Das Zytokin Interleukin-2 (IL-2) galt lange Zeit als Wachstumsfaktor für alle T-Zellen.
Klinisch wurde IL-2 eingesetzt zur Verbesserung der Abwehr bei T-Zellmangel infolge
einer HIV-Infektion oder zur Verstärkung der NK-Zellantwort im Kampf gegen Krebs.
Die bedeutende Rolle von IL-2 in der Verhinderung von Autoimmunerkrankungen wurde
erstmals dadurch gezeigt, dass Mäuse, die kein IL-2 produzieren, eine sehr schwere
systemische Autoimmunerkrankung entwickeln, die einem systemischen Lupus erythematodes
(SLE) ähnlich ist. Diese Mäuse besitzen kaum regulatorische T-Zellen, die eine natürliche
Bremse gegen Autoimmunität darstellen. Die Treg dieser Mäuse weisen außerdem einen Phänotyp auf mit niedriger CD25-Expression.
Auf der anderen Seite finden sich sehr viele Effektor-Memory-T-Zellen im Blut und
im Gewebe dieser Mäuse. Erhöhte Effektor-Memory-T-Zellen sind auch charakteristisch
für den SLE, allerdings ist hier die Frequenz der natürlichen regulatorischen T-Zellen
im peripheren Blut eher erhöht im Vergleich zu Gesunden und korreliert zudem mit der
Krankheitsaktivität. Unsere Arbeitsgruppe konnte zunächst im Mausmodell des SLE nachweisen,
dass zwar kein absolutes Defizit an Treg im peripheren Blut besteht, jedoch gemessen an der hohen entzündlichen Aktivität
ein erworbener und progredienter Mangel an Treg vorhanden ist. Die Mäuse sind zunächst gesund, entwickeln aber im Laufe des Lebens
ein dem SLE sehr ähnliches Krankheitsbild, bei dem im Verhältnis zu den pathogenen
Effektor-Memory-T-Zellen zu wenig Treg vorhanden sind. Der Phänotyp der Treg weist zudem auf einen IL-2-Mangel. Ausgehend von diesen Beobachtungen hat unsere
Arbeitsgruppe zunächst im Tiermodell aufzeigen können, dass der Mangel an Treg und auch von IL-2 entscheidend zur Entwicklung der Erkrankung beiträgt. Entzieht
man jungen, noch gesunden Lupusmäusen IL-2, dann entwickelt sich der SLE schneller.
Auf der anderen Seite verbessern Injektionen von IL-2 die Lupusnephritis, an der die
Mäuse normalerweise versterben, und das Überleben der Mäuse, wobei die Dosis entscheidend
ist. Die Gabe von niedrig-dosiertem IL-2 kann hier die Zellzusammensetzung in der
Niere beeinflussen. Niedrige Dosen IL-2 wirken selektiv auf die Treg und haben keinerlei Einfluss auf die Effektor-T-Zellen. Ermutigt durch die Ergebnisse
der niedrig-dosierten IL-2-Therapie beim murinen Lupus wurden zunächst in-vitro-Experimente
durchgeführt an humanen Zellen von SLE-Patienten. Auch hier wies der Phänotyp der
T-Zellen auf einen progredienten relativen Mangel an IL-2 und von Treg mit Korrelation zur Krankheitsaktivität. Je höher diese war, umso ausgeprägter waren
die Zeichen des IL-2-Defizits und auch des relativen Treg-Mangel im Vergleich zu den Effektor-Memory-T-Zellen. Stimulierte man nun PBMC von
SLE-Patienten in vitro mit IL-2, kam es zu einer Normalisierung der phänotypischen
Auffälligkeiten. Auch hier wurden eine Dosis-Wirkungsbeziehung gefunden und schließlich
Dosen ermittelt, bei der die selektive Anreicherung von Treg und die selektive Normalisierung des T-Zellphänotyps am besten gelingen. Damit waren
die Voraussetzungen geschaffen, die Translation in die Klinik anzustreben. Unsere
Arbeitsgruppe hat eine Phase I–II Pilotstudie initiiert, die den Effekt einer subkutanen
Gabe von IL-2 bei Patienten mit einem aktiven SLE untersucht. Lebensbedrohliche Manifestationen
wurden für diesen experimentellen Ansatz ausgeschlossen. Die ersten Ergebnisse dieser
Studie sind sehr ermutigend, wobei wir die Patienten einerseits klinisch charakterisieren
als auch eine Phänotypisierung der Immunantwort durchführen. Eine Verbesserung der
Krankheitsaktivität des SLE könnte zu einem Paradigmenwechsel zur Therapie des SLE
führen: Während bisherige Ansätze entweder selektiv (z. B. Rituximab) oder nicht selektiv
(z. B. Cyclophosphamid) pathogene autoreaktive Zellen eliminieren, kann eine Behandlung
mit IL-2 explizit regulatorische T-Zellen stimulieren und damit die natürliche Barriere
gegen Autoimmunität erhöhen. Unsere bisherigen Therapieerfolge weisen darauf hin,
dass dieser Wunsch realistisch ist, zumindest für einen Teil der Patienten.