Schlüsselwörter irritables Larynxsyndrom - laryngeale Neuropathie - Gabapentin
Key words irritable larynx syndrome - laryngeal neuropathy - gabapentin
Einleitung
Die Lebenszeitprävalenz für chronischen Husten (über 8 Wochen andauernder Husten ohne typischen Stimulus) wird auf 30 bis 40 % in der westlichen Bevölkerung geschätzt, wobei Frauen häufiger als Männer betroffen sind [1 ]
[2 ]. Die häufigsten Ursachen sind entzündliche Erkrankungen der oberen Atemwege (Rhinosinusitis mit „postnasal drip“), gastroösophagealer Reflux und Asthma [2 ]
[3 ]
[4 ] ([Abb. 1 ]). Auch nach Ausschluss seltener pulmonaler und extrapulmonaler Ursachen ([Tab. 1 ]) bleibt etwa 1/3 der Fälle ungeklärt bzw. idiopathisch [2 ]
[4 ] und steht erst einmal im Verdacht, psychogen zu sein.
Abb. 1 Hypothetisches Schema der Entstehung einer laryngealen Hyperreagibilität (Larynx irritable) durch neuropathische und „nozizeptive“ Mechanismen innerhalb des polysynaptischen komplexen Hustenreflexes (s. Exkurs).
Exkurs zur Erklärung von [
Abb. 1 ]
Die Rezeptoren[* ] für die Hustenreize sind hauptsächlich im oberen Ösophagus, der Trachea und den proximalen Anteilen der Hauptbronchien, dem Larynx und Pharynx lokalisiert. Insbesondere chemische, mechanische und thermische Reize werden über den afferenten Teil des Reflexes (N. laryngeus superior) in die Kerngebiete des N. vagus geleitet (Nucleus tractus solitarii, „Hustenzentrum“), von wo die weitere zentrale Verarbeitung vorbereitet wird. Im Kernreflexbogen wird in der Medulla oblongata über den Nucleus ambiguus auf den efferenten Schenkel umgeschaltet, der über den Ramus externus des N. laryngeus superior den M. constrictor pharyngis inferior und den Kehlkopfmuskel M. cricothyroideus aktiviert und somit eine explosionsartige Ausatmung ermöglicht („Aspirationshusten“). Bewusst ausgespart werden hier weitere Verknüpfungen mit z. B. bronchopulmonalen Dehnungsrezeptoren (auch z. T. „irritant receptors“), dem N. glossopharyngeus, dem N. trigeminus sowie die Kaskade der weiteren zentralen Verarbeitung bis zur bewussten Wahrnehmung und emotionalen Bewertung der Irritationen (z. B. Insula). Auch auf die Differenzierung der reinen Reflexanteile („Aspirationshusten“) über dranghaftes Husten („urge-to-cough sensation“) zu bewusster Steuerung des Hustens (z. B. Hustenunterdrückung oder bewusstes Husten) wird nur insofern eingegangen, als das dranghafte Husten im Gegensatz zum schnellen Aspirationshusten hauptsächlich über die C-Fasern vermittelt wird und deshalb einen langsam ansteigenden Charakter aufweist mit übrigens kratzenden und reizenden Elementen, die auch an einige Symptome des Larynx irritable der Patientin erinnern. Experimentell wird z. B. Capsaicin oder Zitronensäure zur Reizung der „Nozizeptoren“ (Enden der C-Fasern in der Mucosa) verwendet. Darüber hinaus wurden in diesem Schema auch die Verknüpfungen des Hustenreflexes mit dem N. phrenicus, den Spinalnerven, dem N. laryngeus recurrens, dem Zwerchfell, interkostalen und abdominellen Muskeln nicht berücksichtigt. Die meisten Daten zur Physiologie und Pathophysiologie des Hustenreflexes stammen weiterhin aus Tierexperimenten. Die Chronifizierungsneigung der laryngealen Hyperreagibilität scheint von der individuellen Empfindlichkeit (Genetik, Epigenetik, Umwelt bzw. Erfahrungen) und Art sowie Intensität/Dauer der lokalen Schädigung („neuropathisch“) bzw. des Stimulus/Hustenreizes auf den „irritant receptor“ sowie dem „Nozizeptor“ abzuhängen. Der N. vagus besteht in großen Teilen aus C-Fasern („small fibres“), die ihre Perikarya im Gegensatz zu denen der Aδ-Fasern (Ganglion nodosum) im Ganglion jugulare besitzen. Die Umschaltung des ersten (peripheren) Neurons auf das zweite (zentrale) im Nucleus tractus solitarii geschieht größtenteils über Glutamat [25 ]. Es gibt Hinweise auf eine vorherige Interaktion von Aδ- und C-Fasern in deren gemeinsamem Verlauf über den N. vagus. Eine genauere Übersicht über die physiologischen Mechanismen des Hustenreflexes findet sich beispielsweise in [10 ]
[16 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ]
[24 ].
Tab. 1
Ursachen des chronischen Hustens[* ].
Pulmonale Erkrankungen
Chronische Bronchitis und COPD, Asthma bronchiale und weitere eosinophile Erkrankungen, Lungenödem, Lungentumoren, diffuse Lungenparenchymerkrankungen, Bronchiektasen und Bronchomalazie, isolierte Erkrankungen des Tracheobronchialsystems, Mucoviszidose, Sarkoidose,
Erkrankungen der oberen Atemwege
Chronische Erkrankungen der Nase und Nasennebenhöhlen (postnasales Drip-Syndrom), chronische Erkrankungen des Pharynx und Larynx, chronische Ohraffektionen, vocal cord dysfunction (VCD)
Erkrankungen des Mediastinums
Mediastinaltumoren und Struma (mit Affektion des N. laryngeus recurrens oder N. phrenicus)
Erkrankungen des Gastrointestinalsystems
Gastroösophagealer Reflux, tracheoösophageale und bronchoösophageale Fisteln, Motilitätsstörungen des Ösophagus, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Auslösende Medikamente
ACE-Hemmer über Bradykinine und Prostaglandine, Amiodaron, ß-Blocker, Kontrazeptiva, Zytostatika, Methotrexat, Nizatidin, inhalative Medikamente inklusive Kortikoide und β2-Sympathomimetika, systemisch verabreichte Sekretolytika, Interferon α-2b und α-2a, Mycophenolat-Mofetil, Nedocromil, Nizatidin, Pentamidin, Paroxetin, Sirolismus, Propofol, Fentanyl, Topiramat [20 ], oral oder systemisch applizierte Mucolytika, Sulfonamide oder Tertrazykline über eine eosinophile Pneumonie, Aspirin oder NSAR können Asthma-Anfälle auslösen, Ipratropiumbromid,, Tiotropiumbromid, Zanamivir, Bromocriptin oder Nitrofurantoin über eine Lungenfibrose, Antidepressiva oder Antipsychotika über ein Lungenödem [21 ], Venlafaxin über eine Pneumonitis [22 ].
Infektionen
Pertussis, Tuberkulose, Mycoplasma-Bakterien u. a.
Erkrankung des Herzens
am häufigsten Lungenstauung infolge Linksherzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen
Inhalationen
Aspiration, reactive airway’s dysfunction syndrome (RADS), Rauchen
Neurologische Erkrankungen
z. B. Tic-Erkrankungen, neurogene Dysphagien z. B. nach Hirnischämien oder bei extrapyramidalen Erkrankungen, Myopathien, Neuropathie des N. vagus bzw. seiner Äste N. laryngeus recurrens und N. laryngeus superior bzw. deren Rami [15 ]
[23 ].
andere Ursachen
Schlaf-Apnoe-Syndrom, Kollagenosen und Vaskulitiden
Psychogener Husten
(somatoform/dissoziativ)
unterliegender emotionaler Konflikt, Entstehung i.R. einer erheblichen psychosozialen Belastung oder Traumatisierung, Einbettung in eine andere schwere psychische Erkrankung
Chronischer ungeklärter (idiopathischer) Husten
Weder fassbares organpathologisches noch psychisches Korrelat (ggf. zentrales Hypersensitivitätssyndrom ohne organisches Korrelat wie z. B. Neuropathie?) [11 ]
* erweitert nach [2 ]
[4 ]
[17 ]
In der ICD-10 kann der psychogene chronische Husten entweder als Konversionsstörung (F44.8) oder als somatoforme autonome Funktionsstörung des respiratorischen Systems (F45.33) eingeordnet werden. Charakteristisch für beide sind i) ein fehlendes organpathologisches Korrelat[1 ] sowie ii) ein unterliegender emotionaler Konflikt bzw. eine erhebliche psychosoziale Belastung oder Traumatisierung [5 ] oder iii) eine Einbettung in eine andere psychische Erkrankung wie z. B. Angst, Depression oder Zwangsstörung [5 ]
[7 ]. Eine besondere Herausforderung liegt darin, eine gründliche, aber gezielte organische Diagnostik vorzunehmen, ohne die Symptomatik durch Überbewertung unspezifischer somatischer Befunde oder zu häufig wiederholte Ausschlussdiagnostik zu verstärken [6 ]
[8 ]. Allerdings besteht auch stets die Gefahr, einen multikausal verursachten, schwer erklärbaren organisch bedingten Husten zu übersehen und ihn primär als psychogen einzuordnen [2 ].
In der Regel tritt der psychogene chronische Husten nicht im Schlaf auf, ist nicht-produktiv, ist situationsabhängig und lässt sich durch Psycho-, Entspannungs-, Atem- und Sprachtherapie gut erreichen [7 ]. Eine rein psychische Ursache für einen chronischen Husten ist bei Erwachsenen eher selten, existiert aber häufiger bei Kindern und Jugendlichen [7 ].
An dieser Stelle soll auf das Krankheitskonzept des Larynx irritable aufmerksam gemacht werden, das sich als Hypersensitivitätssyndrom [9 ]
[10 ]
[11 ] im Bereich der bio-psycho-sozialen Spannbreite des psychosomatischen Krankheitskonzepts [6 ]
[8 ] befindet (ICD-10: F45.31 bzw. F.54). Der Larynx irritable entwickelt sich manchmal im Anschluss oder parallel zu Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltrakts (meistens Refluxerkrankung) und des respiratorischen Systems (meistens postviral) [3 ] und besteht aus Beschwerden, die sich aus einer Hyperreagibilität der Larynxregion herleiten lassen [9 ]
[10 ]
[11 ]:
chronischer unproduktiver Reizhusten
Engegefühl in der Brust
ständiges Kitzeln oder Fremdkörpergefühl im Pharyngolarynx (Globus pharyngeus)
ständiges Räuspern
verstärkte Mucusproduktion
episodische Dysphonie
episodischer Laryngospasmus (vocal cord dysfunction = VCD)
Pathophysiologisch wird eine zentrale Sensitivierung innerhalb der zentralen Schaltkreise des Hustenreflexes und/oder dessen Wahrnehmung angenommen [9 ]
[10 ]
[11 ] [([Abb. 1 ]). Diese zentrale Sensitivierung soll durch eine periphere autonome Neuropathie [12 ]
[13 ] – z. B. postviral [14 ] oder auch durch Diabetes mellitus [15 ] – oder durch eine periphere Sensitivierung spezieller Schleimhautrezeptoren (sog. „irritant receptors“ [16 ] oder „Nozizeptoren“ [10 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ] ([Abb. 1 ]) z. B. durch wiederholte chemische Reize wie ständiger Reflux oder mechanische Dehnung begünstigt werden.
