Rofo 2015; 187(06): 500-504
DOI: 10.1055/s-0035-1552017
DRG-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stellungnahme der Deutschen Röntgengesellschaft e. V. (DRG) zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen

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Publication Date:
27 May 2015 (online)

 

Einführung

Als medizinische Fachgesellschaft begrüßt die DRG grundsätzlich das Vorhaben der Bundesregierung, korruptiven Praktiken im Bereich des Gesundheitswesens auch mit den Mitteln des Strafrechts entgegenzutreten. Aufgrund der Entscheidung des Großen Senates für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. März 2012 (GSSt 2/11) ist deutlich geworden, dass Regelungslücken bestehen, weil im Vertragsarztsystem Zuwendungen, die zur unlauteren Beeinflussung des Verordnungsverhaltens im Sinne einer wettbewerbsbezogenen Bevorzugung gefordert, angeboten und gewährt werden, weder den §§ 331 ff. StGB noch dem Tatbestand des § 299 StGB unterfallen, da niedergelassene Vertragsärztinnen und Vertragsärzte weder als Amtsträger im Sinne von § 11 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe c des Strafgesetzbuches (StGB), noch als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne von § 299 StGB anzusehen sind.


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Der Gesetzgeber folgt mit seiner Initiative dem Bundesgerichtshof, der in seiner Entscheidung festgestellt hat, dass er vor dem Hintergrund der seit längerem im strafrechtlichen Schrifttum geführten Diskussion sowie im Hinblick auf gesetzgeberische Initiativen zur Bekämpfung korruptiven Verhaltens im Gesundheitswesen nicht die grundsätzliche Berechtigung des Anliegens verkennt, „Missständen, die – allem Anschein nach – gravierende finanzielle Belastungen des Gesundheitssystems zur Folge haben, mit Mitteln des Strafrechts effektiv entgegenzutreten“.

Die DRG unterstützt nachdrücklich dieses Vorhaben des Gesetzgebers, da auch sie der Meinung ist, dass es nicht hingenommen werden kann, dass dem öffentlichen Gesundheitswesen jährlich erhebliche finanzielle Ressourcen durch Betrug und Korruption verloren gehen. Unzulässige Patientenzuweisungen, die das Recht des Patienten auf eine freie Arztwahl und eine aus medizinischen und qualitativen Gesichtspunkten vorgenommene Auswahl des Behandlers konterkarieren, haben in einem modernen und qualitätsorientierten Gesundheitswesen keinen Platz und bedürfen klarer Verbotsnormen, deren Einhaltung nachprüfbar und effektiv umgesetzt werden können.

Die derzeitigen Vorschriften im Berufsrecht der Heilberufe (MBO-Ä, ApoG) sind offenbar für eine effektive Bekämpfung der bestehenden Missstände allein nicht geeignet, da in der Vergangenheit immer wieder Fälle von unzulässigem Zuweisungsverhalten im Medizinbetrieb mit erheblichen finanziellen Dimensionen aufgedeckt worden sind, die sich mit den Maßnahmen des Heilberufsrechts der Kammern oder dem Disziplinarrecht der KVen allein nicht verhindern lassen.

Es erscheint auch angemessen, dass der Referentenentwurf in dem neu geschaffenen Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen in § 299a Abs. 1 S. 1 RefE-StGB alle Heilberufsgruppen einbezieht, für die die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern, und für Sachverhalte sowohl innerhalb als auch außerhalb des Bereichs der gesetzlichen Krankenversicherung gilt. Wie bei dem Begriff des „Behandlers“ in dem durch das Patientenrechtegesetz neu geschaffenen Behandlungsvertrag in § 630a Abs. 1 BGB, sollten jedenfalls alle Angehörige der Heilberufe und damit nicht nur (Zahn-)Ärzte und psychologische Psychotherapeuten, sondern auch Angehörige anderer Heilberufe, deren Ausbildung nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 des Grundgesetzes durch Bundesgesetz (Hebammen, Masseure und medizinische Bademeister, Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten u. a.) geregelt ist, von dieser Strafrechtsnorm erfasst werden.

Da sich das Phänomen der Korruption auch nicht auf den öffentlichen Bereich des Gesundheitswesens beschränkt, sondern auch der private Sektor betroffen ist, für den etwaige sozialrechtliche Verbote keine Wirkung entfalten, erscheint es auch notwendig, dass die Neuregelung nicht nur für zugelassene Leistungserbringer nach dem SGB V oder SGB XI, sondern unabhängig davon für alle erfassten Heilberufsgruppen gilt.

Die DRG sieht aber aufgrund der Einführung des § 299a Abs. 1 S. 1 RefE-StGB in der aktuellen Entwurfsfassung das Problem einer mangelnden Abgrenzung zwischen zulässigen und unzulässigen Formen der Zusammenarbeit. Dies beruht auch auf der Vielfalt, der durch den Begriff der „Berufsausübungspflichten“ (Abs. 1 2. Alt.) in Bezug genommenen Vorschriften im Gesundheitswesen, die weder einheitlich sind, noch eine eindeutige Bewertung der Zusammenarbeit im Einzelfall zulassen.

Gerade aktuelle Urteile aus diesem Bereich belegen, dass es für die Beteiligten häufig unmöglich ist, bei Abschluss einer Kooperation eindeutig zu klären, ob ihr Verhalten rechtlich zulässig ist oder nicht (vgl. hierzu OVG Münster, LandesberufsG für Heilberufe hat mit Urteil vom 06.07.2011 (Az.: 6 t A 1816/09.T – Beteiligung an einem Gesundheitsunternehmen; BGH vom 15.05.2014, Az.: I ZR 137/12 – Teil-BAG; BGH, Urteil vom 13. März 2014, Az.: I ZR 120/13 – Entlassapotheke). Insbesondere für neue Formen der Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, die sowohl durch eine Novellierung der ärztlichen Berufsordnungen, als auch durch den Gesetzgeber im VÄndG, im GKV-VStG und im GKV-VSG zugelassen worden sind bzw. werden sollen, führt die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aufgrund der häufig fehlenden klaren rechtlichen Vorgaben zu einer erheblichen Verunsicherung, sodass davon auszugehen ist, dass Kooperationen zukünftig eher zurückhaltend abgeschlossen werden, was dem jahrelangen (und mühsamen) Reformprozess einer Liberalisierung, insbesondere der interpersonellen und intersektoralen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zuwiderläuft.

Mangelnde Konkretisierung des Vorteilsbegriffs

Nach der Begründung zu § 299a RefE-StGB in dem Referentenentwurf vom 04.02.2015 (S. 16) erfasst der Tatbestand der Bestechlichkeit nach Absatz 1 „das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen eines Vorteils.“ Zur Erläuterung wird hierzu folgendes ausgeführt:

„Das Tatbestandsmerkmal des Vorteils erfasst sämtliche Vorteile, unabhängig davon, ob es sich um materielle oder immaterielle Zuwendungen handelt und ob sie an den Täter oder an einen Dritten gewährt werden. Zur Auslegung des Vorteilsbegriffs kann auf die zu § 299 StGB und §§ 331 ff. StGB entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Danach fällt unter den Vorteilsbegriff jede Zuwendung, auf die der Täter keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert (BGH, Urteil vom 11. April 2001, 3 StR 503/00).“

In dem Gesetzestext des § 299a Abs. 1 RefE-StGB selbst existiert keine nähere Definition, Beschreibung oder Aufzählung der Vorteile, die gemeint sein könnten. Der bloße Verweis auf die Regelung in § 299 StGB führt nicht weiter, da in verschiedenen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften des Gesundheitswesens bereits Regelungen enthalten sind, die den Begriff des „Vorteils“ oder der „Zuwendung“ erläutern, wobei festzustellen ist, dass diese Regelungen keineswegs einheitlich sind (vgl. §§ 31, 32 MBO-Ä, §§ 73 Abs. 7, 128 Abs. 2 SGB V, § 7 HWG, § 44 Abs. 6 S. 7 BMV-Ä, § 31a KHGG NRW, § 67 Abs. 6 AMG, § 95 Abs. 1 SGB V). Zudem ergeben sich Zuwendungsverbote nicht nur ausdrücklich aus gesetzlichen Vorschriften, sondern auch aufgrund von gerichtlichen Entscheidungen (z. B. Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG durch Vorteilsgewährung, vgl. BGH, Urteil vom 09.09.2010, Az: I ZR 37/08, Rn. 14, juris). Daneben existieren Regelungen über unzulässige Vorteilsgewährungen in den Verhaltensempfehlungen der Verbände der Arzneimittel- und Medizinprodukteindustrie (vgl. z. B. §§ 17 ff. FSA-Kodex Fachkreise des FS Arzneimittelindustrie e. V.), denen jedoch nach Auffassung des BGH nur eine begrenzte Bindungswirkung zur Beurteilung unlauterer geschäftlicher Handlungen im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 09.09.2010 – I ZR 157/08).

