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DOI: 10.1055/s-0035-1546355
Einmal tägliche Gabe von Tacrolimus zur Immunsuppression – Neue Freisetzungstechnologie ermöglicht gleichmäßigere Wirkstoffspiegel
Publication History
Publication Date:
09 February 2015 (online)
Tacrolimus ist ein hoch effektives Immunsuppressivum zur Prävention von Abstoßungsreaktionen nach Nieren- und Lebertransplantationen. Verschiedene Faktoren wie eine enge therapeutische Breite, notwendige individuelle Einstellungen der Dosis und eine schlechte Bioverfügbarkeit können jedoch das Therapiemanagement erschweren und eventuell den Therapieerfolg gefährden. Dies war die Rationale für die Entwicklung des kürzlich zugelassenen Tacrolimus-Präparats (Envarsus®), bei dem durch eine innovative Freisetzungstechnologie bei nur einmal täglicher Gabe eine gleichmäßigere Wirkstoffkonzentration innerhalb des optimalen therapeutischen Bereichs erreicht werden kann.
„Neue Medikamente werden benötigt, mit denen wir die immunsuppressive Therapie nach einer Organtransplantation verbessern“, sagte Prof. Klemens Budde, Leiter des klinischen Transplantationsprogramms an der Charité Universitätsmedizin, Berlin. Hierzu könnte das für die Prophylaxe der Transplantatabstoßung bei erwachsenen Nieren- und Leber-Transplantat-Empfängern sowie für die Behandlung bei Therapieresistenz gegenüber anderen Immunsuppressiva zugelassene Tacrolimus-Präparat beitragen. Denn durch ein vereinfachtes Therapieregime und ein stabileres Blutspiegelprofil bietet es das Potenzial, die Adhärenz der Patienten zu erhöhen und das Risiko akuter Abstoßungsreaktionen sowie Transplantatversagen zu verringern.
Bioverfügbarkeit verbessert
Um dieses Ziel zu erreichen, wird bei der Herstellung von Envarsus® die MeltDose®-Freisetzungstechnologie genutzt, welche die Bioverfügbarkeit von Medikamenten mit schlechter Wasserlöslichkeit verbessert. Dazu werden in einem speziellen Verfahren die Wirkstoffpartikel auf die geringstmögliche Größe reduziert und mit ihrer Trägersubstanz zu einem Granulat verarbeitet.
Das Granulat wird anschließend in Tablettenform gepresst, in denen die Partikelgröße stabil bleibt. Dieses aufwendige Verfahren wird deshalb eingesetzt, weil die Partikelgröße eines Wirkstoffs einen kritischen Aspekt darstellt, der die Auflösung eines Wirkstoffs und die Resorption beeinflusst. Je kleiner die Partikelgröße, desto größer ist die gesamte Oberfläche des Wirkstoffs und desto schneller wird er gelöst und resorbiert. Auch diese Eigenschaft trägt dazu bei, dass im Vergleich zu einem konventionellen Tacrolimus-Präparat ein flacheres und stabileres Blutspiegelprofil erreicht wird, das durch signifikant niedrigere Wirkstofffluktuationen charakterisiert ist (Abb. [ 1 ]).


nach [ 5 ] AUC = Area Under Curve
Dies bestätigen Phase-I- und -II-Studien mit Envarsus®, die eine hohe Resorption von Tacrolimus und konstante Blutspiegel ergaben [ 1 ]. Die pharmakokinetischen Eigenschaften des Tacrolimus-Präparats kamen unabhängig davon, ob die Tablette morgens oder abends eingenommen wurde, zum Tragen [ 2 ].
Umfangreiches klinisches Studienprogramm
Envarsus® wurde in einem großen klinischen Studienprogramm geprüft. Dazu gehörten Phase-III-Studien [ 3 ], [ 4 ] z. B. mit 326 nierentransplantierten Patienten in der Erhaltungstherapie [ 3 ] und eine weitere zulassungsrelevante Studie [ 4 ] mit 534 Patienten, die de novo Nierentransplantierte umfasste. Zusätzliche Daten wurden in Phase-II-Studien bei Nieren- und Lebertransplantierten erhoben [ 5 ], [ 6 ].