Angelehnt ist dieses Konzept an das Modell der zentralen Sensitivierung beim chronischen Schmerzsyndrom [26 ]
[27 ], mit dem begleitende neuronale Reizzustände (positive Symptome) wie Hyperalgesie, Parästhesie und Allodynie erklärt werden: Bei Überaktivierung der Schmerzrezeptoren (z. B. entzündlich), aber auch bei Nervenschädigung (neuropathisch) kann es zu einer Erregbarkeitssteigerung und damit verbunden einer zunehmenden Empfindlichkeit zentraler Relais im Rückenmark und übergeordneter Schaltstellen für Signale aus dem gestörten Nervenversorgungsgebiet („Hypersensitivität“) kommen [26 ]
[27 ]. Der Larynx irritable hätte also eine Analogie zu den begleitenden Reizzuständen („Überempfindlichkeit bzw. Hyperreagibilität der neurorezeptiven bzw. relaisrepräsentativen Region“) des chronischen Schmerzes und wird deshalb von einigen Autoren auch als „chronisches Husten-Hypersensitivitäts-Syndrom“ bezeichnet [10 ]
[11 ]. Ähnliche Konzepte werden übrigens auch zur Erklärung des Fibromyalgiesyndroms, des chronischen idiopathischen Pruritus, des Chronic Fatigue-Syndroms, des Reizmagens, des Reizdarmsyndroms und chronischer, organisch nicht erklärbarer Unterbauchbeschwerden, des „Burning-mouth“-Syndroms sowie des chronischen idiopathischen Tinnitus herangezogen [26 ]
[27 ]
[28 ]
[29 ]
[30 ].
Bei neuropathischer Ursache des Larynx irritable sind Ausfallsymptome (analog den negativen Symptomen des neuropathischen Schmerzes wie Hypästhesie oder schlaffe Parese) des N. vagus bzw. seiner den Pharyngolarynx sensomotorisch versorgenden Äste (N. laryngeus recurrens und N. laryngeus superior)[2 ] zu erwarten. Das Auftreten motorischer Ausfälle (z. B. Stimmbandparesen) würde die Differenzialdiagnose zwischen psychogenem und neurogenem Husten [12 ] ([Tab. 1 ]) erleichtern und könnte durch ein laryngeales EMG (LEMG) oder Videostroboskopie der Stimmbänder bestätigt werden [12 ]
[14 ]. Anders sieht das bei rein sensiblen Ausfällen dieser Nervenregion aus, die subjektiv ebenfalls als Globus pharyngeus imponieren können und z. B. erst über den Nachweis einer Hypästhesiezone in der FEES (Videoendoskopie des Schluckens) [32 ] oder noch spezialisierter über SELSAP (surface evoked laryngeal sensory action potential)-Änderungen identifiziert werden können [33 ]. Dysphagie und VCD [34 ] sind sowohl als neuropathische als auch als nicht-neuropathische („funktionelle“) Reizsymptome des Larynx irritable denkbar ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Differenzialdiagnose zwischen neuropathischem (ICD-10: F54, G90.8) und „nozizeptivem“ (ICD-10: F45.31) Larynx irritable und pharmakologische Behandlungsoptionen (s. Text). Psychische Belastungen oder körperliche Anstrengungen können die Symptomatik verstärken [35 ].
Mit diesem Fallbericht soll gezeigt werden, wie ein zunächst leitliniengerecht [2 ]
[6 ]
[8 ] und ICD-10-konform als psychogen eingeordneter chronischer Husten (ICD 10: F45.33) – auch wenn er in Kombination mit einer schweren psychischen Krankheit und während einer gravierenden psychosozialen Belastung auftritt – sich als ein neuropathischer Larynx irritable (ICD-10: F54, G90.8) entpuppt und demzufolge dann unter der gezielten Behandlung mit Gabapentin remittiert [36 ]
[37 ]
[38 ]. Bei Älteren wäre eine rein psychogene Genese eines neu aufgetretenen chronischen Hustens extrem selten [7 ].
