Psychother Psychosom Med Psychol 2015; 65(08): 296-303
DOI: 10.1055/s-0035-1545310
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Anpassung an ein belastendes Ereignis im Paar: Depressionen beim Partner als Risiko für das Auftreten von Anpassungsstörungen

Adjustment to a Stressful Event in the Couple: Depression of the Partner as Risk for Adjustment Disorder
Andrea B. Horn
1   Psychopathologie und Klinische Intervention, Universität Zürich, Schweiz
,
Andreas Maercker
1   Psychopathologie und Klinische Intervention, Universität Zürich, Schweiz
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Publikationsverlauf

eingereicht 14. August 2014

akzeptiert 23. Januar 2015

Publikationsdatum:
30. März 2015 (online)

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Zusammenfassung

Maladaptive Reaktionen auf ein belastendes Ereignis, die die Diagnose für eine Anpassungsstörung legitimieren, sind häufig und einschränkend. Wenig ist darüber bekannt, inwiefern der soziale Kontext ein Risiko für eine klinisch bedeutsame Anpassungsproblematik darstellt. Es liegt nahe dies zu erwarten, da bereits bekannt ist, dass Depressionen das Kommunikationsverhalten im Paar ändern und Unterstützungs-Ressourcen verschlechtern. Ziel dieser Studie ist zu untersuchen, inwiefern klinisch bedeutsame Depressionen des Partners das Risiko einer Anpassungsstörung nach dem Konzept der Stress-Response-Störung erhöht. Weiterhin soll unter einer dimensionalen Perspektive analysiert werden, ob eine erhöhte Anzahl depressiver Symptome beim Partner mit mehr Anpassungsstörungssymptomen einhergeht. Dieser Zusammenhang soll kontrolliert für die depressiven Symptome des Betroffenen untersucht werden, wodurch reine depressive Ansteckung im Paar ausgeschlossen werden kann und klar stressorbezogene Reaktionen isoliert werden. Im Rahmen einer Online-Paarstudie gaben 294 Personen (entsprechen 147 Paaren) an, ob sie im letzten Jahr ein Ereignis erlebten, dass Sie noch heute bedeutsam belastet. 152 Studienteilnehmende gaben ein derartiges Ereignis an. Davon 28 Personen erreichten im Fragebogen „Adjustment Disorder New Module“ eine Verdachtsdiagnose für Anpassungsstörungen. 14 Partner erreichten in der Allgemeinen Depressionsskale Werte über dem Cut-off von 23. Das Risiko für eine Anpassungsstörung ist erhöht, wenn der weibliche Partner signifikante Depressionswerte aufweist (OR 7,13), die Depression des männlichen Partners zeigt in dieser Studie keine Zusammenhänge. Auf dimensionaler Ebene zeigt sich ein positiver linearer Zusammenhang zwischen Anzahl der depressiven Symptome des weiblichen Partners und der Anpassungssymptomatik Präokkupation (gedankliche Verhaftung an den Stressor). Die depressive Belastung des Partners spielt eine wichtige Rolle bei der Frage, ob sich nach einem belastenden Ereignis klinisch bedeutsame maladaptive Reaktionen zeigen. Dies gilt insbesondere für Männer, bei Frauen konnten diese Zusammenhänge in der Studie nicht beobachtet werden. Insgesamt können die Ergebnisse als weitere Ermunterung gesehen werden, in Forschung und im klinischen Alltag den interpersonellen Kontext des Betroffenen entsprechend zu berücksichtigen und gegebenenfalls gezielt zu stützen.

Abstract

Maladaptive reactions on stressful experiences justifying a diagnosis of adjustment disorder have high prevalence. Little is known about the possible risk for clinically significant maladaptation that results from the social context. The literature on the effects of depression on communication and altered support conditions in couples is suggesting this. Aim of this study was to investigate whether clinically significant depression in the romantic partner is a risk factor for adjustment disorder following a concept of stress-response disorder. Furthermore, from a dimensional point of view a possible positive association between depressive symptoms in the partner and own adjustment symptom was studied. Thereby, own depressive symptoms were controlled for in order to exclude mere depressive contagion and isolate stress-related responses. In an online-couple-study N=294 participants (N=147 couples) reported whether or not they had experienced a stressful event that is still bothering them. N=152 participants reported such an event. N=28 of this group reached the threshold of a possible diagnosis with the screening questionnaire “Adjustment disorder New Module”. N=14 romantic partners reported depressive symptoms above the cut-off of the CES-D. The risk for an adjustment disorder is elevated if the female partner reports a clinically significant level of depressive symptoms (OR 7.13). This was only true when female partners were depressed, the depression of male partners did not show any significant associations. Accordingly, dimensionally there is a positive association between depressive symptoms of the female partner and adjustment symptoms of preoccupation (stressor-related repetitive negative thoughts). Depression of the romantic partner seems to be a significant risk factor for maladaptive reactions on a stressful event. This was particularly true for male participants of the study. To sum up, results encourage taking up an interpersonal perspective in research and clinical interventions.