Diese für den Bereich der Zuwendungen in unterschiedlichen Rechtskreisen geregelten Vorschriften belegen, dass die Formulierung „in sonstiger Weise seine Berufspflichten verletzte“ in § 299a Abs. 1, 2. Alt. RefE-StGB völlig unbestimmt ist. Die Begründung des Referentenentwurfs nimmt an, dass die Bevorzugung beim Bezug dann unlauter ist, „wenn die Annahme der als Gegenleistung gewährten Vorteile gegen gesetzliche oder berufsrechtliche Vorschriften verstoßen“ und dass die von Nummer 2 erfassten Berufsausübungspflichten „insbesondere auf den für den jeweiligen Beruf geltenden spezialgesetzlichen Regelungen“ beruhen (vgl. S. 20 und 21 des Referentenentwurfs). Diese Beurteilung ist jedoch keineswegs immer eindeutig. Zudem stellt sich die Frage, ob die in Bezug genommenen Vorschriften überhaupt einen Unwertgehalt beinhalten, der auch eine strafrechtliche Ahndung rechtfertigt. Dies zeigt bereits der im Gesetzestext zitierte Vorteilsbegriff der §§ 31, 32 der (Muster-) Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (Stand 2011- MBO-Ä 1997 -) in der Fassung der Beschlüsse des 114. Deutschen Ärztetages 2011 in Kiel (http://www.bundesaerztekammer.de/age.asp?his = 1.100.1143). Da es sich bei der Bundesärztekammer nicht um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern um einen eingetragenen Verein handelt und der Bund zudem keine Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der ärztlichen Berufsausübung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG besitzt, bedarf es zur Rechtsverbindlichkeit der Regelungen der MBO-Ä einer Umsetzung in den Berufsordnungen der jeweils zuständigen Landesärztekammern. Dies geschieht jedoch nicht in allen Fällen, sodass eine bundeseinheitliche Definition von berufsrechtlichen Rechten und Pflichten kaum noch gegeben ist (zu diesen Anforderungen im Bereich der Qualitätssicherungsvereinbarungen, vgl. § 135 Abs. 2 S. 2 SGB V). So wurde die Regelung über unerlaubte Zuwendungen in § 32 Abs. 2 MBO-Ä durch die Ärztekammer Niedersachsen, in die dortige Berufsordnung nicht übernommen. Insoweit wird deutlich, dass eine Orientierung an den berufsrechtlichen Verboten der MBO-Ä problematisch erscheint. Im Grunde wird hier auf eine Regelung verwiesen, die weder rechtsverbindlich ist, noch eine einheitliche Handhabung garantieren kann.

Für den Bereich der GKV normiert § 128 Abs. 2 SGB V ein Verbot von Zuwendungen und gibt darüber hinaus eine Aufzählung von unzulässigen Zuwendungsarten:

„(2) Leistungserbringer dürfen Vertragsärzte sowie Ärzte in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln beteiligen oder solche Zuwendungen im Zusammenhang mit der Verordnung von Hilfsmitteln gewähren. Unzulässig ist ferner die Zahlung einer Vergütung für zusätzliche privatärztliche Leistungen, die im Rahmen der Versorgung mit Hilfsmitteln von Vertragsärzten erbracht werden, durch Leistungserbringer. Unzulässige Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind auch die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Geräten und Materialien und Durchführung von Schulungsmaßnahmen, die Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal oder die Beteiligung an den Kosten hierfür sowie Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern, die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen.“