Den Studien zufolge war die einmal tägliche Gabe von Envarsus® der Standardtherapie mit 2-mal täglich verabreichtem Tacrolimus (Prograf®) nicht unterlegen. Dies belegte unter anderem die doppelblinde, randomisierte Phase-III-Studie mit Envarsus® bei 543 de novo Nieren-Transplantat-Empfängern [ 4 ]. Der primäre Endpunkt war als der Anteil der Patienten mit Therapieversagen – Tod, Transplantatversagen und durch Biopsie gesicherte akute Abstoßung (BPAR) – innerhalb von 12 Monaten nach Studienbeginn definiert.
In den ersten 12 Monaten nach der Transplantation, wenn das Abstoßungsrisiko am höchsten ist, waren die Raten an Therapieversagen in der Envarsus®-Gruppe zwar numerisch, aber nicht statistisch signifikant geringer als bei den Patienten mit der konventionellen Tacrolimus-Formulierung. Im Ergebnis betrug das Therapieversagen nach 12 Monaten in der Envarsus®-Gruppe 18,3 % und in der Vergleichsgruppe 19,6 %. Dabei bestanden keine signifikanten Unterschiede bei der Wirksamkeit oder unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen. Weiter bietet die Studie Belege dafür, dass die Ziel-Tal-Spiegel mit Envarsus® früh nach der Transplantation erreicht werden können. Nach der ersten Dosis hatten bereits 36,6 % der Patienten unter Envarsus® die Ziel-Tal-Spiegel zwischen 6 und 11 ng/ml erreicht.
Leitlinien empfehlen frühe therapeutische Blutspiegel
Die Ergebnisse kommen den Leitlinien [ 7 ] der KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) entgegen, die ein möglichst frühes Erreichen der therapeutischen Blutspiegel durch einen CNI zur Prävention einer akuten Abstoßungsreaktion empfehlen. Des Weiteren zeigte die Studie, dass während einer 12-monatigen ambulanten Therapie mit Envarsus® die notwendige Wirkstoffdosis signifikant unter der 2-mal täglichen Tacrolimus-Formulierung lag. Eine weitere Auswertung nach 2 Jahren ergab, dass die täglich notwendige Dosierung zu diesem Zeitpunkt sogar um 25 % niedriger lag als unter der Therapie mit Prograf®.
Wie die Daten weiter belegen, wurde mit Envarsus® eine ähnliche Wirksamkeit wie mit Prograf®, jedoch mit deutlich geringeren Spiegelschwankungen erreicht. Das Therapieversagen lag nach 24 Monaten unter Envarsus® bei 23,1 % und unter der Vergleichstherapie bei 27,3 % (n. s.). Die Nierenfunktion war über den gesamten Zeitraum zwischen den beiden Behandlungsgruppen vergleichbar [ 8 ] (Abb. [ 2 ]).


nach [ 4 ] BPAR = Biopsy-Proven Acute Rejection
Andere Untersuchungen [ 5 ] zeigten, dass stabile Nieren-Transplantat-Empfänger unkompliziert von Prograf® auf Envarsus® umgestellt werden können. Dabei erlaubt die größere Bioverfügbarkeit des neuen Medikaments bei der Umstellung eine um bis 30 % geringere tägliche Gesamtdosis. Budde kam zu dem Schluss, dass durch Envarsus® eine effektive Tacrolimus-Therapie mit optimiertem pharmakokinetischem Profil und eine vereinfachte Medikamenteneinstellung durch weniger Dosisanpassungen möglich ist.
Die Startdosis von Envarsus® beträgt bei de novo Patienten bei einmal täglicher Gabe 0,11–0,13 mg/kg Körpergewicht nach Lebertransplantation und 0,17 mg/kg Körpergewicht nach Nierentransplantation. Bei Umstellung von Prograf® oder Advagraf® auf Envarsus® wird eine um 30 % verringerte Tagesdosis empfohlen.
