Dialyse aktuell 2015; 19(04): 222
DOI: 10.1055/s-0035-1552992
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

10. Interaktives Nephrologisches Experten-Forum – Positiver Effekt von Sevelamer: Zu gut, um wahr zu sein?

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Publication Date:
19 May 2015 (online)

 
 

Die INDEPENDET-2-Studie von Di Iorio et al. [ 1 ], eine randomisierte Phosphatbinder-Vergleichsstudie, zeigte einen signifikanten Vorteil von Sevelamer auf das Überleben von inzidenten Hämodialysepatienten. Der primäre Endpunkt, die kardiovaskuläre Mortalität aufgrund von Herz-Rhythmus-Störungen, lag in der Studiengruppe, die den kalziumfreien Phosphatbinder erhalten hatte, deutlich – um 90 % – niedriger als in der Vergleichsgruppe. Auch die kardiovaskuläre Mortalität (alle Ursachen) war bei den Sevelamerpatienten signifikant geringer (HR, 95-%-CI: 0,11; p < 0,001) (Abb. [ 1 ]).

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Abb. 1 Überleben inzidenter Dialysepatienten (n = 466; p < 0,001).
nach [ 1 ]

Auf dem 10. Interaktiven Nephrologischen Experten-Forum Anfang März in Frankfurt wurden diese Daten kontrovers diskutiert. Zwar hatten bereits mehrere Studien einen Vorteil für die Therapie mit dem kalzium- und metallfreien Phosphatbinder aufzeigen können, wie beispielsweise die RIND[ 1 ]-Studie [ 2 ], aber der Effekt war weniger deutlich ausgeprägt. Eine Metaanalyse von Jamal et al. [ 3 ], die 2012 im renommierten Journal Lancet publiziert wurde, errechnete einen Überlebensvorteil von 22 % durch die Therapie mit kalziumfreien Phosphatbindern. In der Mehrzahl der in dieser Analyse ausgewerteten Studien wurde Sevelamer eingesetzt, die INDEPENDENT-2-Studie [ 1 ] war aufgrund ihres späteren Publikationstermins nicht in die Metaanalyse mit eingegangen.

Auch Kalzium ist ein Risikofaktor für die Gefäßverkalkung

Doch wie lässt sich ein Vorteil von 90 % erklären? Dieser Frage ging Prof. Paolo Raggi, Toronto (Kanada), in seinem Vortrag mit dem provokanten Titel „Zu gut, um wahr zu sein?“ nach. Der kanadische Kardiologe betonte, dass es sich bei der Studie um eine unabhängige, von universitären Forschern initiierte Arbeit handelt und bestätigte die Richtigkeit des Ergebnisses. Als einer der 3 Reviewer des Papers habe er sämtliche Rohdaten angefordert und geprüft – und keinen Fehler feststellen können.

Allerdings räumte er eine methodische Schwäche ein: So war versäumt worden, die Gruppen im Hinblick auf die Serum-Phosphat-Werte zu stratifizieren und die Patienten der Sevelamergruppe hatten sowohl an der Baseline als auch im Studienverlauf geringere Phosphatwerte. Dennoch sei ein Therapievorteil von Sevelamer nicht von der Hand zu weisen und auch durchaus erklärbar: Raggi führte an, dass nicht nur Phosphat, sondern auch Kalzium ein Risikofaktor für die Gefäßverkalkung darstelle – das Konzept, eine Hyperphosphatämie mit kalziumhaltigen Bindern zu behandeln, sei daher per se fragwürdig. „Der Kalzifikationsscore korreliert mit der vaskulären Morbidität und Mortalität. Schaffen wir es, ihn niedrig zu halten, reduzieren wir das Risiko der Patienten erheblich.“


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Frühzeitig Kalzifikationen vermeiden