Kasuistik
Anamnese
Eine 76-jährige Nichtraucherin wurde nach einem Suizidversuch durch Einnahme von 60 Tabletten Zopiclon nach Stabilisierung der Vitalwerte von der Intensivstation in die psychiatrische Klinik übernommen. Ihr Ehemann war kurz zuvor verstorben und sie habe nach der Beerdigung keinen Sinn mehr in ihrem weiteren Leben gesehen. Sie habe ihren nach einem schweren Schlaganfall zunehmend hinfälligen Ehemann über 12 Monate bis zum Tod gepflegt und sich dabei sehr erschöpft und vernachlässigt. Wegen einer sich etwa zeitgleich aufschaukelnden depressiven Episode mit dominierender Konzentrationsstörung, Antriebs- und Appetitminderung sowie Ein- und Durchschlafstörung mit nächtlichem pessimistischen Grübeln sei ihre Belastbarkeit ohnehin eingeschränkt gewesen. Es handelte sich dabei um die mittlerweile 4. depressive Episode im Rahmen einer seit etwa 45 Jahren bestehenden rezidivierenden depressiven Störung ohne psychotische Symptome (ICD-10: F33.2.). Die Einnahme ihrer medikamentösen Rückfallprophylaxe, bestehend aus Venlafaxin, habe sie ebenso wie ihre antihypertensive Therapie (Ramipril, Bisoprolol) seit mindestens 6 Monaten eingestellt. Seitdem habe sie keine Medikamente mehr eingenommen mit Ausnahme von 7,5 mg Zopiclon zum Schlafen und der später genannten Behandlungsversuche ihres chronischen Hustens.
Denn ebenfalls seit etwa 12 Monaten nehme ein quälender, trockener unproduktiver Reizhusten ohne Atemnot, Stridor, Engegefühl in der Brust oder Schluckbeschwerden zu, der in 5- bis 10-minütigen immer heftigeren Attacken 5- bis 20-mal tagsüber und häufiger auch nachts sogar aus dem Schlaf heraus auftrete und deshalb für die Durchschlafstörung mitverantwortlich sei. Permanent seien mittlerweile ein Fremdkörpergefühl im rechten Kehlkopfbereich mit Räusperzwang sowie bisweilen eine kratzige Stimme. Reizhusten, Fremdkörpergefühl und kratzige Stimme hätten sich im Anschluss an eine hartnäckige Erkältung entwickelt. HNO-ärztliche, pneumologische und kardiologische Untersuchungen hätten keine richtungweisende Ursache finden können, sodass bei den o. g. Rahmenbedingungen eine psychische Genese angenommen werde, zumal mehrere medikamentöse Behandlungsversuche (u. a. verschiedene Expektorantien inklusive Acetylcystein, verschiedene Antibiotika, kortisonhaltige Aerosolsprays, orale Kortikoide, Protonenpumpenhemmer) [1 ]
[2 ] bisher wirkungslos gewesen seien. Sie habe festgestellt, dass die Beschwerden bei starker psychischer, aber auch körperlicher Anstrengung zunähmen. Eine Allergie sei bisher nicht bekannt.
Körperlicher und neurologischer Befund bei der Aufnahme
Leicht übergewichtig (bei der Aufnahme: BMI 28,3 (77 kg bei 165 cm Körpergröße), RR 160/90 mmHg, Globus pharyngeus rechts, Räuspern, etwas heisere kratzige Stimme, tastbare und nur bei Reklination gerade sichtbare Struma, 1/6 Systolikum über der Mitralklappe, leicht abgeschwächte Achillessehnenreflexe, bimalleoläre Pallhypästhesie (4/8 bds), leichte strumpfförmige Hyperalgesie beidseits ohne Leidensdruck, Kältegefühl unter beiden Fußsohlen, leichter linksbetonter Hohlfuß beidseits. Der übrige körperliche und neurologische Befund war unauffällig.
Psychischer Befund bei der Aufnahme
Schwere depressive Episode mit akuter Suizidalität und dominierendem Antriebsdefizit und starker Anhedonie, Hamilton Depression Scale (HAMD) [39 ]
[40 ]: 36 Punkte.[3 ]
Klinisch-chemische Untersuchungen
Pathologisch: postprandialer Blutzucker (160 mmol/l, bei normalem Nüchtern-Blutzucker und HbA1c 6,3 %), oraler Glukosetoleranztest (nach 2h: 158 mg/dl: Glukosetoleranzstörung), Hyperhomocysteinämie (25,3 µmo/l, normal < 15 µmo/l). Die übrigen Routinelaborwerte inklusive der Nierenwerte waren unauffällig. Auch in der erweiterten Labordiagnostik (CK, BNP, TSH, fT4, fT3, MAK, TAK, TRAK, Thyreoglobulin, Calcitonin, Methylmalonsäure, Holotranscobalamin, Vitamin B1 und B6, Folsäure und Vitamin D, Kollagenosediagnostik, Immunfixation) fanden sich Normwerte.
Apparative Zusatzuntersuchungen
pathologisch
Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) passend zu einer vorwiegend axonalen, distal-symmetrischen Polyneuropathie der unteren Extremitäten. 24-Stunden-RR-Messung: durchgehend systolisch erhöhte und normale diastolische Werte. 24-Stunden-EKG: eingeschränkte Herzfrequenzvariabilität, Schilddrüsensonografie: Struma (27 ml beidseits), linke Seite: 2 homogene, echodichte knotige Veränderungen mit 11,5 × 7,6 mm und 4 × 4,3 mm. In der transthorakalen Echokardiografie leichte Mitralklappeninsuffizienz. Videofluoroskopie des Schluckens (VFS) [32 ]: verzögerte Schluckreflexauslösung und reduzierte Hebung des Hyoid-Larynx-Komplexes nach anterior. Videoendoskopie des Schluckens (FEES) [32 ]: Reduzierte Funktion der Pharynxkonstriktoren und des Musculus transversus arytaenoideus (Transversusschwäche), unvollständiger Stimmbandschluss bei Phonation (kleiner ovulärer Spalt), leichte Rötung der Schleimhaut und der Aryknorpel, Reduktion der pharyngolaryngealen Sensibilität rechts im Vergleich zu links, vermehrter Schleim ([Abb. 3a, c ]).
