Fortschr Neurol Psychiatr 2015; 83(06): 313
DOI: 10.1055/s-0035-1553189
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Risikofaktoren für Depression und Angststörungen und der Einsatz von Lichttherapie

Risk Factors for Depression an Anxiety Disorders and Use of Light Therapy

Authors

  • P. Falkai

  • A. Schmitt

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Publikationsdatum:
22. Juni 2015 (online)

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Depression und Angststörungen sind verwandte Syndrome mit häufig überlappender Symptomatik und Komorbidität. Die Ursachen dieser Störungen sind nur teilweise bekannt, darunter ist die Wirkung von Persönlichkeitsmerkmalen und genetischen Komponenten, aber auch schädlichen Umweltfaktoren wie Stress. Insbesondere Stress während der frühen kindlichen Entwicklung führt zu neurobiologischen Veränderungen im Gehirn wie einer veränderten Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden(HPA)-Achse mit Störung der Kortisolausschüttung, aber auch Dysregulation im Neurotransmittersystem. Aber auch epigenetische Mechanismen wie Histon-Acetylierung und DNA-Methylierung sind an der Vermittlung von Stress-Effekten auf Gentranskription beteiligt. Die Folge sind Dysfunktion und Volumenminderung von gedächtnis- und emotionsrelevanten Strukturen wie dem Hippokampus und der Amygdala [1].

In einer aktuellen Übersichtsarbeit aus transdiagnostischer Perspektive [2] werden in dieser Ausgabe von Fortschritte der Neurologie Psychiatrie gemeinsame Risikofaktoren für depressive und ängstliche Symptomatik bei Kindern und Jugendlichen herausgearbeitet. Biologische Risikofaktoren sind dabei das weibliche Geschlecht und das Einsetzen der Pubertät. Bei erhöhtem Stresserleben infolge emotionaler Dysfunktion oder psychischer Belastung der Mütter, ungünstigen Erziehungsverhaltens, Migration, sozialer Ablehnung oder Mobbing steigt die Prävalenz für Depression oder Angststörungen im Kindes- und Jugendalter. Dies hat insbesondere Bedeutung für die Einführung von Präventionsmaßnahmen, um z. B. die soziale Kompetenz von Kindern in sensiblen Entwicklungsphasen zu stärken und eine verbesserte Resilienz zu gewinnen.

Neben der psychopharmakologischen Therapie depressiver Syndrome hat in den letzten Jahren der Einsatz von Lichttherapie zugenommen. Auch bei Jugendlichen zeigte die Behandlung mit hellem Licht eine Reduktion depressiver Symptome [3]. Die Wirkung auf depressive Symptome ging jedoch häufig mit der Annahme einher, dass vor allem die saisonale affektive Erkrankung auf diese Form der Chronotherapie anspricht. Dafür sprechen unter anderem auch neue Meta-Analysen [4]. Dabei ist die Lichttherapie in dieser Patientengruppe sogar gleichwertig mit einer kognitiven Verhaltenstherapie [5]. Die Studienlage zu nichtsaisonaler Depression ist dürftiger, aber eine neue randomisierte, kontrollierte und prospektive Studie bei 20 Patienten mit Depression zeigt eine höhere Remissionsrate bei Anwendung einer chronobiologischen Zusatztherapie mit Schlafentzug und Lichttherapie verglichen mit einer Sporttherapie [6]. Dabei hatte in bisherigen Studien insbesondere eine Zusatztherapie mit körperlichem Sporttraining eine Abnahme von Angst und depressiver Stimmung in der Interventionsgruppe gezeigt [7]. Lichttherapie kann aus neurobiologischer Sicht sowohl die Ausschüttung von Kortisol als auch die Genexpression beeinflussen und stellt damit eine somatische Therapieform dar. In dieser Ausgabe zeigen Weitbrecht et al. [8] deutlich, dass Licht in Abhängigkeit von Farbtemperatur und Beleuchtungsstärke unterschiedliche Effekte hat. Dabei beeinflusste warmes Licht vor allem die Kreativität, während kälteres Licht die Konzentrationsfähigkeit verbesserte. Dies ist von Bedeutung hinsichtlich zukünftiger Anwendung dieser Therapie, wobei die beschriebenen Effekte jedoch in einer Größenordnung von 10 – 20 % liegen und eher als modulierend anzusehen sind. Insgesamt gesehen gewinnen jedoch Therapieformen, die zusätzlich zur Psychopharmakotherapie bei Patienten mit depressivem Syndrom eingesetzt werden, an Bedeutung. Sie sind effektiv, wie es für die Lichttherapie und auch die Sportintervention gezeigt werden konnte, nebenwirkungsarm und stabilisieren neben Effekten auf Chronobiologie, Stresserleben und Schlaf auch die körperliche Gesundheit. Deshalb sollten wir sie unseren Patienten empfehlen und in großen Stichproben ihre breite Anwendung in der psychiatrischen Behandlung untersuchen.

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Prof. Dr. med. P. Falkai
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Prof. Dr. A. Schmitt