Ultraschall Med 2015; 36(04): 399-400
DOI: 10.1055/s-0035-1552135
DEGUM-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

4.-6. Juni 2015, Trier – Gemeinsame DEGUM-Jahrestagung von Sektion Chirurgie, AK Notfallsonografie und AK Bewegungsorgane

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Publication Date:
04 August 2015 (online)

 

    Die Sektion Chirurgie veranstaltete ihre traditionelle Sommertagung dieses Jahr am 4.-6. Juni in Trier. Wie in den Jahren zuvor wurde das wissenschaftliche Programm gemeinsam mit anderen DEGUM-Gruppierungen gestaltet, die Schnittmengen mit der Sektion Chirurgie haben. Dies waren in diesem Jahr der AK Bewegungsorgane und der Notfall-AK.

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    Die Tagung fand im am Eifelhang des Moseltals gelegenen Robert-Schuman-Tagungshaus statt – dessen große Vortragsaula, in der die wissenschaftlichen Sitzungen stattfanden, einen spektakulären Panoramablick über die tief unten gelegene Mosel und auf die älteste Stadt Deutschlands bot – und war erfreulich gut besucht.

    Schon beim „Come together“ am Donnerstag ab 17 Uhr und der anschließenden informellen Teilnehmerbesprechung, die bei herrlichem Wetter auf der Terrasse stattfand, stellte sich eine entspannte und trotzdem fokussierte Atmosphäre mit konstruktivem inhaltlichem Austausch in großer Runde ein. Als besonders interessant und stimulierend erwies sich dabei einmal mehr die Tatsache, dass sich auch einige sektionsfremde (Notfall-)Schaller einbrachten. Beim Abendbrot im großen Speisesaal im Altbau, wie auch in den trotz pfiffiger, moderner Innenausstattung noch erkennbar spartanischen Zellen des Gästetrakts, war der laut einem Teilnehmer fast eher protestantisch anmutende Geist des 1929 als katholisches Priesterseminar gebauten Hauses zu spüren.

    Am Freitagmorgen begann das wissenschaftliche Programm um 8 Uhr. Es bildete ein weitgefächertes Spektrum der sonografischen Notfalldiagnostik zunächst aller chirurgischer „Zuständigkeitsbereiche“ ab:

    Bereits in der 1. Sitzung über sonografische Frakturdiagnostik brachten die 3 Referenten Christian Tesch (niedergelassener orthopädischer Chirurg aus Hamburg), Kolja Eckert (Essen, Kinderchirurg) und Ole Ackermann (Duisburg, Unfallchirurg), die Interessen aller 3 beteiligten DEGUM-Gruppierungen unter einen Hut. Dabei waren die Anwesenden nicht nur von den strahlenfrei erzielbaren Aussagemöglichkeiten der demonstrierten Befunde beeindruckt. Besonders faszinierend waren für die überwiegend an erwachsenen Patienten tätigen Kollegen die vorgestellten Konzepte für die Fraktur-Diagnostik bei Kindern an Schädel, oberer und unterer Extremität, wodurch in einer Vielzahl von Fällen auf das Röntgen der besonders strahlensensiblen kleinen Patienten verzichtet werden kann.

    Die 2. Sitzung am Freitagvormittag behandelte die abdominelle sonografische Notfalldiagnostik. Martin Harms (als Chirurg Leiter einer interdisziplinären Notaufnahme in Düsseldorf) stellte zunächst die moderne sonografische Traumadiagnostik vom einfachen „FAST“-Protokoll bis zur Kontrastmittelsonografie dar, die wiederum besonders bei jungen und schlanken Patient(inn)en in bestimmten Fällen eine CT-„Traumaspirale“ vermeiden helfen kann. Matthias Wüstner (als Chirurg kollegialer Leiter der größten interdisziplinären Ultraschallabteilung Deutschlands, ZIS, in Trier) stellte das von ihm entwickelte neue „FASAA“-Konzept für eine fokussierte Basisdiagnostik bei Patienten mit nicht traumatischen akuten abdominellen Beschwerden vor, welches die Sektion Chirurgie im bisher recht schmal gefassten abdominellen Diagnostik-Curriculum des Notfall-AK berücksichtigt wissen möchte. Das „FASAA“-Konzept fokussiert u. a. darauf, röntgenologische „Abdomen Leer“-Aufnahmen verzichtbar zu machen, indem neben pathologischer Flüssigkeit und dilatierten Hohlorganen (incl. Magendarmtrakt) im Abdomen auch prähepatische freie Luft und echoreich infiltrierte Fettgewebsareale sonografisch berücksichtigt und dokumentiert werden. Anschließend stellte Ruth Thees-Laurenz (als Allgemeinmedizinerin Leiterin der Notfalldiagnostik in der Trierer ZIS und Mitglied im AK Notfallsonografie) die Möglichkeiten der sonografischen „high-end“ Diagnostik bei akuten abdominellen Erkrankungen vor. Dabei spielt wiederum der Einsatz von Ultraschallkontrastmittel (KM) eine große Rolle. Insbesondere stellte die Referentin ihre Arbeiten zum Thema der Darmperfusionsstörungen dar. Hier erlaubt die KM-Sonografie u. a. in vielen Fällen ohne Strahlen- und Nierenbelastung klare Aussagen über die Dringlichkeit von OP-Indikationen.

    Die 3. Vormittagssitzung war der notfallmäßigen Gefäß-Sonodiagnostik gewidmet. Siegfried Krishnabhakdi (schallender Gefäßchirurgie-Chefarzt aus Herford) stellte in didaktisch gewohnt brillianter und auch für angiologisch nicht Bewanderte verständlicher Form die Prinzipien der peripheren arteriellen Gefäßverschlussdiagnostik dar. Elmar Mertiny (Angiologe und kollegialer Leiter der ZIS in Trier) stellte abschließend die verschiedenen Konzepte der sonografischen Thrombosediagnostik und deren Einsatzmöglichkeiten dar (2-Punkt-Screening (Leiste und Kniekehle) vs. tiefe Oberschenkelvenen incl. Kniekehle komplett vs. tiefe Oberschenkel- und Wadenvenen komplett) dar. Daneben appellierte er für ein algorithmisches Vorgehen bei Thromboseverdacht. Ohne eine rationale klinische Indikationsstellung (z. B. nach dem „Wells-Score“), und auch durch das Missverständnis des D-Dimer-Nachweises als Suchparameter werden hier vielerorts viele unnötige Ultraschalluntersuchungen veranlasst.

    Am Nachmittag schloss sich die traditionelle „Industriesitzung“ an, in der mehrere der anwesenden Ultraschall-Firmenvertreter in Vortragsform über den aktuellen Stand ihrer Produktentwicklung informierten, bzw. exklusive Zeit zu Informationsbesuchen an den Ständen der Hersteller vorhanden war.

    Sein Ende fand das freitägliche „Indoor-Programm“ danach mit der Sektionssitzung der Chirurgen und der parallelen Bewegungsorgan-AK-Sitzung. Nach Abarbeitung einer großen Tagesordnung und nachdem die AK-Mitglieder der Sektion aus ihrer AK-Sitzung zurück waren, wurden als Sektionsleiter Matthias Wüstner und als Stellvertreter Siegfried Krishnabhakdi und Rainer Berthold wiedergewählt. Astrid Kölln trat wg. ihrer „Auswanderung“ in die Schweiz, wo sie die Leitung einer interdisziplinären Notaufnahme übernommen hat, nicht zur Wiederwahl als stellvertretende Sektionsleiterin an. Als ihr Nachfolger wurde Christian Tesch aus Hamburg neu gewählt.

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    Nach kurzer Verschnaufpause schloss sich das Outdoor-Rahmenprogramm an. Ein Bus brachte 50 Teilnehmer und Begleitpersonen vom Berg ins Zentrum der über 2000 Jahre alten Trierer Altstadt. Bei subtropischen Temperaturen konnten die Teilnehmer mehrere der bis über 1800 Jahre alten erhaltenen römischen Großbauten der Stadt kennenlernen und besichtigen. Die beiden Stadtführer erwiesen sich nicht nur als kenntnisreich und gewitzt, sondern lockerten die sommerlichen Fußpassagen zwischen Palastaula (beeindruckender größter säulenfreier Saalbau des Altertums, ca. 70 x 30 x 27 m), Dom (zweitälteste Kirche der Welt), Hauptmarkt und Porta Nigra zusätzlich mit mehreren aus dem Trolli gezauberten regionalen Weinproben auf (glücklicherweise enthielt der Akku-gekühlte Trolli aber auch Mineralwasser in ausreichender Menge).

    Wiederbeginn des wissenschaftlichen Programms war am Samstagvormittag erst um 9 Uhr mit einer Thorax-Notfalldiagnostiksitzung. Zunächst stellte Raoul Breitkreuz (Anästhesist und Notfallsono-„Überflieger“ des Notfall-AK) das von ihm mit entwickelte Konzept für die fokussierte Thorax- und Lungensonografie für Notfälle vor. Er appellierte besonders auch an die anwesenden Chirurgen, neben der altbekannten Erguss- und Konsolidierungsdiagnostik auch die nicht ganz trivialen Sonozeichen des Pneumothorax, sowie die Abschätzung des Lungenwassergehalts anhand der B-Liniendichte in ihr diagnostisches Repertoire mit aufzunehmen. Breitkreuz überreichte am Ende seines Vortrags ein kleines Präsent an Matthias Wüstner als Dank des AK Notfallsonografie für die Organisation der gelungenen Tagung, verbunden auch mit dem Wunsch im kommenden Jahr erneut am gleichen Ort zu tagen.

    Den „Schlussstein“ in den topografisch-anatomischen Bogen des Tagungsprogramms setzte dann Wolfgang Heinz (Gastroenterologie-Chefarzt in Stuttgart und Leiter des DEGUM-AK Notfallsonografie) mit seinem Vortrag über fokussierte Echokardiografie für Nicht-Kardiologen. Gegen die „Beklommenheit“, die das Herzechothema bei vielen schallenden Chirurgen auslöst, setzte Heinz viele „schlagende“ Fallbeispiele, vor allem im Zusammenhang mit der Reanimation, bei der ein kurzer sonografischer Blick auch ohne kardiologiespezifische Messprotokolle z. B. die Erkennung vieler potenziell reversibler Ursachen eines hämodynamischen Kreislaufstillstands erlaubt (wie Hypovolämie, Pericardtamponade, fulminante Lungenembolie oder Spannungspneu).

    Die letzte Vortragssitzung der Tagung widmete sich dann 2 ausgewählten Themen aus dem Bereich sonokontrollierte Notfallinterventionen. Zunächst stellte Thomas Amelang (Internist und Notfallschaller aus Frankfurt) die sonokontrollierte Einlage von peripheren Venenzugängen dar. Nach sehr anschaulichen, selbst erstellten didaktischen Modellen zur „off plane“- und „in plane“-Technik zeigte er teils verblüffende Fallbeispiele (u. a. aus dem Frankfurter i. v.-Drogenmilieu), in denen das sonografische Finden und die Kanülierung peripherer Venen letztlich lebensrettend war. Auch darin wurde fürs Autitrium erkennbar, warum diese häufigst verübte aller medizinischen Körperverletzungen in Zukunft mit der Verfügbarkeit von Kitteltaschen-Sonogeräten wohl nicht mehr durch blindes Stochern bis zum Erfolg versucht werden wird. Alexander Kasper (Internist, Angiologe und Hämostaseologe aus dem Trierer ZIS-Team) stellte schließlich zum Thema „diagnostische Punktionen und Drainagen“ in internistisch-systematischer Breite die Geschichte, die Indikationen und Differenzialindikationen, sowie die verfügbaren modernen Techniken dar. Außerdem zeigte er auch anhand detaillierter Literaturübersichten auf, dass die Entwicklung von (u. a. AWMF-) Leitlinien einerseits einen historischen Wandel von der chirurgischen zur interventionellen Abszesstherapie reflektieren, dass aber trotzdem für viele Detailfragen noch keine publizierte Evidenz vorliegt – weshalb u. a. die DEGUM den Interventions-AK wiedergegründet hat.

    Als das Gros der Teilnehmer verabschiedet und durch einen Imbiss gestärkt bereits auf dem Heimweg war, setzten sich die anwesenden Leitungsmitglieder von Sektion Chirurgie und AK Notfallsonografie endlich zu einem seit Jahren angestrebten Strategiegespräch zusammen. Die zu einzelnen organisatorisch-administrativen Punkten bekannt kontroversen Ansichten konnten in diesem erstmaligen und zeitlich und personell limitierten Setting erwartungsgemäß nicht ausgeräumt werden und blockierten leider auch den Austausch über die wenigen und vermutlich unproblematischen inhaltlichen Anregungen der Sektion Chirurgie (s. o., „FASAA“-Konzept).

    M. Wüstner


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