Naturvölker sind Barfuß- oder Sandalengeher, allein hierdurch wird der Fuß natürlich
über Ferse und Vorfuß abgerollt, die Waden-/Achillessehnen sind optimal gedehnt, sodass
auch in der Hocke der Fuß stabil in ganzer Länge am Boden haften kann. Mit Ausgang
des Mittelalters haben wir dieses natürliche Verhalten geändert, der Absatzschuh machte
Karriere, man konnte sich auf diese Weise besser in Position bringen ([Abb. 1]). Der Gang veränderte sich in das absatzbetonte Vorfußgehen, bei dem die Beine nur
noch einseitig frontal ausgerichtet sind, der energiefördernde Gegenschwung aber auf
der Strecke blieb.
Abb. 1 Hohe Absatzschuhe provozieren Waden-und Achillessehnenverkürzungen, die die natürliche
Entspannungshocke nicht mehr zulassen.
Zivilisierter „Stuhlgang“ mit negativen Folgen
Der absatzbetonte Schuh hat aber nicht nur das Gehen des Menschen verändert, sondern
auch die Bodenarbeiten erschwert. Denn die Absatzerhöhung geht einher mit einer zunehmenden
Verkürzung der Waden- und Achillessehen, sodass in der tiefen Hockstellung nicht mehr
beide Füße fest mit den Fersen am Boden verankert werden können ([Abb. 2]). In tiefer Arbeitshocke ist man also gezwungen, die Fersen anzuheben, auf den Vorfüßen
zu balancieren und meniskusbelastend die Kniegelenke nach außen zu drehen. Durch die
erzwungene Außenrotation unter Körperbelastung degenerieren die Innenmenisken derart,
dass häufig schon ein Bagatellunfall im Sinne der einfachen Knieverdrehung genügt,
einen Meniskusriss hervorzurufen.
Aber auch die tägliche Darmentleerung mehr oder weniger in „freier Wildbahn“ erwies
sich plötzlich als problematisch, weil die verkürzten Waden- und Achillessehnen nur
noch eine mühevolle Krampfhocke zuließen. Der Moment für einen völlig neuen „Stuhlgang“
im wahrsten Sinne des Wortes war gekommen, denn der zivilisierte Mensch war jetzt
auch darauf bedacht, die Minuten dieser Abgeschiedenheit mit mehr Bequemlichkeit und
Komfort zu gestalten. Aus einer natürlichen täglichen Verrichtung wurde ein ganz bestimmter
„Stuhlgang“, allerdings mit negativen Folgen für die Gesundheit.
Der einsame „Sitzthron“ in täglicher Wiederholung wurde „erkauft“ durch die blutdrucksteigernde
Pressatmung. Nicht selten wird der Notarzt wegen eines tödlichen Herzinfarktes auf
einem stillen Örtchen gerufen. In der Sportmedizin warnt man schon lange vor der Pressatmung
bei einfachen Liegestützen und die negativen Folgen auf die menschliche Gesundheit.
Abb. 2 Tiefe Hocke. a) Natürliche Entspannungshocke, b) Europäische „Krampfhocke“.
Probleme der Pressatmung beim Valsalva-Manöver
Jede Form der Pressatmung stellt eine Sauerstoffkrise im Körper dar. Durch unsere
falschen Toilettengewohnheiten findet dieses Manöver bis zum 50. Lebensjahr praktisch
bei jedem von uns 73 000 Mal statt, wenn auf der Sitztoilette täglich 4-mal pro Sitzung
das Valsalva-Manöver praktiziert wird ([Tab. 1]).
Tab. 1 Auftretende Probleme der Pressatmung beim Valsalva-Manöver.
Mit der Einführung der heutigen Sitztoiletten Mitte des 19. Jahrhunderts war auch
ein Anstieg der Blinddarmentzündungen zu verzeichnen, die bis dahin praktisch unbekannt
waren. 1886 wurde erstmalig die Diagnose „Appendizitis“ durch Prof. Reginald Heber
Fritz von der Harvard Universität gestellt und er war auch der Erste, der die operative
Entfernung des entzündeten Dickdarmfortsatzes empfahl. Mit einer grundsätzlichen unnatürlichen
Verhaltensänderung begann also der Anstieg von Blinddarmentzündungen als eine der
ersten Zivilisationserkrankungen. Was macht der Mensch auf der Sitztoilette anders,
als der Naturmensch in „freier Wildbahn“? Auf der Sitztoilette sind, im Vergleich
zur freien Hocke, die Hüftgelenke um 90° gebeugt, sodass die Oberschenkel weit vom
Körper entfernt eingestellt sind. In der natürlichen Hocksitzhaltung dagegen sind
die Hüftgelenke maximal gebeugt, sodass beide Oberschenkel intensiv gegen die Bauchwand
gepresst werden, dabei drückt der rechte Oberschenkel gegen das Coecum (Grimmdarm)
als Teil des aufsteigenden Dickdarms und der linke Oberschenkel gegen den absteigenden
Dickdarm mit der Sigmaschlinge. Allerdings werden im vorgerückten Alter gute Ernährung
und Fehlbelastungen im Knie Veränderungen hinterlassen haben, sodass die freie Hocke
nicht mehr praktizierbar ist. Hilfreich ist dann ein Hocker vor der Toilette, der
die Oberschenkel so weit anhebt, dass der Oberschenkeldruck mit gebeugtem Oberkörper
und durch den Zug mit den Armen möglich ist.