Angesichts der Tatsache, dass die Regelung des § 128 SGB V seit der Anfügung des Abs. 6 durch die 15. AMG-Novelle vom 17.07.2009 (BGBl. I Nr. 43, 1990) nicht mehr ausschließlich für den Hilfsmittelbereich, sondern auch „zwischen pharmazeutischen Unternehmern, Apotheken, pharmazeutischen Großhändlern und sonstigen Anbietern von Gesundheitsleistungen als auch jeweils gegenüber Vertragsärzten, Ärzten in Krankenhäusern und Krankenhausträgern entsprechend“ und damit für sämtliche Leistungserbringer des SGB V gilt, ist schon bisher nicht eindeutig, welche Zuwendungen im Einzelfall von dieser Vorschrift erfasst werden.

Besonders deutlich wird dies durch die in § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V aufgeführten „Einkünften aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern, die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen“ belegt. Bei dieser Regelung ist bis heute unklar, ab welchem prozentualen Grad des Verordnungs- oder Zuweisungsverhaltens eine unzulässige Zuwendung im Sinne des § 128 Abs. 2 SGB V handelt. Klarheit darüber, wann die Beteiligung an einem Gesundheitsunternehmen unzulässig ist, konnte bisher auch die Rechtsprechung nicht liefern. Das OVG Münster, LandesberufsG für Heilberufe hat mit Urteil vom 06.07.2011 (Az.: 6 t A 1816/09.T) in dem dort entschiedenen Fall folgendes festgestellt:

„Differenzierter zu beurteilen sind Fälle, in denen der Arzt nur mittelbar, insbesondere über allgemeine Gewinnausschüttungen, am Erfolg eines Unternehmens beteiligt ist. § 31 BO wird einer Beteiligung des Arztes etwa an einem größeren pharmazeutischen Unternehmen nicht entgegenstehen, wenn bei objektiver Betrachtung ein spürbarer Einfluss der Patienten-zuführungen durch den einzelnen Arzt auf seinen Ertrag aus der Beteiligung ausgeschlossen erscheint. Ob dies der Fall ist, hängt grundsätzlich vom Gesamtumsatz des Unternehmens, dem Anteil der Verweisungen des Arztes an dieses und der Höhe seiner Beteiligung ab. Die Unzulässigkeit der Beteiligung wird sich aber auch schon aus der Gesamthöhe der dem Arzt aus ihr zufließenden Vorteile ergeben können, sofern diese in spürbarer Weise von seinem eigenen Verweisungsverhalten beeinflusst wird.“

Die Urteilsbegründung des OVG Münster enthält, ebenso wie vergleichbare Urteile (zur bloßen aktienrechtlichen Beteiligung vgl. OLG Köln, Urteil vom 4. November 2005–6 U 46/05 -, GRUR 2006, 600; OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Mai 2007–2 U 176/06 -, GesR 2007, 320; BGH, Urteil vom 21. April 2005 – I ZR 201/02 -, NJW 2005, 3718), keine eindeutigen prozentualen Vorgaben, um die Unbedenklichkeit einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung abschätzen zu können. In der Gesetzesbegründung zu § 299a RefE-StGB wird allerdings auch auf diesen Zuwendungsfall Bezug genommen und ohne nähere Klarstellung folgendes festgestellt (vgl. S. 18):

„Die Beteiligung an einem Unternehmen im Gesundheitswesen kann ebenfalls zu Zuwendungen von Vorteilen im Sinne von § 299a StGB führen. […] Ist der Arzt nur mittelbar, insbesondere über allgemeine Gewinnausschüttungen am Erfolg eines Unternehmens beteiligt, kommt es für die Zulässigkeit der Beteiligung darauf an, ob er bei objektiver Betrachtung durch seine Patientenzuführung einen spürbaren Einfluss auf den Ertrag aus seiner Beteiligung nehmen kann.“

Damit wird eine Beteiligung an einem Gesundheitsunternehmen für den potenziellen Interessenten zukünftig zu einem unkalkulierbaren Risiko. Entspricht die ex ante betrachtete Unternehmensbeteiligung nicht den gesetzlich nicht näher bestimmten und nur durch die Gerichte bestimmbaren Anforderungen an das Zuwendungsverbot, so ist sein Verhalten nicht nur standesrechtlich, vertragsarztrechtlich und wegen des Verstoßes gegen § 139 BGB auch zivilrechtlich unzulässig, sondern nun auch strafbar und kann in Abhängigkeit von den erzielten Einkünften, der Schadenssumme, mit einer Freiheitsstrafe „bis zu drei Jahren oder Geldstrafe“ (§ 299a Abs.1 RefE-StGB) und in einem besonders schweren Fall sogar mit einer Freiheitsstrafe „von drei Monaten bis zu fünf Jahren“ (§ 300 S.1 RefE-StGB) geahndet werden.

Aufgrund der Regelung in § 299a Abs. 1, 2. Alt. RefE-StGB, wonach eine Strafbarkeit auch dann gegeben ist, wenn der Täter „in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletzt“, erfolgt damit zukünftig eine strafrechtliche Ahndung aufgrund von Verstößen gegen Zuwendungsverbote in anderen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften, auf die der Gesetzgeber pauschal verweist, ohne diese selbst zu benennen oder deren Inhalte im Detail zu kennen. § 299a RefE-StGB verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot, da der Vorteilsbegriff nicht definiert ist, sondern sich erst aus anderen Rechtsvorschriften erschließen soll, was jedoch tatsächlich nicht möglich ist. § 299a RefE-StGB verletzt auch das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen. Mit der „dynamischen Verweisung“ auf andere Rechtsvorschriften über Zuwendungsverbote in der MBO-Ä, § 128 SGB V, § 7 HWG, § 44 Abs. 6 S. 7 BMV-Ä, die zudem einem ständigen Wandel unterliegen, werden keine klaren Strafbarkeitsvoraussetzungen festgelegt.


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Folgen für ärztliche Kooperationsformen

Der Referentenentwurf schließt es nicht aus, dass die Gewährung von Vorteilen im Rahmen der beruflichen Zusammenarbeit zu einer Strafbarkeit nach § 299a RefE-StGB führt:

„Zur Gewährung von Vorteilen kann es auch im Rahmen der beruflichen Zusammenarbeitetwa in Form von Berufsausübungsgemeinschaften von Ärzten (§ 18 MBO) kommen, ohne dass dies den Straftatbestand des neuen § 299a StGB erfüllen würde. Der Zusammenschluss zu Berufsausübungsgemeinschaften ist berufsrechtlich allerdings verboten, wenn er tatsächlich der Umgehung des Verbots der Zuweisung gegen Entgelt (§ 31 MBO) dient. Werden dabei Vorteile für eine unlautere Bevorzugung bei der Zuweisung gewährt, ist auch eine Strafbarkeit nach § 299a StGB gegeben.“

Wie problematisch diese strafrechtliche Beurteilung der Zusammenarbeit im Rahmen von Berufsausübungsgemeinschaften ist, zeigt ein aktuelles Urteil des BGH zu den Voraussetzungen der Gründung sog. Teil-Berufsausübungsgemeinschaften nach § 18 Abs. 1 Satz 3 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg (BO BW) (Urteil des BGH vom 15.05.2014, Az.: I ZR 137/12). In Baden-Württemberg hatten sich 30 Fachärzte zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammengeschlossen, zu der 4 Radiologen gehörten. Das OLG Karlsruhe hielt die Beteiligung der Radiologen an der Teil-Berufsausübungsgemeinschaft für unzulässig, weil sie der Umgehung des § 31 BO BW diene, wonach Ärzte für die Zuweisung von Patienten weder Vorteile gewähren noch sich versprechen lassen dürfen (Urt. v. 27.06.2012, Az.: 6 U 15/11). Der BGH stellte demgegenüber fest, dass das in § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 BO BW enthaltene Verbot einer Beteiligung von Radiologen an einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft, in der sich der Beitrag des Radiologen auf das Erbringen medizinischtechnischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Mitglieder beschränke, gegen das Grundrecht der Ärzte auf Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verstoße. Die Entscheidung des BGH führte in der Folge dazu, dass die Landesärztekammer Baden-Württemberg ihre Berufsordnung änderte.

