NOTARZT 2015; 31(03): 118-123
DOI: 10.1055/s-0035-1555671
Recht in der Notfallmedizin
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Notarzt auf der Überholspur

Verkehrsvergehen trotz Sonderrechten
Further Information

Publication History

Publication Date:
26 June 2015 (online)

Die mediale Empörung war groß und gipfelte in einer sog. Online-Petition, mit der über 200 000 Personen einen Freispruch forderten: Ein bayrischer Notarzt war von einem anderen Autofahrer angezeigt worden, der sich durch dessen Fahrweise bei einem Überholvorgang auf einer Einsatzfahrt genötigt bzw. gefährdet gefühlt hatte. Entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag hatte die Staatsanwaltschaft Ingolstadt daraufhin Ermittlungen eingeleitet und war nach deren Abschluss zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Straftat der Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c StGB vorliege. Die Staatsanwaltschaft beantragte daher zunächst einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe, der Entziehung der Fahrerlaubnis und einer Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von 6 Monaten, den das Amtsgericht Neuburg a. d. Donau erließ. Nachdem der Angeschuldigte hiergegen Einspruch eingelegt hatte, wurde der Strafbefehlsantrag nach Intervention der Generalstaatsanwaltschaft zurückgenommen.

 
  • Quellen

  • 1 § 35 StVO (Auszug) Sonderrechte (1). Von den Vorschriften dieser Verordnung sind die Bundeswehr, der Bundesgrenzschutz, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. (5a) Fahrzeuge des Rettungsdienstes sind von den Vorschriften dieser Verordnung befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. (8) Die Sonderrechte dürfen nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden.
  • 2 2 § 38 StVO (Auszug) Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht. (1) 1 Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn darf nur verwendet werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten. 2 Es ordnet an: „Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen“. (2) Blaues Blinklicht allein darf nur von den damit ausgerüsteten Fahrzeugen und nur zur Warnung an Unfall- oder sonstigen Einsatzstellen, bei Einsatzfahrten oder bei der Begleitung von Fahrzeugen oder von geschlossenen Verbänden verwendet werden
  • 3 durch Verordnung vom 19.03.1992 (BGBl. I S. 678) wurde dem Bedürfnis der Praxis Rechnung getragen und in Abs. 2 das Wort „Einsatzfahrten“ eingefügt.
  • 4 §§ 24 StVG, 49 Abs. 3 Ziff. 3 StVO.. Die missbräuchliche Verwendung von Sondersignalen ist ebenso bußgeldbewehrt wie der Verstoß gegen die Pflicht sofort freie Bahn zu schaffen
  • 5 Schneider, Feuerwehr im Straßenverkehr 1.5.2.
  • 6 ein Verstoß gegen § 38 Abs. 8 StVO. ist nach den § 24 StVG, 49 Abs. 4 Ziff. 2 StVO als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt
  • 7 vgl die Besprechung eines Urteils der AG Castrop-Rauxel, Fischer, DER FEUERWEHRMANN 2009, 228 und s. u. die detailierten Ausführungen unter 4
  • 8 § 315 c StGB. (1) Wer im Straßenverkehr 1. ein Fahrzeug führt, obwohl er a) infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder b) infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder 2. grob verkehrswidrig und rücksichtslos a) die Vorfahrt nicht beachtet, b) falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt, c) an Fußgängerüberwegen falsch fährt, d) an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt, e) an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält, f) auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder g) haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist, und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) In den Fällen des Absatzes1 Nr.1 ist der Versuch strafbar. (3) Wer in den Fällen des Absatzes1 1. die Gefahr fahrlässig verursacht oder 2. fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
  • 9 BGH NZV 2012. 448; NStZ 13, 167
  • 10 BGH NStZ. 96, 83 m Anm Berz = NZV 95, 325; NZV 97, 276; 10, 261 OLG Köln DAR 02, 278; eingehend zum Gefährdungsbegriff OLG Frankfurt NZV 94, 365