Abb. 3 Fiberendoskopische Evaluation des Schluckaktes (FEES) während des neuropathischen Larynx irritable (a, c ) und während der Symptomremission ein Dreivierteljahr später (b, d ). a, b während der Phonation und c, d nach Schluckversuch von blauen Testkonsistenzen (flüssig/breiig/fest). Die Pathologika sind gelb markiert. Bei einem regelgerechten Schluckakt lassen sich normalerweise keine blauen Testkonsistenzen als Residuen in den pharyngealen und laryngealen Bereichen erkennen (d ) im Gegensatz zu den Verhältnissen mit schlaffen (s) Pharynxkonstriktoren in der rechten Pharynxhälfte (c ). Auf der linken Seite (a, c ) sind die Pharynxkonstriktoren adäquat angespannt (k) wie auch wieder auf beiden Seiten (b, d ) während der Remission der subjektiven Beschwerden des Larynx irritable unter der pharmakologischen Behandlung mit Gabapentin, Folsäure, Vitamin-B12 und Levothyroxin sowie normalisierter Glukosetoleranz. Die pathologischen Veränderungen in a können auf eine Störung des R. externus des N. laryngeus superior (ovulärer Spalt, Schwäche der Pharynxkonstriktoren) und des N. laryngeus inferior (Transversusschwäche) hinweisen – Letztere würde auch die gefundene Hypästhesie auf der rechten Seite erklären.
unauffällig
EKG, EEG, Röntgen-Thorax, Computertomografie des Thorax, Ösophago-Gastroskopie, Manometrie, MRT des Schädels, NLG des N. medianus beidseits, intra- und extrakranielle Dopplersonografie, Dopplersonografie der Extremitäten, Oszillografie, transthorakale Echokardiografie, VFS/FEES [32 ] (keine Penetration oder Aspiration, keine nasale Regurgitation, keine Störung der ösophagealen Phase), Schilddrüsenszintigrafie (Ausschluss Autonomie oder Karzinom), Pulsoximetrie während des Trinkens eines Glases Wasser (keine Desaturierung < 2 %) [32 ], erneute HNO-ärztliche Untersuchung.
Therapie und Verlauf
stationär
Die Suizidalität verschwand mit der Besserung der Depression (HAMD: 8 Punkte) innerhalb von 8 Wochen unter der Kombinationsbehandlung mit Venlafaxin retard (225 mg morgens) und Valdoxan (50 mg zur Nacht) sowie einer begleitenden eklektischen Psychotherapie (u. a. mit Focus auf Empathie, Sinnstiftung, Trauerbegleitung, Autonomieförderung, Selbstwertstärkung, Selbstwirksamkeit und Achtsamkeitsübungen)[4 ] und Ressourcen aktivierenden trainierenden Verfahren sowie Soziotherapie. Allerdings persistierten quälende Hustenattacken, wobei die Bettnachbarin bei der Patientin weder Schnarchen noch Apnoepausen ([Tab. 1 ]) bemerkt hatte, wohl aber häufiges Erwachen infolge mehrminütiger Hustenattacken. Ein Stridor oder plötzliche Atemnot als Hinweis auf einen Laryngospasmus wurde ebenfalls nicht bemerkt oder von der Patientin berichtet. Eine 8-wöchige begleitende Therapie mit einem Protonenpumpen-Inhibitor (40 mg-0 – 40 mg Pantoprazol) besserte den Husten und die Begleitsymptomatik (Globus pharyngeus, Räusperzwang, intermittierende Dysphonie) nicht. Wegen der unauffälligen Befunde in der ersten Stufendiagnostik (EEG, Schädel-MRT, Röntgen-Thorax, Thorax-CT, Spirometrie, Bodyplethysmografie, Gastroskopie, pH-Manometrie, transthorakale Echokardiografie, HNO-ärztliche Untersuchung) und einer eher kleinen Struma nodosa in der Schilddrüsensonografie wurde weiterhin von einem psychogenen Husten ausgegangen. Untypisch für einen psychogenen Husten besserten Imaginationsübungen, Atemmeditation, Entspannungstraining und Sprachtherapie den Husten jedoch nicht nachhaltig [7 ]
[43 ]. Auch war das Vorkommen von Hustenattacken aus dem Schlaf heraus eher ungewöhnlich für eine psychogene Genese [7 ].
Daraufhin wurde die Stufendiagnostik um die apparative Schluckdiagnostik (VFS, FEES) erweitert. Dabei gab es keine Hinweise auf eine zugrunde liegende Penetration oder Aspiration. Allerdings fanden sich deutliche Hinweise auf eine reduzierte Sensomotorik in der pharyngealen Phase des Schluckaktes (s. Zusatzdiagnostik), sodass eine Neuropathie des N. vagus oder seiner Kehlkopfäste nahelag. Auch die im 24-h-EKG gefundene eingeschränkte Herzfrequenzvariabilität würde diese Annahme stützen. In der Literatur wurden Behandlungserfolge mit Amitriptyllin oder Gabapentin beschrieben [36 ]
[37 ]
[38 ]
[44 ] ([Abb. 2 ]). In der Tat verschwand der chronische Husten inklusive der Begleitsymptomatik (Globus pharyngeus, Räusperzwang, Dysphonie) unter Gabapentin (100 -100- 100 – 300 mg) innerhalb von 14 Tagen.
Bezüglich der Struma erfolgte eine Behandlung mit Levothyroxin. Der Glukosetolerenzstörung wurde mit Gewichtsreduktion und körperlichem Training begegnet und gegen die Hyperhomozysteinämie wurde eine Substitution mit Vitamin B12 und Folsäure begonnen.
Um die Berechtigung des „Off-label“-Einsatzes von Gabapentin zu untermauern, wurde ein Absetzversuch durchgeführt. Innerhalb von einer Woche nach dem Absetzen von Gabapentin traten Globus pharyngeus und Räusperzwang wieder auf, bevor dann auch die Reizhustenattacken und die intermittierende Dysphonie wiederkamen. Unter Gabapentin verschwand diese Symptomatik erneut weitgehend. Nachdem damit eine Behandlungsoption für ihren quälenden chronischen Husten existierte, wirkte die Patientin auch psychisch so weit stabilisiert und belastbar, dass die Behandlung im ambulanten Rahmen fortgesetzt werden konnte. Der anhand einer visuellen Analogskala (0 – 10 Punkte) gemessene Leidensdruck der Patientin reduzierte sich unter Gabapentin schließlich von 8 auf 1, wobei die Bewertung 1 durch eine Anmutung eines Globus pharyngeus v. a. in psychischen oder körperlichen Stresssituationen [35 ] zustande kam, der psychotherapeutisch im weiteren Verlauf als „Helfer“ im individuellen Stressmanagement positiv umgedeutet werden konnte.
poststationär
Nach 2 und 4 Monaten stabiler Besserung wurden erneute Absetzversuche von Gabapentin mit Wiederauftreten der laryngealen Reizsymptome beantwortet. Im folgenden Jahr traten unter Gabapentin keine Hustenattacken oder Begleitsymptome mehr auf. Abhängig von Anspannung und Tagesmüdigkeit variierte die wirksame Gabapentin-Dosis zwischen 500 und 1200 mg pro Tag. In diesem Dosisbereich[5 ] wurde Gabapentin gut vertragen und führte nicht zu Beinödemen. Temperaturerhöhungen, Schluckbeschwerden, Bronchitiden oder Pneumonien traten bisher nicht auf.
In diesem Zusammenhang soll erwähnt werden, dass „stille“ Speichelaspirationen (Aspirationen, die keinen Hustenreflex auslösen) – die im Schlaf in geringem Ausmaß auch bei Gesunden vorkommen dürfen [53 ] – vermehrt bei Patienten mit einem Diabetes mellitus und Älteren nachgewiesen wurden [53 ] und für deren Anfälligkeit für Pneumonien mitverantwortlich sein sollen [53 ]. Als Ursache wird eine zunehmende Verzögerung und Schwächung des Schluckreflexes angenommen, was mit fortgeschrittenem Alter und Diabetes mellitus verknüpft ist [54 ].
Der Schlaf blieb weiterhin ungestört, wobei vorher mehrere schrittweise durchgeführte Entzugsversuche von Zopiclon zu einer hartnäckig persistierenden Durchschlafstörung führten. Parallel zu alternativen Medikationen (Pipamperon, Melperon, Promethazin) verschlechterte sich schnell die Glukosetoleranzstörung wieder, sodass Zopiclon 7,5 mg weiterverordnet wurde, zumal keine Hinweise auf eine diesbezügliche Suchterkrankung gefunden und die hartnäckige Schlafstörung vorher auch durch nicht-benzodiazepinartige Medikamente (Baldrian, Trazodon, Mirtazapin, Opipramol) und schlafhygienische Maßnahmen nicht gebessert werden konnte. Der Blutdruck wurde normoton unter 5 mg Bisoprolol. Erhöhte postprandiale Blutzuckerwerte traten nach beabsichtigter Gewichtsreduktion um 5 kg (BMI 26,4) und gebessertem Antrieb [55 ] außer während der Zopiclon-Entzugsversuche[6 ] schließlich nicht mehr auf. Aufgrund der Hyperhomocysteinämie erfolgte eine fortlaufende Substitution mit Folsäure und weiteren B-Vitaminen [57 ]. Wegen der Struma wurden 50 µg Levothyroxin verordnet.
Bemerkenswerterweise verbesserte sich die Funktionsprüfung in der FEES deutlich (jetzt vollständiger Stimmbandschluss, keine Transversusschwäche und keine Schwäche der Pharynxkonstriktoren mehr) und auch die pharyngolaryngeale Sensibilitätsstörung war nicht mehr nachweisbar bei jetzt normalem Sekretstatus, wie die nach einem Dreivierteljahr durchgeführte Kontrolluntersuchung zeigte ([Abb. 3b, d ]). Die sensomotorische Polyneuropathie der unteren Extremitäten und die Struma blieben unverändert.
Diskussion
Mittels der aufwendigen Zusatzdiagnostik und der probatorischen längeren hochdosierten Behandlung mit einem Protonenpumpenhemmer sind übliche und auch viele weniger übliche Ursachen des chronischen Hustens im Vorfeld und während der stationären Behandlung leitliniengerecht [2 ] ausgeschlossen worden. Mehrere Faktoren ließen jedoch an der rein psychischen Genese des chronischen Hustens zweifeln:
direktes Auftreten im Anschluss an eine längere Erkältung
Einbettung in weitere Symptome der laryngealen Hyperreagibilität
erstmaliges Auftreten im höheren Alter
Hustenattacken auch aus dem Schlaf heraus
Persistenz trotz Remission der schweren depressiven Episode
keine nachhaltige Besserung trotz gezielter Psychotherapie und Sprachtherapie
Deshalb wurde die Zusatzdiagnostik um die apparative Schluckdiagnostik (VFS/FEES) erweitert. Die damit gefundenen motorischen Auffälligkeiten (Schluckfunktionsstörung) wären mit dem fortgeschrittenen Lebensalter vereinbar [54 ]. Dies traf allerdings nicht für die in der FEES gefundene verminderte Mechanosensitivität im rechten unteren Pharyngolarynx gegenüber links und den vermehrten Mucus zu. Anatomisch ist in diesem Zusammenhang interessant, dass der rechte N. laryngeus recurrens direkt hinter der Schilddrüse verläuft, die bei unserer Patientin vergrößert ist. Jedoch ist der Ramus internus des N. laryngeus superior, der durch die Membrana thyrohyoidea (Larynxhalteapparat) verläuft, für die sensible Versorgung der Larynxregion oberhalb der Stimmlippen verantwortlich [31 ], die am ehesten mit dem bei der Patientin betroffenen Gebiet übereinstimmt. Kürzlich wurden bei 42 % von 33 untersuchten Patienten mit einer Struma (26,9 ± 14,8 ml) klinische Hinweise auf eine sensorische laryngeale Neuropathie gefunden [23 ]. Bei altersnormalisierten Kontrollen ohne Struma (N = 25) fanden sich signifikant weniger klinische Hinweise auf diese Neuropathie (12 %, p = 0,02). Dies legt zum einen nahe, dass mechanische Irritationen zumindest des N. laryngeus recurrens an der Pathogenese beteiligt sein könnten, zum anderen aber auch, dass noch weitere Ursachen (z. B. postvirale, Mikroaspiration von Magensäure) infrage kommen, wie das Vorkommen auch bei der Population ohne Struma zeigte [23 ]
[24 ]. Außerdem sind Neuropathien des N. laryngeus superior, aber auch des N. laryngeus recurrens per LEMG bei Patienten mit laryngealer Hyperreagibilität nachgewiesen worden [44 ].
Neben der Struma liegen bei der Patientin noch 3 weitere Faktoren vor, die die Diagnose einer laryngealen Neuropathie unterstützen:
Das Auftreten der Beschwerden nach einer längeren Erkältung kann auf eine postvirale Komponente hinweisen [14 ].
Schon eine pathologische Glukosetoleranz reicht aus, um die Entwicklung einer Polyneuropathie zu fördern [58 ]
[59 ]
[60 ]. In diesem Zusammenhang wurden auch bei Diabetikern vermehrte Hinweise auf einen Larynx irritable und eine sensorische laryngeale Neuropathie gefunden [15 ].
Einer Hyperhomocysteinämie werden neurotoxische Eigenschaften zugeschrieben [61 ], ggf. auch als Hinweis auf einen funktionellen intrazellulären Vitamin-B12- oder Folsäuremangel [57 ], der jedoch bei unauffälligen Werten von Holotranscobalamin, Methylmalonsäure und Folsäure im Serum [58 ] der Patientin nicht sicher nachgewiesen werden konnte. Ein Larynx irritable ist mit einem Vitamin-B12-Mangel verknüpft beschrieben worden [62 ].
Der Verdacht einer neuropathischen Ursache des Larynx irritable [13 ]
[63 ]
[64 ] wurde zusätzlich durch subklinische und elektrophysiologische Hinweise auf eine Polyneuropathie an den unteren Extremitäten und die eingeschränkte Herzfrequenzvariabilität gestärkt.
Eine gezielte Literatursuche ergab, dass chronischer Husten sowohl mit Hyperästhesie als auch mit Hypästhesie der laryngealen Mucosa verbunden sein kann [24 ]. Passend zum eingangs vorgestellten Hypersensitivitätskonzept des Larynx irritable wurde auch eine reduzierte mechanische Empfindlichkeit der laryngealen Mucosa eng verknüpft mit Symptomen wie Globusgefühl, Räuspern, verstärkter pharyngealer Schleimproduktion, chronischem Husten und Laryngospasmus beschrieben [24 ], was auf eine zentrale Übersteuerung des Hustenreflexes hindeutet, um Aspirationen sicher zu vermeiden [24 ].
Somit konnte der zunächst psychogen imponierende chronische Husten der Patientin am ehesten auf einen neuropathischen Larynx irritable zurückgeführt werden. In der Literatur finden sich in mehreren Fallberichten symptomatische Behandlungserfolge mit Gabapentinoiden (Response-Rate 50 – 80 %) [24 ]
[37 ]
[38 ]
[44 ]. Auch im vorgestellten Fall wirkte Gabapentin schnell und gut ohne Hinweise auf eine Toleranzentwicklung. Mehrere Absetzversuche untermauerten die Wirksamkeit. Eine größere Kohortenstudie konnte mittlerweile auch bestätigen, dass der Larynx irritable bei chronischem Husten weit verbreitet ist (44 % bei N = 372) [3 ], sodass eine erste randomisierte Studie zur Behandlung des therapieresistenten chronischen Hustens durchgeführt wurde, die bestätigte, dass Gabapentin beim chronischen Husten mit Begleitsymptomen eines Larynx irritable signifikant besser wirkte als Placebo (N = 62, p = 0,004) [37 ]
[38 ] und in einer täglichen Dosis von 1800 mg bei dieser Population auch gut verträglich war (tolerable Nebenwirkungen hauptsächlich: Müdigkeit und Übelkeit) [37 ]
[38 ] ([Abb. 2 ]).
Der pharmakodynamische Wirkort der Gabapentinoide scheint in den zentralen Schaltstellen des Hustenreflexes bzw. weiter kortikal zu liegen, da diese im Tierexperiment keinen Einfluss auf die periphere Sensitivierung durch Capsaicin hatten [11 ]
[38 ]. Auch die Wirksamkeit von Gabapentin auf Positivsymptome (Hypersensitivitätssymptome)[7 ] des chronischen neuropathischen Schmerzes wird durch Modulationen der GABA-ergen Neurotransmission und/oder spannungsabhängigen Calcium-Kanäle in zentralen Schaltstellen des Rückenmarks, Mittelhirns, Thalamus, sensorischen Kortex und/oder der Insula erklärt [68 ]
[69 ]. Erwähnenswert sind erste Befunde, die auf eine Wirksamkeit des GABA-B-Rezeptor-Agonisten Baclofen sowohl beim chronischen Husten als auch bei der gastroösophagealen Refluxkrankheit hinweisen [17 ] ([Abb. 2 ]).
Auffällig ist, dass chronische laryngopharyngeale Schmerzsyndrome (z. B. Neuralgien) offenbar nicht bei laryngealer Hyperreagibilität beschrieben sind [3 ]
[38 ] mit Ausnahme von 2 Fallberichten mit laryngealem Herpes zoster [70 ]. Eine Aufrüstung innerhalb des lebens- und arterhaltenden unmittelbaren Schutzsystems des Organismus vor Aspiration bzw. des dranghaften Abhustens schädlicher Eindringlinge (Viren etc.) oder Noxen könnte eine biologische Aufgabe des Larynx irritable sein, der im Sinne eines überempfindlichen Alarmsystems schon bei leichter Schädigung oder registrierter Überbelastung des Schutzsystems anspringt, indem er schon „vorsorglich“ auf unspezifische Reize reagiert oder attackenförmig spontanes Abhusten fördert. Wenn dies so wäre, müsste unter der erfolgreichen Behandlung des Larynx irritable mit Pneumonien beispielsweise durch vermehrte „stille“ Speichelaspirationen [53 ] gerechnet werden, was bisher weder in der Literatur beschrieben wurde noch bei der Patientin vorkam.
Parallel zur Remission des chronischen Hustens unter Gabapentin besserte sich sogar der Befund in der FEES, wobei die Autoren dazu 3 Erklärungen anbieten. Erstens: Ein zusätzlicher Faktor (Vitamin B12 oder Folsäure bzw. Optimierung der glykämischen Kontrolle) verbesserte zumindest die laryngeale neuropathische Komponente[8 ]. Zweitens: Die häufigen Hustenattacken hatten einen größeren Anteil an den gefundenen funktionellen Defiziten im Schluckakt und erzeugten z. B. eine funktionsrelevante mechanische Irritation des Ramus internus des N. laryngeus superior oder seiner Blutversorgung in der Membrana thyrohyoidea des Larynx. Drittens: Die in der FEES gefundene Abschwächung der Mechanosensibilität (Hypästhesie) in der pharyngolaryngealen Schleimhaut war ein Artefakt, beruhend auf untersucherabhängigen Schwankungen bezüglich der Genauigkeit der Methode [32 ]. Allerdings wurden im präsentierten Fall beide FEES durch das gleiche Team (M.S. & H.G.) durchgeführt. Limitiert ist die hier gestellte Diagnose eines neuropathischen Larynx irritable durch den Verzicht auf weitere Elektrophysiologie (LEMG und SELSAP) [12 ]
[33 ], die aktuell noch wenigen speziellen diagnostischen Zentren oder HNO-Praxen vorbehalten ist. Unterstützt wird die Diagnose durch rückläufige motorische Auffälligkeiten in der FEES wie ovulärer Spalt und Schwäche der Pharynxkonstriktoren (Ramus externus des N. laryngeus superior) sowie Transversusschwäche (N. laryngeus inferior).
Bevor ein quälender chronischer Husten anhand der leitliniengerechten somatischen Ausschlussdiagnostik und ICD-10-kompatibel als psychogen (somatoform = ICD-10: F45.8 oder dissoziativ = ICD-10: F44.8) eingeschätzt wird, sollte nach Hinweisen auf einen Larynx irritable (chronischer Husten, Engegefühl in der Brust, Globus pharyngeus, ständiges Räuspern, verstärkte Schleimproduktion, Dysphonie, Laryngospasmus und ggf. Dysphagie) gesucht werden, da dieser beispielsweise mit Gabapentin gut behandelbar ist.[9 ]