Eine solche Unvorhersehbarkeit der rechtlichen Beurteilung der beruflichen Zusammenarbeit von Ärzten und anderen Gesundheitsberufen durch die Gerichte, angesichts der mangelnden Klarheit der Bestimmungen der ärztlichen Berufsordnungen belegt, dass zukünftig viele Formen ärztlicher Kooperationsformen unter einem strafrechtlichen Generalverdacht stehen, der unverhältnismäßig erscheint. In der Konsequenz ist davon auszugehen, dass Kooperationen zukünftig eher zurückhaltend abgeschlossen werden, was dem jahrelangen (und mühsamen) Reformprozess und Liberalisierung, insbesondere der interpersonellen und intersektoralen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zuwiderläuft.

Dies gilt insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass der Begriff der „Zuführung“ von Patienten in § 299a RefE-StGB auch Patientenzuführungen im Rahmen vertraglicher Kooperationen wie beispielsweise Berufsausübungsgemeinschaften gemeint sein sollen (vgl. S. 19 der Begründung). Bei Konsiliar- und Honorarärzten im Krankenhaus besteht danach ein Strafbarkeitsrisiko durch die unklare Abgrenzung zwischen unzulässiger Honorierung in Abgrenzung zur „getarnten Zuweiserpauschale“.


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Auswirkungen auf den Abschluss von Selektivverträgen

Im Bereich der GKV werden von gesetzlichen Vorgaben außerhalb der Regelversorgung häufig Ausnahmen zugelassen, wenn dies im Rahmen des Abschlusses besonderer Verträge geschieht.

So sieht § 128 Abs. 6 Satz 2 SGB V als Ausnahme von dem Zuwendungsverbot vor, dass „gesetzlich zulässige Vereinbarungen von Krankenkassen mit Leistungserbringern über finanzielle Anreize für die Mitwirkung an der Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven und die Verbesserung der Qualität der Versorgung bei der Verordnung von Leistungen nach den §§ 31 und 116b Absatz 7“ hiervon unberührt bleiben.

Im Rahmen des Abschlusses von Einzelverträgen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, z. B. bei sog. Modellvorhaben nach den §§ 63 ff. SGB V und Verträgen der Integrierten Versorgung nach den §§ 140a ff. SGB V kann von gesetzlichen Bestimmungen des SGB V abgewichen werden (vgl. §§ 63 Abs. 3, 140b Abs. 4 SGB V:

„(3) Bei der Vereinbarung und Durchführung von Modellvorhaben nach Absatz 1 kann von den Vorschriften des Vierten und des Zehnten Kapitels dieses Buches, soweit es für die Modellvorhaben erforderlich ist, und des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen abgewichen werden […]“

Das bedeutet, dass Selektivverträge, die Leistungserbringer mit Krankenkassen abschließen, von den Vorgaben des Leistungserbringungsrechts abweichen können. Hierzu gehören im Grunde auch die Bestimmungen über die Zuwendungen in §§ 73 Abs. 7, 128 SGB V. Eine abschließende Beurteilung der Zulässigkeit solcher abweichender Vereinbarungen ergibt sich u. U. jedoch erst nach einer rechtlichen Prüfung durch die zuständige Aufsichtsbehörde, der diese Verträge nach der geltenden Regelung in § 71 Abs. 5 SGB V zur Prüfung vorzulegen sind. Im Rahmen der Überprüfung von IV-Verträgen haben in der Vergangenheit sowohl das BVA, als auch das BSG sehr strenge Prüfungskriterien angelegt und zudem die gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit dieser Selektivverträge in einer Weise ausgelegt, dass viele Verträge rückwirkend als rechtswidrig angesehen worden sind (BSG, Urt. v. 06.02.2008, GesR 2008, 260, 261 „Barmer-Urteil“; BSG, Urt. v. 06.02.2008, GesR 2008, 493, 495 „DAK-Urteil“).

Angesichts der mangelnden Konkretisierung des Vorteilsbegriffes stellt sich für die Vertragspartner von Selektivverträgen die Frage, ob von den Sozialgerichten als rechtswidrig eingestufte Vereinbarungen und Verträge zukünftig auch nach § 299a RefE-StGB strafbar sein können.


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Forderungen an den Gesetzgeber

Aufgrund der Tatsache, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 299a RefE-StGB sehr unbestimmt sind und zudem nur z. T. mithilfe anderer Rechtsvorschriften geklärt werden können, wird die gesetzliche Regelung zu erheblichen Rechtsunsicherheiten im Bereich vertraglicher Kooperationen wie Berufsausübungsgemeinschaften und Selektivverträgen führen. Zwar betont der Referentenentwurf, dass das bloße Annehmen eines Vorteils zur Tatbestandsverwirklichung allein nicht ausreichend ist, sondern zusätzlich immer eine inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung (sog. Unrechtsvereinbarung) voraussetzt, wobei hier ausschließlich die zu § 299 StGB entwickelten Grundsätze maßgeblich sein sollen (vgl. S. 17 des Referentenentwurfs). Allerdings lässt der Bundesgerichtshof es in ständiger Rechtsprechung bereits genügen, dass die ins Auge gefasste Bevorzugung nach ihrem sachlichen Gehalt in groben Umrissen erkennbar und festgelegt ist (vgl. BGHSt 32, 290, 291; BGH, Beschluss vom 14.07.2010, Az.: 2 StR 200/10). Außerdem will der Gesetzgeber offenbar auch immaterielle Vorteile und die Vorteilsgewährung gegenüber Dritten genügen lassen, sodass die Voraussetzungen für die Annahme einer Unrechtsvereinbarung nicht so hoch sein dürften.

Angesichts der erheblichen Konsequenzen, die sich aus einem Verstoß gegen § 299a RefE-StGB ergeben können, ist aus unserer Sicht zeitgleich mit der Einführung der neuen strafrechtlichen Bestimmungen im Bereich der Vorschriften des SGB V klarzustellen, welche Formen einer Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern untereinander und mit Krankenkassen zulässig sind und wo die konkreten Grenzen zu einer unzulässigen Kooperationsform verlaufen.

Hierzu bedarf es insbesondere der Konkretisierung des Zuwendungsbergriffes in § 128 Abs. 2 SGB V und auch der Bestimmungen über die gemeinsame vertragsärztliche Berufsausübung in § 33 Ärzte-ZV. Im Gegensatz zu vielen anderen Versorgungsbereichen des SGB V, wie z. B. der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (§ 116b Abs. 4 SGB V) hat der Gesetzgeber den Vertragspartnern der Bundesmantelverträge nach § 82 SGB V oder dem G-BA nach § 92 SGB V keine Kompetenz zur Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen im Bereich der Zuwendungen nach §§ 73 Abs. 7, 128 Abs. 2 SGB V eingeräumt. Die Tatsache, dass eine solche Regelungskompetenz durchaus für Klarheit sorgen kann, wird durch die frühere Rahmenvereinbarung zur integrierten Versorgung nach § 140 d SGB V vom 27.10.2000 belegt. Dort war unter § 14 zur Finanzierung der IV-Verträge geregelt, unter welchen Voraussetzungen finanzielle Zuwendungen Dritter von den Vertragspartnern in Anspruch genommen werden durften:

„(3) Im Rahmen der Durchführung eines Vertrages nach § 140 b SGB V können weitere Finanzierungsquellen vorgesehen werden. Für diesen Fall haben die Vertragspartner in der integrierten Versorgung Namen, Anschriften sowie Höhe der Beteiligung ihrer Kapitalgeber und der mit ihnen assoziierten Gesellschaften, die mit der Durchführung des Vertrags nach § 140 b im Zusammenhang stehen, gegenüber den Krankenkassen offen zu legen. Sie haben in gleicher Weise über mit Dritten abgeschlossene Sponsorenverträge beziehungsweise Zuwendungsgeber zu informieren.“

Seitens der DRG wird daher gefordert, dass den Vertragspartnern der Bundesmantelverträge oder dem G-BA eine entsprechende Regelungskompetenz im Bereich der Zuwendungsproblematik nach § 128 SGB V durch den Gesetzgeber eingeräumt wird, um zu gewährleisten, dass Leistungserbringer untereinander und mit Kostenträgern auch zukünftig nach leistungsrechtlich eindeutig geregelten Vorgaben kooperieren und zusammenarbeiten können und nicht befürchten müssen, dass die von ihnen gewählte Form der Zusammenarbeit als „Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen“ angesehen wird und zu strafrechtlichen Konsequenzen führt.

Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

Rechtsanwälte Wigge
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