Epidemiologie
Die Inzidenz periprothetischer Frakturen des Hüftgelenks nimmt aufgrund der demografischen
Entwicklung, höherer Lebenserwartung und der steigenden Zahl der implantierten Prothesen
zu. In Europa nimmt Deutschland bei der Anzahl an implantierten Hüftendoprothesen
mit ca. 254 000 im Jahr 2008 eine Spitzenposition ein. Die Revisionsrate lag hier
bei 15,1 % und es wurden insgesamt ca. 45 000 Prothesenwechseloperationen durchgeführt
[6]. In der Literatur variieren die Inzidenzangaben für periprothetische proximale Femurfrakturen
zwischen 0,045 % und mehr als 27,8 % [2], [3], [16], [19], wobei die Anzahl nach primärer Endoprothesenimplantation geringer ist. Die Inzidenz
der periprothetischen proximalen Femurfraktur liegt nach Meek et al. 5 Jahre nach
Implantation einer primären Totalendoprothese bei 0,9 % und 4,2 % bei Revisionsprothesen
[19]. Beals und Tower konnten in einer weiteren Arbeit zeigen, dass ein höheres Risiko,
eine periprothetische Fraktur zu erleiden, nach zementfreier gegenüber der zementierten
Schaftimplantation insbesondere in den ersten 6 Monaten vorliegt [1]. In einer großen Registerstudie konnten Lindahl et al. zeigen, dass die durchschnittliche
Standzeit bis zur Fraktur für die primäre Endoprothese bei 7,4 Jahren liegt. Bei der
Revisionsprothese verringert sich diese Zeit auf 3,9 Jahre und wird mit der steigenden
Anzahl an Revisionsoperationen immer kürzer (3,8 Jahre nach der 2. Revision und 2,3
Jahre nach der 3. Revision) [16].
Risikofaktoren
Bei den Risikofaktoren der periprothetischen Fraktur lassen sich allgemeine von lokalen
Faktoren unterscheiden.
Zu den allgemeinen Risikofaktoren zählen systemische Nebenerkrankungen, die die Knochenqualität
beeinflussen. Hier ist in erster Linie die Osteoporose als einer der häufigsten Risikofaktoren
insbesondere bei Frauen im postmenopausalen Alter zu nennen.
Des Weiteren führt die Abnahme der Koordinationsfähigkeit, Muskulatur und Sinneswahrnehmung
in Kombination mit einer zunehmenden Morbidität des alten Menschen zu rezidivierenden
Sturzereignissen. Diese Stürze sind als Niedrigenergietrauma i. d. R. ursächlich für
eine periprothetische Fraktur. Zusätzlich steigt beim älteren Menschen das Risiko,
eine Fraktur zu erleiden mit der Anzahl der eingenommenen Medikamente [13]. Weitere allgemeine Risikofaktoren stellen die Gruppe der neurodegenerativen Erkrankungen
(z. B. Morbus Parkinson) und die rheumatoide Arthritis dar.
Zu den lokalen Risikofaktoren zählt insbesondere die Schaftlockerung, die durch Reduktion
der Steifigkeit und des Drehmoments zu Frakturen führt [9] ([Abb. 4]).
Abb. 1 Schematische Darstellung der Vancouver-Klassifikation nach Duncan und Masri [4].
Abb. 2 a bis d a 75-jähriger Patient mit Schaftlockerung; b Prothesenwechsel inkl. Trochanterosteotomie und Refixierung des Trochanter major
mittels Drahtcerclage; c 7 Monate später Vorstellung mit persistierenden Beschwerden und Trendelenburg-Hinken.
d Postoperatives Röntgenbild nach Entfernung der Cerclagen und Refixierung des Trochanter
major mittels Trochanterplatte (Trofix, Fa. Zimmer).
Abb. 3 Algorithmus für das therapeutische Vorgehen bei Vancouver-B-Frakturen.
Abb. 4 a bis d Vancouver-Typ-B2-Fraktur bei einer 75-jährigen Patientin nach Sturz in häuslicher
Umgebung auf die rechte Hüfte (a, b). Postoperative Bilder nach Prothesenwechsel auf modulare Revisionsendoprothese (Revitan,
Fa. Zimmer) inkl. Cerclagen und Trochanter-Reattachment Device (Fa. DePuy Synthes;
c, d).
Die Implantationstechnik kann einerseits durch nicht ausreichendes Press Fit bei der
zementfreien Technik und andererseits durch zu starkes Aufbohren oder Aufraspeln im
Verlauf zu Frakturen führen. Die Revisionsendoprothetik besitzt aufgrund von Osteolysen,
verminderter Knochenqualität und -quantität sowie schwieriger Zement- und Implantatentfernungen
mit ggf. notwendiger Osteotomie eine höhere Inzidenz an periprothetischen Frakturen.
Klassifikationen
In den letzten Jahren hat sich im klinischen Alltag bei den periprothetischen Frakturen
am proximalen Femur die sog. Vancouver-Klassifikation nach Duncan und Masri durchgesetzt
[4] ([Abb. 1]). Hier werden mit der anatomischen Lokalisation, der Prothesenstabilität und der
Knochenqualität 3 wesentliche Aspekte für eine therapeutische Intervention berücksichtigt.
Proximale Frakturen im Bereich der Trochanterregion werden hier als Typ-A-Fraktur
bezeichnet, Brüche entlang des Prothesenschafts werden dem Typ B und Frakturen unterhalb
der Prothesenspitze dem Typ C zugeordnet. Frakturen des Typs B werden hier noch weiter
unterteilt, je nach Vorliegen einer stabilen Prothese (Typ B1), lockeren Prothese
(Typ B2) oder lockeren Prothese bei gleichzeitig schlechter Knochenqualität (Typ B3).
Ein Versuch, eine einheitliche Klassifikation für alle Arten der periprothetischen
Fraktur zu erstellen, ist das Unified Classification System (UCS) von Duncan und Haddad
[5] ([Tab. 1]). Hier wird in Typen von A–F jede Möglichkeit des Bruches um eine oder mehrere Prothesen
sowie in einem oder beiden gelenkbildenden Knochen beschrieben.
Tab. 1 Übersichtsdarstellung des United Classification Systems, einer Klassifizierung unabhängig
von der Lokalisation der Prothese nach Duncan und Haddad [5].
Typ
|
Charakteristika
|
A
|
Apophyse/Tuberositas mit Ansatz von Weichteilgewebe
|
B
|
Fraktur im Bereich des Implantatbetts
|
C
|
Fraktur distal oder proximal des Implantatbetts
|
D
|
Knochen mit 2 Gelenkprothesen betroffen
|
E
|
2 Knochen um eine Prothese betroffen
|
F
|
Gelenkfläche, die in Verbindung mit einer Prothese steht, ist betroffen
|
Therapieplanung und Vorbereitung
Therapieplanung und Vorbereitung
Hier muss zwischen intraoperativ aufgetretenen Frakturen, die sofort versorgt werden
müssen, und postoperativen Frakturen unterschieden werden.
Die Auswahl des richtigen Behandlungsverfahrens richtet sich nach Lokalisation der
Fraktur, möglichem Dislokationsgrad, Festigkeit der Prothese und der Knochenqualität,
also den Faktoren, die idealerweise in einer Klassifikation mit abgebildet werden
[26].
Zusätzlich müssen weitere Faktoren wie Anspruch und biologisches Alter des Patienten
und mögliche Nebenerkrankungen berücksichtigt werden. Auch die Anzahl der Voroperationen,
die mögliche zusätzliche endoprothetische Versorgung angrenzender Gelenke sowie auch
die Erfahrung des Operateurs müssen in dem Entscheidungsprozess berücksichtigt werden.
Aufgrund dieser sehr komplexen Situationslage und des zusätzlich meist multimorbiden
Patientenguts sollte die Versorgung dieser Frakturen an speziellen Zentren durchgeführt
werden. Eine sofortige Notfalloperation der periprothetischen Fraktur ist bei offenen
Frakturen, großem Weichteilschaden oder Gefäß- oder Nervenschädigungen erforderlich.
Meist ist jedoch neben einer suffizienten Analgesie eine Ruhigstellung in einer Schiene
oder die Anlage einer Extension ausreichend, um die mehrheitlich multimorbiden Patienten
interdisziplinär optimal auf die Operation vorzubereiten und den Eingriff in den ersten
Tagen nach optimaler Vorbereitung sowie unter optimalen Operationsbedingungen durchführen
zu können. Ziel der operativen Versorgung ist eine möglichst frühfunktionelle Nachbehandlung
unter möglichst belastungsstabilen Verhältnissen.
Behandlungsalgorithmus
Das eigene klinische Vorgehen soll hier an einem Algorithmus anhand der Vancouver-Klassifikation
erläutert werden. Hierbei ist neben der Frakturlokalisation und Morphologie, die sich
im Röntgenbild meist gut darstellen lässt, die Frage der Stabilität der Prothese von
entscheidender Bedeutung. Hier muss auf radiologische Lockerungszeichen wie Saumbildung
um den Prothesenschaft, Osteolysen, Frakturen im Zementmantel und mögliche Zeichen
für Verschleiß geachtet werden (Dezentrierung des Kopfes in der Pfanne etc.). Ein
Vergleich mit Voraufnahmen, wenn vorhanden, sollte immer durchgeführt werden. Zusätzlich
kann auch die Anamnese über belastungsabhängige Schmerzen, Gangunsicherheiten, Stauchungsschmerz
oder Infekt in den Wochen vor der Fraktur Hinweise auf eine mögliche Lockerung liefern.
Zum Ausschluss einer Lockerung kann die Durchführung einer präoperativen Computertomografie
hilfreich sein. Bestehen Zweifel an der Festigkeit der Prothese, muss diese intraoperativ
auf Stabilität überprüft werden und im Zweifel die Prothese gewechselt werden, um
Folgeoperationen zu vermeiden.
Typ-A-Frakturen
Dieser Frakturtyp macht nach Lindahl et al. [17] ca. 2–3 % aller periprothetischen hüftgelenksnahen Frakturen aus und ist meist stabil.
Es wird die Fraktur des Trochanter major (Typ AG) von der des Trochanter minor (Typ AL) unterschieden. Die postoperativ aufgetretene Fraktur des Trochanter major ist eine
Domäne der konservativen Therapie [10], [21]. Hier sollten für 6–12 Wochen forcierte Abduktionsbewegungen vermieden und, wenn
möglich, eine Teilbelastung der betroffenen Extremität durchgeführt werden. Bei persistierenden
Schmerzen, Trendelenburg-Hinken, Instabilitätsgefühl nach Pseudarthrosenausbildung
oder rezidivierenden Luxationen ist jedoch eine Indikation zur operativen Refixierung
gegeben. Ebenfalls ist bei einer Dislokation der Fragmente um mehr als 2 cm die operative
Therapie der konservativen überlegen [21]. Eine intraoperative Fraktur des Trochanter major sollte immer sofort fixiert werden.
Ist die Entscheidung zur operativen Therapie gefallen, stehen verschiedene Cerclage-Techniken,
Plattensysteme und Kombinationen zur Auswahl. Die isolierte periprothetische Fraktur
des Trochanter minor ist hingegen selten und wird in nahezu allen Fällen konservativ
behandelt ([Abb. 2]).
Typ-B-Fraktur
Die Typ-B-Fraktur der Vancouver-Klassifikation stellt mit einer Inzidenz von 88 %
die mit Abstand häufigste Frakturform dar. Hiervon macht die B2-Fraktur mit einem
Bruch im Bereich des Prothesenschafts und gelockerter Prothese wiederum über die Hälfte
aller Fälle aus und ist somit die häufigste periprothetische Fraktur am Hüftgelenk
[17]. Essenziell für die Wahl des richtigen Therapieverfahrens ist hier die Stabilität
der einliegenden Prothese. Nach Anamnese, klinischer Untersuchung sowie radiologischer
Diagnostik kann präoperativ eine Einteilung der Vancouver-B-Fraktur in ihre Subtypen
und die Operationsplanung erfolgen (Algorithmus [Abb. 3]).
Es muss intraoperativ zwingend eine Kontrolle und Reevaluation der Prothesenstabilität
erfolgen, um Folgeoperationen zu vermeiden. Vermeintliche B1-Frakturen können sich
intraoperativ als B2-Frakturen mit gelockerter Prothese herausstellen, deren Lockerung
in der präoperativen Diagnostik nicht nachweisbar war.
Der Operateur muss in der Lage sein, das gewählte Therapieverfahren ggf. auch intraoperativ
von einem Osteosyntheseverfahren auf einen Prothesenwechsel und umgekehrt umstellen
zu können. Dies erfordert einen hohen Grad an Expertise in der Osteosynthese und in
der Endoprothetik sowohl des Operateurs als auch des gesamten Operationsteams und
eine entsprechende Vorhaltung der speziellen Implantate und Prothesen, wie es zumeist
nur an speziellen Zentren zu finden ist.
Die Therapie der B1-Fraktur und somit der stabilen Hüftprothese sollte unter der Verwendung
von Plattenosteosyntheseverfahren erfolgen. Durch die höhere biomechanische Stabilität
ist bei winkelstabilen Plattensystemen zumeist die sofortige Mobilisation mit Teilbelastung
möglich. Hier konnten in der Literatur gute Heilungsraten von bis zu 91 % erreicht
werden [8]. Entscheidend für die Osteosynthese ist, dass das distale Prothesenende um mindestens
2 Femurschaftbreiten überbrückt wird [24]. Sowohl proximal als auch distal der Fraktur sollten für eine stabile Versorgung
8 Kortikales gefasst werden. Hierbei ist auch auf eine ausreichende Länge der Platten
zu achten und auf einen ausreichenden Abstand der Schrauben vom Frakturspalt, damit
die Osteosynthese nicht zu rigide wird und es zur Ausbildung von Pseudarthrosen kommt.
Heute gibt es moderne winkelstabile Plattensysteme, welche speziell für die periprothetische
Fraktur entwickelt wurden und sich u. a. durch polyaxiale Winkelstabilität auszeichnen
[22], [26]. Dies ermöglicht das Einbringen und Platzieren von Schrauben am Schaft der Prothese
vorbei bikortikal im Knochen. Studien konnten deutliche biomechanische Vorteile dieser
bikortikalen Schraubenfixierung der Platte gegenüber einer Fixierung mit monokortikalen
Schrauben oder Cerclagen nachweisen [14]. Ein Beispiel für diese speziellen Plattensysteme ist die „Non-Contact Bridging
Plate“ bzw. „Non-Contact Periprosthetic Plate“ der Firma Zimmer (Warsaw, IN, USA).
Hier kann der Operateur, je nach Lokalisation am Femur, zwischen mehreren anatomisch
präformierten Platten unterschiedlicher Länge wählen. Es besteht eine diagonale Dreilochanordnung
und es ist eine polyaxiale Winkelstabilität mit einer Angulation von maximal 30° möglich.
Eine Alternative ist die „Variable Angle Locking Compression Plate“ der Firma DePuy
Synthes (Solothurn, Schweiz). Diese bietet in Kombination mit der „Locking Attachment
Plate“ und weiteren Kombinationsplatten ebenfalls die Möglichkeit der polyaxialen
Winkelstabilität an jeder Lokalisation des Femurs. Diese Implantate können dann teils
auch minimalinvasiv über Zielbügel eingeschoben werden und ermöglichen somit eine
weichteilschonende Operationstechnik. Des Weiteren ist eine zusätzliche Kombinationsmöglichkeit
der Plattenosteosynthese mit Cerclagesystemen zur zusätzlichen Fragmentfixierung möglich.
Neben der herkömmlichen Drahtcerclage hat sich in den letzten Jahren zunehmend die
Kabelcerclage aufgrund einer standardisierten und einfachen Anlage sowie der hohen
Versagenslast etabliert [25]. Lenz et al. konnten hier in einer biomechanischen Testreihe zeigen, dass die Kombination
aus Kabelcerclage und einer doppelt um den Knochen gelegten Schlinge die stabilste
Fragmentfixierung aufwies [15]. Bei zementierten Schäften sollten spezielle größere Zementbohrer zur Vermeidung
von Rissen im Zementmantel benutzt werden [11]. Bei Patienten mit Vancouver-B1- oder -C-Fraktur und zusätzlich schlechter Knochenqualität
oder Defekten bei Osteoporose ist ggf. zur Gewährleistung einer belastungs- oder übungsstabilen
Situation eine Doppelplattenosteosynthese mit einer zusätzlichen medialen oder ventralen
Platte indiziert [22].