Seit Langen ist bekannt [ 4 ], dass mit Sevelamer die Progression der Verkalkung verlangsamt wird – sei es aufgrund der Kalziumfreiheit oder pleiotroper Effekte wie der Senkung des FGF-23, der Lipid- oder Harnsäurespiegel. Außerdem hat die RIND-Studie [ 5 ] gezeigt, dass bei Patienten mit geringen Ausgangskalzifikationen die Verkalkung deutlich langsamer voranschreitet als bei jenen mit hohen CAC Scores. Damit sei auch zu erklären, dass der positive Effekt von Sevelamer bei Prädialyse- oder inzidenten Dialysepatienten, die in den INDEPENDENT-1- [ 6 ] und INDEPENDENT-2-Studien [ 1 ] untersucht wurden, besonders deutlich zum Tragen komme. Raggi votierte daher für einen frühzeitigen Einsatz von Sevelamer.

Dr. Bettina Albers, Weimar

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main.
Die Beitragsinhalte stammen von der Veranstaltung „10. Interaktives Nephrologisches Expertenforum – Der Nephrologe als Lipid-Experte und mehr …“, Frankfurt am Main, 06.–07.03.2015, veranstaltet von der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main.
Die Autorin ist Mitarbeiterin bei albersconcept, Weimar.


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1 Renagel In New Dialysis Patients


  • Literatur

  • 1 Di Iorio B, Molony D, Bell C et al. INDEPENDENT Study Investigators. Sevelamer versus calcium carbonate in incident hemodialysis patients: results of an open-label 24-month randomized clinical trial. Am J Kidney Dis 2013; 62: 771-778
  • 2 Block GA, Raggi P, Bellasi A et al. Mortality effect of coronary calcification and phosphate binder choice in incident hemodialysis patients. Kidney Int 2007; 71: 438-441
  • 3 Jamal SA, Vandermeer B, Raggi P et al. Effect of calcium-based versus non-calcium-based phosphate binders on mortality in patients with chronic kidney disease: an updated systematic review and meta-analysis. Lancet 2013; 382: 1268-1277
  • 4 Chertow GM, Burke SK, Raggi P. Treat to Goal Working Group. Sevelamer attenuates the progression of coronary and aortic calcification in hemodialysis patients. Kidney Int 2002; 62: 245-252
  • 5 Block GA, Spiegel DM, Ehrlich J et al. Effects of sevelamer and calcium on coronary artery calcification in patients new to hemodialysis. Kidney Int 2005; 68: 1815-1824
  • 6 Di Iorio B, Bellasi A, Russo D. INDEPENDENT Study Investigators. Mortality in kidney disease patients treated with phosphate binders: a randomized study. Clin J Am Soc Nephrol 2012; 7: 487-493

  • Literatur

  • 1 Di Iorio B, Molony D, Bell C et al. INDEPENDENT Study Investigators. Sevelamer versus calcium carbonate in incident hemodialysis patients: results of an open-label 24-month randomized clinical trial. Am J Kidney Dis 2013; 62: 771-778
  • 2 Block GA, Raggi P, Bellasi A et al. Mortality effect of coronary calcification and phosphate binder choice in incident hemodialysis patients. Kidney Int 2007; 71: 438-441
  • 3 Jamal SA, Vandermeer B, Raggi P et al. Effect of calcium-based versus non-calcium-based phosphate binders on mortality in patients with chronic kidney disease: an updated systematic review and meta-analysis. Lancet 2013; 382: 1268-1277
  • 4 Chertow GM, Burke SK, Raggi P. Treat to Goal Working Group. Sevelamer attenuates the progression of coronary and aortic calcification in hemodialysis patients. Kidney Int 2002; 62: 245-252
  • 5 Block GA, Spiegel DM, Ehrlich J et al. Effects of sevelamer and calcium on coronary artery calcification in patients new to hemodialysis. Kidney Int 2005; 68: 1815-1824
  • 6 Di Iorio B, Bellasi A, Russo D. INDEPENDENT Study Investigators. Mortality in kidney disease patients treated with phosphate binders: a randomized study. Clin J Am Soc Nephrol 2012; 7: 487-493

 
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Abb. 1 Überleben inzidenter Dialysepatienten (n = 466; p < 0,001).
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