Organmangel in Deutschland
Vor dem Hintergrund eines Organmangels in Deutschland ist es umso wichtiger, dass transplantierten Patienten durch eine optimale Therapie ein langfristiger Organerhalt ermöglicht werden kann, betonte Dr. Martin Nitschke, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. Denn über 7600 Patienten stehen in Deutschland nach dem Beginn der Dialyse auf der Warteliste für eine Nierentransplantation; über 3000 warten bereits über 5 Jahre auf ein Organ [ 9 ]. Die Lage ist prekär, seit dem Jahr 2010 hat die Anzahl der Spender um 33 % abgenommen (ohne Lebendspender, vorläufige Zahl für 2014) [ 10 ].
Spenderorgane werden dringend benötigt, sagte auch Prof. Johann Pratschke, Charité Universitätsmedizin, Berlin. So betrug der Bedarf an Spenderlebern im Jahr 2011 in Deutschland 2064; transplantiert wurden jedoch nur 1015 Organe. Gegenwärtig versterben etwa 25 % der Lebertransplantierten innerhalb eines Jahres nach der Transplantation. Dagegen ist das 1-Jahres-Überleben beispielsweise in den USA und Großbritannien mit 90 % signifikant besser. Zu den Gründen für das schlechte Ergebnis in Deutschland zählen u. a. die zunehmende Anzahl an kritisch kranken Empfängern und die teilweise qualitativ schlechten Spenderorgane. Deshalb ist die Organknappheit und auch die Verteilungspolitik der Organe eine große Herausforderung, die einen gesellschaftlichen Konsensus verlangt [ 6 ].
Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt am Main
Quelle: Pressesymposium der Chiesi GmbH: „Envarsus® – effektive Tacrolimustherapie mit optimiertem PK-Profil“, 31.10.2014, Berlin
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Literatur
- 1 Nigro V, Glicklich A, Weinberg J. Improved bioavailability of MELTDOSE once-daily formulation of tacrolimus (LCP-Tacro) with controlled agglomeration allows for consistent absorption over 24 hrs: A scintigraphic and pharmacokinetic evaluation. Am J Transplant 2013; 13 (Suppl. 05) 339
- 2 Nigro V et al. AST/ESOT Joint Meeting Oktober 2012, Nizza (Frankreich)
- 3 Bunnapradist S, Ciechanowski K, West-Thielke P et al.; MELT investigators. Conversion from twice-daily tacrolimus to once-daily extended release tacrolimus (LCPT): the phase III randomized MELT trial. Am J Transplant 2013; 13: 760-769
- 4 Budde K, Bunnapradist S, Grinyo JM et al.; Envarsus study group. Novel once-daily extended-release tacrolimus (LCPT) versus twice-daily tacrolimus in de novo kidney transplants: one-year results of phase III, double-blind, randomized trial. Am J Transplant 2014; 14: 2796-2806
- 5 Gaber AO, Alloway RR, Bodziak K et al. Conversion from twice-daily tacrolimus capsules to once-daily extended-release tacrolimus (LCPT): a phase 2 trial of stable renal transplant recipients. Transplantation 2013; 96: 191-197
- 6 Alloway RR, Eckhoff DE, Washburn WK, Teperman LW. Conversion from twice daily tacrolimus capsules to once daily extended-release tacrolimus (LCP-Tacro): phase 2 trial of stable liver transplant recipients. Liver Transpl 2014; 20: 564-575
- 7 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Transplant Work Group. KDIGO clinical practice guideline for the care of kidney transplant recipients. Am J Transplant 2009; 9 (Suppl. 03) S1-S155
- 8 Rostaing L WTC 2014, Poster und Abstract #2160
- 9 Seehofer D, Schöning W, Neuhaus P. Lebertransplantation mit postmortalen Organen. Chirurg 2013; 84: 391-397
- 10 Deutsche Stiftung Organtransplantation Im Internet: http://www.dso.de Stand: 05.12.2014
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nach [ 4 ] BPAR = Biopsy-Proven Acute Rejection