Bei den Vancouver-Typ-B2-Frakturen ist ein Prothesenwechsel auf einen diaphysär verankernden
Schaft indiziert.
Um die Prothese stabil zu verankern, sollte die Fraktur um mindestens 2 Femurschaftbreiten
(mindestens 7–10 cm) von der Prothesenspitze überragt werden ([Abb. 4]). Eine zu lange Prothese sollte jedoch nicht gewählt werden, da das kürzeste stabile
Implantat die besten Langzeitergebnisse liefert [10], [23]. Eine Alternative sind proximal verankernde Schäfte mit distaler Verriegelung. Diese
Verriegelung wird nach ca. 6–9 Monaten entfernt und ermöglicht ein nachträgliches
Einsintern der Prothese nach Frakturheilung und somit eine proximale Verankerung.
Ein Nachteil ist jedoch die zusätzliche Schwächung des Knochens durch das Bohrloch
mit der Gefahr einer zusätzlichen Fraktur [10]. Die Reposition und Fragmentsicherung an den Prothesenschaft kann durch Cerclagen
erfolgen. Ein Prothesenwechsel ist prinzipiell zementiert und zementfrei möglich.
Der Nachteil des zementierten Wechsels bei der periprothetischen Fraktur ist die Möglichkeit
der Ausbildung von Pseudarthrosen, da der Zement in die Frakturspalten eindringen
kann und so eine suffiziente Knochenheilung erschwert. Deshalb ist ein zementierter
Wechsel nur bei alten Patienten mit deutlich verminderter Knochenqualität zu empfehlen
[24]. Prinzipiell lassen sich mit der modularen Revisionsprothese und der nicht modularen
Langschaftprothese 2 Formen der Revisionsprothese für die periprothetische Fraktur
unterscheiden. Bei den modularen Prothesen ergibt sich der Vorteil, dass durch die
schrittweise Implantation der Prothese eine Anpassung an die individuellen und frakturbedingten
Gegebenheiten möglich ist. Schwachpunkte dieser Prothesen sind jedoch die Verbindungsstellen
zwischen den Komponenten, die in einigen Arbeiten zu einem sog. „fretting“, einem
vermehrten Schwingreibungsverschleiß und so zu Osteolysen geführt hat [10], [20], [27].
Die Typ-B3-Fraktur ist durch eine gelockerte Prothese mit zusätzlich verminderter
Knochenqualität oder Verlust an Knochenmasse gekennzeichnet. Hier kommen dann zumeist
modulare Revisions- oder Tumorprothesen bis hin zum kompletten Ersatz des Femurs zum
Einsatz ([Abb. 5]). Um eine stabile Verankerung zu gewährleisten, gelten die gleichen Prinzipien wie
für den bereits zuvor beschriebenen Prothesenwechsel auf diaphysär verankernde Schäfte
bei B2-Frakturen. Aufgrund des Vorteils der sofortigen Belastungsstabilität wird jedoch
bei schlechter Knochenqualität ein zementierter Ersatz des proximalen Femurs und je
nach Situation sogar des gesamten Femurs von einigen Autoren empfohlen [10], [12], [18]. Beim Ersatz des proximalen Femurs kommt es zum Verlust der Muskelansätze, die durch
spezielle Anbindungsschläuche an die Prothese fixiert werden müssen. Zusätzlich kommen
als Luxationsschutz größere Köpfe und überhöhte Inlays oder Pfannen zum Einsatz. McLean
et al. konnten hier in einer Arbeit zeigen, dass der Ersatz des proximalen und sogar
des totalen Femurs zu guten klinischen Ergebnissen nach periprothetischer Fraktur
und schlechter Knochenqualität führen kann [18].