In der unnatürlichen Sitzhaltung auf der modernen Wassertoilette fällt die äußere
Kompression durch die Oberschenkel vollständig weg. Der tägliche Toilettengang wird
so zu einem Drücken aus dem Kopf heraus, mit gepresstem Atem wird das Zwerchfell nach
unten in den Bauchraum gedrückt, nur so kann die Darmpassage beschleunigt werden Die
negativen Folgen aus diesem Verhalten sind leicht nachvollziehbar, denn dieses Valsalva-Manöver
fördert nicht die Stuhlentleerung, sie erhöht vielmehr den Druck in die Gegenrichtung.
Am stärksten wird in westlichen Ländern das Valsalva-Manöver bei der Geburt praktiziert,
dabei wird allerdings im Liegen oder in Halb-Sitzposition der Geburtskanal um 20–30 %
eingeengt im Vergleich zur natürlichen Hocksitzhaltung. Diesen Widerstand gilt es
zu überwinden, der Kopf des Babys wird in den verengten Geburtskanal hineingepresst,
oft unterstützt durch Zangen oder Saugglocken, dabei müssen vielfach Verletzungen
teuer „erkauft“ werden.
Erkrankungen von Dünn- und Dickdarm
Die erste Druckwelle von oben herab trifft auf den Grimmdarm (Coecum) mit dem Blinddarm.
Stuhlanteile werden so über einen Kanal ins Lumen gedrückt und können jederzeit eine
Blinddarmentzündung (Appendizitis) in Erscheinung treten lassen. Eine weitere Druckwelle
über das Pressen kann die Ileocoecalklappe zum Dünndarm öffnen, ein Ventil, das normalerweise
in dieser Situation geschlossen ist. Damit fließen Stuhlanteile in den Dünndarm zurück,
die hier zu Entzündungen führen können – wahrscheinlich die wesentliche Ursache für
die Entstehung der Ileitis terminali (Dünndarmentzündung) und des Morbus Crohn.
Ferner kann die Druckerhöhung durch Pressatmung die Entstehung von Divertikeln des
Dickdarms bewirken, besonders im Bereich des Sigmas. Durch den fehlenden Oberschenkeldruck
bei der Darmentleerung erhöht sich neben dem Druck auch der Knickwinkel im Sigma,
sodass die Ausscheidungsmenge sich auf den geringen Darmanteil unterhalb der Abknickung
beschränkt. Gleichzeitig presst das Valsalva-Manöver Stuhlreste in die Divertikel,
die häufig entzündliche Veränderungen provozieren. Eine solche Divertikulitis ist
vergleichbar mit der Appendizitis, wobei auf lange Sicht betrachtet jedes Divertikel
auch bösartig entarten kann.
Auch die Tendenz zu Leistenbrüchen (direkte und indirekte Hernien) ist nicht allein
anlagebedingt, sondern auch im Zusammenhang mit einem erhöhten Pressdruck im Bauchraum
zu sehen. Dies gilt auch für die Zwerchfellhernie in Zusammenhang mit der Refluxösophagitis
(GERD – Gastroesophagal Reflux Disease), bei der Magensäure in die Speiseröhre gelangen
kann, eine klare Präkanzerose. Im American Journal of Clinical Nutrition hat bereits
1981 D. Burkitt auf der Basis des gemessenen erhöhten Bauchhöhlendrucks bei der Stuhlentleerung
den Zusammenhang mit westlichen Sitztoiletten und der Entstehung von Hiatushernien
nachgewiesen. In radiologischen Untersuchungen ist dokumentiert, dass Hiatushernien
bei 20 % der nordamerikanischen Bevölkerung auftreten, was auch für die wirtschaftlich
entwickelten Gebiete in Westeuropa gilt. In umfangreichen radiologischen Kontrastuntersuchungen
zeigten sich in Afrika weit weniger Hiatusfälle, in Kenia 1 Person auf 1000, in Nigeria
4 von 1030, in Tansania 1 von 700 [1].
Auch der Dickdarmkrebs steht mit dem Hang zur Verstopfung in Zusammenhang, ein typisches
Zeichen im Stresszeitalter. Der knapp 2 Meter lange Dickdarmschlauch befördert seinen
Inhalt durch Wandpulsationen in Richtung Ausgang, wobei ständig Wasser rückresorbiert
wird. Ist die Passage durch unnatürliches Verhalten gestört, so kann sich der Stuhl
zementartig durch die Austrocknung verhärten und an den Darmwänden festsetzen. Allein
in den USA erkranken im Jahr ca. 150 000 Menschen an Darmkrebs.