  • 11 BGH VRS 65360. Bay DAR 74,275, NStZ 97,388, OLG Karlsruhe GA 71,217, OLG Hamm VRS 41 40, NZV 02,279, Fischer StGB § 315c Rdnr. 16.
  • 12 12 BGH VRS. 105 51, 10649, OLG Hamm NZV 02,279, OLG Köln DAR 78,331, 02,278
  • 13 13 BGH VRS 1724.
  • 14 OLG Braunschweig VRS 32 373. , OLG Düsseldorf NZV 2000, 338, OLG Köln VRS 84 294, OLG Stuttgart NJW 67, 1766, VRS 74 187
  • 15 OLG Düsseldorf. 15 NZV. 96, 245
  • 16 OLG Oldenburg. VRS 42, 35.
  • 17 LG Karlsruhe. NJW 05, 915.
  • 18 OLG Koblenz. VRS 71, 279.
  • 19 OLG Celle NStZ-RR. 04, 369, OLG Koblenz VRS 49, 42; 64, 126
  • 20 OLG Düsseldorf. VM 74, 37, OLG Köln VRS 59, 124
  • 21 ständige Rechtsprechung. im Anschluss an BGHSt 5 392; vgl. BGH VRS 50 343, Bay VRS 64 124, OLG Düsseldorf NJW 89, 2764, NZV 2000, 338, OLG Jena NZV 95, 238, KG Berlin NStZ-RR 08, 257, OLG Koblenz NZV 89, 241, OLGOldenburg DAR 02, 89
  • 22 (1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. (3) Der Versuch ist strafbar.
  • 23 OLG Hamm NStZ. 2009, 213
  • 24 § 34 StVO Unfall. (1) 1 Nach einem Verkehrsunfall hat jeder Beteiligte 1. unverzüglich zu halten, 2. den Verkehr zu sichern und bei geringfügigem Schaden unverzüglich beiseite zu fahren, 3. sich über die Unfallfolgen zu vergewissern, 4. Verletzten zu helfen (§ 323c des Strafgesetzbuches), 5. anderen am Unfallort anwesenden Beteiligten und Geschädigten a) anzugeben, daß er am Unfall beteiligt war und b) auf Verlangen seinen Namen und seine Anschrift anzugeben sowie ihnen Führerschein und Fahrzeugschein vorzuweisen und nach bestem Wissen Angaben über seine Haftpflichtversicherung zu machen, 6.a) solange am Unfallort zu bleiben, bis er zu Gunsten der anderen Beteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeuges und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit ermöglicht hat oder b) eine nach den Umständen angemessene Zeit zu warten und am Unfallort Namen und Anschrift zu hinterlassen, wenn niemand bereit war, die Feststellung zu treffen, 7. unverzüglich die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, wenn er sich berechtigt, entschuldigt oder nach Ablauf der Wartefrist (Nummer 6 Buchstabe b) vom Unfallort entfernt hat. Dazu hat er mindestens den Berechtigten (Nummer 6 Buchstabe a) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitzuteilen, dass er am Unfall beteiligt gewesen ist, und seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs anzugeben und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung zu halten. (2) Beteiligt an einem Verkehrsunfall ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zum Unfall beigetragen haben kann. (3) Unfallspuren dürfen nicht beseitigt werden, bevor die notwendigen Feststellungen getroffen worden sind.
  • 25 § 142 StGB Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zu Gunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich 1.nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder 2.berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht. (3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, dass er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Festellungen absichtlich vereitelt. (4) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.
  • 26 ständige Rechtsprechung. vgl: Thomas Fischer, Strafgesetzbuch, § 142 StGB Rdnr. 45, BGHSt 28, 129, NJW 1979, 434; Jagusch/Hentschel § 142 Rdnr. 20 m.w.N.völlig verfehlt sind hingegen die Ausführungen von Fehn und Lechtleuthner, Rettungsdienst 1999, 148, vgl. Fischer Rettungsdienst 1999, 346; Brandschutz 1999, 366, Der Feuerwehrmann 1999, 79.
  • 27 Unter bestimmten Umständen kann eine solche Abwägung und Entscheidung zugunsten eines Patienten jedoch als übergesetzlicher entschuldigender Notstand straflos sein – eine Erörterung dieser Problematik würde hier jedoch den Rahmen sprengen - vgl. dazu Schönke/Schröder Strafgesetzbuch vor § 32 Rdnr. 115
  • 28 BayObLG Beschluß vom 20.10.1982. VRS 1983, 143 (Band 64); § 35 Abs. 8 StVO lautet als „goldene Regel für Sonderrechtsfahrten: Die Sonderrechte dürfen nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden.