Z Gastroenterol 2015; 53(10): 1159-1160
DOI: 10.1055/s-0035-1553432
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Was leisten Pflegepersonen in der Endoskopie?

U. G. Pfeifer
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Publication History

11 June 2015

06 July 2015

Publication Date:
19 October 2015 (online)

Über die vielfältigen Aufgaben von Pflegepersonen in der Endoskopie wurde und wird immer wieder konstruktiv diskutiert. Zusammen mit Gastroenterologen werden neue endoskopische Verfahren eingesetzt, die erweitertes Fachwissen und z. T. auch gemeinsames Training voraussetzen. Es kann nicht oft genug betont werden, dass eine gut ausgebildete Assistenz ihren nicht zu unterschätzenden Anteil am Erfolg der endoskopischen Untersuchung hat.

Aus vielen Gesprächen und früheren Umfragen der Deutschen Gesellschaft für Endoskopiefachberufe e. V. (DEGEA) ist bekannt, dass viele Pflegepersonen in den Endoskopieabteilungen weit mehr übernehmen, als in der Ausbildung und auch in der Fachweiterbildung gelehrt wird.

Mit Blick auf die gesundheitspolitischen Signale [1] [2] ist es von besonderer Bedeutung, hier als Fachgesellschaft proaktiv an möglichen Weichenstellungen für den Endoskopiefachberuf mitzuwirken.

Im Alltag ist deutlich erkennbar, dass Ärzte in der Endoskopie häufig ein multiples Aufgabenvolumen bewältigen müssen. Neben den endoskopischen Untersuchungen haben viele Ärzte Stationsverantwortung, müssen z. T. schwierige Gespräche mit Patienten und Angehörigen führen, haben ihre Visitenzeiten oder sind in klinischen Qualitätsgremien involviert. Assistenzärzte, die ihren Einsatz in der Endoskopie haben, erlernen in der Regel zunächst die Funktionsdiagnostik und Ultraschalluntersuchungen. Diejenigen, die ihre Laufbahn in der gastroenterologischen Endoskopie fortsetzen möchten, wollen verständlicherweise so schnell wie möglich endoskopieren. Assistenzärzte, die in einer anderen klinischen Disziplin Karriere machen wollen, verlassen nach ihrem Einsatz den Bereich der Endoskopie und verlernen zugunsten anderer Kenntnisse und Fähigkeiten auch das in der Endoskopie Erlernte. Im Bereich der Assistenzärzte ist eine gewisse (z. T. ausbildungsbedingte) Fluktuation beobachtbar.

Daraus ableitbar ist die mehr oder weniger ausgeprägte Annahme, dass bestimmte ärztliche Tätigkeiten eher in der Phase der Anlernsituation verbleiben. Das könnte, je nach abteilungsspezifischer Organisation, für die Funktionsdiagnostik, die perkutane Punktion bei der Anlage der PEG und für die Auswertung der Kapselendoskopie der Fall sein.

Für die DEGEA sind die Zeichen der Gesundheitspolitik und die Tatsache, dass in vielen Kliniken lokale Lösungen gefunden werden im Bemühen um effiziente Abläufe, Anlass dafür, Potenziale zu kommunizieren, die für alle Beteiligten eine Win-win-Situation darstellen können. Nachfolgend werden Methode und Ergebnisse einer bundesweiten Befragung vorgestellt.

Um zunächst einmal konkret zu evaluieren, in welchem Umfang ärztliche Tätigkeiten in Endoskopieabteilungen von Endoskopiepflegepersonen (und ggf. auch von Medizinischen Fachangestellten) übernommen werden, hat die DEGEA von Oktober bis Dezember 2014 eine bundesweite Online-Befragung mit der Software SurveyMonkey® durchgeführt. Für die Datenerhebung wurde ein Fragebogen konzipiert, der objektive Erkenntnisse über den Umfang der von assistierenden Mitarbeitern übernommenen Aufgaben geben sollte.

Dafür wurden der Mitgliederverteiler der DEGEA, der E-Mail-Verteiler von Fachweiterbildungseinrichtungen und der E-Mail-Verteiler eines Kompetenzzentrums für Notfallmedizin, das auch Sedierungskurse anbietet, genutzt.

Insgesamt wurden 3120 Personen per E-Mail erreicht. 523 Kolleginnen und Kollegen haben an der Befragung teilgenommen, das entspricht einer Rücklaufquote von 16,8 %.

Mehrheitlich sind Endoskopiepflegepersonen und Medizinische Fachangestellte in den Kliniken tätig. Nahezu drei Viertel der Krankenschwestern und Krankenpfleger haben die Fachweiterbildung absolviert (70 %); 38 % der Medizinischen Fachangestellten haben sich innerhalb der Schwerpunktfortbildung für Endoskopie qualifiziert.

42 % der befragten Pflegepersonen übernehmen in ihren Kliniken sowohl die Manometrie als auch die pH-Metrie bzw. Impedanzmessung. Die Mehrzahl (60 %) der Pflegepersonen und 47 % der Medizinischen Fachangestellten führen in ihren Einrichtungen den H2-Atemtest durch. Knapp ein Drittel von 443 Pflegepersonen, die die Frage nach der Übernahme der perkutanen Punktion beantworteten, übernimmt im Alltag die perkutane Punktion bei der PEG. Ebenfalls verbreitet unter Pflegepersonen (65 %) und Medizinischen Fachangestellten (39 %) sind die Anlage der Venenverweilkanüle und die Verabreichung und Anlage der Videokapselendoskopie (59 % bzw. 39 %). Die Auswertung der Videokapselendoskopie ist jedoch noch stark in ärztlicher Hand. Nur 7 % von 277 Pflegepersonen, die diese Frage beantworteten, werten die Videokapselendoskopie auch aus (= 19 von 277 Pflegepersonen).

Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin bildet zur Entlastung von Ärzten seit 2006 Angehörige medizinischer Assistenzberufe zu Gefäßassistenten aus [3]. Unter anderen Aufgaben und Lehrinhalten geht es neben der praktischen Durchführung nicht invasiver Untersuchungsverfahren (Gefäßultraschall) unter vorläufiger Wertung der Ergebnisse auch um die Erhebung einer Basisanamnese und eines Basisbefunds einschließlich vorläufiger Symptomenzuordnung und Stadieneinteilung. Vor diesem Hintergrund war es interessant zu evaluieren, ob es in gastroenterologischen Endoskopieabteilungen ähnliche Entwicklungen gibt. Von 456 Personen, die diese Frage beantwortet haben, führen 9 Pflegepersonen abdominellen Ultraschall durch (2 MFAs).

Der Bereich der Beratungen wird klar von Ärzten dominiert. Das ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass viele Beratungen im Rahmen von Sprechstunden durchgeführt werden und dafür nicht überall Spezialsprechstunden etabliert sind.

Interessant ist zudem auch, dass die Mehrzahl der teilnehmenden Pflegepersonen und Medizinischen Fachangestellten von Ärzten (56 %) oder auch von eigenen Kollegen (54 %) angelernt wurden. Nur 26 % gaben an, in einer Bildungseinrichtung für diese Aufgaben ausgebildet worden zu sein. Es besteht darüber hinaus auch ein großes Interesse unter den Befragungsteilnehmern, weitere Aufgaben im Bereich der Endoskopie zu erlernen. Es wurde aber in Freitexten deutlich, dass im Gegenzug andere Aufgaben an anders qualifiziertes Personal abgegeben werden müssen. Auf die Frage nach Wünschen hinsichtlich der beruflichen Entwicklung werden in erster Linie mehr Anerkennung und Wertschätzung genannt. Aufgabenerweiterung, mehr Fortbildung und höhere Qualifikation sind, zusammen mit dem Wunsch nach angemessener Vergütung, häufig genannte Aspekte. 13 von 293 Befragten äußerten den Wunsch, endoskopieren zu können. Zu den 28 Nennungen, die ohne Kategorienzuordnung blieben, gehören u. a. Anmerkungen wie „weniger Putzarbeit“, „mehr Unterstützung durch den Arbeitgeber“, „die Fachweiterbildung auf ein sinnvolles Maß reduzieren“, „finanzielle Ressourcen für Fortbildung und Hospitationen“.

Diese erste bundesweite Befragung zur Übernahme von erweiterten Tätigkeiten durch Endoskopiepflegepersonen und z. T. auch von Medizinischen Fachangestellten verdeutlicht nicht nur das hohe (nicht-ärztliche) Leistungspotenzial, sondern offenbart auch den Bedarf an Delegation bestimmter Tätigkeiten und deren Machbarkeit. Es wird offensichtlich, dass die Delegation ärztlicher Aufgaben in der Endoskopie bislang eher unsystematisch vorgenommen wird und aus Mangel an Struktur und systematischer Ausbildung jeweils klinikinterne Regelungen getroffen werden.

In der Endoskopie erweitern sich die interventionellen Verfahren immer mehr, werden komplexer und z. T. auch zeitintensiver. Um jederzeit ein breites endoskopisches Methodenspektrum anbieten zu können, müssen auch die immer komplexeren Eingriffe an jüngere Ärzte weitergegeben werden. Hier könnte die Delegation von ärztlichen Tätigkeiten (z. B. Funktionsmessungen) an zusätzlich ausgebildete Endoskopiepflegepersonen eine organisatorische Entlastung bedeuten. Dem zur Seite steht die Chance, einen weiteren Bildungsschritt für engagierte Endoskopiepflegepersonen zu etablieren. Denn in der Regel ist mit Fachweiterbildung und ggf. Leitungskurs die Karriere für Pflegepersonen in der Endoskopie zu Ende, wenn sie weiter mit Patienten arbeiten wollen. Das Potenzial ist da, das zeigt die bundesweite Umfrage. Aber hier handeln die Pflegepersonen juristisch gesehen im Graubereich. Sie brauchen rechtliche Handlungssicherheit, da sie im Fall eines Schadens auch hinsichtlich des Übernahmeverschuldens in der Verantwortung stehen. Im Rahmen der Delegation bleibt die Verantwortung beim Arzt, aber Ärzte sollten an speziell qualifizierte Endoskopiepflegepersonen delegieren können, die eine zusätzliche staatlich anerkannte Ausbildung haben. Es ist bedauerlich, dass Pflegepersonen nach 3 Jahren Grundausbildung und 2 Jahren Fachweiterbildung in ihrer beruflichen Entwicklung nicht weiterkommen, wenn sie das wollen. Dass bspw. die perkutane Punktion bei der Anlage der PEG in nicht unerheblichem Maß von Pflegepersonen übernommen wird, zeigt ja die hohe Motivation und das große Interesse, Neues zu lernen. Pflegepersonen in der Endoskopie leisten sehr viel und finden gemeinsam mit Ärzten häufig zielführende organisatorische Lösungen für die Versorgung und Betreuung der Patienten. Möglich, dass auch weiterer wirtschaftlicher Druck uns zwingt, neue Organisations- und Personalstrukturen umzusetzen und die offensichtlichen Kompetenzpotenziale besser zu nutzen. Mit dem derzeitigen Berufsbild für Endoskopiefachberufe bilden wir auch auf europäischer Ebene (zusammen mit süd- und osteuropäischen Ländern) ein Schlusslicht. Kaum eine Endoskopieschwester oder einen Endoskopiepfleger aus den skandinavischen Ländern, aus den Niederlanden oder aus Dänemark zieht es als Endoskopiefachkraft nach Deutschland, da sie im Heimatland ganz andere berufliche Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten haben.

Die Qualifizierung zur Endoskopiefachpflege ist in einigen Ländern ein eigener Studiengang (z. T. auf Masterebene). Diese Studiengänge qualifizieren dann aber auch für eigenständige Beratungstätigkeiten oder vollständige Auswertung der Kapselendoskopie [4] [5] [6].

Wir haben im europäischen Vergleich ein Gesundheitssystem mit einem gesundheitspolitisch anderen Ansatz. Im Gegensatz zu steuerfinanzierten Systemen in den skandinavischen Ländern oder Großbritannien werden hierzulande die medizinischen Leistungen von den Krankenkassen bezahlt. Daraus ergibt sich ein Machtgefüge, das einerseits eine stabile medizinische Versorgung garantiert, andererseits hinsichtlich Veränderungen jedoch sehr starke Überzeugungsarbeit erfordert.

Dennoch erscheint es lohnenswert, sich für eine strukturierte weiterführende Qualifizierung auf Hochschulebene einzusetzen. Es werden ja bereits Aufgaben delegiert. Es fehlen Strukturen und anerkannte Qualifizierungsnachweise, die auch in der organisatorischen Neuordnung von Aufgaben in der Endoskopie eine rechtliche Handlungsgrundlage bilden.

Dafür setzt sich die Deutsche Gesellschaft für Endoskopiefachberufe e. V. ein.