Diabetologie und Stoffwechsel 2015; 10(03): R25-R34
DOI: 10.1055/s-0035-1553114
Dus-Refresher
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Gastrointestinale Motilitätsstörungen bei Diabetes

J. U. Sonne
,
J. F. Erckenbrecht
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Publication Date:
10 July 2015 (online)

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Einleitung

Patienten mit Diabetes mellitus klagen häufiger über gastrointestinale Symptome als vergleichbare Personen ohne Diabetes-Erkrankung [1] [2]. Darüber hinaus sind gastrointestinale Symptome bei Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes mellitus oder langer Diabetesdauer häufiger als bei Diabetikern mit guter Stoffwechselkontrolle oder erst kurzer Krankheitsdauer. Ursächlich wird eine Neuropathie des autonomen Nervensystems im Rahmen der diabetischen Grundkrankheit als Ursache der Häufung gastrointestinaler Symptome bei Patienten mit Diabetes mellitus angenommen.

Pathognomonische gastrointestinale Symptome, die eindeutig einer autonomen diabetischen Neuropathie zuzuordnen wären, bestehen nicht, so dass differentialdiagnostisch andere Ursachen der Symptome ausgeschlossen sein müssen, bevor die Diagnose einer autonomen diabetischen Neuropathie des Gastrointestinaltrakts gestellt werden kann.

Die Einordnung gastrointestinaler Symptome als Motilitätsstörung im Rahmen einer diabetischen Neuropathie wird erleichtert durch den Nachweis von Veränderungen nerval-autonom kontrollierter Funktionen im kardiovaskulären, urogenitalen oder neuroendokrinen System und/oder durch den Nachweis einer senso-motorischen Neuropathie bei Diabetes mellitus. Allerdings schließt der fehlende Nachweis weiterer autonomer Nervenfunktionsstörungen innerhalb oder außerhalb des Gastrointestinaltrakts oder der fehlende Nachweis einer peripheren senso-motorischen Neuropathie eine nur auf ein gastrointestinales Organ oder auf eine gastrointestinale Funktion bezogene autonome Nervenfunktionsstörung als Ursache von Symptomen aus dem Magen-Darm-Trakt nicht aus. Störungen der Kontrolle gastrointestinaler Funktionen einzelner Organe können also offensichtlich isoliert ohne weitere Manifestationen einer autonomen oder peripheren diabetischen Neuropathie in anderen Organen auftreten (Erckenbrecht). Die wichtigsten Symptome sind in [Tab. 1] zusammengefasst.

Tab. 1

Mechanismen und Symptome der gastrointestinalen Motilitätsstörungen bei Diabetes mellitus.

Lokalisation

Symptom

pathophysiologisches Korrelat

Ösophagus

Sodbrennen

Dysphagie

Reduzierter Druck im unteren Ösophagussphinkters, verminderte Clearance

Reduzierte peristaltische Kontraktionstätigkeit

Magen

Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen. Hypoglykämien bei fehlender Anpassung des Spritz-Ess-Abstands

Reduzierte Peristaltik, verzögerte Magenentleerung: Gastroparese

Dünndarm

(nächtliche) Diarrhoe, ggf. Steatorrhoe

Beschleunigter oder auch verzögerter Transit, bakterielle Fehlbesiedelung, Störung der intestinalen Barrierefunktion

Kolon

Obstipation

Verzögerter Transit, Störung des gastrokolischen Reflex

Anorektal

Inkontinenz

Reduzierte anorektale Sensitivität, verminderter Sphinkterdruck