosphate restriction significantly reduces mortality in uremic rats with established vascular calcification. Kidney Int 2013; 84: 1145-1153
  • 6 Shinaberger CS, Greenland S, Kopple JD et al. Is controlling phosphorus by decreasing dietary protein intake beneficial or harmful in persons with chronic kidney disease?. Am J Clin Nutr 2008; 88: 1511-1518
  • 7 Moe SM, Zidehsarai MP, Chambers MA et al. Vegetarian compared with meat dietary protein source and phosphorus homeostasis in chronic kidney disease. Clin J Am Soc Nephrol 2011; 6: 257-264
  • 8 Toussaint ND, Pedagogos E, Beavis J et al. Improving CKD-MBD management in haemodialysis patients: barrier analysis for implementing better practice. Nephrol Dial Transplant 2011; 26: 1319-1326
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  • 10 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) CKD-MBD Work Group. KDIGO clinical practice guideline for the diagnosis, evaluation, prevention, and treatment of Chronic Kidney Disease-Mineral and Bone Disorder (CKD-MBD). Kidney Int Suppl 2009; 113: S1-S130
  • 11 Chiu YW, Teitelbaum I, Misra M et al. Pill burden, adherence, hyperphosphatemia, and quality of life in maintenance dialysis patients. Clin J Am Soc Nephrol 2009; 4: 1089-1096
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  • Literatur

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Abb. 1 Ein GFR-Wert von weniger als 75 ml/min korreliert invers mit dem FGF-23-Wert. nach [ 9 ]
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Abb. 2 Phosphatbinder und Tablettenlast.