Abb. 5 a bis d Vancouver-B3-Fraktur mit Prothesenbruch einer zementierten Langschaftprothese. Im
Bereich des proximalen Femurs ist eine deutliche Saumbildung als Zeichen für eine
Lockerung zu erkennen. Ebenfalls besteht bereits fortgeschrittene Gonarthrose (a). Intraoperativ deutlich verminderte Knochenqualität (b, c). Postoperatives Bild des totalen Femurersatzes (MUTARS Fa. Implantcast; d).
Typ-C-Fraktur
Dieser Frakturtyp findet sich außerhalb des Verankerungsbereichs der Prothese und
wird wie die B1-Fraktur mittels Plattenosteosynthese versorgt.
Es gelten hier die gleichen Versorgungsprinzipien für die Plattenfixierung im Bereich
des Prothesenschafts wie für die B1-Fraktur. Es sollte ebenfalls eine möglichst belastungsstabile
Situation ggf. auch mittels Doppelplattenosteosynthese angestrebt werden (s. [Abb. 6]). Zur besseren Verankerung der Schrauben kann insbesondere am distalen Femur bei
osteoporotischem Knochen ggf. eine Augmentierung des Implantatlagers erfolgen. Dies
hat eine Erhöhung der Stabilität durch Vergrößerung des Knochen-Implantat-Interfaces
durch Ummantelung mit Knochenzement zur Folge [26]. In seltenen Fällen ist eine Osteosynthese auch mit einem retrograden Verriegelungsnagel
indiziert.
Abb. 6 Fraktur Vancouver Typ C mit stabiler Prothese. Zunächst anatomische Reposition und
Osteosynthese mittels freier 3,5-mm-Schraube dann Doppelplattenosteosynthese mittels
12-Loch-NCP-PP (Fa. Zimmer) und 12-Loch-3,5-mm-LCP (Fa. DePuy Synthes).
Prävention
Um der zu erwartenden weltweiten Zunahme der periprothetischen Fraktur zu begegnen,
sollte in den nächsten Jahren der Prävention ein zunehmender Stellenwert eingeräumt
werden.
Der Ansatz sollte hier interdisziplinär und multimodal sein. Es gilt zum einen, beim
alten Menschen Sturzereignisse zu verhindern, indem begünstigende Komorbiditäten wie
z. B. neurodegenerative, ophthalmologische oder kardiovaskuläre Erkrankungen möglichst
optimal therapiert und eingestellt werden.
Die Osteoporose als ein Hauptfaktor für die schlechte Knochenqualität und damit für
Frakturen muss leitliniengerecht therapiert werden.
Des Weiteren gilt es, durch regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen der Patienten eine
schlechte Knochenqualität und Lockerungen von Endoprothesen zu detektieren, bevor
es zum Frakturereignis kommt. Studien konnten zeigen, dass auch eine interdisziplinäre
Betreuung der meist geriatrischen Patienten nach erlittener Fraktur zu einem besseren
Outcome und kürzeren stationären Aufenthalten führt [7].
Schlussfolgerungen
-
Die Inzidenz periprothetischer Frakturen des Hüftgelenks nimmt aufgrund der demografischen
Entwicklung, höherer Lebenserwartung und der steigenden Zahl der implantierten Prothesen
zu.
-
Die Osteoporose als ein Hauptfaktor für die schlechte Knochenqualität, geriatrische
Begleiterkrankungen und häufig mehrfache endoprothetische Versorgung führen beim alten
Patienten zu einem erhöhten Risiko für periprothetische Frakturen und erfordern ein
komplexes Management.
-
Bei den Risikofaktoren für eine periprothetische Fraktur lassen sich allgemeine von
lokalen Faktoren unterscheiden.
-
Die Auswahl des richtigen Behandlungsverfahrens richtet sich nach Klassifikation und
Lokalisation der Fraktur, möglichem Dislokationsgrad, Festigkeit der Prothese und
der Knochenqualität.
-
Unabdingbar ist eine regelmäßige Kontrolle der Patienten mit Prothese, um eine Lockerung
der Implantate, geminderte Knochenqualität oder Sturzneigung frühzeitig zu erkennen
und zu behandeln, bevor es zum Frakturereignis kommt.