Exzessives Pressen bei der Stuhlentleerung provoziert zudem Hämorrhoiden, hierunter
leiden in westlichen Ländern bis zu 50 % der Menschen über 40 Jahren. Auch die üblichen
Geburtsvorgänge in westlichen Ländern werden von überaus starken Valsalva-Manövern
beherrscht, sodass es nicht überrascht, wenn viele Mütter sich nach einer Geburt jahrelang
mit Hämorrhoiden herumplagen müssen.
Erkrankungen des Beckenbodens
Die Muskel-Sehnenplatte des Beckenbodens wird wesentlich vom Pudendusnerv gesteuert,
der neben motorischen auch über parasympathische Fasern verfügt. Dieser Nerv steuert
nachhaltig die Funktionen der Gebärmutter mit den Adnexen (Eierstöcke und Eileiter),
die Prostata, aber auch die Stabilität des gesamten Beckenbodens. Durch das wiederholte
Valsalva-Manöver auf den herkömmlichen Toiletten kommt es neben der Insuffizienz des
Beckenbodens auch zu einer Druckschädigung des Pudendusnerven. Damit verlieren insbesondere
die weiblichen Beckenorgane ihr „Gedächtnis“, Hormonstörungen treten in den Vordergrund,
wie sie aktuell in westlichen Ländern an Bedeutung gewinnen.
Die Endometriose, eine schmerzhafte, chronische Erkrankung bei jungen Frauen ist die
Folge eines falschen Zellverhaltens, wenn Zellen ihre nervliche Steuerung zum Gehirn
verlieren. Diese gestörten Zellen erreichen nicht die Gebärmutter, sie wandern ab
und siedeln sich in anderen Organen an. Auf diese Weise können auch Gebärmuttermyome
oder gar Krebs entstehen. An der Endometriose leiden allein in den USA und Kanada
5 ½ Millionen Frauen und Mädchen und weitere Millionen weltweit, belegt durch Zahlen
der „Endometriosis Association“. Allein in den USA werden pro Jahr mehr als 600 000
Gebärmutterentfernungen durchgeführt, das sind ein Drittel aller 60-Jährigen [2].
Die Harnblaseninkontinenz und andere Vorfälle betreffen Frauen in besonderer Weise,
weil neben der Schädigung des Beckenbodens durch das wiederholte Valsalva-Manöver
auch die natürlichen weiblichen Lücken des Beckenbodens berücksichtigt werden müssen,
hervorgerufen durch den Vaginalkanal. Die ständigen Pressvorgänge auf den westlichen
Toiletten bewirken Beckenorganvorfälle: Gebärmutter-, Harnblasen- (Zystozele), Mastdarm-
(Rektozele) und Darmvorfälle (Enterozele).
Die Prostata und Harnblase werden ebenso vom Pudendusnerv kontrolliert, der aus dem
Kreuzbein in die Beckenregion und parallel zur Wirbelsäule in die Dammregion gelangt.
Beim druckgeschädigten Nerven durch wiederholtes Pressen wird die nervöse Steuerung
der Prostata unterbrochen, was unweigerlich mit Funktionsstörungen verbunden ist.
Zu Beginn zeigt sich in der Regel eine Vergrößerung der Prostata, es folgen Entzündungen
bis zum weit verbreiteten Prostatakrebs im vorgerückten Alter. Der Pudendusnerv verläuft
durch den Beckenboden, diese Muskelplatte kann das tägliche Valsalva-Manöver dauerhaft
nicht kompensieren, sie wird überdehnt. Dabei sind speziell die Nerven betroffen,
weil sie über kein Dehnungsvermögen verfügen, eine Überdehnung um 12 % zerstört bereits
das Nervengewebe. Auf diese Weise verliert der Pudendusnerv seine nervöse Kontrolle
über die Prostata, die Harnblase und über die weiblichen Beckenorgane.
Ein Lösungsansatz: die „Saigonhocke“
Die „Saigonhocke“ ist eine tiefe, natürliche Entspannungshocke, meine langjährige
Erfahrung aus dem Vietnamkrieg als Chirurg. Sie bietet ein Musterbeispiel optimaler
Entspannung: einmal für den Rücken mit seiner Muskulatur bei gleichzeitiger Erweiterung
des Spinalkanals, zum anderen ist sie eine Lösung gegen Waden- und Achillessehnenstress.
Um die freie „Saigonhocke“ auf die Beine zu bringen, hilft zunächst ein einfacher
Schemel. Erlernt wird die Hocke vor einer geöffneten Tür, man hält sich mit den Händen
an den Türgriffen und geht in die Hocke, die Füße stehen parallel, die Fersen fest
am Boden, das Becken wird maximal abgesenkt, um den Rücken zu runden. Spannt man jetzt
mehrmals nacheinander kurz die Waden an, werden auch hierdurch die Achillessehnen
elastischer ([Abb. 3]). Beim Partnerstretching halten Sie mit gekrallten Händen den Partner, gehen mit
gestreckten Armen in die tiefe Hocke und verlagern die Wirbelsäule nach hinten. Jetzt
schaukeln Sie gemeinsam vor und zurück und intensivieren so die Entspannung des Rückens.
Abb. 3 Einübung der natürlichen Entspannungshocke durch Tür- und Partnerunterstützung.