Die Tollwut gilt als eine der tödlichsten Krankheiten der Welt. Es gibt zwar einige
Hinweise darauf, dass Indios in Peru sowie einige Trapper in Nordamerika die Infektion
ohne ärztliche Hilfe überlebten – bei ihnen konnten Tollwutantikörper nachgewiesen
werden, ohne dass sie jemals geimpft wurden. Auch ein 17-jähriges, erkranktes Straßenmädchen
aus den USA überlebte wahrscheinlich nach einer nur einmaligen Impfdosis: Sie verließ
danach das Krankenhaus und brach den Kontakt mit den Ärzten ab, sodass ihr Genesungsverlauf
nicht bekannt ist. Trotz dieser Einzelfälle liegt die Letalität bei fast 100 %, sobald
die Krankheit erst einmal ausgebrochen ist. Jährlich versterben mehrere Zehntausend
Menschen weltweit an den Folgen der Infektion. Die meisten Fälle werden aus Indien
gemeldet.
Behandlungskonzept Milwaukee-Protokoll
Im Jahr 2004 konnte ein Mädchen in den USA geheilt werden, indem es unter anderem
in ein künstliches Koma versetzt wurde, sodass ihr Körper Zeit erhielt, die notwendigen
Antikörper zu produzieren. Das Mädchen überlebte ohne Folgeschäden, lediglich ihr
Gleichgewichtssinn ist auch heute noch leicht gestört. Das Behandlungskonzept wurde
als „Milwaukee-Protokoll“ bekannt. Bis Frühjahr 2014 gab es laut Dr. Rodney Willoughby,
dem Entwickler dieser Behandlungsmethode, 51 ihm bekannte Versuche, das Behandlungskonzept
zu wiederholen. Sieben der Patienten (inklusive dem Indexfall) konnten gerettet werden.
Fünf hiervon lebten im Frühjahr 2014 noch, wobei ein Patient schwere und 2 weitere
Patienten leichte Behinderungen zurückbehalten hatten. Eine 13 %ige Überlebenschance
ist zwar immer noch nicht zufriedenstellend, allerdings besser als das fast 100 %ige
Todesurteil, wenn auf die Behandlung verzichtet wird.
(Bild: Fotolia; ag visuell)
Nichtsdestotrotz ist das Protokoll heute stark umstritten. Zahlreiche Ärzte vermuten,
dass die so geretteten Patienten von sich aus eine starke Immunabwehr hatten oder
nur mit einem schwachen Tollwutstamm infiziert waren, sodass sie die Krankheit auch
von sich aus besiegt hätten (ähnlich wie die peruanischen Indios oder das US-amerikanische
Straßenmädchen). Andere bringen ethische Fragen ins Spiel, indem sie darauf hinweisen,
dass die Behandlung extrem kostenintensiv sei und es daher insbesondere in Ländern
wie Indien aufgrund der schlechten Heilungschancen sinnvoller wäre, das Geld lieber
in Impfprogramme für Straßenhunde zu stecken, da so mit demselben Geldaufwand mehr
Menschenleben gerettet werden könnten.
Heilungen in Indien
Einige Ärzte halten dennoch am Milwaukee-Protokoll fest. Anfang Januar wurde nun gemeldet,
dass ein 13-jähriges Mädchen aus dem indischen Bundesstaat Maharashtra hierdurch geheilt
werden konnte. Das Mädchen war Ende November 2014 erkrankt, sie litt unter Krämpfen,
Hydrophobie, Kurzatmigkeit und zeigte unnormales Verhalten. 20 Tage nach Krankheitsausbruch
konnte sie bereits wieder aus der Intensivstation in ein normales Behandlungszimmer
verlegt werden. Sie zeigt derzeit keinerlei neurologische Folgeschäden, ausgenommen
leichte Probleme mit dem Sehen. Je nach Quellenangabe ist dies der sechste oder dritte
Behandlungserfolg durch das Milwaukee-Protokoll in Indien innerhalb der letzten 2
Jahre. Die anderen Überlebenden leiden jedoch alle unter schweren Folgeschäden.
Dr. Raymund Lösch und Dipl. Biol. Unn Klare, Bad Doberan
Quellen: promed